L 6 U 22/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 56/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 22/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 15/13 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Versagungsbescheid im Wege der Überprüfung aufzuheben ist, mit dem ein Verwaltungsverfahren über einen zurück liegenden Verletztengeldanspruch eingestellt worden ist.

Der Kläger erlitt bei einem Arbeitsunfall am 20. Januar 1976 einen dislozierten Stauchungsbruch an der Basis des 4. und 5. Mittelhandknochens links und bei einem weiteren Arbeitsunfall am 20. Januar 1977 einen Bruch des linken Unterschenkels im mittleren Drittel. Die Unfallfolgen wurden in Gutachten der Chirurgin Dr. W. vom 22. Dezember 1994 zusammengefasst:

- im im Röntgenbild erkennbare Veränderungen an den Basen des 4. und 5. Mittelhandknochens der linken Hand nach in ungünstiger Stellung mit Verkürzung und Achsknick nach beugeseitig verheiltem Knochenbruch

- sekundär arthrotische Veränderungen im Bereich der gelenkigen Verbindung aller Mittelhandknochen zur körperfernen Handwurzelreihe mit Betonung des 4. und 5. Strahls

- leichte Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenkes sowie des linken Daumengrundgelenkes

- schmerzbedingte Behinderung des Grobgriffes der linken Hand mit messbarer Kraftminderung

- angedeutete Verschmächtigung des linken Kleinfingerhandballen Konturveränderungen am linken Handrücken

- reizfreie Narbenbildung des Gesichts

- im Röntgenbild erkennbare Veränderungen am Schien- und Wadenbein links nach vollständiger Verheilung eines Knochenbruches im mittleren Anteil nach stattgehabter Metallentfernung eines Unterschenkelnagels

- endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im linken Kniegelenk bei Streckung und Beugung sowie minimale Einschränkung der Fußhebung

- reizfreie Narbenbildung über dem linken Schienbeinkopf

- leichte Konturveränderungen am linken Schienbeinkopf mit tastbarer Knochenverwerfung sowie leichte Konturveränderung am linken oberen Sprunggelenk

- geringe Kraftminderung des linken Beines

- diskreter Kalksalzmangel der Sprunggelenksgabel links.

Für beide Unfälle zusammen erhielt der Kläger mit Bescheid vom 31. Januar 1995 weiterhin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H.

Der Kläger erkrankte am 28. Oktober 2004 arbeitsunfähig; die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 6. Oktober 2006. Während dieser Zeit wurden verschiedene Diagnosen gestellt, die im Verzeichnis der Krankenkasse des Klägers allesamt mit einem Ende am 6. Oktober 2006 aufgeführt sind. Mit dem jeweiligen Beginn handelt es sich um die Diagnosen: 28. Oktober 2004: Arthrose Hand, Finger, Handwurzel 22. Dezember 2004: rezidivierende Schmerzen bei Zustand nach Mittelhandfraktur 14. März 2005: Tendinose Schulter 11. April 2005: Omarthrose, Gonarthrose, nicht näher bezeichnet 21. September 2005: Posttraumatische Arthrose sonstiger Gelenke 26. Juli 2006: Posttraumatische Arthrose sonstiger Gelenke, nicht näher bezeichnet 25. August 2006: Primäre Arthrose sonstiger Gelenke, nicht näher bezeichnet.

Der Kläger befand sich während dieses Zeitraumes in Behandlung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. Von dieser liegen ärztliche Bescheinigungen zur Erlangung von Krankengeld vor: Darauf hat sie neben den für den jeweiligen Zeitraum o. g. Diagnosen zusätzlich erwähnt:

