Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 226/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 70/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die im Zeitraum 01.06.2010 bis 30.06.2012 geltenden Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der KV Hessen (GEHV) sind insofern rechtswidrig, als aus der weiteren Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit bei gleichzeitiger Teilnahme an der EHV nach Erreichen der Regelaltersgrenze Beiträge zur Finanzierung der EHV abzuführen sind, ohne dass sich diese Beiträge aber auch bei Nichterreichen des Anspruchshöchstsatzes anspruchsteigernd auswirken (§ 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV).
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger über seinen Antrag auf Teilnahme an der EHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anrechnung seiner nach Vollendung des 65. Lebensjahres absolvierten Zeiten vertragsärztlicher Tätigkeit auf seine EHV-Bezüge für den Zeitraum 01.06.2010 bis 30.06.2012.
Der 1944 geborene Kläger ist seit dem 20.05.1980 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Mit Datum vom 21.04.2010 beantragte er die Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (EHV).
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23.01.2012 die Teilnahme an der EHV ab 01.06.2010 mit einem Anspruchsatz von 17,2823 %, wobei sie angab, als letzte Quartalsabrechnung die Abrechnung II/10 berücksichtigt zu haben.
Hiergegen legte der Kläger am 31.01.2012 Widerspruch ein. Er trug vor, er sei weiterhin kassenärztlich in eigener Praxis tätig und zahle weiterhin die entsprechenden Abzüge an die EHV. Sein Widerspruch richte sich dagegen, dass bei weiterer Zahlung von ihm an die EHV sich sein Anspruchsatz nicht erhöhe.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012, dem Kläger am 26.04.2012 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass sich sein EHV-Anspruchsatz auf Grund seiner weiteren vertragsärztlichen Tätigkeit erhöhe. Nach den Grundsätzen der erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen könnten auf Grund der ab Mai 2010 gültigen Satzungsänderung Ärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet und damit Anspruch auf Teilnahme an der EHV hätten, nunmehr bereits an der EHV teilnehmen und dennoch weiterhin ihre vertragsärztliche Tätigkeit ausüben. Nehme ein Vertragsarzt nach Vollendung des 65. Lebensjahres an der EHV teil, dann sei er zugleich vertragsärztlich tätig, erhöhe sich nach § 8 Abs. 2 S. 9 GEHV der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erworbene Anspruch auf Teilnahme an der EHV durch weitere vertragsärztliche Tätigkeit nicht. Diese Satzungsänderung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe nunmehr die Wahl, entweder die EHV nicht in Anspruch zu nehmen und durch die Fortsetzung seiner aktiven vertragsärztlichen Tätigkeit über das 65. Lebensjahr hinaus weitere EHV-Anwartschaften zu erwerben, oder die EHV mit dem bis zum Eintrittszeitpunkt erworbenen Anspruchsprozentsatz in Anspruch zu nehmen und zusätzlich weiter sein Honorar aus der vertragsärztlichen Tätigkeit zu erwirtschaften. Letztere Wahlmöglichkeit sei Vertragsärzten bis zum Zeitpunkt der Satzungsänderung verwehrt geblieben, da zuvor die Teilnahme an der EHV strikt an die Rechtskraft des Verzichts auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geknüpft gewesen sei. Da die EHV in der KV Hessen ein umlagefinanziertes System sei, wonach die Honorarzahlungen der aktiven Vertragsärzte durch Quotierung zur Deckung des Finanzbedarfs sowie Zahlungen an die inaktiven Vertragsärzte herangezogen werden, würde es der Systematik der EHV vollends widersprechen, wenn weiterhin aktiv tätige Vertragsärzte, die zugleich EHV-Bezieher seien, nicht zur Finanzierung der EHV herangezogen würden.
