S 10 R 198/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 198/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 28.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Im Streit ist die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges zur privaten Nutzung.

Bei der Klägerin, die im Bereich Sanitär-, Wärme- und Klimatechnik tätig ist und deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer Herr S. D. ist, wurde in der Zeit vom 15.07. bis zum 21.07.2009 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt O.-Nord durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt waren bei der Klägerin 26 Arbeitnehmer beschäftigt. Zum Fuhrpark des Betriebes gehörten 7 bis 8 Kastenfahrzeuge, die vor allem von den Monteuren im Rahmen der Außendiensttätigkeit genutzt wurden, ein LKW, ein Mercedes, der von einem angestellten Meister gefahren wurde, ein Smart, ein Audi Q 7 und Minicooper. Der Minicooper gehörte seit April 2007 zum Anlagevermögen der Klägerin und wurde am 22.12.2008 an Herrn S. D. privat veräußert.

In dem Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. vom 30.09.2006 ist unter anderem geregelt, dass Herr D. für seine Geschäftsführertätigkeit eine Vergütung in Höhe eines monatlichen Bruttogehaltes von 11.000,00 EUR erhalte und Anspruch auf Gestellung eines betrieblichen PKWs habe, wobei er den PKW auch privat nutzen dürfe und eine Kostenbeteiligung durch ihn nicht erfolge. Der Vertrag sieht vor, dass die Klägerin den geldwerten Vorteil ordnungsgemäß lohn- und umsatzversteuern werde. Herr D. nutzte in dem Zeitraum von April 2007 bis Dezember 2008 nach seinen Angaben sowohl den Audi Q 7 als auch den Minicooper im Rahmen seiner häufigen Außentermine zu betrieblichen Zwecken. Dabei machte er die Wahl des Fahrzeuges von der Art des Außentermins und der jeweiligen Bedarfslage abhängig. Darüber hinaus standen ihm beide Fahrzeuge auch für private Zwecke zur Verfügung, wobei er nach seinen Angaben den Audi Q 7 privat erheblich mehr nutzte als den Minicooper.

Die Ehefrau des Gesellschafter-Geschäftsführers, die Zeugin A. D., war seit dem 01.05.2004 als kaufmännische Mitarbeiterin im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig. Zu ihren Aufgaben gehörte der Telefondienst, die Vergabe von Terminen, das Ablegen von Postsachen und der Postausgang sowie die Vorbereitung von Hausmessen. Es handelte sich um eine Innendiensttätigkeit, wobei sie gelegentlich Pakete zur Post brachte und Besorgungen für die Hausmessen der Klägerin erledigte. In dem zugrunde liegenden Anstellungsvertrag vom 05.04.2004 ist eine regelmäßige Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche und eine Vergütung von 450,00 EUR brutto vereinbart. Der Vertrag enthält keine Regelung über die Gestellung eines betrieblichen PKW und die Gestattung einer privaten Nutzung eines betrieblichen PKW. Die Zeugin A. D. wohnte gemeinsam mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Betrieb der Klägerin. Sie nutzte für die gelegentlichen betriebsbedingten Fahrten zur Post bzw. für die Einkäufe für die Hausmessen entweder den Minicooper oder den Audi Q 7. Darüber hinaus nutzte sie diese beiden Fahrzeuge nach ihren Angaben ebenso wie ein der im Haus wohnenden Schwiegermutter gehörendes Fahrzeug auch für private Fahrten zum Einkaufen und für Besuche der im Altersheim lebenden Mutter. Da sowohl der Audi Q 7 als auch der Minicooper von dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. gefahren wurden, benutzte sie bei Bedarf das Fahrzeug, das gerade vor dem Betrieb stand und nicht von ihrem Ehemann gefahren wurde.

In dem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 24.07.2009 wird unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin im Prüfzeitraum anderen Arbeitnehmern firmeneigene PKWs zur privaten Nutzung überlassen habe und dass die geldwerten Vorteile für die private Nutzung teilweise nicht versteuert worden seien. Für die Arbeitnehmerin A. D. wurde die unentgeltliche Überlassung eines Geschäftswagens für die private Nutzung in dem Zeitraum von April 2007 bis Dezember 2008 zugrunde gelegt und ihr der Minicooper mit einem Listenpreis von 34.300,00 EUR zugeordnet, so dass sich unter Anwendung der sogenannten 1 %-Regelung ein umsatzsteuerpflichtiger Sachbezug für 2007 in Höhe von 3.087,00 EUR und für 2008 in Höhe von 4.116,00 EUR ergab. Der Firmenwagen Audi Q 7 wurde als geldwerter Vorteil des Gesellschafter-Geschäftsführers S. D. erfasst. Diese Zuordnung der Fahrzeuge erfolgte in Übereinstimmung mit der Steuerberaterin der Klägerin, der Zeugin M. T., ohne dass insoweit persönliche Angaben der Betroffenen zur PKW-Gestellung und PKW-Nutzung gemacht worden waren. Für die Zeit bis Februar 2007 war eine Privatnutzung des Minicoopers durch Herrn S. D. zugrunde gelegt und ein entsprechender geldwerter Vorteil für ihn berücksichtigt worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen erging am 28.07.2009 ein Haftungsbescheid des Finanzamtes Oberhausen- Nord, mit dem gegenüber der Klägerin eine Steuernachforderung in Höhe von insgesamt 2.597,54 EUR geltend gemacht wurden. Gegen diesen Bescheid wurde seitens der Klägerin kein Widerspruch erhoben.