26. November 2004: Synostose und verheilte Serienfraktur 3.-5. Mittelhandknochen linke Hand

10. Dezember 2004: Arthrose der Hand (M 19.94.)

22. Dezember 2004: Schmerzen bei Synostose und verheilter Serienfraktur 3.-5. Mittelhandknochen links

31. Januar 2005: Arthrose linke Handwurzel

21. Februar 2005: Arthrose Handwurzel, Verdacht Gonarthrose und Omarthrose

14. März 2005: Arthrose linke Hand

11. April 2005: Mittelhandarthrose 25. Mai 2005: Posttraumatische Arthrose linke Handwurzel

20. Juli 2005: Schmerzsyndrom bei Handwurzelarthrose links.

Die Beklagte erfuhr von der Arbeitsunfähigkeit durch einen Bericht des Chirurgen und Durchgangsarztes Dr. W. vom 19. November 2004 nach einmaliger Vorstellung an diesem Tag. Dort teilte der Kläger belastungsabhängige Schmerzen der linken Hand mit, in letzter Zeit verstärkt; wegen Schmerzen beim Zufassen könne er nichts halten. Die Mittelhandbasis war durch Frakturnarben geschwollen. Beweglichkeit und Sensibilität waren ungestört. Im Röntgenbild waren die Gelenklinien zwischen der körperfernen Handwurzel und der Basis des Mittelhandknochens kaum noch erkennbar. Der Kläger sei arbeitsunfähig.

In einem Bericht vom 28. März 2005 ging Dr. M. davon aus, der Kläger sei wegen einer Defektheilung/Arthrosenbildung der linken Hand bei Dr. W. in Behandlung. Unfallunabhängig lägen eine Omarthrose und Gonarthrose vor. Sie selbst beschrieb Befunde vom Juli 2004. Auf die Frage nach weiterer Arbeitsunfähigkeit äußerte sie die Erwartung, der Kläger werde in seinem Beruf nicht mehr arbeiten können.

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 2005 zu einer Vorstellung in der Handchirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in H. bei Priv.-Doz. Dr. St. auf, die der Kläger letztlich – mit Schreiben vom 29. Juni 2006 – mit der Behauptung ablehnte, es gebe ausreichende Unterlagen. Zuvor hatte er sich darauf berufen, er könne die Fahrtkosten zur Begutachtung nicht vorschießen und eine Kostenübernahmeerklärung der Beklagten zur Vorlage bei dem Taxiunternehmer erhalten. Diese wies er gegenüber der Beklagten als "Wisch" zurück.

Mit Aufforderung vom 5. Juli 2005 zur Meldung bei ihr zwecks Terminabsprache drohte die Beklagte dem Kläger zugleich die Einstellung der Prüfung eines etwaigen Anspruchs auf Verletztengeld an. Darauf lehnte der Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 2005 die angestrebte Untersuchung erneut ab und fügte hinzu, er habe seinen früheren Schreiben hierzu nichts hinzu zu fügen. Deshalb sei dies auch seine letzte Antwort an die Beklagte.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2005 stellte die Beklagte das Feststellungsverfahren wegen fehlender Mitwirkung des Klägers ein. Als Gegenstand des Verfahrens bezeichnete sie u. a. die Prüfung, ob die aktuell geklagten Beschwerden auf den Unfall vom 20. Januar 1977 zurückzuführen seien und ob aufgrund der seit dem 28. Oktober 2004 bestehenden Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Verletztengeld gegeben sei. Der Bescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2005, zugegangen am 21. September 2005) war insoweit spätestens durch eine Klagerücknahme vom 8. November 2005 bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten, dort eingegangen am 16. Dezember 2009, die Zahlung von Verletztengeld für den o. g. Arbeitsunfähigkeitszeitraum geltend und erläuterte mit Schreiben vom 23. März 2010, dieser Antrag sei auch als solcher nach § 44 SGB X bezüglich des Bescheides vom 18. Juli 2005 zu verstehen.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2011 lehnte die Beklagte durch ihren Rentenausschuss "die Überprüfung der Rechtmäßigkeit" des Bescheides vom 18. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides gem. § 44 SGB X ab. Sie führte aus, eine Wiederaufnahme des Verfahrens setze voraus, dass bisher nicht beachtete Tatsachen oder Kenntnisse vorgetragen würden, die für die Entscheidung wesentlich seien und berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung weckten. Auch wenn im Zeitpunkt der Entscheidung (durch Versagungsbescheid) lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 2. Juni 2005 bekannt gewesen sei, habe es sich offensichtlich um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit gehandelt. Ob diese unfallbedingt gewesen sei, habe damals mangels Mitwirkung des Klägers nicht geklärt werden können. Dies sei jetzt rückwirkend auch nicht mehr möglich. Zweifel an der getroffenen Entscheidung seien durch die vorgelegten Unterlagen nicht geweckt worden.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger bei der Beklagten mit Eingangsdatum vom 2. März 2011 Widerspruch und begründete diesen: Die erforderlichen Ermittlungen seien noch möglich und die Versagung rechtswidrig gewesen. Eine von der Beklagten vorgesehene Begutachtung, je nach Einschätzung des Gutachters ggf. mit vorausgehender Untersuchung, lehnte der Kläger ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2011 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück: Mangels neuer Tatsachen und Erkenntnisse könne die Beklagte sich ohne Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Der Kläger habe erneut eine notwendige Begutachtung abgelehnt. Ohne diese lasse sich aber nicht klären, ob die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf die Arbeitsunfälle zurückzuführen seien. Denn in den vorliegenden Befunden und Bescheinigungen seien auch unfallfremde Diagnosen aufgeführt. Die Auswertung des Aktenmaterials bestätige die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung.