Hiergegen hat der Kläger am 24.05.2012 die Klage erhoben. Er trägt vor, er wende sich gegen die Ungleichbehandlung der aktiven Ärzte vor und nach dem 65. Lebensjahr. Auf Grund des einbehaltenen Honoraranteils zur Finanzierung der EHV-Ansprüche komme es zu einer Punktwertsteigerung. Durch diese Punktwertsteigerung erhöhe sich der Wert des EHV-Anspruchs. Bei ihm werde der gleiche Honoraranteil wie bei einem gleich jüngeren Arzt vom jeweiligen Honoraranteil einbehalten. Bei dem jüngeren Arzt komme es dadurch zu einer Steigerung des EHV-Anspruchs, bei ihm als älterem Arzt jedoch nicht. Darin sehe er eine Ungleichbehandlung. Die Beklagte sehe offenbar ebenfalls einen Handlungsbedarf, denn sie habe die Satzung erneut mit Wirkung ab dem 01.07.2012 dahingehend geändert, dass nunmehr Kassenärzte, die über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus als solche tätig seien und Zahlungen zu leisten hätten, trotz Leistungsbezugs Anwartschaftspunkte erwerben könnten, allerdings nur in hälftiger Höhe gegenüber jenen Mitgliedern, die keine Leistungen bezögen. Ob diese Satzungsänderungen geeignet seien, werde noch zu prüfen sein, da es im vorliegenden Verfahren nur um den Zeitraum 01.06.2010 bis 30.06.2012 gehe. Zahlungen, die nicht zu späteren Leistungen führten bzw. ein entsprechendes Anrecht begründeten, seien keine Beiträge, sondern Abgaben. Solche sei die Beklagte nicht befugt zu erheben. Auch das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 30.08.2001 - B 4 RA 116/00 R - bei einer entsprechenden Regelung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung eine Ungleichbehandlung gesehen. Auch wenn der Anspruchsatz auf 18 % begrenzt sei, folge hieraus nicht, dass auch vor Erreichen dieser 18 %-Grenze durch Zahlungen der Anspruchsatz nicht mehr zu erhöhen sei. Ausdruck der Solidarität sei es vielmehr, dass Ärzte trotz Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für die EHV ihre kassenärztliche Tätigkeit weiterhin ausübten und dadurch ihren Beitrag zur Finanzierung des Systems der EHV leisteten.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 die Beklagte zu verpflichten, ihn über seinen Antrag auf Teilnahme an der EHV nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht weiterhin keine Ungleichbehandlung in ihrer Satzungsregelung, da es jedem Arzt frei stehe, seinen Anspruchssatz weiterhin bis auf 18 % zu erhöhen, indem er an einer vertragsärztlichen Versorgung teilnehme, ohne bereits an der EHV teilzunehmen. Die Gruppe der teilnehmenden Ärzte könne mit der Gruppe der nicht teilnehmenden Ärzte nicht verglichen werden. Auch Ärzte, die ihren Höchstanspruchsatz von 18 % erreicht hätten und weiterhin vertragsärztlich tätig seien, könnten ihren Anspruchsatz nicht erhöhen. Es unterliege ihrem Gestaltungsspielraum, alle aktiven Vertragsärzte, unabhängig davon, ob sie bereits an der EHV teilnehmen oder nicht, der Zahlung von Beiträgen zur EHV zu unterwerfen, denn das Äquivalentsprinzip sei durch den Solidaritätsgedanken verdrängt. Die Erhebung der Beiträge sei bei einem im reinen Umlaufverfahren organisierten System konstitutiv, das heißt von allen aktiven Vertragsärzten müsse ein Teil der Gesamtvergütung einbehalten werden, der ausreiche, die erworbenen Ansprüche inaktiver Vertragsärzte und deren Hinterbliebenen zu erfüllen. Wer als EHV-Bezieher weiterhin vertragsärztlich tätig sei, dem werde sein Honorar nicht auf die EHV-Bezüge angerechnet. Es bestehe keine Vergleichbarkeit mit einem Sozialleistungsträger. Die Regelung des § 76d SGB VI könne nicht auf die EHV übertragen werden. Das LSG Hessen (L 4 KA 63/11) habe bezüglich einer analogen Anwendung des § 115b SGB VI auf sie ausgeführt, dass eine analoge Anwendung ausscheide, da es sich bei § 115b SGB VI um eine spezielle Norm für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung handele, die nicht auf jedes andere Versorgungswerk schon gar auf sie übertragen werden könne. Für den Zeitraum ab III/12 sei die EHV reformiert worden. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 16.07.2008 (B 6 KA 38/07 R) ausgeführt, dass eine Neuausrichtung der EHV nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass einzelne Elemente anderer Grundsätze der EHV aufgegeben oder modifiziert würden. Die Änderungen zum Quartal ab III/12 könnten somit keine rückwirkenden Auswirkungen auf die im Gestaltungsspielraum der Beklagten erlassenen, vorliegend maßgeblichen Regelungen bis zum Quartal II/12 haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihn über seinen Antrag auf Teilnahme an der EHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der EHV in den streitbefangenen Quartalen sind die Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der KV Hessen (GEHV) mit der von der Vertreterversammlung der KV am 31.10. und 12.12.2009 beschlossenen und ab Mai und von dem aufsichtsführenden Ministerium des Landes Hessen am 26.02.2010 genehmigten Änderung (veröffentlicht in EHV Aktuell der KV Hessen, Sonderausgabe 1/2010 vom 11.05.2010). Diese Neufassung der GEHV steht mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 8 des Gesetzes über die KV und die KZV Hessen vom 22.12.1953 (KVHG; Hessisches GVBl, 206) in Einklang und ist was der Kläger nicht in Abrede stellt - von der Beklagten korrekt angewandt worden. Die Vorschrift des § 8 KVHG ist ihrerseits bundesrechts- und verfassungskonform und also uneingeschränkt wirksam (vgl. hierzu vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43 = USK 2008-65, zitiert nach juris Rdnr. 20 ff.).
