L 1 LW 23/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 14/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 LW 23/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 3/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gegen die Neuberechnung einer Altersrente eines verheirateten Landwirts unter Zugrundelegung des niedrigeren Umrechnungsfaktors für Unverheiratete ab dem Zeitpunkt des Bezugs einer Rente durch den Ehegatten nach dem ALG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23. August 2012 wird aufgehoben.

II. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 22. März 2012 wird insoweit aufgehoben, als der Bescheid vom 29. Oktober 2001 ab 1. Januar 2012 bis 31. Januar 2012 zurückgenommen und ein Betrag von 106,77 Euro zurückgefordert wurde.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente für Landwirte und eine Rentenrückforderung in Höhe von 106,77 Euro.

Mit Antrag vom 19. Juli 2001 begehrte der 1936 geborene Kläger, der ab
1. November 1966 bis 30. September 2000 insgesamt 407 Kalendermonate mit anrechenbaren Beitragszeiten bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer zurückgelegt hat, Altersrente ab dem 65. Lebensjahr von der Beklagten. Der Kläger ist seit 1. April 1970 mit der 1951 geborenen M. A. verheiratet.

Der Kläger gab im Antragsformular an, er und sein Ehegatte bezögen keine Rente aus der Alterssicherung der Landwirte und hätten auch keine beantragt. In der vom Kläger unterzeichneten Anlage B des Rentenantrags "Mitwirkungs- und Meldepflichten" wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger alle für die Leistung erheblichen Tatsachen anzugeben und Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien, unverzüglich der Alterskasse zu melden habe.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 29. Oktober 2001 Altersrente an Landwirte gemäß § 11 Abs. 1 ALG ab 1. November 2001 in Höhe von anfänglich 997,70 DM. Sie legte dabei in der Rentenberechnung den Umrechnungsfaktor für Verheiratete zu Grunde. Dem Bescheid war die Anlage "Hinweise und Meldepflichten" beigefügt. Hierin wurde der Kläger erneut darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Meldetatbestand die Beantragung und Gewährung einer Rente an den Ehegatten sei. Mit aktenkundigen Rentenanpassungsmitteilungen 2005, 2007, 2008, 2009 und 2011 wurde die Rente des Klägers erhöht, zuletzt auf 557,51 Euro (brutto)/500,92 Euro (Auszahlungsbetrag). Auf der Rückseite der Rentenanpassungsmitteilungen waren jeweils wieder die Mitwirkungs- und Meldepflichten abgedruckt.

Mit Bescheid vom 3. Januar 2012 bewilligte die Beklagte der Ehefrau des Klägers auf ihren Antrag vom 3. Januar 2012 hin eine vorzeitige Altersrente ab 1. Januar 2012.