Mit der am 24. August 2011 beim Sozialgericht Dessau-Rosslau eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe 2005 seine Mitwirkung nicht verweigert, sondern die Beklagte die Übernahme der Fahrtkosten abgelehnt, die er nicht habe tragen können. Eine jetzige Untersuchung sei durch den Zeitablauf sinnlos. Es lägen – konkret nicht benannte – Befundberichte und Gutachten aus dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum vor, welche zur erforderlichen Beurteilung herangezogen werden könnten.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten, die gegen den Erlass eines Gerichtsbescheides ausdrücklich keine Bedenken erhoben haben, mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2012 die Klage auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides, Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des Versagungsbescheides und zur Zahlung von Verletztengeld für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 44 SGB X seien nicht erfüllt, weil der Versagungsbescheid rechtmäßig sei. Der Kläger habe in dem strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf Verletztengeld gehabt. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse, die die vorangegangene Entscheidung in Frage stellen könnten, lägen nicht vor.

Mit der am 23. Februar 2012 eingegangenen Berufung macht der Kläger geltend, weder die Beklagte noch das Gericht hätten sich mit den vorliegenden Berichten und Gutachten aus dem fraglichen Zeitraum auseinandergesetzt. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2013 hat er vorgetragen, es existiere ein Rentengutachten vom 11. Mai 2005, ohne dessen Auswertung ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nicht festgestellt werden könne. Dementsprechend sei ein Verstoß in einem Parallelverfahren hinsichtlich der Krankengeldzahlung verneint worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Januar 2012 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 18. Juli 2005 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Rechtsauffassung. Auf den Hinweis des Gerichts, die Versagung einer Leistung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts möglicherweise nur für die Zukunft rechtmäßig, trägt die Beklagte vor, insoweit sei zwischen Versagung und Entziehung zu unterscheiden; nur für letztere gelte das Rückwirkungsverbot. Den Entscheidungen des Bundessozialgerichts dazu hätten auch nur Entziehungsfälle zu Grunde gelegen. Das Bedürfnis nach Vertrauensschutz sei in beiden Fällen völlig unterschiedlich. Dem Wortlaut des § 66 SGB I sei eine ausschließliche Wirkung für die Zukunft nicht zu entnehmen. Könne für einen zurückliegenden Zeitraum keine Versagung ausgesprochen werden, bliebe nur die Anspruchsablehnung nach Beweislastregeln.

Bei der Entscheidung haben die Akten der Beklagten – Az. 211/2605301 – in vier Bänden vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2011 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Juli 2005 ablehnt. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte dies schon rechtmäßig mit dem Verfügungssatz zum Ausdruck bringt, sie lehne nach § 44 SGB X (bereits) die Überprüfung der Rechtmäßigkeit ab; dazu neigt der Senat angesichts der Gesamtheit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rücknahme eher nicht. Jedenfalls hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid, der dem angefochtenen Ausgangsbescheid nach § 95 SGG ggf. seine Gestalt gibt, auch entschieden, die Auswertung des Aktenmaterials bestätige die Richtigkeit der (mit dem Einstellungsbescheid) getroffenen Entscheidung, damit die formal abgelehnte Überprüfung vorgenommen und sie zum Bescheidgegenstand gemacht.