Danach setzt die Teilnahme an der EHV neben der vorausgegangenen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in eigener Praxis, nach rechtskräftiger Zulassung im Bereich der KV Hessen, Rechtskraft des Verzichts auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit oder Tod des Vertragsarztes voraus, wobei ein Verzicht auf die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht erforderlich ist, wenn weiterhin die Tätigkeit als Vertragsarzt oder angestellter Arzt eines vertragsärztlichen Leistungserbringers ausgeübt und eine Teilnahme an der EHV beantragt wird (§ 2 Abs. 1 und 2 GEHV). Nimmt ein Vertragsarzt nach Vollendung des 65. Lebensjahres an der EHV teil und ist er zugleich vertragsärztlich im Sinne von § 2 Abs. 2 GEHV tätig, erhöht sich der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erworbene Anspruch auf Teilnahme an der EHV durch weitere vertragsärztliche Tätigkeit nicht (§ 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV).
§ 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV ist nicht mehr vom Gestaltungsspielraum der Beklagten aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in § 8 KVHG gedeckt. Die Bestimmung verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die Beklagte ist grundsätzlich zur Reformierung der GEHV berechtigt, um zeitbedingte Anpassungen vorzunehmen oder strukturellen Umbrüchen zu begegnen (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 49 ff.). Aufgrund der Aufhebung der Altersgrenze in der vertragsärztlichen Versorgung ist es Vertragsärzten möglich, auch über die damalige Altersgrenze von 68 Jahren hinaus tätig zu sein. Durch die Änderung der GEHV können Ärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet und damit Anspruch auf Teilnahme an der EHV haben, nunmehr bereits an der EHV teilnehmen und dennoch weiterhin ihre vertragsärztliche Tätigkeit ausüben (vgl. EHV-Aktuell, a.a.O., S. 1). Auch werden damit Anreize zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Hinblick auf einen möglichen Rückgang der vertragsärztlichen Tätigkeit gesetzt.
Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG, worunter Ansprüche nach den GEHV fallen (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 39 ff.), kommt nicht in Betracht. Mit der Änderung wurde es Vertragsärzten erstmals ermöglicht, nach Erreichen des 65. Lebensjahres ihre vertragsärztliche Tätigkeit bei gleichzeitigem EHV-Bezug fortzusetzen. Wie zuvor unterliegt aber die vertragsärztliche Tätigkeit der Heranziehung zur EHV. Ein Eingriff in bestehende Anwartschaften oder Rechte scheidet daher aus.
