L 3 U 97/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 18 U 6/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 97/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente (VR) aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von mindestens 25 v. H.

Der 1957 geborene Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Tischler am 21. Juni 2007 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als er sich beim Zurechtschneiden von Treppenteilen mit einer Kreissäge die rechte Hand so verletzte, dass es zu einer Amputation des rechten Zeigefingers in Höhe des Grundgliedes und zu einer Teilamputation des Mittel- und Ringfingers sowie einer Verletzung der Beugemuskeln und –sehnen kam. Eine Replantation des Zeigefingers war nicht möglich, im Mittelfinger verblieb eine Beugehemmung im obersten Glied. Ausweislich des Berichts des Unfallkrankenhauses B (UK) vom 28. August 2007, wo sich der Kläger einer Handrehabilitation unterzogen hatte, wurde die MdE auf 25 v. H. geschätzt.

Zum Zeitpunkt des Unfalls war der Kläger nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag vom 30. April 2007 als Tischler/Monteur zu einem Stundenlohn von 7, 50 Euro brutto in einem bis zum 30. Juni 2007 befristeten Arbeitsverhältnis - nach seinen Angaben war eine Weiterbeschäftigung in Aussicht gestellt – beschäftigt. Aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls konnte der Kläger seine Tätigkeit, die mit starker Beanspruchung der rechten Hand und des rechten Arms verbunden war, nicht mehr ausüben.

Am 09. Oktober 2007 erfolgte im U eine Endgelenksarthrodese des Mittelfingers in 45°-Stellung, um den nicht wieder aktivierbaren vordersten Teil des Mittelfingers in eine stärkere Beugestellung zu bringen und einen Faustschluss zu erreichen (Zwischenbericht vom 18. Oktober 2007). Dieser Eingriff hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg, die Beweglichkeit im Mittelfinger/Mittelgelenk verschlechterte sich, im Endgelenk bestand eine Wackelbeweglichkeit und eine knöcherne Konsolidierung war nicht eingetreten (Zwischenberichte des medizinischen Dienstleistungszentrums vom 09. November und 07. Dezember 2007 und vom 07. Januar und 08. Februar 2008). Der Versuch einer Belastungserprobung wurde wegen des schlechten gesundheitlichen Zustandes des Klägers auch aufgrund anderer Leiden (Kreislauf-/Herz-/Magenerkrankung, Husten) mehrfach verschoben. Die Beschäftigungsfirma war schließlich nicht mehr zu einem Arbeitsversuch bereit, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bestand nicht mehr.

Am 08. Mai 2008 erstattete der Facharzt für Chirurgie Dr. E (Dr. H) ein Erstes Rentengutachten, in welchem er zur Feststellung folgender Unfallfolgen gelangte: - Verlust des Zeigefingers auf Höhe körpernahes Grundglied rechts, - Endgliedamputation des Ringfingers rechts, - hochgradige Bewegungseinschränkung des Mittelfingers bei Zustand nach Beugesehnenrekonstruktion und Endgelenksversteifung, - aufgehobener Faustschluss, - Stumpfbeschwerden des Ringfingers, - deutlicher Kraftverlust der rechten Hand, - verminderte Handspanne, - radiologisch knöcherne Konsolidierung der Endgelenksversteifung am Mittelfinger, - reizlose Narben der operativen Zugänge und Versorgung der Finger 2. bis 4. der rechten Hand. Die unfallbedingte MdE schätzte Dr. E (Dr. H) auf 20 v. H. ein.

Mit Bescheid vom 05. Juni 2008 gewährte die Beklagte eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. unter Anerkennung der von Dr. E festgestellten Unfallfolgen. Nicht als Folge des Unfalls wurde eine rechtsseitige posttraumatische Arthrose des radialen Handgelenkes anerkannt.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, die Schmerzen in der rechten Hand seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Zudem liege bei ihm eine besondere berufliche Betroffenheit vor, da er seit dem Unfall die Tätigkeit als Tischler, in der er seit seinem 16. Lebensjahr, also weit über 30 Jahre, tätig gewesen sei, nicht mehr ausüben könne. Die verbleibende Möglichkeit, eine an- oder ungelernte Tätigkeit auszuüben, sei mit einem deutlichen sozialen Abstieg verbunden. Seine Erwerbsfähigkeit sei deshalb um mehr als 20 v. H. gemindert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da der Kläger seine Tätigkeit als Tischler nicht mehr ausüben könne, habe sie job.bg damit beauftragt, ihn bei der Suche einer leidensgerechten Tätigkeit zu unterstützen. Dies bedinge jedoch nicht eine höhere MdE. Entschädigt werde durch die Unfallversicherung nicht eine Minderung des Erwerbseinkommens, sondern die MdE, die nicht an den Berufen der Versicherten und deren Einkommensverhältnissen nach dem Versicherungsfall bemessen werde, sondern nach dem Unterschied der für den Versicherten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeit vor und nach dem Versicherungsfall. Die Bemessung der MdE mit 20 v. H. sei zu Recht erfolgt.