Anspruchsgrundlage des Klägers für die Aufhebung des Bescheides vom 18. Juli 2005 ist § 44 Abs. 2 SGB X. Der Bescheid trifft nämlich keine Entscheidung darüber, dass im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X Sozialleistungen nicht erbracht werden. Die Beklagte hat darin lediglich das Verwaltungsverfahren über die Verletztengeldzahlung mit der nur mittelbaren Wirkung eines Leistungshindernisses eingestellt (im Gegensatz zu einer denkbaren Anspruchsvernichtung, vgl. BSG, Urt. v. 22.2.1995 – 4 RA 44/94SozR 3-1200 § 66 Nr. 3). Dies hat zur Folge, dass das Verwaltungsverfahren bei Beseitigung des Bescheides vom 18. Juli 2005 fortzusetzen und erst dann im Sinne von § 8 letzter Teilsatz des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit dem Verwaltungsakt über die Leistung (oder einem entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vertrag) abzuschließen ist. Ob eine Versagung als solche den Inhalt haben kann, dass Leistungen nicht erbracht werden, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte nicht dies, sondern als gleich gerichtetes Mittel mit ggf. geringerer Auswirkung jedenfalls nur eine Einstellung des Verwaltungsverfahrens verfügt hat. Erst recht kann der Senat nicht feststellen, dass wegen dieses Bescheides Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Denn es liegt nicht in seiner Befugnis, einen Leistungsfall als entscheidungsreif zu bewerten, über den er selbst gar nicht zu entscheiden hat. Dies müsste er anderenfalls aber tun, weil er zu prüfen hätte, ob ein Anspruch auf Verletztengeld besteht, dessen Erfüllung wegen des Bescheides nicht erfolgt ist.

Aus der nur auf die Zukunft gerichteten Verbindlichkeit eines Rücknahmeanspruchs nach § 44 Abs. 2 SGB X ergeben sich im Übrigen keine nachteiligen Folgen für den Adressaten der von Anfang an rechtswidrigen Regelung. Denn das durch die Rücknahme wieder eröffnete Verwaltungsverfahren kann denknotwendig ohnehin nur in der Zukunft fortgeführt werden. Soweit zwischenzeitlich ggf. eine Verjährung von Leistungsansprüchen eingetreten ist, entspräche dies im Ansatz nur der Regelung, die § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X für den Fall des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ebenfalls trifft.

Der Bescheid vom 18. Juli 2005 ist nicht im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X von Anfang an rechtswidrig.

Der Inhalt dieses Bescheides umfasst die Einstellung des Verfahrens bezüglich der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit durch Erkrankungen der oberen Extremitäten, obwohl darin das Unfalldatum genannt ist, an dem sich der Unfall mit dem Bruch des linken Beines ereignet hat. Denn im hier maßgeblichen Teil wird dem Kläger ohne Bezug auf einen konkreten Unfall mitgeteilt, die Prüfung werde eingestellt, ob aufgrund der seit dem 28. Oktober 2004 vorliegenden Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Verletztengeld gegeben sei. Für den Kläger selbst war – wie für jeden Dritten mit Kenntnis der Umstände – am besten erkennbar, dass die Einstellung des Verfahrens über die Prüfung der Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen (zumindest auch) etwaige Unfallfolgen des Unfalls vom 20. Januar 1976 umfassen sollte. Die Arbeitsunfähigkeit war nämlich im Zusammenhang mit Beschwerden im Verletzungsumfeld dieses früheren Unfalls bescheinigt worden. Der Bezug darauf ergibt sich zudem unmittelbar aus der Bescheidbegründung, in der auf die Beschwerden der linken Hand und deren Auswirkungen abgestellt wird.

Die Ermächtigung zum Erlass des Bescheides vom 18. Juli 2005 ergibt sich aus § 66 Abs. 1 S. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I – i.d.F. der letzten Änderung durch G. v. 21.3.05, BGBl. I S. 818) i.V.m. § 62 SGB I. Denn ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Einstellung des Verfahrens um eine Versagung im engeren Sinn handelt, fehlt für die Verfahrenseinstellung eine andere Rechtsgrundlage. Umgekehrt ist sie zwanglos unter die Vorschriften über die Versagung zu fassen, weil sie ggf. als milderes Mittel im Umfang ihrer belastenden Reichweite mit einer Versagung deckungsgleich ist.

