L 7 AS 818/13 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AS 1278/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 818/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts als Unterbevollmächtigten zur Vertretung in der mündlichen Verhandlung des erkennenden Gerichts wird von § 121 Abs. 4 ZPO nicht erfasst. Diese Norm eröffnet nur die Möglichkeit, für einen Beweisaufnahmetermin vor einem ersuchten Richter (vgl. § 362 ZPO) oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem bereits beigeordneten Rechtsanwalt einen weiteren Rechtsanwalt beizuordnen, wenn besondere Umstände dies erfordern.
Der BGH hat mit Beschluss vom 23.06.2004, XII ZB 61/04, gleichwohl in besonders gelagerten Einzelfällen eine kostenneutrale Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts für einen Verhandlungstermin befürwortet. An einem derartigen besonderen Einzelfall fehlt es schon, wenn ein im Gerichtsbezirk wohnhafter Kläger ohne zwingenden Grund als Hauptbevollmächtigten einen weit entfernt ansässigen Rechtsanwalt wählt.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 28. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, in dem die Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts abgelehnt wurde.

Die 1976 geborene Klägerin wird in einem Klageverfahren beim Sozialgericht München zum einen von ihrem Vater vertreten, zum anderen von Rechtsanwalt M. aus Sch ... Die Klägerin und ihr Vater wohnen in A-Stadt. Die Klage richtet sich gegen einen Bescheid, mit dem der Klägerin das Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.03.2012 in Höhe von monatlich 112,20 Euro gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch teilweise entzogen wurde. Anlass war, dass die Klägerin zum wiederholten Mal nicht an einer medizinischen Untersuchung zur Prüfung ihrer Erwerbsfähigkeit teilgenommen hatte. Auf ihren Antrag hin bewilligte das Sozialgericht der Klägerin mit Beschluss vom 19.06.2013 Prozesskostenhilfe und ordnete ihr antragsgemäß Rechtsanwalt M. aus Sch. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts bei.

Am 23.10.2013 beantragte Rechtsanwalt M., der Klägerin zur Wahrnehmung der für den 12.11.2013 angesetzten mündlichen Verhandlung den Rechtsanwalt R. aus A-Stadt als Terminsvertreter beizuordnen. Der Antrag wurde nicht begründet. Mit Beschluss vom 28.10.2013 lehnte das Sozialgericht München die Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts ab. Ein Fall des § 121 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) liege nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte habe die Möglichkeit, zur Verhandlung eine Untervollmacht zu erteilen.

Am 11.11.2013 hat der Vater der Klägerin per Telefax einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Richter des Sozialgerichts gestellt und Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.10.2013 eingelegt. Der beigeordnete Rechtsanwalt M. müsste sonst für die Verhandlung anreisen, was die bewilligte Prozesskostenhilfe nicht abdecke. Die vom Sozialgericht angegebenen Gründe seien nicht schlüssig und würden in Frage gestellt werden. Es hätte zumindest eine zusätzliche Terminsgebühr bewilligt werden können.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie ist insbesondere nicht durch § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der ab 20.10.2013 geltenden Fassung (BGBl I 2013, S. 3836 ff) ausgeschlossen. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Beiordnung eines weiteren Rechtanwalts zu Recht abgelehnt hat.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 4 ZPO kann einem Beteiligten, wenn besondere Umstände dies erfordern, auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden. Diese Regelung dient als Ausgleich zu § 121 Abs. 3 ZPO, wonach ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Seit 01.06.2007 ist der Bezugsort der Gerichtsbezirk, nicht mehr der Gerichtssitz (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.06.2011, L 8 AY 1/11 B, Rn. 10).

Die Voraussetzungen von § 121 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Die beabsichtigte mündliche Verhandlung ist kein Termin zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter. Ein ersuchter Richter wäre gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 362 ZPO ein Richter eines anderen Gerichts als das Sozialgericht München. Es geht auch nicht darum, einen Verkehrsanwalt zur Vermittlung des Kontakts mit dem bereits beigeordneten Prozessbevollmächtigten bereitzustellen.

Für die begehrte Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts als Unterbevollmächtigten zur Vertretung in der mündlichen Verhandlung bietet der Wortlaut des § 121 Abs. 4 ZPO keinen Anhalt (so im Ergebnis auch Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Auflage 2012, § 121 Rn. 2).

Der BGH hat im Beschluss vom 23.06.2004, XII ZB 61/04, gleichwohl in besonders gelagerten Einzelfällen die Beiordnung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts für einen Verhandlungstermin zugelassen. Solche besonderen Umstände können laut BGH darin bestehen, dass der Rechtsstreit besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten aufweist und der Beteiligte subjektiv überfordert ist, weil er sich etwa nicht schriftlich mit seinem Bevollmächtigten verständigen kann oder ihm eine Informationsreise zum Anwalt am Gerichtssitz nicht zugemutet werden kann. Ferner muss die Unterbevollmächtigung insgesamt kostenneutral sein. Im Fall des BGH ging es um eine komplexe Scheidungssache mit Auslandsbezug, für die ein Rechtsanwalt am Wohnsitz des Klägers (in NRW) beigeordnet worden war und in der mündlichen Verhandlung beim zuständigen Amtsgericht (in der Pfalz) ein am Gerichtssitz ansässiger Rechtsanwalt auftrat.

Eine derartige Konstellation besteht hier nicht. Es fehlt schon an einem Auseinanderfallen von Wohnort und Bezirk des zuständigen Gerichts. Die Klägerin ist im Gerichtsbezirk wohnhaft, so dass ihr ohne Weiteres ein bezirksansässiger Rechtsanwalt hätte beigeordnet werden können. Dass die Klägerin sich gleichwohl ohne zwingenden Grund einen Rechtsanwalt weit ab von ihrem Wohnsitz und dem Gerichtsbezirk ausgewählt hat, ist eine Entscheidung, deren finanziellen Folgen nicht von der Allgemeinheit übernommen werden müssen. Prozesskostenhilfe ist der Konzeption nach eine Form der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen. Die Klägerin kann sich im Übrigen mit ihrem Rechtsanwalt in Sch. gleichwohl verständigen und sie hat mit ihrem Vater einen weiteren Bevollmächtigten vor Ort, der - gelegentlich am fachkundigen Rechtsanwalt vorbei - zahlreiche Schriftsätze verfertigt.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt im Beschwerdeverfahren gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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