Mit seiner hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 04. Dezember 1991, 2 RU 47/90, BSGE 70,47) vorgetragen, dass seine VR wegen besonderer beruflicher Nachteile (§ 56 Abs. 2 Satz 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)) zu erhöhen sei. Mit 51 Jahren sei es ihm nicht mehr möglich, sich auf dem Arbeitsmarkt völlig neu zu orientieren. Seine speziellen Kenntnisse hätten ihm eine besonders günstige Stellung im Erwerbsleben vermittelt, weil er wegen seiner im Laufe der Jahre gesammelten Erfahrungen in einem Ausbildungsberuf überhaupt erst die Möglichkeit gehabt habe, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ihm blieben allenfalls noch an- oder ungelernte Tätigkeiten und die erzwungene Aufgabe der erlernten Tätigkeit sei mit einem deutlichen sozialen Abstieg verbunden, weil er befürchten müsse, dauerhaft arbeitslos zu sein. Trotz der Unterstützung durch die Beklagte und die Bundesagentur für Arbeit habe er bisher keinen leidensgerechten und seinen Kenntnissen angepassten Arbeitsplatz erhalten. Hinzu komme, dass die durch den Unfall verursachten Verletzungen bis heute außergewöhnliche Beschwerden verursachen würden. Er leide unter starken Schmerzen im Mittelfinger der rechten Hand, so dass er in Erwägung ziehe, den Finger teilweise amputieren zu lassen, auch der Stumpf des Ringfingers sei nach wie vor äußerst schmerzempfindlich.

Im Rahmen seines am 21. April 2010 erstellten Zweiten Rentengutachtens zur erstmaligen Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit gelangte Dr. E (Dr. H) bei der Untersuchung des Mittelfingers u. a. zu der Feststellung, dass die 30°-Beugestellung im Endgelenk nunmehr versteift ohne Wackelbeweglichkeit sei. Bei Prüfung der Faustschlussbewegung finde sich ein Abstand der Mittelfingerkuppe zur Hohlhandfalte von 2 cm, hinsichtlich der Streckung verbleibe ein Abstand von 2 cm zur verlängerten Handrückenebene. Die Beweglichkeit des Daumens, des Ringfingerstumpfes und des Kleinfingers seien nicht eingeschränkt, die Sensibilität sei in allen Fingern erhalten, die Finger seien gut durchblutet, die Handspanne rechts deutlich gemindert. Die röntgenologische Untersuchung ergab eine knöchern konsolidierte Arthrodese des Endgelenks des Mittelfingers bei reizloser Materiallage ohne Lockerungszeichen. Die unfallbedingte MdE werde weiterhin und auf Dauer mit 20 v. H. eingeschätzt.

Mit Bescheid vom 08. Juni 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v. H ... Der Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens (§ 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Auf Anordnung des SG hat der Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. Sam 12. April 2011 ein Gutachten erstattet, in dem er als Unfallfolgen einen Zustand nach Teilamputation der rechten Hand festgestellt hat. Unfallunabhängig lägen eine Spinalstenose und ein lumbales radikuläres Reizsyndrom vor. Vorschäden und anlagebedingte Veränderungen im Bereich der Hand hätten das Unfallereignis bzw. dessen Folgen nicht verstärkt oder beeinträchtigt. Wahrscheinlich bestehe eine angeborene Falschgelenkbildung im Kahnbein bds. Die unfallbedingte Amputation bzw. Teilamputation und die Versteifung einzelner Langfinger würden zu einer funktionellen Minderung der rechten Hand führen, die ausschließlich Folge des Unfallereignisses sei. Die Feinmotorik und die Grobmotorik seien ebenfalls herabgesetzt. Unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Auflage, S. 642: Verletzungen an zwei Fingern mit Amputationsfolge) verbleibe eine MdE auf Dauer von 20 v. H ...