Mit § 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV liegt aber eine Ungleichbehandlung vor. Der Kläger nimmt weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teil und wird zur Finanzierung der EHV herangezogen, ohne dass er, obwohl er den Anspruchshöchstsatz noch nicht erreicht hat, auch bei Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit seinen Anspruch auf Teilnahme an der EHV noch erhöhen könnte. Damit wird er gegenüber den übrigen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten benachteiligt. Wesentlich im Hinblick auf die Gleichbehandlung ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und die hieraus resultierende Heranziehung zur Finanzierung der EHV. Der Umstand, dass der Kläger nunmehr auch wegen Erreichen des 65. Lebensjahres an der EHV teilnehmen kann, beruht auf dem Erreichen der Altersgrenze und dem Umstand, dass er in der Vergangenheit seiner Heranziehung zur Finanzierung der EHV eine eigne Anwartschaft erzielt hat. Gründe dafür, weshalb wegen des nunmehr zulässigen Bezugs der EHV ohne Verzicht auf die Zulassung sich die weitere Heranziehung zur EHV nicht mehr auf die zukünftige Teilnahme an der EHV auswirken sollte, sind nicht ersichtlich. Insofern ist die mit zwei Vertragsärzten besetzte Kammer der Auffassung, dass immer dann, wenn Beiträge zur Finanzierung der EHV erfolgen, sich dies auf eine Anwartschaft auswirken muss. Dies gilt nur dann nicht, d. h. die Heranziehung zur EHV aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erhöht den Anspruchsatz dann nicht mehr, wenn bereits der Höchstanspruchsatz von 18 % erreicht wurde (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.09.2010 - S 12 KA 507/09 - juris Rdnr. 23 = www.sozialgerichtsbarkeit.de, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Beschl. v. 14.12.2011 - L 4 KA 78/10 -). Dies ist bei dem Kläger aber nicht der Fall.
Die Beklagte hat auch zwischenzeitlich ihr Regelwerk geändert. Nach den durch Beschluss der Vertreterversammlung der KV Hessen vom 10.03.2012 und 12.05.2012 neugefassten Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung, vom Hessischen Sozialministerium mit Schreiben vom 25.05.2012 genehmigt und am 01.07.2012 in Kraft, ist nach § 3 Abs. 6 GEHV n. F. für den Fall des Bezugs von Leistungen der EHV nach Erreichen der - z. T. angehobenen - Regelaltersgrenze unter weiterer Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit der Vertragsarzt weiterhin zur Beitragszahlung in Höhe der zutreffenden Beitragsklasse verpflichtet. Nach § 4 Abs. 7 GEHV n. F. gilt, nimmt ein Vertragsarzt nach Erreichen der Regelaltersgrenze an der EHV teil und ist er zugleich vertragsärztlich tätig, dass er weiter zur Beitragsleistung verpflichtet ist. Er erwirbt ab dem Erreichen der Regelaltersgrenze abweichend von Abs. 1 die Hälfte der für die Beitragsklasse festgeschriebenen Punkte, sofern die in § 4 Abs. 2 Satz 3 festgelegte maximale Punktzahl von 14.000 Punkten noch nicht erreicht ist. Die seit dem Erreichen der Regelaltersgrenze erworbenen Punkte werden für die Berechnung des EHV-Anspruchs mit der endgültigen Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit wirksam. Hierüber erfolgt ein gesonderter Bescheid für die in diesem Zeitraum erworbenen Punkte.
Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass es im strittigen Zeitraum jedem Arzt frei stand, seinen Anspruchssatz weiterhin bis auf 18 % zu erhöhen, indem er an einer vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ohne bereits an der EHV teilzunehmen. In diesem Fall konnte der Vertragsarzt auch nach dem 65. Lebensjahr wie vor Änderung der GEHV seine Anwartschaft bzw. seinen Anspruchsatz erhöhen. Dadurch aber, dass die Beklagte bei Erreichen der Altersgrenze für den EHV-Bezug von einem Verzicht auf die Zulassung absah, schuf die Beklagte keinen Grund, die weitere Heranziehung zur EHV von jeder Anspruchserhöhung in der Zukunft auszuschließen. Der Beklagten steht es zwar grundsätzlich frei, die Altersgrenze festzusetzen und für den EHV-Bezug einen Verzicht auf die Zulassung vorauszusetzen. Das Absehen vom Verzicht auf die Zulassung bildet aber kein Äquivalent zu einer weiteren Heranziehung zur EHV ohne Auswirkung auf die Anwartschaft.
