L 9 U 3062/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2119/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3062/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juni 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte der Klägerin die Verletztenrente ab dem 8. Februar 2012 zu gewähren hat.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Verletztenrente.

Die am 21.08.1971 geborene Klägerin war seit Januar 2002 bei Aldi als Verkäuferin und Kassiererin beschäftigt. Am 08.05.2010 rutschte sie im Lagerraum auf ausgelaufener Schlagsahne aus und knickte dabei mit ihrem linken Fuß um.

Der Durchgangsarzt PD Dr. O., Departement Orthopädie und Traumatologie der Universität Freiburg, diagnostizierte bei der Klägerin am 08.05.2010 eine Außenbandruptur links und ver-ordnete für sechs Wochen eine Medi-Step-Schiene. Der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit wurde für den 25.05.2010 erwartet. Wegen fortbestehender Beschwerden am linken oberen Sprunggelenk (OSG) wurde am 25.05.2010 eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt. Hierbei zeigten sich folgende Gesundheitsstörungen: • Ruptur der vorderen Syndesmose des linken OSG • Ruptur des Ligamentum fibulotalare anterius links • Fraktur des hinteren Volkmann´schen Dreiecks im Sinne einer knöchernen hinteren Syndesmosenverletzung der linken distalen Tibia. Aus den nachfolgenden Zwischenberichten ergibt sich eine endgradig eingeschränkte und schmerzhafte Beweglichkeit des linken OSG mit Schwellneigung.

Die Beklagte ließ die Klägerin im Departement Orthopädie und Traumatologie der Universität Freiburg begutachten. Professor Dr. S. führte in dem zusammen mit PD Dr. H. und Dr. F.erstatteten Gutachten vom 20.06.2011 aus, die gutachterliche Untersuchung sei am 13.05.2011 erfolgt. Danach sei das Ergebnis des MRT vom 26.05.2011 abgewartet worden. Hierbei habe sich ein Meniscoidsyndrom im Bereich des linken OSG gezeigt, und es sei eine Arthroskopie empfohlen worden. Am 07.06.2011 sei eine Computertomographie (CT) beider oberer Sprunggelenke erfolgt, wobei kein wesentliches knöchernes Impingement festgestellt worden sei. Es sei eine Arthroskopie des linken OSG mit Dekompression des Weichteil-impingements empfohlen worden. Die Gutachter stellten bei der Klägerin folgende Unfallfolgen fest: • Persistierende Druckschmerzhaftigkeit des OSG links • Schmerzhafte Dorsalextension des linken OSG mit entsprechender Bewegungseinschränkung von 0° Dorsalextension in Kniestreckung • Konsolidierte Fraktur des hinteren Volkmann´schen Dreiecks links • Anteriores Weichteilimpingement (Meniscoid) des linken OSG (MRT vom 26.05.2011). Seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 08.08.2010 bis zum Tag vor der Untersuchung sowie vom Tag der Untersuchung bis zum 08.08.2012 werde die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 10 v.H. und für die Zeit danach bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall auf unter 10 v.H. eingeschätzt.

Mit Bescheid vom 19.07.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei.

Vom 22.06.2011 bis 24.06.2011 wurde die Klägerin im Departement Orthopädie und Traumatologie der Universität Freiburg stationär behandelt, wobei eine diagnostische Arthroskopie des OSG links durchgeführt und eine Resektion der tibialen Osteophyten und des Meniscoids erfolgte. Vom 22.06.2011 bis 25.09.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig.