Mit Urteil vom 16. April 2012 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen und sich in medizinischer Hinsicht auf die Gutachten von Dr. Eund Prof. Dr. S die die MdE übereinstimmend mit 20 v. H. bewertet hätten, bezogen. Die MdE sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der besonderen beruflichen Betroffenheit zu erhöhen. Die Vorschrift des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII lasse keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit – etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) – zu. Eine derartige Auslegung widerspräche der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, welches für die Bemessung der VR anders als das Versorgungsrecht (für Beschädigtengrundrenten) nicht lediglich ohne Rücksicht auf Alter und Einkommen der Beschäftigten allein nach der Höhe der MdE zu gewährende Pauschalsätze vorsieht, sondern (auch) den individuelleren Maßstab des vom Verletzten während des letzten Jahres vor dem Unfall verdienten Arbeitsentgeltes zugrunde lege. Eine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit würde daher in der gesetzlichen Unfallversicherung regelmäßig zu einer doppelten Berücksichtigung des Berufs führen. Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile lägen aber dann vor, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf infolge des Arbeitsunfalls nicht mehr ausüben könne, müsse dies daher nicht zwangsläufig zur Erhöhung der MdE führen (BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 2 U 25/05 R). Im Fall des Klägers sei eine derartige unbillige Härte nicht anzunehmen. Seine vor dem Unfall ausgeübte Tätigkeit als Tischler sei nicht aufgrund der Dauer der Ausbildung hervorgehoben. Auch habe er sich keine außergewöhnlich günstige Stellung im Erwerbsleben verschafft. Es handele sich um eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit, wie sie auch von unzähligen anderen Arbeitnehmern ausgeübt werde. Die Funktionsstörungen der rechten Hand wirkten sich auch nicht in spezieller Weise auf den Beruf des Tischlers, sondern auf eine Vielzahl von Facharbeitertätigkeiten und solchen auf dem allgemeinen Gebiet des Erwerbslebens aus. Es handele sich also durchaus um ein allgemeines berufliches Betroffensein, welches sich bereits in der Höhe der MdE ausgewirkt habe. Nach den Umständen des Einzelfalles vermöge daher die Dauer der ausgeübten Tätigkeit von 32 Jahren sowie das Alter des Klägers von zum Zeitpunkt des Unfalles 50 Jahren in der Gesamtschau mit den vorstehenden Erwägungen ein besonderes berufliches Betroffensein nicht zu begründen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er weiterhin die Gewährung einer Rente nach einer höheren MdE als 20 v. H. wegen besonderer beruflicher Betroffenheit begehrt. Sein Fall sei mit höchstrichterlich entschiedenen Fällen zu vergleichen (z. B. BSG, Urteil vom 04. Dezember 1991, BSGE 70,47, zum Flugzeugführer). Auch habe das BSG hervorgehoben, dass nicht jedes der beispielhaft aufgeführten Kriterien erfüllt sein müsse, erforderlich sei vielmehr eine Gesamtbetrachtung. Da er zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls in einem Alter gewesen sei, in dem eine Umschulung und eine komplette berufliche Neuorientierung praktisch unmöglich seien und 32 Jahre ohne Unterbrechung in seinem erlernten Handwerksberuf gearbeitet habe, würde das vom BSG als wesentlich gesehene Kriterium der Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit dermaßen überragende Bedeutung erlangen, dass es gar nicht darauf ankomme, ob noch weitere Kriterien erfüllt seien. Er habe aber auch vor dem Arbeitsunfall eine besonders günstige Stellung im Erwerbsleben inne gehabt. In den Jahren von 1992 bis 2007, also in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, sei er in Deutschland ohne Unterbrechung erwerbstätig gewesen und habe in einer Region, die von Arbeitslosigkeit besonders betroffen sei, einen sicheren Arbeitsplatz gehabt. Dies wäre ohne besondere Fachkenntnisse, die er sich im Laufe seines langjährigen Berufslebens angeeignet habe, nicht möglich gewesen. Andere Fälle, in denen das BSG keine besondere berufliche Betroffenheit angenommen habe, ließen sich mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichen (vgl. Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 14/99 R, zum Berufsfußballer, der im Alter von 23 Jahren einen Arbeitsunfall erlitten habe und in seinen erlernten Beruf eines Schmelzschweißers zurückgekehrt sei; ferner BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 2 U 25/05 R, dort sei der Kläger kein ausgebildeter Handwerker, sondern ein Facharbeiter gewesen, der seine Tätigkeit nach nicht außergewöhnlich langer Zeit habe aufgeben müssen). Schließlich könne die Erhöhung nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII auch unterschiedlich ausfallen. Seien alle Merkmale einer besonderen beruflichen Betroffenheit zu bejahen, werde die maximale Erhöhung um 20 v. H. angemessen sein. Erfülle ein Versicherter die Kriterien nur teilweise, scheide eine Erhöhung nicht von vornherein aus. Zu denken sei dann immer noch an eine Erhöhung um 10 oder sogar nur 5 v. H ...