Mit angefochtenem Bescheid vom 3. Januar 2012 hob die Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers den Bescheid vom 29. Oktober 2001 unter Hinweis auf § 48 SGB X teilweise hinsichtlich der Leistungshöhe ab dem 1. Januar 2012 auf. Der Bruttobetrag der Rente wurde ab 1. Februar 2012 auf 438,76 Euro festgesetzt. Der für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. Januar 2012 überzahlte Betrag in Höhe von 106,77 Euro werde zurückgefordert.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 sei dem Kläger Regelaltersrente auf der Grundlage der Berechnung für einen verheirateten Berechtigten gewährt worden. Seit 1. Januar 2012 beziehe nun auch seine Ehegattin eine Rente von der Alterskasse. Bezögen beide Ehegatten Leistungen aus der landwirtschaftlichen Alterskasse, so sei die Rente neu zu berechnen, indem für die Berechnung des Zuschlags der Umrechnungsfaktor für Unverheiratete zu Grunde zu legen sei (§ 97 Abs. 2, 3 ALG). Der Bescheid vom 29. Oktober 2001 sei deshalb mit der Maßgabe aufzuheben, dass dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2012 seine Regelaltersrente auf der Grundlage der Berechnung für unverheiratete Berechtigte zustehe. Der überzahlte Betrag in Höhe von 106,77 Euro werde von der laufenden Rentenzahlung einbehalten. Dem Bescheid ist in einer Anlage eine Rentenberechnung beigefügt.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, Rentenansprüche und
-anwartschaften würden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG erfasst. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2010 sei für den Kläger eine eigentumsrechtliche Position geschaffen worden. Ein Eingriff in diese Position sei nicht möglich, da dies einer Enteignung entsprechen würde. § 97 Abs. 3 ALG sei damit verfassungswidrig. Es würde dadurch nicht nur eine Rentenanwartschaft, sondern ein konkret verbeschiedener Rentenanspruch entzogen. Eine Rechtfertigung hierfür sei nicht ersichtlich. Der Eingriff sei auch unverhältnismäßig, da der bisherige Rentenanspruch von 500,92 Euro netto um 106,77 Euro, mithin um 21,32 %, vermindert würde. Ein sachlicher Grund hierfür sei nicht zu erkennen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde auf § 97 Abs. 2 ALG verwiesen, wonach ein verheirateter Landwirt bei der Ermittlung einer Rente nach dem ab 1. Januar 1995 geltenden Recht als unverheiratet gelte, sofern er verheiratet sei und sein Ehegatte auch Anspruch auf eine Rente habe. Der Zuschlag sei dann gemäß § 97 Abs. 3 S. 3 ALG neu zu berechnen. Die Ehefrau des Klägers beziehe aufgrund des Bescheids vom 3. Januar 2012 ab 1. Januar 2012 vorzeitige Altersrente. Daher sei die Rente des Klägers ab 1. Mai 2007 in der Höhe eines unverheirateten Berechtigten zu berechnen. Zur Begründung der rückwirkenden Aufhebung wurde auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X verwiesen. Die wesentliche Änderung liege in der Zahlung der vorzeitigen Altersrente an die Ehefrau des Klägers. Hierdurch habe diese Einkommen erzielt, das zur Minderung der Rente des Klägers führe. Das Einkommen müsse nicht vom Kläger selbst erzielt werden. Es sei ausreichend, dass sich ein Einkommen anderer Personen mindernd auf den Anspruch des Klägers auswirke. Auf eine Entscheidung des SG Braunschweig vom 19. April 2002 wurde Bezug genommen. Der Kläger sei sowohl im Bewilligungsbescheid vom 29. Januar 2001 (gemeint ist 29. Oktober 2001) als auch in den Rentenanpassungsmitteilungen darauf hingewiesen worden, dass die Gewährung einer Rente der Alterskasse an einen Ehegatten unverzüglich der Beklagten zu melden sei. Dieser Meldepflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Da es sich vorliegend um keinen atypischen Fall handele, sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, von der rückwirkenden Aufhebung im Wege des Ermessens abzusehen. Gegen die Beschränkung der Rente und des Zuschlags auf die einem unverheirateten Landwirt zustehende Höhe bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 begehrt, soweit eine Regelaltersrente ab dem 1. Februar 2012 von nicht mehr als 438,67 Euro brutto festgesetzt worden sei sowie im Hinblick auf die ausgesprochene Rückforderung. Zu Begründung wurde der Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend wurde vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, welcher Meldepflicht der Kläger nicht nachgekommen sei und wie von einer rückwirkenden Aufhebung im Wege des Ermessens abgesehen worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2012 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide entsprächen § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 S. 3 ALG. Diese Bestimmungen seien in sprachlicher Hinsicht und ohne Kenntnis des Gesamtsystems der Alterssicherung der Landwirte kaum verständlich. Zur Erläuterung müsse auf den Systemwechsel in der Alterssicherung der Landwirte mit der Agrarsozialreform zum 1. Januar 1995 hingewiesen werden. Hierzu habe eine im Zeichen unbefriedigender Beitragseinnahmen unabweisbare Absenkung künftiger Rentenansprüche gehört. Um die Rechtsposition langjähriger Beitragszahler unter Geltung alten Rechts nicht schlagartig zu verschlechtern, sei für eine Mitte 1995 beginnende Übergangsfrist von 14 Jahren vorgeschrieben worden, unter Berücksichtigung der alten Beiträge einen Zuschlag zu der Rente neuen Rechts zu gewähren. Bei der Reform sei auch die eigenständige Versicherungspflicht des Ehegatten eines Landwirts mit einem daraus entstehenden eigenständigen Rentenanspruch verwirklicht worden. Damit solche Renten nicht erst mit den ab 1995 gezahlten Beiträgen Jahrzehnte nach der Reform zahlbar geworden wären, habe der Gesetzgeber für die zu begünstigenden Ehefrauen Beitragszeiten und Zurechnungszeiten für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 in Abhängigkeit von den zeitgleichen rentenrechtlichen Zeiten des Ehemanns fingiert. Die der Ehefrau zugesplitteten Zeiten bewirkten in etwa die finanzielle Begünstigung, die durch den Ehegattenzuschlag alten Rechts bewirkt worden sei. Der Übergang von der Zahlung nur einer Rente mit einem Zuschlag nach § 97 ALG auf die Zahlung von zwei Renten müsse auf der Ebene der Zuschlagsberechnung seine Auswirkung finden. Dafür sorge § 97 Abs. 3 S. 3 ALG. Die verfahrensrechtliche Umsetzung habe nach § 48 Abs. 1 SGB X stattzufinden. Die Aufhebung für die Vergangenheit sei gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X wegen der Kenntnis des Klägers gerechtfertigt, die ihm anlässlich seiner Rentengewährung vermittelt worden sei. Die Regelung sei auch verfassungsgemäß. Wenn es aufgrund der neuen Gesetzgebung in einer konkreten Lebensphase zur Gewährung von zwei Renten für Eheleute komme, sei es nur selbstverständlich, dass diese Renten nicht jeweils einzelnen so zu berechnen seien wie die alleinige Rente zu einer Zeit, in der beide Eheleute von einer Rente leben mussten.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, das SG habe zutreffend ausgeführt, § 100 Abs. 1 Satz 1 ALG sei in sprachlicher Hinsicht kaum verständlich. Damit gehe auch eine Verletzung des Rechtsstaatsgebotes einher. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften seien nichtig, weil sie unbestimmt seien. Die Vorschrift müsse in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten könnten. Im übrigen wurde erneut vorgetragen, dass ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Art. 14 GG vorliege.