Vor einer Neubescheidung hat die Beklagte daher die GEHV für den strittigen Zeitraum anzupassen. Im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums steht es ihr frei, eine der Nachfolgeregelung entsprechende Regelung bereits für den hier strittigen Zeitraum einzuführen. Insofern hält es die Kammer für zulässig, dass die weitere vertragsärztliche Tätigkeit nicht vollständig, sondern nur noch hälftig zur Anspruchserhöhung führt. Die Beklagte kann aber auch von einer gänzlichen Anspruchserhöhung absehen, soweit sie von dem vertragsärztlichen Honorar keine Beiträge für die EHV abführt.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anrechnung seiner nach Vollendung des 65. Lebensjahres absolvierten Zeiten vertragsärztlicher Tätigkeit auf seine EHV-Bezüge für den Zeitraum 01.06.2010 bis 30.06.2012.
Der 1944 geborene Kläger ist seit dem 20.05.1980 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Mit Datum vom 21.04.2010 beantragte er die Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (EHV).
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23.01.2012 die Teilnahme an der EHV ab 01.06.2010 mit einem Anspruchsatz von 17,2823 %, wobei sie angab, als letzte Quartalsabrechnung die Abrechnung II/10 berücksichtigt zu haben.
Hiergegen legte der Kläger am 31.01.2012 Widerspruch ein. Er trug vor, er sei weiterhin kassenärztlich in eigener Praxis tätig und zahle weiterhin die entsprechenden Abzüge an die EHV. Sein Widerspruch richte sich dagegen, dass bei weiterer Zahlung von ihm an die EHV sich sein Anspruchsatz nicht erhöhe.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012, dem Kläger am 26.04.2012 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass sich sein EHV-Anspruchsatz auf Grund seiner weiteren vertragsärztlichen Tätigkeit erhöhe. Nach den Grundsätzen der erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen könnten auf Grund der ab Mai 2010 gültigen Satzungsänderung Ärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet und damit Anspruch auf Teilnahme an der EHV hätten, nunmehr bereits an der EHV teilnehmen und dennoch weiterhin ihre vertragsärztliche Tätigkeit ausüben. Nehme ein Vertragsarzt nach Vollendung des 65. Lebensjahres an der EHV teil, dann sei er zugleich vertragsärztlich tätig, erhöhe sich nach § 8 Abs. 2 S. 9 GEHV der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erworbene Anspruch auf Teilnahme an der EHV durch weitere vertragsärztliche Tätigkeit nicht. Diese Satzungsänderung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe nunmehr die Wahl, entweder die EHV nicht in Anspruch zu nehmen und durch die Fortsetzung seiner aktiven vertragsärztlichen Tätigkeit über das 65. Lebensjahr hinaus weitere EHV-Anwartschaften zu erwerben, oder die EHV mit dem bis zum Eintrittszeitpunkt erworbenen Anspruchsprozentsatz in Anspruch zu nehmen und zusätzlich weiter sein Honorar aus der vertragsärztlichen Tätigkeit zu erwirtschaften. Letztere Wahlmöglichkeit sei Vertragsärzten bis zum Zeitpunkt der Satzungsänderung verwehrt geblieben, da zuvor die Teilnahme an der EHV strikt an die Rechtskraft des Verzichts auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geknüpft gewesen sei. Da die EHV in der KV Hessen ein umlagefinanziertes System sei, wonach die Honorarzahlungen der aktiven Vertragsärzte durch Quotierung zur Deckung des Finanzbedarfs sowie Zahlungen an die inaktiven Vertragsärzte herangezogen werden, würde es der Systematik der EHV vollends widersprechen, wenn weiterhin aktiv tätige Vertragsärzte, die zugleich EHV-Bezieher seien, nicht zur Finanzierung der EHV herangezogen würden.