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 05. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2008 in Gestalt des Bescheids vom 08. Juni 2010 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Verletztenrente i. H. von mindestens 25 v. H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Vorschrift des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII sei eng auszulegen. Eine allgemeine Berücksichtigung des besonderen beruflichen Betroffenseins würde regelmäßig zu einer doppelten Berücksichtigung des Berufes führen. Auch könne eine MdE-Erhöhung nur dann erfolgen, wenn dem Versicherten die Nutzung sonstiger Fähigkeiten zum Ausgleich des eingetretenen Nachteils nicht zuzumuten sei, der Versicherte besondere berufliche Kenntnisse oder Erfahrungen etwa durch eine spezielle Ausbildung, eine vorhandenen Begabung oder jahrelange Übung erworben habe und diese nicht für einen anderen Beruf verwertbar seien (z. B. Musiker, Kaffeeröster, Weinkontrolleure, Olivenöltester) oder wenn die Folgen des Unfalles zur Aufgabe einer spezifischen, nicht alltäglichen und die Gegebenheiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hinsichtlich Ausbildung und Anforderungen deutlich überragenden Berufstätigkeit mit einem verhältnismäßig engen Einsatzbereich gezwungen hätten (künstlerische oder schöpferische Fähigkeiten). Der Hinweis des Klägers auf den Fall eines Flugzeugführers gehe fehl, da es sich dort um eine im allgemeinen Erwerbsleben seltene Tätigkeit handele, die herausragende Anforderungen an Ausbildung und Ausübung stelle. Demgegenüber stelle der vom Kläger ausgeübte Beruf auf dem Arbeitsmarkt eine generell verbreitete Tätigkeit dar. Beruflich angeeignetes Fachwissen werde nicht erfasst, da dies in der Regel in jedem Beruf vorliege, der für eine gewisse Dauer ausgeübt worden sei. Der Kläger sei durch die Unfallfolgen auch nicht gänzlich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert; die Vermittlung in eine leidensgerechte Tätigkeit sei aufgenommen worden.

Im Erörterungstermin vor dem LSG Berlin-Brandenburg vom 08. August 2013 haben die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und auch ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin erklärt (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3 u. 4, 124 Abs. 2 SGG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin kann, weil die vorliegende Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten im Erörterungstermin vom 08. August 2013 hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die form- und fristgemäße Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das SG Frankfurt (Oder) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer VR nach einer höheren MdE als 20 v. H.

Gegenstand des Klageverfahrens gemäß § 96 Abs. 1 SGG ist – auch wenn das SG nicht ausdrücklich darüber entschieden hat – auch der während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangene Bescheid vom 08. Juni 2010, mit dem die Beklagte die dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 21. Juni 2007 mit Bescheid vom 05. Juni 2008 als vorläufige Entschädigung gewährte VR nunmehr als VR auf unbestimmte Zeit gewährt hat.

Rechtsgrundlage des Begehrens auf höhere VR ist § 56 Abs. 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (sog. abstrakte Schadensbemessung, § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R, in juris): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel. Bei der Bewertung der MdE handelt es sich grundsätzlich nur um eine Schätzung, bei welcher der Grad der unfallbedingten MdE nicht völlig genau, sondern nur annäherungsweise feststellbar ist. Wie ihrem Wesen nach jede Schätzung, ist mithin auch der Bewertung der MdE eine gewisse Schwankungsbreite eigentümlich, so dass jede innerhalb der Toleranzspanne liegende Schätzung gleichermaßen rechtmäßig ist, soweit dabei die Grenze von fünf Prozentpunkten nach oben oder nach unten nicht überschritten werden, die richtige Ermittlung der Schätzungsgrundlagen vorausgesetzt (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1975, 2 RU 35/75 und vom 07. Dezember 1975, 8 RU 14/76, beide in juris).