Mit Schreiben vom 27. März 2013 an den Kläger hat die Beklagte im Rahmen des § 41 Abs. 1 und 2 SGB X Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern. In dem Anhörungsschreiben ist auf § 97 Abs. 2 und 3 ALG sowie auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X Bezug genommen worden. Zum Bezug einer eigenen Rente sei die Rente der Ehefrau ab 1. Januar 2012 hinzugetreten. Dies stelle eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X dar. Demzufolge sei der Bescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ab 1. Januar 2012, aufzuheben.

Der Kläger hat erneut darauf verwiesen, es liege kein verhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG vor. Für die Ehefrau sei eine Nettorente von 236,62 Euro festgesetzt worden. In der Zusammenschau ergebe sich insgesamt also lediglich ein Mehrbetrag von 129,85 Euro. Es sei nicht nachvollziehbar, welcher Meldepflicht der Kläger nicht nachgekommen sei. Ebenso wenig sei ersichtlich, wie von einer rückwirkenden Aufhebung im Wege des Ermessens abgesehen worden sei.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2013 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, die Wertung der Stellungnahme zur Nachholung der Anhörung führe zu keinem anderen als der mit Bescheid vom 3. Januar 2012 getroffenen Entscheidung. Zu den Fragen der eigentumsrechtlichen Position und des Ermessens werde auf die Stellungnahme an das LSG vom 28. Februar 2013 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit der Rentenbescheid vom 29. Oktober 2001 mit Wirkung für die Zukunft, also ab 1. Februar 2012, aufgehoben worden ist. Soweit die Beklagte den Rentenbescheid vom 29. Oktober 2001 auch für die Vergangenheit, also für Januar 2012, aufgehoben hat, ist der angefochtene Bescheid mangels wirksamer Anhörung rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Der angefochtene Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 ist rechtmäßig in Bezug auf die Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2001 mit Wirkung ab 1. Februar 2012.

Insoweit ist der angefochtene Bescheid formell rechtmäßig, insbesondere mangelt es nicht an einer vorherigen Anhörung des Klägers.

Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Aufhebung eines Rentenbewilligungsbescheids aufgrund einer zu einem geringeren Rentenzahlbetrag führenden Neufeststellung der Rente ist ein den Kläger belastender Verwaltungsakt. Eine Anhörung ist daher grundsätzlich erforderlich. Erhebliche Tatsachen sind all diejenigen, auf die die Behörde den Verfügungssatz des Bescheids zumindest auch gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt. Hierbei ist es unerheblich, ob die Ansicht der Behörde zutrifft, ob also die Rechtsgrundlage, auf die sie sich stützen will, tatsächlich eingreift (von Wulffen, SGB X, § 24 Rn. 9). Hieraus folgt, dass eine Anhörung nicht etwa deshalb nicht vorliegt, weil die Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt wird, solange die Anhörung alle Tatsachen umfasst hat, die für jede Rechtsgrundlage relevant sind (LSG Baden-Württemberg, L 3 AS 1807/11, in juris).

Hier hat die Beklagte den Kläger vor Erlass des Bescheids vom 3. Januar 2012 nicht angehört. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Mangel bereits im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X nachträglich beseitigt wurde. Jedenfalls hat die Beklagte in Bezug auf die Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2001 mit Wirkung für die Zukunft die Anhörung zulässig im Rahmen des Berufungsverfahrens nachgeholt. Gemäß § 41 Abs. 2 SGB X können Handlungen nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB X und damit auch die Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

Die Nachholung der fehlenden oder fehlerhaften Anhörung während des Gerichtsverfahrens setzt voraus, dass die Beklagte dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass die Behörde dem Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle erheblichen Tatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will, und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteil vom 11. März 2013, Az. B 10 LW 2/11 R, m.w.N.).