Die Beklagte ließ die Klägerin erneut begutachten. Professor Dr. H. diagnostizierte im Gutachten vom 23.11.2011 an den Sprunggelenken des linken Beines der Klägerin unter mittelgradige Bewegungseinschränkungen und einen Verdacht auf ein Narbenneurinom am Außenknöchel nach Ruptur des Außenbandes, knöcherner Fissur am körperfernen Ende des Schienbeins und Verdacht auf stattgehabte Läsion der Syndesmose. Die Klägerin gebe streng lokalisierte Spontan- und Druckschmerzen an der vorderen Wange des Außenknöchels an. Als objektivierbare Unfallfolgen fänden sich Bewegungseinschränkungen des oberen und unteren Sprunggelenks, gegenwärtig summarisch im Seitenvergleich -41 %. Er schätzte die MdE vom 08.08.2010 bis 22.11.2011 und vom 23.11.2011 bis 31.05.2012 auf 20 v.H. Ab 01.06.2012 betrage die MdE wahrscheinlich 10 v.H.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. M. führte unter dem 22.12.2011 aus, das Gutachten von Professor Dr. S. sei schlüssig und nachvollziehbar. Die objektivierbaren Unfallfolgen und funktionellen Defizite im Gutachten von Professor Dr. H. ließen eine Verbesserung des Bewegungsumfangs erkennen. Deshalb sei eine Verschlimmerung nicht plausibel. Seines Erachtens sei die Einschätzung von Professor Dr. S. zu übernehmen. Mit Bescheid vom 23.02.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls bestehe weiterhin kein Anspruch auf Rente, weil die endgradige Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk keine MdE in rentenberechtigendem Grade begründe.

Hiergegen legte die Klägerin am 28.02.2012 Widerspruch ein und berief sich auf das Gutachten von Professor Dr. Hehne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dem Gutachten von Professor Dr. H. könne nicht gefolgt werden. Bereits mit Bescheid vom 19.07.2011 sei ein Anspruch auf Rente abgelehnt worden; dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Eine Rentengewährung setze daher gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen in der Zeit nach dem 19.07.2011 voraus. Eine wesentliche Verschlimmerung sehe auch Professor Dr. H. nicht. Seine Beurteilung habe am 17.11.2011 stattgefunden, zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin nach einer Infiltrationsbehandlung arbeitsunfähig gewesen sei (Arbeitsunfähigkeit bis 07.02.2012) und Anspruch auf Verletztengeld bestanden habe. Die Frage der Rentengewährung stelle sich damit erst für die Zeit ab 08.02.2012. Aus einem Bericht über die Heilverfahrens-kontrolle am 06.02.2012 ergebe sich, dass zu jenem Zeitpunkt lediglich eine geringe Bewe-gungseinschränkung des OSG links vorgelegen habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.04.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 08.02.2012 Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.05.2010 zu gewähren. Es liege eine wesentliche Verschlimmerung seit dem 19.07.2011 vor.

Das SG hat ein orthopädisch-chirurgisches Gutachten eingeholt. Professor Dr. S., Arzt für Orthopädie und Chirurgie, hat im Gutachten vom 02.11.2012 bei der Klägerin als Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.05.2010 eine geringe umschriebene fußrückenwärtige Weichteilverdickung des OSG links, einen Bewegungs- und Belastungsschmerz sowie eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken OSG, einen Druck- und Kompressionsschmerz an der tibio-fibularen anterioren Syndesmose, eine kleine, strangförmige, druckschmerzhafte außenknöchelnahe Weichteilstruktur (Narbenneurinom), eine geringe Muskelverschmächtigung am linken Bein sowie eine verminderte grobe Kraft im linken Fuß festgestellt. Die MdE hat er vom 08.08.2010 bis 22.11.2011 sowie vom 23.11.2011 bis auf weiteres mit 20 v.H. eingeschätzt. Er hat ausgeführt, der von ihm erhobene Befund entspreche weitgehend dem von Professor Dr. H. im Gutachten vom 23 11.2011 erhobenen Befund und stehe in Übereinstimmung mit dem im "Ausführlichen Krankheitsbericht" vom 06.12.2011 mitgeteilten Befund. Der Unfall vom 08.05.2010 habe nicht nur – wie zunächst angenommen – zu einer Läsion des Ligamentum fibulotalare anterius geführt, sondern auch – wie durch weiterführende Diagnostik dokumentiert – am linken OSG zu einer Ruptur der vorderen Syndesmose und Fraktur des hinteren Volkmann´schen Dreiecks mit hinterer Syndesmosenläsion geführt. Es verwundere, dass weder im Gutachten vom 20.06.2011 noch im Gutachten vom 23.11.2011 ein Befund beschrieben worden sei, der sich auf die vordere Syndesmose beziehe. Denn aufgrund des aktuellen Untersuchungsbefundes mit Druckschmerz über der Syndesmose und Syndesmosenkompressionsschmerz gehe ein wesentlicher Teil der beklagten Beschwerden mit großer Wahrscheinlichkeit von der operativ nicht versorgten vorderen Syndesmose aus. Im Röntgenbild erscheine der Syndesmosenspalt geringgradig verbreitert. Eine MdE um 10 v.H. werde den Unfallfolgen nicht gerecht. Bei der funktionellen Begutachtung könne nicht nur der Bewegungsumfang berücksichtigt werden; genauso wichtig seien Kraft- und Belastungsverhältnisse. Eine Läsion der tibiofibularen anterioren Syndesmose führe unter statischen und Rotationsbelastungen zu einer schmerzhaften OSG-Beeinträchtigung, die das Gehen nicht nur behindere, sondern auf unebenem und bergigem Gelände sogar unmöglich mache.