Im Ausnahmefall werden nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII bei der Bemessung der MdE jedoch Nachteile berücksichtigt, die der Versicherte dadurch erleidet, dass er bestimmte besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalles nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann. Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen dann vor, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung, der durch § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII nicht eingeschränkt wird, die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung dem Versicherten zugemutet werden kann, ausgeglichen werden (BSG, Urteile vom 25. August 1965, 2 RU 62, 64, BSGE 23, 253, vom 18. Dezember 1974, 2 RU 155/74, BSGE 39, 31, vom 23. Juni 1983, 2 RU 13/82, SozR 2200 § 581 Nr. 18). Bei der Prüfung der besonderen beruflichen Betroffenheit sind strenge Maßstäbe anzulegen, um eine Abweichung von der den Versicherten überwiegend begünstigenden abstrakten Schadensberechnung zu vermeiden und dem Ausnahmecharakter der Vorschrift als Härteklausel gerecht zu werden (vgl. Bereiter-Hahn/Schieckel/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 Rn. 12).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das SG zutreffend entschieden, dass keine höhere MdE-Bewertung vorzunehmen ist. Hierbei hat es sich zunächst in medizinischer Hinsicht zu Recht auf die eingeholten Gutachten, nämlich das vom Facharzt für Chirurgie Dr. E (Dr. H) am 08. Mai 2008 erstattete Erste Rentengutachten, das am 21. April 2010 zur erstmaligen Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit von Dr. E (Dr. H) erstellte Zweite Rentengutachten sowie das von dem Gerichtssachverständigen, dem Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. Sam 12. April 2011 erstattete Gutachten gestützt. Alle Gutachter haben die MdE wegen Unfallfolgen (Verlust des Zeigefingers auf Höhe des Grundgliedes rechts, Endgliedamputation des Ringfingers, hochgradige Bewegungseinschränkung des Mittelfingers bei Z. n. Beugesehnenrekonstruktion und Endgelenksversteifung in 30°-Beugestellung, Stumpfbeschwerden des Ringfingers, Kraftverlust der rechten Hand, verminderte Handspanne) übereinstimmend in Höhe von 20 v. H. festgestellt.

Dieser medizinischen Einschätzung schließt das Gericht sich an. Sie berücksichtigt die festgestellten Funktionseinbußen. So befundete Dr. Eim Ersten Rentengutachten vom 08. Mai 2008 sowie im Zweiten Rentengutachten vom 21. April 2010 eine reizlose Wundheilung der rechten Hand bei guter Durchblutung und Sensibilität. Die Röntgenaufnahmen zeigten eine Arthrodese des Endgelenks des Mittelfingers bei reizloser Materiallage ohne Lockerungszeichen und knöcherner Durchbauung der Versteifung. Die Beweglichkeit des Mittelfingers betrug im Grundgelenk Extension/Flexion 0-0-90°, im Mittelgelenk 0-45-90°, im Endgelenk 30°-Beugestellung-Versteifung ohne Wackelbeweglichkeit (Erstes Rentengutachten) bzw. Extension/Flexion 0-0-90°, im Mittelgelenk 0-40-110°, im Endgelenk 45°-Beugestellung-Versteifung ohne Wackelbeweglichkeit (Zweites Rentengutachten). Bei der Prüfung des Faustschlusses fand sich ein Abstand der Mittelfingerkuppe zur Hohlhandfalte von 4 cm bzw. später 2 cm, hinsichtlich der Streckung ein Abstand von 3 cm, später 2 cm, zur verlängerten Handrückenebene. Die Handspanne rechts und die grobe Kraft der rechten Hand war gegenüber links deutlich, in der Feinkraft ebenfalls vermindert. Der Stumpf des Ringfingers zeigte sich mäßig berührungsempfindlich und wies eine geringfügige Weichteildeckung auf. Die Beweglichkeit des Daumens, des Ringfingerstumpfes und des Kleinfingers waren nicht eingeschränkt. Die Sensibilität in allen Fingern war erhalten, die Finger waren gut durchblutet. Nach Angaben des Klägers hatten sich die Beschwerden nach und nach relativiert und eine erneute Operation und Materialentfernung aus dem Mittelfingerendgelenk sei nicht erwünscht. Im Alltag käme er insgesamt gut zurecht. Diverse Tätigkeiten führe er schwerpunktmäßig mit links aus, rechts schreibe er jedoch. Der Gerichtssachverständige Prof. Dr. S stellte fest, dass die unfallbedingten Gesundheitsstörungen durch die Amputation bzw. Teilamputation und die Versteifung einzelner Langfinger zu einer funktionellen Minderung der rechten Hand und Herabsetzung der Feinmotorik und die Grobmotorik führen würden, gleichwohl sei aus dem sehr rauen Zustand beider Hände mit auffälligen beidseitigen Arbeitsspuren zu schließen, dass der Kläger diese zur Arbeit einsetze. Bei der Prüfung des Faustschlusses rechts habe der Mittelfinger bis zur Hohlhandfalte gebeugt werden können, der Ringfinger verbleibe in einem Abstand von 2 cm. Der Spitzgriff vom Daumen zum Mittelfinger, Ringfinger und Kleinfinger sei möglich, der Spreizgriff nicht eingeschränkt. Hiernach rechtfertigen die verbliebenen Beeinträchtigungen nach Meinung aller gehörter Sachverständiger in Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage, S. 565 ff. ) bei der zunächst als vorläufige Entschädigung gewährten VR und im Anschluss bei der VR auf unbestimmte Zeit keine höhere MdE als 20 v. H ... Auch der Kläger macht eine höhere MdE aus medizinischen Gründen nicht geltend.