In Bezug auf die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft hat die Beklagte in ihrem Anhörungsschreiben vom 27. März 2013 auf alle wesentlichen Umstände hingewiesen. Gemäß § 97 Abs. 2 und 3 ALG sei die Rente, wenn beide Ehegatten eine Leistung von der Alterskasse bezögen, neu zu berechnen, indem für die Berechnung des Zuschlags der Umrechnungsfaktor für Unverheiratete zu Grunde zu legen sei. Ab 1. Januar 2012 sei eine Rente der Ehefrau hinzugetreten. Dies stelle eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X dar. Unerheblich ist, dass die Aufhebung des Rentenbescheids vom 29. Oktober 2001 für die Zukunft zutreffenderweise auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu stützen ist. Denn die Anhörung im Rahmen des Schreibens vom 27. März 2013 hat sich auf alle Tatsachen bezogen, die für § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X von Bedeutung sind. Ermessen steht der Beklagten im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X - anders als bei § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X - auch nicht in atypischen Fallgestaltungen zu, so dass die Anhörung sich hierauf nicht beziehen musste. Schließlich hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 16. Mai 2013 die vom Kläger vorgetragenen Einwendungen, die über den bisherigen Sachvortrag nicht hinausgehen, mit der Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 2013 hinreichend zur Kenntnis genommen und sich zum Ergebnis der Überprüfung geäußert.

Der angefochtene Bescheid ist in Bezug auf die Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2001 für die Zukunft, also ab 1. Februar 2012, auch materiell rechtmäßig.

Zutreffende Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2001 mit Wirkung ab 1. Februar 2012 ist § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach dieser Bestimmung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Es steht außer Zweifel, dass der Rentenbescheid vom 29. Oktober 2001 ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, da er sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet.

Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt in dem Bezug von vorzeitiger Altersrente der Ehefrau ab 1. Februar 2012. Denn dieser Umstand führt dazu, dass der Verwaltungsakt so, wie er ursprünglich zu Recht ergangen ist, nun nicht mehr so erlassen werden dürfte.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 die Altersrente des Klägers zutreffend berechnet.

Beginnt die Rente erstmals in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. Juni 2009 und sind bereits vor dem 1. Juli 1995 für mindestens 5 Jahre anrechenbare Beitragszeiten als Landwirt zurückgelegt worden, wird zu einer nach § 23 ALG berechneten gleichartigen Rente ein Zuschlag gezahlt (§ 97 Abs. 1 Satz 1 ALG). Der Beginn der Altersrente des Klägers, die mit dem Altersgeld nach altem Recht vergleichbar ist (vgl. § 94 Abs. 3 S. 3 ALG), liegt mit 1. November 2001 in der in dieser Bestimmung genannten Zeitspanne. Der Kläger hat auch vor dem 1. Juli 1995 für mindestens 5 Jahre anrechenbare Beitragszeiten. Dementsprechend war in der Altersrente des Klägers mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 - wie von der Beklagten auch umgesetzt - ein Zuschlag zur Altersrente festzusetzen.

Der als Rente geltende Zuschlag (§ 97 Abs. 1 S. 2 ALG) ergibt sich, indem eine Rente nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht unter Berücksichtigung von Abs. 2 und nachfolgenden Rentenanpassungen berechnet und der Unterschiedsbetrag zu einer nach § 23 ALG berechneten gleichartigen Rente mit dem Abschmelzungsfaktor nach
Abs. 3 vervielfältigt wird (§ 97 Abs. 1 Satz 3 ALG).

Eine nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht festzustellende Rente wird gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 ALG ermittelt, indem der für die bis zum Rentenbeginn zurückgelegte Anzahl an vollen Beitragsjahren maßgebende Umrechnungsfaktor (Anlage 2) mit dem allgemeinen Rentenwert vervielfältigt wird.

Die Beklagte hat zutreffend eine Rente nach altem Recht berechnet, indem sie - ausgehend von 33 vollen Beitragsjahren - den sich aus der Anlage 2 ergebenden Umrechnungsfaktor für Verheiratete von 52,769309 mit dem ab 1. November 2011 gültigen aktuellen Rentenwert von 22,86 DM multipliziert hat. Hieraus ergibt sich ein Betrag von 1.260,40 DM.

Die Berechnung nach neuem Recht (§ 23 ALG) ergibt einen Betrag von 775,02 DM. Ausgehend von einer unstrittigen Steigerungszahl (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 1 ALG) von 33,9031 ergibt sich nach Multiplikation mit dem Rentenartfaktor 1,0 und dem Rentenwert von 22,86 DM dieser Betrag.

Der Unterschiedsbetrag zwischen Rente nach altem Recht (1.260.- DM) und Rente nach neuem Recht (775,02 DM) beträgt 431,38 DM. Dieser Unterschiedsbetrag ist mit dem Abschmelzungsfaktor gemäß § 97 Abs. 3 Satz 1, 2 ALG zu multiplizieren. Der Zuschlag beträgt beim Beginn der Rente in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. Juni 1996 14/15 (Abschmelzungsfaktor) des Unterschiedsbetrags (§ 97 Abs. 3 Satz 1 ALG). Der Abschmelzungsfaktor wird gemäß § 97 Abs. 3 S. 2 ALG für Renten, die bis zum 30. Juni 2009 beginnen, für jedes weitere Jahr nach dem 30. Juni 1996 um ein weiteres Fünfzehntel vermindert, jedoch jeweils nur im Jahr des Beginns der Rente. Bei einem Rentenbeginn am 1. November ist 2001 ergibt sich damit ein Abschmelzungsfaktor von 8/15. Der Unterschiedsbetrag beträgt damit 230,07 DM (431,38 DM x 8/15).

