L 9 U 3493/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 116/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3493/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK) und die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1955 geborene Kläger ist seit Februar 1974 – nach seiner Lehre – bei der D. AG als Motorennacharbeiter beschäftigt. Am 06.06.2007 teilte der Dermatologe und Allergologe Dr. E. der Beklagten mit, beim Kläger liege ein chronisches Handekzem bei beruflichem Umgang mit hautirritierenden Stoffen vor. Die Hauterscheinungen seien vor ca. einem Jahr aufgetreten.

Die Beklagte holte Auskünfte beim werksärztlichen Dienst sowie den behandelnden Ärzten des Klägers, Dr. E. und Professor Dr. von den D., Ärztlicher Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums S., ein.

Am 26.02.2008 suchte der Präventionsdienst der Beklagten den Arbeitsplatz des Klägers auf und beschrieb die Materialien, mit denen der Kläger in Kontakt kam (Bericht vom 03.03.2008). Die Beklagte veranlasste eine Versorgung des Klägers mit individuell besonders geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (Schutzhandschuhe, Hautschutzcreme usw.) sowie eine berufsdermatologische Untersuchung bei dem Hautarzt Dr. B. Dieser stellte beim Kläger eine Überempfindlichkeit gegenüber 1,2 Benzisothiazolin-3-on, Natriumsalz fest. Die Beklagte ermittelte, dass dieser Stoff im Montagehilfsmittel P 80 enthalten ist. Dieser Stoff wurde ausgetauscht, so dass der Kläger keinen Kontakt mehr zu diesem Gleitmittel hat.

Am 10.09.2009 erfolgte eine Untersuchung in der Hautklinik der Universität T. In dem Bericht hierüber vom 21.10.2009 führte Dr. F. aus, beim Kläger liege ein in Abheilung befindliches dyshidrotisches Handekzemen beidseits bei Typ IV-Sensibilisierung auf 1,2 Benzi-sothiazolin-3-on, Natriumsalz vor. Eine berufliche Verursachung im Sinne eines kumulativ-toxischen Ekzems oder eines kontaktallergischen Ekzems sei wahrscheinlich.

Der Staatliche Gewerbearzt schlug in seiner Stellungnahme vom 24.06.2010 eine BK gemäß Nr. 5101 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht zur Anerkennung vor. Die Krankheit sei zwar berufsbedingt. Eine Anerkennung erfolge jedoch nicht, da die schädigende Tätigkeit bisher nicht aufgegeben worden sei.

Mit Bescheid vom 17.08.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine Sensibilisierung gegenüber dem Arbeitsstoff P 80 sei durch seine berufliche Tätigkeit verursacht und habe zu einem vorübergehenden allergischen Kontaktekzem geführt. Die beruflich verursachte Hauterkrankung stelle aber noch keine BK nach Nr. 5101 der BK-Liste dar. Ansprüche auf Leistungen bestünden derzeit nicht. Unabhängig von der beruflichen Tätigkeit liege ein dyshidrotisches Handekzem vor. Zwar liege bei ihm eine schwere bzw. wiederholt rückfällige Hauterkrankung vor, die durch seine berufliche Tätigkeit verursacht worden sei, diese zwinge jedoch nicht zur Unterlassung der beruflichen Tätigkeit. Soweit es zu einer allergischen Reaktion gegenüber dem Arbeitsstoff P 80 gekommen sei, habe einer Verschlimmerung der Hauterkrankung durch Beseitigung bzw. Austausch des Arbeitsstoffes entgegen gewirkt werden können. Die anlagebedingte Dyshidrosis sei grundsätzlich geeignet, ein kumulativ-toxisches Handekzem zu verursachen. Dem könne jedoch durch konsequentes Einhalten von geeigneten Hautschutzmaßnahmen entgegen gewirkt werden. Zu diesem Zweck sei für den Kläger durch ihre Präventionsberaterin ein persönlicher Hautschutzplan erstellt worden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 zurück.