Diese Entscheidung betrifft den ganzen Zeitraum bis zum 6. Oktober 2006; insoweit ist neben dem Einstellungsbescheid keine Entscheidung der Beklagten über die Zahlung von Verletztengeld für den betroffenen Arbeitsunfähigkeitszeitraum mehr offen. Der Versagungsbescheid vom 18. Juli 2005 erfasst den gesamten angestrebten Leistungszeitraum der Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger hat dies ausweislich seines Vorbringens auch selbst so verstanden. Dies ergibt auch die Auslegung des Bescheides nach den Gesamtumständen, weil sich dessen wesentliche tatsächliche Grundlagen bis zum Ende des Arbeitsunfähigkeitszeitraumes nicht verändert haben. Insbesondere ist durch den Wechsel der Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen keine Änderung eingetreten, die die Beklagte nicht in ihrem Versagungsbescheid berücksichtigen konnte. Trotz wechselnder Bezeichnungen der Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen handelt es sich durchgehend um Krankheitsbilder im Bereich der linken Hand, die schon bei Erlass des Versagungsbescheides vorgelegen haben. Dies ergibt sich daraus, dass die entsprechenden Diagnosen ausweislich des Registers der Krankenkasse bis zum Ende des Arbeitsunfähigkeitszeitraumes Bedeutung behalten haben. Bestätigt wird dies durch die Bescheinigungen zur Erlangung von Krankengeld, in denen für den Zeitraum ihres Vorliegens durchgehend entsprechende Diagnosen enthalten sind. Insoweit entsprach das durch ein Gutachten zu befriedigende Klärungsbedürfnis der Beklagten bis zur Beendigung der festgestellten Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 6. Oktober 2006 immer noch demjenigen bei Erlass des Versagungsbescheides.

Die später erstmals gestellten Diagnosen begründen keinen Sachverhalt außerhalb des Regelungsbereiches des Versagungsbescheides, aufgrund dessen die Beklagte im Falle der Kenntniserlangung von Amts wegen wieder hätte tätig werden müssen. Es entspricht gerade der Aufklärungslücke zwischen vagen Informationen Dr. M. einerseits und dem von der Beklagten angestrebten Gutachten andererseits, wenn nach Bescheiderlass mehrere Diagnosen Dr. M. auf nicht näher bezeichnete und sonstige Lokalitäten bezogen werden. Zudem wirft es jedenfalls im Hinblick auf das von dem Kläger verfolgte Ziel der Bewilligung eines Verletztengeldanspruchs schon im Ansatz ein Klärungsbedürfnis auf, wenn Dr. M. eine primäre Arthrose diagnostiziert und keine – bei primärem Unfalleinfluss – sekundäre Arthrose.

Der Kläger ist im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I als jemand, der Leistungen beantragt hatte, seiner Mitwirkungspflicht nach § 62 SGB I nicht nachgekommen. Es kann dahinstehen, dass die Formulierung "beantragt" auch den Fall abdeckt, dass der Leistungsträger die Leistungsberechtigung von Amts wegen zu prüfen hat. Denn jedenfalls hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 29. Juni 2005 die Zahlung von Verletztengeld schlüssig beantragt, indem er der Beklagten mitgeteilt hat, diese Leistung stehe ihm zu.

Nach § 62 SGB I musste sich der Kläger den anberaumten ärztlichen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen. Die anberaumte Untersuchung war hier zur Entscheidung über den Anspruch auf Verletztengeld für die Zukunft erforderlich. Beweisthema der zu führenden Ermittlungen war, ob der Kläger im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig war (da für den zweiten Fall, wonach ihm eine Maßnahme der Heilbehandlung hätte erbracht werden müssen, die ihn an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hätte hindern können, kein Anhaltspunkt bestand). Versicherungsfall ist hier nach § 7 Abs. 1 SGB VII der Arbeitsunfall vom 20. Januar 1976, der nach § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 1150 Abs. 2 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO – in der Fassung durch G. v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606) als solcher nach dem Recht der Bundesrepublik gilt (zusammen mit demjenigen vom 20. Januar 1977, worauf es hier nicht ankommt). Zu prüfen war schließlich, ob ein Anspruch auf Leistungen nach § 45 Abs. 2, 3 SGB VII mit einem Verletztengeldanspruch als Folgeanspruch in Betracht kam. Alle Fallgruppen setzen mindestens voraus, dass der Kläger seine Arbeit durch Unfallfolgen krankheitsbedingt nicht mehr ausüben kann.