Schließlich ist gemäß § 97 Abs. 11 ALG für den Zuschlag eine Steigerungszahl zu ermitteln, indem der Zahlbetrag des Zuschlags (230,07 DM) durch den allgemeinen Rentenwert (22,86 DM) geteilt wird. Die Steigerungssatz für den Zuschlag beträgt damit 10,0643. Der Gesamtsteigerungssatz beträgt 43,9674 (33,9031 + 10,0643). Multipliziert mit dem allgemeinen Rentenwert von 22,86 DM ergibt sich der von der Beklagten im Bescheid vom 29. Oktober 2001 festgesetzte Bruttorentenbetrag von 1.005,09 DM.

Mit dem Bezug von vorzeitiger Altersrente durch die Ehefrau des Klägers ab 1. Januar 2012 ist für den Zeitraum ab 1. Februar 2012 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die dem Erlass des Bescheides vom 29. Oktober 2001 zu Grunde lagen. Denn nunmehr ist der Rentenberechnung nach altem Recht nicht mehr der Umrechnungsfaktor für Verheiratete, sondern der niedrigere Umrechnungsfaktor für Unverheiratete zu Grunde zu legen.

§ 97 Abs. 3 S. 3 ALG bestimmt, dass der Zuschlag neu berechnet wird, wenn sich der Familienstand des Leistungsberechtigten ändert oder eine Rente des Ehegatten hinzutritt oder entfällt. Ist der Landwirt verheiratet und hat sein Ehegatte Anspruch auf eine Rente, gilt gemäß § 97 Abs. 2 ALG in der maßgeblichen, vom 1. Januar 2001 bis 31. August 2009 geltenden Fassung vom 24. Juli 2003 der Landwirt bei der Ermittlung einer Rente nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht als unverheiratet. Dies hat zur Folge, dass bei der Rentenermittlung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 ALG in Verbindung mit der Anlage 2 der allgemeine Rentenwert mit einem niedrigeren Umrechnungsfaktor (hier: 35,198171) zu multiplizieren ist. Damit ergibt sich - nach Vornahme der oben dargestellten Rechenschritte - der von der Beklagten festgesetzte niedrigere Bruttorentenbetrag in Höhe von 438,67 Euro.

Zwar soll nach dem Wortlaut des § 97 Abs. 2 ALG die Rechtsfolge der Anwendung eines niedrigeren Umrechnungsfaktors bereits dann eintreten, wenn der Ehegatte Anspruch auf eine Rente hat. Nach Auffassung des Senats ist diese Bestimmung jedoch einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur das Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente beim Ehegatten noch nicht ausreicht, um bei der Berechnung der Rente des Versicherten den reduzierten Umrechnungsfaktor für Unverheiratete ansetzen zu können. Vielmehr muss die Rente tatsächlich durch Erlass eines Bewilligungsbescheids zahlbar gemacht worden sein.

Hier hat die Ehefrau des Klägers ab 1. Februar 2012 nicht nur Anspruch auf eine Rente gegen die Beklagte, sondern bezieht aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 3. Januar 2012 tatsächlich auch eine solche.

Damit war von der Beklagten der Bescheid vom 29. Oktober 2001 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft und damit ab 1. Februar 2012 aufzuheben und die Rente des Klägers auf brutto 438,67 Euro festzusetzen. Ein Ermessen steht der Beklagten insoweit nicht zu.

Der Senat hat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 ALG, die zu der Absenkung der Rente des Klägers führen.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen vom 27. Februar 2007 (BVerfGE 117,272) und 8. April 1987, SozR 2200 § 1246 Nr. 142 für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden, dass die Anwartschaft auf eine Rente durch das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist, so wie sie sich aus der jeweiligen Gesetzeslage ergibt. Der Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung stellt eine vermögenswerte Rechtsposition dar, die auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und seiner Existenzsicherung dient (vgl. BVerfGE 53, 257, 290). Damit unterfällt das Stammrecht auf Rente im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB VI ebenso dem Eigentumsschutz wie der Anspruch auf jeden hieraus entstehenden monatlichen Einzelanspruch (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2007, Az. B 4 RA 9/05 R).

Für die Alterssicherung der Landwirte hat das Bundesverfassungsgericht bisher hingegen offen gelassen, ob dort erworbene Anwartschaften angesichts des erheblichen Bundeszuschusses zu den Leistungen der landwirtschaftlichen Alterskassen als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21. August 2003, Az. 1 BVR 429/03, in juris).

Der Senat kann diese Frage hier ebenfalls offen lassen. Denn selbst wenn ein Eingriff in das Eigentum des Klägers durch die Regelungen des § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 ALG unterstellt wird, so ist dieser jedenfalls gerechtfertigt.