Hiergegen hat der Kläger am 24.05.2012 die Klage erhoben. Er trägt vor, er wende sich gegen die Ungleichbehandlung der aktiven Ärzte vor und nach dem 65. Lebensjahr. Auf Grund des einbehaltenen Honoraranteils zur Finanzierung der EHV-Ansprüche komme es zu einer Punktwertsteigerung. Durch diese Punktwertsteigerung erhöhe sich der Wert des EHV-Anspruchs. Bei ihm werde der gleiche Honoraranteil wie bei einem gleich jüngeren Arzt vom jeweiligen Honoraranteil einbehalten. Bei dem jüngeren Arzt komme es dadurch zu einer Steigerung des EHV-Anspruchs, bei ihm als älterem Arzt jedoch nicht. Darin sehe er eine Ungleichbehandlung. Die Beklagte sehe offenbar ebenfalls einen Handlungsbedarf, denn sie habe die Satzung erneut mit Wirkung ab dem 01.07.2012 dahingehend geändert, dass nunmehr Kassenärzte, die über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus als solche tätig seien und Zahlungen zu leisten hätten, trotz Leistungsbezugs Anwartschaftspunkte erwerben könnten, allerdings nur in hälftiger Höhe gegenüber jenen Mitgliedern, die keine Leistungen bezögen. Ob diese Satzungsänderungen geeignet seien, werde noch zu prüfen sein, da es im vorliegenden Verfahren nur um den Zeitraum 01.06.2010 bis 30.06.2012 gehe. Zahlungen, die nicht zu späteren Leistungen führten bzw. ein entsprechendes Anrecht begründeten, seien keine Beiträge, sondern Abgaben. Solche sei die Beklagte nicht befugt zu erheben. Auch das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 30.08.2001 - B 4 RA 116/00 R - bei einer entsprechenden Regelung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung eine Ungleichbehandlung gesehen. Auch wenn der Anspruchsatz auf 18 % begrenzt sei, folge hieraus nicht, dass auch vor Erreichen dieser 18 %-Grenze durch Zahlungen der Anspruchsatz nicht mehr zu erhöhen sei. Ausdruck der Solidarität sei es vielmehr, dass Ärzte trotz Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für die EHV ihre kassenärztliche Tätigkeit weiterhin ausübten und dadurch ihren Beitrag zur Finanzierung des Systems der EHV leisteten.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 die Beklagte zu verpflichten, ihn über seinen Antrag auf Teilnahme an der EHV nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht weiterhin keine Ungleichbehandlung in ihrer Satzungsregelung, da es jedem Arzt frei stehe, seinen Anspruchssatz weiterhin bis auf 18 % zu erhöhen, indem er an einer vertragsärztlichen Versorgung teilnehme, ohne bereits an der EHV teilzunehmen. Die Gruppe der teilnehmenden Ärzte könne mit der Gruppe der nicht teilnehmenden Ärzte nicht verglichen werden. Auch Ärzte, die ihren Höchstanspruchsatz von 18 % erreicht hätten und weiterhin vertragsärztlich tätig seien, könnten ihren Anspruchsatz nicht erhöhen. Es unterliege ihrem Gestaltungsspielraum, alle aktiven Vertragsärzte, unabhängig davon, ob sie bereits an der EHV teilnehmen oder nicht, der Zahlung von Beiträgen zur EHV zu unterwerfen, denn das Äquivalentsprinzip sei durch den Solidaritätsgedanken verdrängt. Die Erhebung der Beiträge sei bei einem im reinen Umlaufverfahren organisierten System konstitutiv, das heißt von allen aktiven Vertragsärzten müsse ein Teil der Gesamtvergütung einbehalten werden, der ausreiche, die erworbenen Ansprüche inaktiver Vertragsärzte und deren Hinterbliebenen zu erfüllen. Wer als EHV-Bezieher weiterhin vertragsärztlich tätig sei, dem werde sein Honorar nicht auf die EHV-Bezüge angerechnet. Es bestehe keine Vergleichbarkeit mit einem Sozialleistungsträger. Die Regelung des § 76d SGB VI könne nicht auf die EHV übertragen werden. Das LSG Hessen (L 4 KA 63/11) habe bezüglich einer analogen Anwendung des § 115b SGB VI auf sie ausgeführt, dass eine analoge Anwendung ausscheide, da es sich bei § 115b SGB VI um eine spezielle Norm für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung handele, die nicht auf jedes andere Versorgungswerk schon gar auf sie übertragen werden könne. Für den Zeitraum ab III/12 sei die EHV reformiert worden. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 16.07.2008 (B 6 KA 38/07 R) ausgeführt, dass eine Neuausrichtung der EHV nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass einzelne Elemente anderer Grundsätze der EHV aufgegeben oder modifiziert würden. Die Änderungen zum Quartal ab III/12 könnten somit keine rückwirkenden Auswirkungen auf die im Gestaltungsspielraum der Beklagten erlassenen, vorliegend maßgeblichen Regelungen bis zum Quartal II/12 haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihn über seinen Antrag auf Teilnahme an der EHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der EHV in den streitbefangenen Quartalen sind die Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der KV Hessen (GEHV) mit der von der Vertreterversammlung der KV am 31.10. und 12.12.2009 beschlossenen und ab Mai und von dem aufsichtsführenden Ministerium des Landes Hessen am 26.02.2010 genehmigten Änderung (veröffentlicht in EHV Aktuell der KV Hessen, Sonderausgabe 1/2010 vom 11.05.2010). Diese Neufassung der GEHV steht mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 8 des Gesetzes über die KV und die KZV Hessen vom 22.12.1953 (KVHG; Hessisches GVBl, 206) in Einklang und ist was der Kläger nicht in Abrede stellt - von der Beklagten korrekt angewandt worden. Die Vorschrift des § 8 KVHG ist ihrerseits bundesrechts- und verfassungskonform und also uneingeschränkt wirksam (vgl. hierzu vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43 = USK 2008-65, zitiert nach juris Rdnr. 20 ff.).