Mit Urteil vom 27.06.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2012 verurteilt, als Verletztenrente eine Teilrente in Höhe von 20 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, zu Unrecht gehe die Beklagte im Widerspruchsbescheid davon aus, dass aufgrund der Bestandskraft des Bescheides vom 19.07.2011 eine wesentliche Verschlimmerung für eine Rentengewährung erforderlich sei. Dies sei nicht der Fall, weil es sich bei dem Bescheid vom 19.07.2011, mit dem eine Leistungsgewährung abgelehnt worden sei, um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handele. Die Unfallfolgen bedingten eine MdE um 20 v.H., wie der Sachverständige Professor Dr. S. in Übereinstimmung mit der Bewertung im Gutachten von Professor Dr. H. dargelegt habe. Dabei wäre es nicht leidensgerecht, der MdE-Bewertung nur die Beweglichkeit des Gelenks zugrunde zu legen. Erforderlich sei die Berücksichtigung aller durch die Syndesmosen-läsion verursachten Beschwerden, die neben der Bewegungseinschränkung auch den Belastungs- und Bewegungsschmerz umfassten. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 17.07.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.07.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie halte das Urteil nicht für sachgerecht, weil wesentliche Bewertungsgrundsätze nicht beachtet bzw. nicht zutreffend angewandt worden seien. So seien die mit der Verletzung einhergehenden Schmerzen in der MdE-Bewertung üblicherweise mit umfasst. Für eine über das übliche Maß hinausgehende dauerhafte Schmerzsituation, die eine Höherbewertung der MdE bedingen könnte, fehlten nachgewiesene neurologische Schäden oder zumindest Anhaltspunkte dafür. Ausgehend von dem von Professor Dr. S. erhobenen Befund sei eine deutliche Veränderung in dem Unfallfolgenzustand nicht eingetreten. Unabhängig davon sei nach dem Urteilstenor auch nicht klar, ab wann eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, sie berufe sich auf die Entscheidungsgründe im Urteil des SG. Sie gehe davon aus, dass die Rente ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 08.08.2010 zu gewähren sei, da Professor Dr. S. die MdE ab diesem Zeitpunkt auf 20 v.H. einschätze.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch überwiegend nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist im Wesentlichen nicht zu beanstanden, da das SG zu Recht entschieden hat, dass der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zusteht. Zu Recht beanstandet jedoch die Beklagte, dass sich weder aus dem Tenor noch aus den Entscheidungsgründen der Beginn der Verletztenrente entnehmen lässt.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls, der hier am 08.05.2010 eingetreten und von der Beklagten auch anerkannt ist, und auch ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungen ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (Vollbeweis, siehe oben). Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze hat die Klägerin ab dem 08.02.2012 Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente, da der Arbeitsunfall zumindest ab diesem Zeitpunkt eine MdE in rentenberechtigendem Mindestgrad von 20 v.H. erreicht.

Der Arbeitsunfall der Klägerin hat nicht nur – wie anfangs festgestellt – zu einer Außenbandruptur links, sondern zu einer Ruptur der vorderen Syndesmose des linken OSG, einer Ruptur des Ligamentum fibulotalare anteriores links sowie einer Fraktur des hinteren Volkmann`schen Dreiecks mit Läsion der hinteren Syndesmose geführt.

Aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Gutachten von Professor Dr. H.e vom 23.11.2011 und Professor Dr. S. vom 02.11.2012 stellt der Senat fest, dass bei der Klägerin folgende Befunde am linken Bein vorliegen: Eine geringe fußrückenwärtige Weichteilverdickung am OSG links, ein Bewegungs- und Belastungsschmerz, eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung am linken OSG (Fußheben/-senken links 5-0-30; rechts 30-0-50; Pro-/Supination links 0-0-40; rechts 15-0-40), eine endgradige Bewegungsbehinderung im unteren Sprunggelenk, ein Druck- und Kompressionsschmerz im Bereich der tibiofibularen anterioren Syndesmose, eine kleine, stark druckempfindliche, strangförmige außenknöchelnahe Resistenz, eine geringe Muskelverschmächtigung am linken Bein, eine Verminderung der groben Kraft im linken Fuß sowie ein geringgradiges linksseitiges Hinken bei linksseitig verkürzter Schrittlänge.

Diese Unfallfolgen führen nach Überzeugung des Senats ab 08.02.2012 zu einer MdE um 20 v.H. Der Senat folgt dabei der übereinstimmenden MdE-Einschätzung von Professor Dr. H. und Professor Dr. S ... Für den Senat nachvollziehbar und überzeugend hat Professor Dr. S. dargelegt, dass neben der Bewegungseinschränkung in den Sprunggelenken links die Kraft- und Belastungsverhältnisse sowie die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen zu berücksichtigen sind. Die bei ihr vorliegenden Schmerzen gehen über das übliche Maß hinaus, wie sie bei einer Bewegungseinschränkung in den Sprunggelenken zu erwarten sind. Dies ergibt sich für den Senat aus den zahlreichen Zwischenberichten des Departements Orthopädie und Traumatologie vom 31.05.2010, 01.06.2010 11.10.2010, 04.11.2010, 28.02.2011, 18.04.2011, 19.05.2011, 26.05.2011, 31.05.2011, 07.06.2011, 29.06.2011, 30.08.2011, 06.09.2011 sowie den Berichten der behandelnden Orthopäden der Orthopädischen Praxis Drs. L. u.a. vom 12.09.2011 sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 19.09.2011. Die Schmerzen, und nicht die Bewegungseinschränkung in den Sprunggelenken, führten darüber hinaus zu zahlreichen und lang andauernden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

Der Umstand, dass Professor Dr. S. die MdE im Gutachten vom 20.06.2011 auf 10 v.H. eingeschätzt hat und seitdem keine wesentliche Verschlechterung in den Bewegungsmaßen der Sprunggelenke links eingetreten ist, erschüttert und widerlegt erst Recht nicht die Beurteilungen in den Gutachten von Professor Dr. H. und Professor Dr. S., die die Kraft- und Belastungsminderung sowie die Schmerzen berücksichtigt haben.

Eine Rentengewährung kommt jedoch nicht vor dem 08.02.2012 in Betracht. Zunächst hat die Klägerin im Klageverfahren (vgl. Schriftsatz vom 27.04.2012) ausdrücklich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente ab 08.02.2012 begehrt, so dass das SG aufgrund der auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Ladewig, SGG, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, Rn. 3 vor § 60) gehindert gewesen wäre, der Klägerin eine Verletztenrente für die Zeit vor dem 08.02.2012 zuzusprechen. Darüber hinaus hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.07.2011 bindend die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt, so dass die Bestandskraft dieses Bescheides einen Anspruch auf eine Verletztenrente vor diesem Zeitpunkt ausschloss. Außerdem ist in § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII geregelt, dass Renten erst von dem Tag an gewährt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet und in § 74 Abs. 2 SGB VII, dass Renten nicht für die Zeit neu festgestellt werden, in der Verletztengeld zu zahlen ist. Daraus ist zu entnehmen, dass sich grundsätzlich die Rentenzahlung an die Verletztengeldzahlung, die für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit erfolgt, anschließt. Dadurch soll ein Nebeneinander von Verletztengeld und Rente vermieden werden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand Juni 2013, § 72 SGB VII Rn. 4.1).

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte der Klägerin – wie im Klageverfahren beantragt – die Verletztenrente ab dem 08.02.2012 zu gewähren hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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