Eine besondere berufliche Betroffenheit, auf die der Kläger sein Begehren auf eine VR nach einer höheren MdE als 20 v. H. stützt, ist bei einer Gesamtabwägung aller Umstände ebenfalls nicht festzustellen. Hierbei führt der Umstand, dass der Verletzte seinen erlernten Beruf infolge des Arbeitsunfalls nicht mehr ausüben kann, nicht zwangsläufig zur Annahme einer unbilligen Härte und Erhöhung der MdE (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1974 a. a. O.). Eine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit – etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 BVG würde – wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat - den Voraussetzungen und der anderen Systematik des Unfallversicherungsrechts widersprechen. Die Rentensätze des Versorgungsrechts sind grundsätzlich Pauschalsätze, die ohne Rücksicht auf Alter oder Einkommen des Beschädigten abgestuft nach der MdE gewährt werden. In der gesetzlichen Unfallversicherung bildet die Grundlage der Rente dagegen das vom Verletzten während des letzten Jahres vor dem Unfall verdiente Arbeitsentgelt, was der sozialen Stellung des Verletzten in stärkerem Maße Rechnung trägt. Würde der Zwang zur Aufgabe des Berufes regelmäßig bei Schätzung der MdE beachtet, würde dies häufig zu einer doppelten Berücksichtigung des Berufes führen, da die durch eine abgeschlossene Lehre erworbenen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen sich in der Regel auf die Höhe des vom Verletzten vor dem Unfall bezogenen Arbeitslohnes auswirken, nach dem die Rente berechnet wird.

Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 26. Februar 1957, 2 RU 45/54, SozR Nr. 10 zu § 581 RVO, BSGE 4, 294 ff) und auch den Umstand, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete (BSG, Urteil vom 26. Juni 1970, 2 RU 59/69, SozR Nr. 10 zu § 581 RVO) bezeichnet. Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann (BSG, Urteil vom 04. Dezember 1991, 2 RU 47/90, BSGE 70, 47 ff.). Eine zumutbare Verweisbarkeit auf annähernd gleichwertige Tätigkeiten steht einer Erhöhung der MdE entgegen, wobei die Verweisungstätigkeit keinen vollen Ersatz der verlorenen Möglichkeiten bieten muss, grundsätzlich ist auch eine durch Umschulung wegen des Versicherungsfalles erschlossene Tätigkeit zumutbar (BSG, Urteil vom 02. November 1999, B 2 U 49, 98 R, SozR 3-2200, § 581 Nr. 6).