Gegen den am 17.12.2010 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 12.01.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und vorgetragen, trotz aufwändiger und belastender Hautschutzmaßnahmen sei seine Hauterkrankung nicht ausgeheilt.

Das SG hat ein dermatologisches Gutachten eingeholt. Professor Dr. W. von der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Universität U. hat in dem zusammen mit Dr. K. erstatteten Gutachten vom 13.09.2011 beim Kläger ein kumulativ-toxisches Handekzem mit kontaktallergischer Komponente und eine berufsrelevante Typ IV-Sensibilisierung auf 1,2 Benzi-sothiazolin-3-on, Natriumsalz diagnostiziert. Er ist zum Ergebnis gelangt, diese Gesundheitsstörungen seien auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen. Ein Aufgabezwang sei jedoch nicht gegeben, da durch Entfernung von 1,2 Benzisothiazolin-3-on, Natriumsalz aus dem Arbeitsprozess sowie durch individuelle Präventionsmaßnahmen die bisherige Tätigkeit fortgesetzt werden könne. Die durchgeführten Hautschutz- und Pflegemaßnahmen hätten zu einer fast vollständigen Abteilung des Hautbefundes geführt.

Mit Urteil vom 27.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend die Anerkennung einer BK nach Nr. 5101 der BKV abgelehnt. Dementsprechend bestehe auch kein Anspruch auf Gewährung einer Rente. Vorliegend scheide die Anerkennung einer BK aus, weil der Kläger jedenfalls nicht objektiv gezwungen gewesen sei, seine Tätigkeit zu unterlassen. Das SG stütze seine Entscheidung auf das bei Professor Dr. W. eingeholte schlüssige und detaillierte Gutachten vom 13.09.2011. Schließlich komme auch die Anerkennung einer BK im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09.12.2003, B 2 U 1/03 R, nicht in Betracht. Das BSG habe entschieden, dass die durch Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz mögliche Fortsetzung der Berufstätigkeit einer Anerkennung einer beruflich bedingten Erkrankung als BK dann nicht entgegenstehe, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch diese Erkrankung zuvor bereits in einem entschädigungspflichtigen Ausmaß gemindert gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Präventionsmaßnahmen habe beim Kläger, bei dem ein Stützrententatbestand nicht gegeben sei, keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade um 20 v.H. vorgelegen. Ausgehend von den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) und der Spitzenverbände der UV-Träger sei beim Kläger eine MdE um mindestens 20 v.H. zu keinem Zeitpunkt begründet gewesen, denn die Hauterscheinungen im Bereich seiner Hände und Fingerkuppen seien durchweg als lediglich leicht zu bewerten; Professor Dr. W. habe anlässlich der Untersuchung des Klägers sogar eine fast vollständige Abteilung des Hautbefundes festgestellt. Zudem handele es sich bei der beruflich erworbenen Sensibilisierung, der Allergie gegen den Konservierungsstoff aus dem Arbeitsstoff P 80, um eine Sensibilisierung mit ganz geringgradigen Auswirkungen bezogen auf die dem Kläger möglichen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 19.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.08.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, es sei nicht nachvollziehbar, wie das SG zu einem solchen Ergebnis habe kommen können. Der Zustand seiner Hände habe sich insgesamt nicht verbessert. Seine Hände seien – trotz des Tragens von zwei Paar Handschuhen bei der Arbeit – extrem empfindlich und würden schon bei leichtem Anstoßen bluten. Es dürfte unstreitig sein, dass die Gefahr der Verschlimmerung der Krankheit oder ihres Wiederauftretens vorliegend gegeben sei. Eine fundierte medizinische Einschätzung der jeweiligen MdE sei nicht vorgenommen worden. Es könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass die Hauterkrankung (zu einem bestimmten Untersuchungszeitpunkt) fast abgeheilt gewesen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anl. 1 der Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, es werde auf den Inhalt der vorgelegten Akten, den Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen. Unter Berücksichtigung der Feststellungen im Gutachten von Professor Dr. W. vom 13.09.2011 sei zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung der Hautbefund des Klägers fast vollständig abgeheilt gewesen. Somit liege eindeutig kein Hautbefund vor, der eine MdE in rentenberechtigendem Grade rechtfertigen könnte. Das genannte Urteil des BSG vom 09.12.2003 finde vorliegend keine Anwendung.

Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger erklärt, seit dem 29.07.2011 sei er bei keinem Hautarzt mehr in ärztlicher Behandlung gewesen. Er benutze spezielle Handschuhe und spezielle Cremes und wende sich bei Schwierigkeiten an den werksärztlichen Dienst seines Arbeitgebers. Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. vom 08.08.2013 vorgelegt, der darin ausführt, zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Bezirksverwaltung im März 2009, zu dem die Schutzmaßnahmen noch nicht zum Tragen gekommen seien und der Ersatz des Gleitmittels noch nicht vollzogen gewesen sei, seien eher leichte Erkrankungserscheinungen festzustellen gewesen. Unter Berücksichtigung der Hauterscheinungen und der Allergie auf einen Stoff, der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eher selten vorkomme, sei die MdE zum Zeitpunkt vor Einsetzen der Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz auf max. 10 v.H. einzuschätzen.

Mit Verfügung vom 06.12.2013 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anl. 1 zur BKV und auf Gewährung einer Verletztenrente hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 06.12.2013 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anl. 1 zur BKV dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass eine Anerkennung dieser BK nicht in Betracht kommt, weil der Kläger nicht gezwungen war und ist, seine bisherige berufliche Tätigkeit zu unterlassen. Ferner ist das SG zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung der BK auch unter Zugrundelegung der Entscheidung des BSG vom 09.12.2003 (B 2 U 5/03 R), nicht gegeben sind, weil beim Kläger auch zum bzw. vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Präventionsmaßnahmen keine MdE in rentenberechtigendem Grade vorgelegen hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nicht festzustellen vermag, dass der Kläger gezwungen war oder ist, seine bisherige Tätigkeit als Motorennacharbeiter aufzugeben. Vielmehr hat Professor Dr. W. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass durch das Ersetzen des Stoffes P 80 und die individuellen Präventionsmaßnahmen ein Zwang zur Aufgabe der bisherigen Tätigkeit nicht bestand und besteht. Dementsprechend hat der Kläger seine bisherige Tätigkeit auch nicht aufgegeben. Den beim Kläger erhobenen Befund (Xerosis cutis mit geringer Lichenifikation im Bereich der Fingerzwischenräume, eine kleine Rhagade im Bereich der Fingerzwischenräume der Finger 3 und 4 der rechten Hand und leichte Fingerkuppen-Rhagaden) hat Professor Dr. W. für den Senat nachvollziehbar als nahezu vollständige Abheilung gewertet. Schon zuvor hatte der Hautarzt Dr. G. über einen am 04.02.2009 praktisch abgeheilten Hautbefund berichtet. Seit 29.07.2011 (Begutachtung durch Professor Dr. W.) hat sich der Kläger nicht mehr in hautärztlicher Behandlung befunden, wie er dem Senat auf Nachfrage unter dem 16.05.2013 mitgeteilt hat.

Zu Recht ist das SG auch zum Ergebnis gelangt, dass unter Berücksichtigung des oben genannten Urteils des BSG vom 09.12.2003 eine Anerkennung der Hauterkrankung als BK ebenfalls nicht in Betracht kommt. Denn die Erwerbsfähigkeit des Klägers war auch vor dem Eingreifen der Schutzmaßnahmen nicht in einem entschädigungspflichtigen Ausmaß (MdE um 20 v.H.) gemindert, wie das SG im Einzelnen dargelegt hat. Diese Einschätzung des SG wird durch die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. T., die der Senat als qualifiziertes Beteilig-tenvorbringen verwertet, bestätigt. Danach betrug vor dem Eingreifen der Schutzmaßnahmen die MdE für die Hauterscheinungen max. 10 v.H.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, zumal eine Abweichung von einer Entscheidung des BSG nicht vorliegt und auch nicht auf einer solchen beruht.
Rechtskraft
Aus
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