Das Bundesverfassungsgericht hat bei der eigentumsrechtlichen Prüfung gesetzlicher Regelungen, die auf die Höhe von Rentenleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen sind, anerkannt, dass dem Gesetzgeber eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben muss, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Daher verfestigt die Eigentumsgarantie das Rentenversicherungssystem nicht so, dass es starr wird und den Anforderungen unter veränderten Umständen nicht mehr genügen kann. Gesetzliche Maßnahmen, die der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, müssen allerdings von einem gewichtigen öffentlichen Interesse getragen und verhältnismäßig sein (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. Juli 2007, Az. 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 in juris, m.w.N.).

Der Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften schließt also deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nicht schlechthin aus. Zulässig ist eine Anpassung an veränderte Bedingungen und im Zuge dessen auch eine wertmäßige Verminderung von Anwartschaften. Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften sind im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG möglich, wenn diese einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind. Dies setzt voraus, dass die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sind, wobei sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten dürfen, d.h. sie müssen zumutbar sein. Bei der Frage der Eignung und Erforderlichkeit ist grundsätzlich von der Einschätzung des Gesetzgebers auszugehen. Rechtfertigende Gründe für Eingriffe liegen bei Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller Versicherten zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Rentenrechtliche Rechtspositionen, die auf eigener Leistung in Form von einkommensbezogenen Beitragszahlungen beruhen, genießen dabei einen höheren Schutz gegen staatliche Eingriffe als solche, die auf staatlicher Gewährung beruhen und Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge sind.

Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anzuwenden. Denn wenn nach diesen Regeln ein Eingriff in eigentumsrechtlich geschützte Positionen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zulässig ist, gilt dies erst recht im Rahmen der Alterssicherung der Landwirte, in denen der Eigentumsschutz aufgrund der erheblich geringeren Beitragsbezogenheit der Leistungen schwächer ausgeprägt ist als in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die angegriffenen Bestimmungen des § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 ALG stellen vor dem Hintergrund der durch die Linearerisierung der Rentenberechnung bedingten Absenkung der Leistungshöhe in der Alterssicherung der Landwirte eine dem Vertrauensschutz Rechnung tragende Übergangsregelung dar. Es sollen diejenigen Personen in ihrem Vertrauen geschützt werden, die im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 2009 einen Anspruch auf Rente erwerben. Die Ausgestaltung dieses Vertrauensschutzes erfolgt über die Gewährung eines Zuschlags, der jeweils um 1/15 abgeschmolzen wird.

Hintergrund für die generelle Absenkung der Leistungshöhe durch die Reform der Alterssicherung der Landwirte zum 1. Januar 1995 waren ausweislich der Gesetzesbegründung zum ALG steigende Altersgeldaufwendungen und eine schrumpfende Solidargemeinschaft in der Altershilfe für Landwirte. Die Möglichkeit eines stärkeren Einsatzes von Bundesmitteln im System der agrarsozialen Sicherheit wurde wegen der - auch auf längere Sicht - angespannten Haushaltslage des Bundes als begrenzt angesehen. Ohne Veränderungen müssten erhebliche Beitragssatzsteigerungen erfolgen, die die finanzielle Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe mehr und mehr überfordern würde (vgl. BT-Drs 12/5700, S. 62). Die Absenkung des Leistungsniveaus ist nach Auffassung des Senats damit von einem gewichtigen öffentlichen Interesse getragen. Sie ist auch verhältnismäßig. Aufgrund der Übergangsregelung des § 97 Abs. 1 Satz 1, 2 ALG, von der der Kläger noch in erheblichen Umfang profitiert hat, wird er nicht übermäßig belastet. Die Absenkung seiner Bruttorente von 1.206,40 DM (Berechnung nach alten Recht) auf 1.005,09 DM (Berechnung nach neuem Recht unter Berücksichtigung des Zuschlags nach § 97 Abs. 1 Satz 1, 2 ALG) ist angesichts des Umstands, dass die Leistungen aus der Alterssicherung der Landwirte in hohem Umfang nicht auf der vorhergehenden Entrichtung von Beiträgen beruhen, zumutbar. Dem Kläger stand auch noch hinreichend Zeit zur Verfügung, vor Rentenbeginn am 1. November 2001 auf die spätestens ab Inkrafttreten des ALG zum 1. Januar 1995 absehbare Absenkung seiner Rente etwa durch den Aufbau einer privaten Vorsorge zu reagieren, um den Differenzbetrag von rund 200.- DM auszugleichen.