Bei Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist hier das Vorliegen einer unbilligen Härte zu verneinen, auch wenn verschiedene Merkmale vorliegen, die für eine Anwendung des Härteausgleichs gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII sprechen könnten. So verfügt der Kläger in seinem seit vielen Jahren ausgeübten Beruf als Tischler über gewisse Fertigkeiten, die er infolge des Unfalls nicht mehr wie früher wirtschaftlich verwerten kann. Gleichwohl setzt die vom Kläger vor dem Arbeitsunfall ausgeübte Tätigkeit nicht so spezielle Fertigkeiten voraus, dass in Abweichung von dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung bei der MdE-Bewertung ausnahmsweise auf seine berufliche Tätigkeit abzustellen wäre. Selbst eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit, die unfallbedingt nicht mehr ausgeübt werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme einer unbilligen Härte; Facharbeitertätigkeiten, auch Handwerkertätigkeiten, werden auch von unzähligen anderen Arbeitnehmern ausgeübt (BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2U 25/05 R, SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; (zur Berufsaufgabe eines gelernten Handwerkers auch Bayerisches LSG, Urteil vom 05. April 2006, L 2 U 418/05 in juris). Vielmehr muss neben der Unmöglichkeit, einen erlernten Beruf aufgrund von Unfallfolgen weiterhin auszuüben, die Nutzung besonderer beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen beeinträchtigt sein, wozu nur ungewöhnliche Fertigkeiten, nicht jedoch die durch eine allgemeine Berufsausbildung vermittelten Fertigkeiten zählen (BSG, Urteil vom 18. September 1974, a. a. O.). Nur in Einzelfällen hat das BSG eine besondere berufliche Betroffenheit angenommen, etwa wenn ein Versicherter ein über das normale Maß weit hinausgehende Begabung oder Fähigkeit in seiner beruflichen Tätigkeit nach entsprechender Schulung und langjähriger beruflicher Erfahrung ausnutzen kann (z.B. ausgeprägtes Geruchsvermögen eines Kaffeeprüfers) und ihm diese besondere Fähigkeit unfallbedingt verloren geht, sich der Verlust spezifisch in der Weise auf seine ihm noch verbliebenen Fähigkeiten auswirkt, dass er auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten keinen angemessenen Verdienst mehr erzielen kann (BSG, Urteil vom 26. Juni 1970, 2 RU 59/69, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7). Die berufliche Stellung des Klägers, die allein durch seine Facharbeiterausbildung zum Tischler gekennzeichnet ist, fällt dementsprechend nicht darunter. Beruflich angeeignetes Fachwissen liegt in der Regel in jedem Beruf vor, der für eine gewisse Dauer ausgeübt worden ist (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. September 2009, L 6 U 7/06, in juris). Der Kläger kann seine in der jahrzehntelangen Tätigkeit als Tischler erworbenen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse in angemessener Weise im allgemeinen Erwerbsleben weiterverwenden. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen schränken ihn z.B. nicht ein in der Wahrnehmung etwa einer Hausmeistertätigkeit oder in einer berufsnahen Beschäftigungsalternative, gegebenenfalls nach einer Einarbeitung oder auch Umschulung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 31. Oktober 1972, 2 RU 169/70; BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 6). Eine komplette berufliche Neuorientierung wird insoweit nicht erwartet, sondern eine Anpassung an die Gegebenheiten unter Ausnutzung seiner ihm verbliebenen gesundheitlichen Möglichkeiten. So hat auch der Kläger als ihm verbliebene Möglichkeiten eine Tätigkeit als Tischlerhilfe, Hausmeister. Gabelstaplerfahrer, Fahrer genannt und sich als auch überörtlich flexibel einsetzbar bezeichnet. Auch die Beklagte hatte sich intensiv um die Vermittlung des Klägers in eine leidensgerechte Tätigkeit bemüht. Auch die Tatsache, dass der Kläger weiterhin beruflich als Hausmeister, wenn auch in geringfügiger Beschäftigung, tätig ist, spricht nicht für eine entscheidende Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bei seiner Firma eine Sonderstellung im Vergleich zu den sonst dort beschäftigten Arbeitern inne gehabt, etwa einen besonders hohen Verdienst erzielt hätte. Vielmehr betrug der bescheinigte Verdienst 7. 50 Euro, auch wenn der Kläger im Erörterungstermin angegeben hat, dass es noch niedrigere Löhne gegeben habe. Dass der Kläger ein herausragendes handwerkliches Geschick oder eine sonstige besondere Fähigkeit gehabt hätte, etwa besondere Arbeitsqualität oder auch Quantität der geleisteten Arbeit, ist nicht festgestellt. Führungsaufgaben sind ihm schon im Hinblick auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht übertragen gewesen. Sie wären ihm wohl auch bei unbefristeter Tätigkeit, die der Kläger ja nach seinen Angaben angestrebt hatte, im Hinblick auf seine nicht zureichenden deutschen Sprachkenntnisse wohl nicht übertragen worden. Vergleichbares dürfte auch für den Umgang mit Kunden gelten.