Danach setzt die Teilnahme an der EHV neben der vorausgegangenen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in eigener Praxis, nach rechtskräftiger Zulassung im Bereich der KV Hessen, Rechtskraft des Verzichts auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit oder Tod des Vertragsarztes voraus, wobei ein Verzicht auf die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht erforderlich ist, wenn weiterhin die Tätigkeit als Vertragsarzt oder angestellter Arzt eines vertragsärztlichen Leistungserbringers ausgeübt und eine Teilnahme an der EHV beantragt wird (§ 2 Abs. 1 und 2 GEHV). Nimmt ein Vertragsarzt nach Vollendung des 65. Lebensjahres an der EHV teil und ist er zugleich vertragsärztlich im Sinne von § 2 Abs. 2 GEHV tätig, erhöht sich der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erworbene Anspruch auf Teilnahme an der EHV durch weitere vertragsärztliche Tätigkeit nicht (§ 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV).
§ 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV ist nicht mehr vom Gestaltungsspielraum der Beklagten aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in § 8 KVHG gedeckt. Die Bestimmung verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die Beklagte ist grundsätzlich zur Reformierung der GEHV berechtigt, um zeitbedingte Anpassungen vorzunehmen oder strukturellen Umbrüchen zu begegnen (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 49 ff.). Aufgrund der Aufhebung der Altersgrenze in der vertragsärztlichen Versorgung ist es Vertragsärzten möglich, auch über die damalige Altersgrenze von 68 Jahren hinaus tätig zu sein. Durch die Änderung der GEHV können Ärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet und damit Anspruch auf Teilnahme an der EHV haben, nunmehr bereits an der EHV teilnehmen und dennoch weiterhin ihre vertragsärztliche Tätigkeit ausüben (vgl. EHV-Aktuell, a.a.O., S. 1). Auch werden damit Anreize zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Hinblick auf einen möglichen Rückgang der vertragsärztlichen Tätigkeit gesetzt.
Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG, worunter Ansprüche nach den GEHV fallen (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 39 ff.), kommt nicht in Betracht. Mit der Änderung wurde es Vertragsärzten erstmals ermöglicht, nach Erreichen des 65. Lebensjahres ihre vertragsärztliche Tätigkeit bei gleichzeitigem EHV-Bezug fortzusetzen. Wie zuvor unterliegt aber die vertragsärztliche Tätigkeit der Heranziehung zur EHV. Ein Eingriff in bestehende Anwartschaften oder Rechte scheidet daher aus.