Die Absenkung der Rente durch die Anwendung des Umrechnungsfaktors für Unverheiratete stellt hingegen schon keinen Eingriff in das Eigentum des Klägers dar, da der Verheiratetenzuschlag nach altem Recht eine fürsorgerisch begründete Zusatzleistung im Alterssicherungssystem der Landwirte ist, die unabhängig von den Beiträgen erbracht wurde. Sie fällt daher nicht unter die Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG, 1 BvR 429/03, in juris Rn. 25). Insoweit ist aber auch kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG ersichtlich. Denn die Minderung der eigenen Rente des Klägers wird durch das Hinzutreten eines eigenständigen Rentenanspruchs der Ehefrau kompensiert. Die Regelung des § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 ALG ist ausweislich der Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit der Einführung der eigenständigen Sicherung der Bäuerin zu sehen, die vorsieht, dass Beitragszeiten, die der nach dem GAL beitragspflichtige Landwirt vor 1995 zurückgelegt hat, auch zu Gunsten seines Ehegatten wirken. Damit erwirbt der Ehegatte eines Unternehmers unmittelbar mit Inkrafttreten der Neuregelung eine Rentenanwartschaft, wenn der Unternehmer vor 1995 Beiträge gezahlt hat (vgl. BT-Drs 12/5700, S. 86), ohne dass er selbst Beiträge bis zu diesem Zeitpunkt gezahlt hätte. Diese Zusplittung von Beitragszeiten an den Ehegatten hat in § 92 Abs. 1 Satz 1 ALG seine gesetzliche Grundlage. Für den Ehegatten gelten danach für die Ehezeit in der Zeit vom 1. Oktober 1957 bis 31. Dezember 1994, für die der andere Ehegatte Beiträge als Landwirt nach § 14 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte gezahlt hat, Beiträge als gezahlt, soweit diese Zeiten nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Ehegatten liegen und für den Ehegatten nicht bereits mit anrechenbaren Beitragszeiten als Landwirt belegt sind, und sofern die unter § 97 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 ALG aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Sämtliche der genannten Voraussetzungen sind bei der Ehefrau des Klägers - wie dem Senat aus dem bei ihm anhängigen Parallelverfahren der Ehefrau des Klägers bekannt ist - erfüllt. Zu Gunsten der Ehefrau des Klägers wurden daher für die Ehezeit bis 31. Dezember 1994 Beiträge als gezahlt fingiert. Die zugesplitteten Beiträge wurden bei der Ehefrau des Klägers nicht nur auf die Wartezeit angerechnet, sondern auch bei der Berechnung der Rentenhöhe in einem Umfang berücksichtigt, der (vgl. § 100 Abs. 1 ALG) dem Verheiratetenzuschlag entspricht, auf welchen der Kläger bei Weitergeltung des alten Rechts Anspruch gehabt hätte.

Angesichts dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber ab dem Beginn einer tatsächlichen Rentenzahlung an die Ehefrau des Klägers den Kläger nur noch als unverheiratet einstuft mit der Folge, dass der bisher bezahlte Ehegattenzuschlag nach alten Recht im Ergebnis entfällt. Die beim Kläger entfallenden Rentenanteile fließen praktisch der Ehefrau des Klägers zu. Eine Weiterzahlung des Ehegattenzuschlags neben der Rentenzahlung an die Ehefrau des Klägers aufgrund nur fingierter Beiträge würde eine nicht zu rechtfertigende Doppelleistung an die Eheleute A. darstellen. Die Vermeidung derartiger Doppelleistungen stellt angesichts der oben dargestellten Finanzierungsumstände der Alterssicherung der Landwirte ein gewichtiges öffentliches Interesse dar. Die beim Kläger auftretende Rentenkürzung ist auch verhältnismäßig, insbesondere ist sie für ihn aufgrund des spiegelbildlichen Zuflusses der Leistungen an die Ehefrau zumutbar. Insoweit wird er von ev. Unterhaltsansprüchen seiner Ehefrau entlastet.

Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG liegt nach alledem nicht vor.

Der Senat kann auch kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot gemäß Art. 20 Abs. 3 GG erkennen, weil § 100 Abs. 1 Satz 1 ALG in sprachlicher Hinsicht kaum verständlich sei. Insofern hat die Beklagte schon zu Recht darauf verwiesen, dass § 100 Abs. 1 Satz 1 ALG nur eine Rolle für die Berechnung der Rente der Ehefrau des Klägers, nicht aber für die des Klägers spielt. Im Übrigen teilt der Senat nicht der Einschätzung des SG, dass § 100 Abs. 1 ALG in sprachlicher Hinsicht kaum verständlich sei. Die Vorschrift ist in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Insbesondere werden in ihr keine unbestimmten Rechtsbegriffe verwendet, bei denen der Verdacht entstehen könnte, die Rechtsfolge der Norm (Begrenzung der Steigerungszahl und damit letztlich Begrenzung der Rente des Ehegatten aus den fiktiv zugesplitteten Beiträgen auf die Höhe des nach bisherigem Recht zu zahlenden Verheiratetenzuschlags) ergebe sich nicht aus dieser selbst, sondern werde der Verwaltungsbehörde zugeschoben (vgl. BVerfGE 21, 75).

Nach alledem sind die Regelungen des § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 ALG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Berufung war damit in Bezug auf die Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2001 mit Wirkung ab 1. Februar 2012 zurückzuweisen; eine Vorlage des Rechtsstreits an
das Bundesverfassungsgericht kommt nicht in Betracht, da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Normen überzeugt ist.