Die Beklagte hatte die Untersuchung unter Anderem zu einer entsprechenden Klärung vorgesehen, wie aus ihrem Schreiben zur Androhung der Einstellung hervorgeht. Denn darin hatte sie dem Kläger mitgeteilt, die Untersuchung solle zur Prüfung der Arbeitsunfähigkeit, zur Klärung der vorliegenden Unfallfolgen und zur Prüfung erfolgen, welchen Leistungsanspruch ggf. die Unfallfolgen auslösen. Der Bezug auf das Verletztengeld entsprach auch dem Verständnis des Klägers selbst vom Sinn der Untersuchung. Denn er selbst hatte in seinem Schreiben vom 29. Juni 2005 die anberaumte Untersuchung in den Zusammenhang mit seinem Anspruch auf Verletztengeld gebracht. Insofern bedurfte es keiner genaueren Erklärung der Beklagten mehr.

Die Untersuchung war erforderlich, weil der Beklagten keine verlässlichen Unterlagen über das Vorliegen und den Verlauf der Arbeitsunfähigkeit sowie ihrer Ursachen vorlagen. Während Dr. M. nämlich in ihrem Bericht vom 28. März 2005 im Wesentlichen auf eine fachärztliche Behandlung bei Dr. W. verwies, teilte dieser mit, der Kläger sei im Arbeitsunfähigkeitszeitraum nur einmal in seiner Behandlung gewesen. In dem darüber erstellten Bericht beschrieb Dr. W. aber eine freie Beweglichkeit von Fingern und Handgelenk, die objektiv einen Zusammenhang der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit mit den Unfallfolgen in Frage stellen konnte. Auch die Diagnosestellung Dr. M. war nicht so eindeutig, dass die Beklagte sich darauf stützen konnte. So hatte Dr. M. noch im Juli 2004 eine Arbeitsunfähigkeitsdiagnose einer posttraumatischen Arthrose gestellt, während sie eine entsprechende Diagnose für den hier in Streit stehenden Arbeitsunfähigkeitszeitraum erstmals vom 21. September 2005 an bescheinigte; die Diagnosen auf den Bescheinigungen zur Erlangung von Krankengeld waren für die Beklagte nicht ersichtlich. Nach der vorliegenden Situation, die sich weder für die Beklagte aus damaliger Sicht noch objektiv rückblickend widerspruchsfrei darstellt(e), durfte die Beklagte es für notwendig halten, die Arbeitsunfähigkeit und die Zusammenhänge mit den Unfallfolgen durch einen dritten Arzt überprüfen zu lassen. Dies gilt auch, soweit die für den 26. Mai 2005 anberaumte Untersuchung Erkenntnisse über einen Zeitraum hätte vermitteln sollen, der dann über ein halbes Jahr hinaus zurückgereicht hätte. Denn aus dem Befundbericht von Dr. M. ging hervor, dass es sich um eine gleichbleibende chronische Erkrankung handelte. Dies schlug sich in ihrer Einschätzung nieder, der Kläger werde in seinem Beruf nicht mehr arbeitsfähig werden. Umgekehrt gehen eigene Befunde von Dr. M. aus dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum aus dem Bericht überhaupt nicht hervor. Die einzige Befundbeschreibung datiert aus einer Zeit vor dem hier betroffenen Zeitraum. Auch nach dem Bericht von Dr. W. konnte die Beklagte davon ausgehen, dass ein gleichbleibendes chronisches Krankheitsbild mit belastungsabhängigen Symptomen vorlag, das ärztlich weiterhin überprüfbar war. Der Erforderlichkeit stand auch nicht ein für die gesetzliche Rentenversicherung erstattetes Gutachten vom 11. Mai 2005 entgegen, von dem die Beklagte sogar bis zum Ablauf des gesamten Arbeitsunfähigkeitszeitraums keine Kenntnis hatte. Sie musste diese auch nicht haben, weil weder der Kläger sie auf das Gutachten hingewiesen hatte noch sie während des genannten Zeitraums überhaupt Kenntnis von einem laufenden Rentenverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung erlangte. Insoweit bemisst sich die Erforderlichkeit allein danach, welche Maßnahmen zur Ermittlung von Amts wegen im Sinne von § 20 Abs. 1 S. 1 SGB X sie zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung aus eigener Verantwortung heraus überhaupt ergreifen kann.