Mit § 8 Abs. 1 Satz 5 GEHV liegt aber eine Ungleichbehandlung vor. Der Kläger nimmt weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teil und wird zur Finanzierung der EHV herangezogen, ohne dass er, obwohl er den Anspruchshöchstsatz noch nicht erreicht hat, auch bei Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit seinen Anspruch auf Teilnahme an der EHV noch erhöhen könnte. Damit wird er gegenüber den übrigen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten benachteiligt. Wesentlich im Hinblick auf die Gleichbehandlung ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und die hieraus resultierende Heranziehung zur Finanzierung der EHV. Der Umstand, dass der Kläger nunmehr auch wegen Erreichen des 65. Lebensjahres an der EHV teilnehmen kann, beruht auf dem Erreichen der Altersgrenze und dem Umstand, dass er in der Vergangenheit seiner Heranziehung zur Finanzierung der EHV eine eigne Anwartschaft erzielt hat. Gründe dafür, weshalb wegen des nunmehr zulässigen Bezugs der EHV ohne Verzicht auf die Zulassung sich die weitere Heranziehung zur EHV nicht mehr auf die zukünftige Teilnahme an der EHV auswirken sollte, sind nicht ersichtlich. Insofern ist die mit zwei Vertragsärzten besetzte Kammer der Auffassung, dass immer dann, wenn Beiträge zur Finanzierung der EHV erfolgen, sich dies auf eine Anwartschaft auswirken muss. Dies gilt nur dann nicht, d. h. die Heranziehung zur EHV aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erhöht den Anspruchsatz dann nicht mehr, wenn bereits der Höchstanspruchsatz von 18 % erreicht wurde (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.09.2010 - S 12 KA 507/09 - juris Rdnr. 23 = www.sozialgerichtsbarkeit.de, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Beschl. v. 14.12.2011 - L 4 KA 78/10 -). Dies ist bei dem Kläger aber nicht der Fall.
Die Beklagte hat auch zwischenzeitlich ihr Regelwerk geändert. Nach den durch Beschluss der Vertreterversammlung der KV Hessen vom 10.03.2012 und 12.05.2012 neugefassten Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung, vom Hessischen Sozialministerium mit Schreiben vom 25.05.2012 genehmigt und am 01.07.2012 in Kraft, ist nach § 3 Abs. 6 GEHV n. F. für den Fall des Bezugs von Leistungen der EHV nach Erreichen der - z. T. angehobenen - Regelaltersgrenze unter weiterer Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit der Vertragsarzt weiterhin zur Beitragszahlung in Höhe der zutreffenden Beitragsklasse verpflichtet. Nach § 4 Abs. 7 GEHV n. F. gilt, nimmt ein Vertragsarzt nach Erreichen der Regelaltersgrenze an der EHV teil und ist er zugleich vertragsärztlich tätig, dass er weiter zur Beitragsleistung verpflichtet ist. Er erwirbt ab dem Erreichen der Regelaltersgrenze abweichend von Abs. 1 die Hälfte der für die Beitragsklasse festgeschriebenen Punkte, sofern die in § 4 Abs. 2 Satz 3 festgelegte maximale Punktzahl von 14.000 Punkten noch nicht erreicht ist. Die seit dem Erreichen der Regelaltersgrenze erworbenen Punkte werden für die Berechnung des EHV-Anspruchs mit der endgültigen Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit wirksam. Hierüber erfolgt ein gesonderter Bescheid für die in diesem Zeitraum erworbenen Punkte.
Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass es im strittigen Zeitraum jedem Arzt frei stand, seinen Anspruchssatz weiterhin bis auf 18 % zu erhöhen, indem er an einer vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ohne bereits an der EHV teilzunehmen. In diesem Fall konnte der Vertragsarzt auch nach dem 65. Lebensjahr wie vor Änderung der GEHV seine Anwartschaft bzw. seinen Anspruchsatz erhöhen. Dadurch aber, dass die Beklagte bei Erreichen der Altersgrenze für den EHV-Bezug von einem Verzicht auf die Zulassung absah, schuf die Beklagte keinen Grund, die weitere Heranziehung zur EHV von jeder Anspruchserhöhung in der Zukunft auszuschließen. Der Beklagten steht es zwar grundsätzlich frei, die Altersgrenze festzusetzen und für den EHV-Bezug einen Verzicht auf die Zulassung vorauszusetzen. Das Absehen vom Verzicht auf die Zulassung bildet aber kein Äquivalent zu einer weiteren Heranziehung zur EHV ohne Auswirkung auf die Anwartschaft.
Vor einer Neubescheidung hat die Beklagte daher die GEHV für den strittigen Zeitraum anzupassen. Im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums steht es ihr frei, eine der Nachfolgeregelung entsprechende Regelung bereits für den hier strittigen Zeitraum einzuführen. Insofern hält es die Kammer für zulässig, dass die weitere vertragsärztliche Tätigkeit nicht vollständig, sondern nur noch hälftig zur Anspruchserhöhung führt. Die Beklagte kann aber auch von einer gänzlichen Anspruchserhöhung absehen, soweit sie von dem vertragsärztlichen Honorar keine Beiträge für die EHV abführt.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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