Auch das Lebensalter des Klägers - zum Unfallzeitpunkt nicht 51 Jahre, sondern 49 Jahre - begründet hier nicht die Anwendung des Härteausgleichs gem. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII. Zwar hat das BSG das Alter eines Klägers im Einzelfall für entscheidend erachtet (BSG, Urteil vom 26. Februar 1957, 2 RU 45/54, BSGE 4, 294). Dort handelte es sich aber um einen Musiklehrer, der aufgrund eines Unfalls im Alter von 67 Jahren diese Tätigkeit aufgeben musste, hinzu kam die besondere Qualifikation als Geiger, die ihn deutlich von einem ausgebildeten Handwerker unterschieden hat und seine als Kriegsaushilfsangestellter wirtschaftlich besonders ungesicherte Position. Die Annahme einer besonderen beruflichen Betroffenheit für jeden 50-jährigen Versicherten mit einer Ausbildung für einen häufig vorkommenden und nicht besondere spezielle Kenntnisse erfordernden Beruf würde dem Ausnahmecharakter des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII widersprechen. Von daher erlangt auch das Argument des Klägers, er habe 32 Jahre ohne Unterbrechung in seinem erlernten Handwerksberuf, und von 1992 bis 2007 in Deutschland in einer von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Region einen sicheren Arbeitsplatz gehabt, keine ausschlaggebende Bedeutung. Diese Angabe ist bereits angesichts ebenfalls festgestellter Zeiten der Arbeitslosigkeit in 2006, des aktenkundigen geringen Bruttostundenlohn von 7.50 Euro und eines bis zum 30. Juni 2007 befristeten Arbeitsverhältnisses, das ohnehin kurze Zeit nach dem Unfall geendet hätte, zu relativieren. Dass seine Weiterbeschäftigung ohne den Unfall auch nach Auslaufen seines Zeitvertrages wahrscheinlich gewesen wäre, mag zutreffen, ist aber nicht sicher.

Schließlich kann auch nicht außer acht gelassen werden, dass medizinische Unterlagen vorliegen, aus denen sich schließen lässt, dass der Kläger nicht nur aufgrund seines Arbeitsunfalls, sondern auch wegen anderer Krankheiten und Leiden in der Ausübung seines Tischlereiberufes eingeschränkt gewesen wäre. Auch bei der Beurteilung der Frage, ob besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen allein aufgrund des Versicherungsfalles nicht mehr ausgenutzt werden können, ist der Kausalitätsbegriff der Theorie der wesentlichen Bedingung zu Grunde zu legen. So ergibt sich aus dem Entlassungsbrief des Klinikums F GmbH vom 19. August 2008, dass sich der Kläger dort vom 26. November bis zum 01. Dezember 2009 zur konservativen Therapie seines Rückenleidens aufgehalten hat, ferner, dass er zusätzlich durch Schmerzsyndrome bei Osteochondrose der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule sowie Bandscheibenschäden eingeschränkt gewesen ist und ein hinkendes Gangbild gezeigt hat. Auch derartige Krankheiten am Stütz- und Haltungsapparat behindern eine Tätigkeit als Tischler, die im wesentlichen im Stehen, mit starker Beanspruchung von Händen und Armen sowie mit Heben und Tragen von Lasten verbunden sind. Auch wurde das Vorhaben, mit dem Kläger eine Belastungserprobung zu versuchen, wegen seines schlechten gesundheitlichen Zustandes aufgrund diverser Leiden (Kreislauf-/Herz-/Magenerkrankung, Husten) mehrfach verschoben.

Soweit der Kläger sein Begehren auf andere höchstrichterlich entschiedene Fälle, u. a. auf den Fall eines Flugzeugführers, der im Alter von 51 Jahren nach 22 Jahren Berufsausübung seine Tätigkeit aufgeben musste, stützt (BSG, Urteil vom 04. Dezember 1991, BSGE 70,47), hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beruf des Flugzeugführer eine im allgemeinen Erwerbsleben seltene Tätigkeit darstelle, die herausragende Anforderungen an Ausbildung und Ausübung stelle. Demgegenüber stellt der vom Kläger ausgeübte Beruf auf dem Arbeitsmarkt eine generell verbreitete Tätigkeit dar.

Nach alledem ist die durch die Folgen des Unfalls vom 21. Juni 2007 bedingte MdE mit 20 v.H. zutreffend bewertet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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