Der angefochtene Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 ist jedoch rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als damit der Bescheid vom 29. Oktober 2001 bereits mit Wirkung ab 1. Januar 2012 und damit rückwirkend aufgehoben worden ist. Insoweit mangelt es an einer wirksamen Anhörung durch die Beklagte in Bezug auf die erhebliche Tatsache, dass kein atypischer Fall vorliegt.

Die Anhörung muss sich, wie oben dargelegt, auf die erheblichen Tatsachen beziehen, wobei es sich hierbei um diejenigen handelt, auf die die Behörde den Verfügungssatz des Bescheids zumindest auch gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt.

Vor Erlass des Bescheids vom 3. Januar 2012 erfolgte keine Anhörung. Aus dem Bescheid vom 3. Januar 2012 selbst lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Beklagte sich aufgrund § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X zu einer rückwirkenden Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2001 berechtigt hält und von einer Ermessensausübung absieht, weil ihrer Ansicht nach kein atypischer Fall vorliegt. Der Bescheid vom 3. Januar 2012 enthält insoweit keine Ausführungen. Erst im Widerspruchsbescheid vom 20. März 2012 wird dann erwähnt, dass kein atypischer Fall vorliege. Mithin kann durch das Widerspruchsverfahren selbst noch keine Nachholung der Anhörung zu der von der Beklagten selbst - zutreffend - als entscheidungserheblich angesehenen Tatsache, dass kein atypischer Fall vorliegt, erfolgt sein.

Die Anhörung des Klägers wurde auch im Berufungsverfahren nicht wirksam nachgeholt. Wie bereits oben dargelegt, setzt die Nachholung der fehlenden oder fehlerhaften Anhörung während des Gerichtsverfahrens voraus, dass die Beklagte dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass die Behörde dem Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" (vgl. BSG vom 11. März 2013, Az. B 10 LW 2/11 R) alle erheblichen Tatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will, und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteil vom 11. März 2013, Az. B 10 LW 2/11 R, m.w.N.).

Im Rahmen der nachgeholten Anhörung während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den Kläger nicht zu der Frage angehört, ob ein atypischer Fall vorliegt, obwohl sie diese Frage für entscheidungserheblich hält. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht. Hierbei ist etwa zu prüfen, ob der Leistungsempfänger durch die Rückzahlungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X in besondere Bedrängnis gerät. Die Atypik eines besonderen Sachverhalts muss auch danach beurteilt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die mit der Aufhebung des Verwaltungsakts zusammenhängende Rückerstattung der Leistung unbillig ist. Die rückwirkende Aufhebung gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X liegt im eingeschränkten Ermessen des Leistungsträgers ("soll"). Der Leistungsträger muss in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben, in atypischen Fällen kann er jedoch nach seinem Ermessen hiervon abweichen. Im Falle einer möglichen Rückforderung der Leistung sind jedenfalls dann Ermessenserwägungen anzustellen, wenn der Betroffene die Leistungen nicht nur gutgläubig angenommen, sondern auch in dem Glauben verbraucht hat, dass mit einer Rückforderung der Leistung nicht zu rechnen ist und für die Zurückzahlung nur die laufenden Bezüge zur Verfügung stehen (KassKomm, SGB VI, § 48 Rn. 52 unter Hinweis auf BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 sowie BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 - 10 RKg 22/89).

Hierzu hat die Beklagte den Kläger nicht angehört, sondern vielmehr nur den Gesetzestext des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X dargestellt und dann ausgeführt, die Beklagte sei "gehalten" gewesen, den Bescheid vom 29. Oktober 2001 ab 1. Januar 2012 aufzuheben. Wegen dieser unzutreffenden Formulierung gerade im Anhörungsschreiben sieht es der Senat nicht als ausreichend an, dass die Beklagte zuvor im Widerspruchsbescheid und im Rahmen der Verfahrensschriftsätze erwähnt hat, dass aus ihrer Sicht kein atypischer Fall vorliegt. Der Kläger wurde formell nicht dazu angehört, dass die Beklagte nicht von einem atypischen Fall ausgeht mit der Folge, dass auch in Bezug auf die Rücknahme des Bescheids vom 29. Oktober 2001 für die Vergangenheit kein Ermessen auszuüben ist.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG sah sich der Senat gezwungen, den Bescheid vom 3. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 insoweit als formell rechtswidrig aufzuheben. Von einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 S. 2 SGG hat der Senat abgesehen, da bereits kein entsprechender Antrag vorliegt. Hierbei ist auch in Rechnung zu stellen, dass die Beklagte bereits Gelegenheit gehabt hatte, die unterlassene Anhörung im Berufungsverfahren nachzuholen. Die Beklagte wird daher den bereits einbehaltenen Betrag in Höhe von 106,77 Euro an den Kläger zu erstatten haben.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger im Berufungsverfahren geringfügig erfolgreich gewesen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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