Es lag auch keine Zumutbarkeitseinschränkung im Sinne von § 65 Abs. 1, 2 SGB I vor. Soweit der Kläger meint, es hätten 2005 bereits ausreichende Unterlagen zum Beleg seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vorgelegen, ergeben sich die maßgeblichen Lücken schon daraus, dass die Untersuchung – wie dargelegt – im Sinne des § 62 SGB I erforderlich war.

Der gegen die damalige Untersuchung erhobene Einwand des Klägers, er könne die Fahrtkosten nicht vorschießen, begründet keinen wichtigen Grund für eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I, sich der Untersuchung zu stellen. Die Kostenübernahmezusage der Beklagten, die sie dem Kläger mit der Bitte übersandt hatte, sie dem Taxiunternehmer zur direkten Abrechnung mit ihr vorzulegen, war grundsätzlich geeignet, ihn von der Vorschusslast freizustellen. Durch die vom Kläger gewählte Bezeichnung der Zusage als "Wisch" ist nicht hinreichend belegt, dass diese ohne Wert war. Dazu hätte es eines Versuches des Klägers bedurft, unter Hinweis auf die Zusage einen Mietwagen zu bestellen. Darüber hinaus hat aber der Kläger in seinem Schreiben vom 29. Juni 2005 die Kostenfrage selbst für unbedeutend erklärt, indem er die Begutachtung als solche grundsätzlich abgelehnt hat. Gegen den zu erwartenden Untersuchungsgang als solchen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt Bedenken vorgebracht.

Schließlich begründet es keinen wichtigen Grund gegen die Zumutbarkeit der Untersuchung im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I, dass die Beklagte dem Kläger entgegen § 200 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – G. v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) vor der Untersuchung nicht mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat. Denn diesen Rechtsverstoß hat der Kläger nicht – wie erforderlich (vgl. BSG, Urt. v. 20.7.2010 – B 2 U 17/09 R – zitiert nach Juris, Rdnr. 37 ff.) – im Rahmen der fristgerechten Rechtsbehelfe gegen den Bescheid vom 18. Juli 2005 beanstandet. Vielmehr hat er ungeachtet der Person des Gutachters die Begutachtung für überflüssig erklärt.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I für eine Versagung liegen vor. Der Beklagten war durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht in Form des Erscheinens des Klägers zur Untersuchung die Aufklärung des Sachverhalts wesentlich erschwert, ohne dass die Voraussetzungen der Leistung nachgewiesen waren. Insofern sind die Gründe die gleichen, aus denen die anberaumte Untersuchung für die Entscheidung – wie dargelegt – erforderlich war. Insbesondere enthalten weder der Bericht Dr. M. noch der Bericht Dr. W. hinreichend ausführliche Befundbeschreibungen, um darauf die Überzeugung von bestehender Arbeitsunfähigkeit und die Einschätzung eines Zusammenhangs mit den Unfallfolgen als überwiegend wahrscheinlich stützen zu können.

Es führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Einstellungsbescheides im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X, dass die Beklagte dem Kläger in dem Schreiben vom 5. Juli 2005 zur Erfüllung ihrer Aufforderung keine konkrete Frist im Sinne von § 66 Abs. 3 SGB I gesetzt hat. Die mit einer solchen Frist eingeräumte Möglichkeit, die unterbliebene Mitwirkung in Kenntnis anderenfalls nachteiliger Folgen nachzuholen, ist hier vor Erlass des Einstellungsbescheides dadurch gegenstandslos geworden, dass der Kläger umgehend nach Erhalt des Aufforderungsschreibens seine Mitwirkung erneut und jede weitere Antwort zur Frage der Mitwirkung endgültig abgelehnt hat. Damit hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 5. Juli 2005 den Zweck der Fristsetzung vollständig erfüllt.

Die Beklagte hatte im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Versagung kein Ermessen zu Gunsten des Klägers auszuüben; die Freistellung des Ausspruchs einer Versagung – im Gegensatz zur Entziehung – nach § 66 S. 1 SGB I beschränkte sich hier auf die bloße Einräumung einer Ermächtigung. Der Ermessensspielraum der Beklagten umfasst die Einschätzung, ob sie als Kehrseite einer erheblichen Erschwerung der Aufklärung des Sachverhalts (im Sinne der Vorschrift) durch den Antragsteller noch andere, notwendig umständlichere Beweiserhebungen veranlassen will oder nicht. Ist dies nach dem Erkenntnisstand zum Entscheidungszeitpunkt überhaupt nicht möglich, entfällt eine Ermessensausübung (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 77. Erg.-Lieferung, § 66 SGB I Rdnrn. 18 – 22). So liegt der Fall hier, weil die Beklagte bereits Berichte von Dr. M. und Dr. W. beigezogen hatte, die einen Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen nicht ermöglichten. Andere Ärzte waren nach Kenntnis der Beklagten im gesamten Arbeitsunfähigkeitszeitraum nicht mit dem Fall betraut. Vor diesem Hintergrund konnte der Entscheidungsspielraum der Beklagten nur darin bestehen, an Stelle eines Versagungsbescheides einen Ablehnungsbescheid über die Zahlung von Verletztengeld wegen fehlender Feststellbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen zu erlassen. Diesen Spielraum kann der Kläger nicht mit dem Antrag nach § 44 SGB X geltend machen, weil der Ablehnungsbescheid eine stärkere Belastung darstellt als der Versagungsbescheid (vgl. zum Gedanken der stärkeren Beschwer als Alternative BSG, Urt. v. 17. 2. 2004 – B 1 KR 4/02 R – Juris, Rdnr. 29). Der endgültige Ablehnungsbescheid würde nämlich eine Nachleistung im Sinne von § 67 SGB I, die im Falle der Versagung möglich wäre, ausschließen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ein Ablehnungsbescheid beim Bekanntwerden neuer Beweismittel und dadurch nachweisbarer Unrichtigkeit nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X aufzuheben ist. Zwar ist dies bei einem Versagungsbescheid nicht so, wenn ein Beweismittel betroffen ist, das mit der vorbehaltenen, nachzuholenden Mitwirkung nicht im Zusammenhang steht. Stattdessen ist aber eine Prüfung nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vorzunehmen, ob das neue Beweismittel zu einer anderen Einschätzung der Erforderlichkeit der Mitwirkung führt. Denn die Verfahrenseinstellung bzw. Versagung hat Dauerwirkung (vgl. für die Entziehung BSG, Urt. v. 22.2.1995 – 4 RA 44/94SozR 3-1200 § 66 Nr. 3)

Die von der Beklagten gewählte Rechtsfolge ist auch insoweit von § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I gedeckt, als die Beklagte das Verwaltungsverfahren bezüglich der Prüfung von Verletztengeld für die Zeit vor Erlass des Bescheides vom 18. Juli 2005 und vor Ausspruch der entsprechenden Androhung eingestellt hat. Dies ist – im Gegensatz zu Fällen der Entziehung von Leistungen – für Fälle der Versagung zulässig (anders, aber wegen des konkreten Bezugs auf Entziehungsfälle nicht tragend, BSG, Urt. v. 31.1. 2006 – B 11a AL 5/05 R – Juris, Rdnr. 15, Urt. v. 28.2.1990 – 10 RKg 17/89 – Juris, Rdnr. 15, so wie hier wohl Urt. v. 19.9.2006 – B 14 AS 45/07 R – Juris, Rdnrn. 2, 27). Anders als im Falle der Entziehung, die eine laufende Zahlung auf oder jedenfalls Feststellung über den entsprechenden Anspruch voraussetzt, liegt im Falle der Versagung kein Vertrauen begründender Tatbestand vor, der der Wirkung auf zurück liegende Zeiträume entgegen stehen könnte. Zudem läge die einzige Handlungsmöglichkeit der Beklagten an Stelle der Versagung – wie sie zutreffend vorträgt – in einer stärker belastenden Anspruchsablehnung unter Berufung auf die objektive Feststellungslast. Insofern wird es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in allen Fällen, in denen – wie hier – die objektive Feststellungslast für den versagten Anspruch den Anspruchsteller trifft, eher gerecht, wenn die Leistung unter den übrigen Voraussetzungen rückwirkend versagt wird, als wenn sie angesichts ausgeschlossener Untätigkeit der Beklagten (vgl. § 88 Abs. 1 S. 1 SGG) endgültig abgelehnt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und richtet sich hier nach dem Grad des Obsiegens und Unterliegens.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil der Senat die Rechtslage hinsichtlich der Rückwirkung von Versagungsbescheiden für klärungsbedürtig hält.
Rechtskraft
Aus
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