Am 21.06.2011 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch, die sich auf den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2010 erstreckte. Die Beklagte forderte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmerin A. D. für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.12.2008 in einer Gesamthöhe von 3.681,72 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 730,00 EUR nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, anlässlich der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes O.-Nord hätten sich Steuernachforderungen ergeben, die auch beitragsrechtliche Konsequenzen auf dem Gebiet der Sozialversicherungen nach sich zögen. Für die private PKW-Nutzung seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 26.07.2011 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass die Zuordnung des zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden Fahrzeuges "Minicooper" zur Arbeitnehmerin A. D. nicht rechtmäßig sei. Frau A. D. sei im Rahmen der Gleitzone als Bürohilfe bei der Klägerin beschäftigt. Ein Firmenwagen habe ihr im Rahmen dieser geringfügigen Beschäftigung auch aufgrund ihres Arbeitsvertrages nachweislich nicht zur Verfügung gestanden. Vielmehr fahre der Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. sowohl den Firmenwagen "Audi Q 7" als auch das Firmenfahrzeug "Minicooper" ganz überwiegend zu betrieblichen Zwecken, aber auch im Rahmen der ihm gestatteten privaten Nutzung. Die private Mitbenutzung der beiden Fahrzeuge durch seine Ehefrau A. D. sei nicht im Rahmen des Anstellungsvertrages erfolgt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17.01.2012 zurück und führte zur Begründung aus, dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. hätte laut Anstellungsvertrag lediglich ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestanden. Ende 2008 seien laut Rücksprache mit dem Finanzamt O.-Nord der Minicooper aus dem Anlagevermögen verkauft und in den Privatbesitz der Familie V.-D. übergegangen. Zudem sei der Haftungsbescheid des Finanzamtes vom 28.07.2009 bestandskräftig geworden.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 16.02.2012 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Überlassung eines Firmenwagens an die Zeugin A. D. zur privaten Nutzung sei rechtswidrig. Grundvoraussetzung für einen als Lohnzufluss zu erfassenden Nutzungsvorteil sei eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin, dass ein firmeneigener PKW der Arbeitnehmerin überlassen und darüber hinaus zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werde. Der Zeugin A. D. sei der PKW "Minicooper" jedoch nicht durch die Klägerin als Arbeitgeberin in Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses überlassen worden. Dies wäre im Hinblick darauf, dass die Zeugin A. D. lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses im Umfang von 45 Stunden pro Monat und zudem eine fast ausschließliche Innendiensttätigkeit ausgeübt habe, auch völlig ungewöhnlich. Der Umstand, dass gegen die steuerrechtliche Zuordnung des PKW zur Zeugin A. D. im Rahmen des Lohnsteuerhaftungsbescheides kein Rechtsmittel eingelegt worden sei, sei allein damit zu erklären, dass sich daraus für die Zeugin A. D. und ihren Ehemann S. D. in lohnsteuerrechtlicher Hinsicht keine Nachteile ergeben hätten, da sie gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden seien.

Dementsprechend habe auch die Steuerberaterin der Klägerin der Zuordnung des PKWs zur Zeugin A. D. bei der Abstimmung mit dem Finanzamt nicht widersprochen. Eine Bindungswirkung des Lohnsteuerhaftungsbescheides bezüglich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung durch die Beklagte sehe das Gesetz nicht vor. Die Beklagte habe vielmehr eine Sozialversicherungspflicht in Auswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheides selbständig zu prüfen und eigene Feststellungen zu treffen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 28.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die private PKW-Nutzung durch die Arbeitnehmerin A. D. sei rechtmäßig. Nach den Feststellungen des zuständigen Finanzamtes hätten sich anlässlich der Lohnsteueraußenprüfung Steuernachforderungen ergeben, die auch beitragsrechtliche Konsequenzen auf dem Gebiet der Sozialversicherung nach sich zögen. Beitragsnachzahlungen für die im Bescheid des Finanzamtes erfassten beitragsrechtlich relevanten Sachverhalte seien daher zu erheben gewesen. Nach der Beitragsverfahrensordnung seien die Betriebsprüfer verpflichtet, die Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden einzusehen und eine versicherungs- und beitragsrechtliche Auswertung vorzunehmen. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung richte sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht. Da ein verbindlicher und bindender Bescheid des Finanzamtes vorliege, sei das jetzige Vorbringen der Klägerin ohne Belang, da der Bescheid des Finanzamtes hierdurch nicht aufgehoben oder geändert werde. Im Übrigen habe die Zeugin A. D. auch ausgesagt, dass sie den PKW "Minicooper" zu privaten Zwecken genutzt habe. Es sei nicht plausibel, dass die Steuerberaterin in steuerrechtlicher Hinsicht der Zuordnung des PKWs zur Zeugin A. D. zugestimmt habe, da sie habe wissen müssen, dass der Sachverhalt spätestens nach 4 Jahren im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28 t Abs. 1 SGB IV überprüft werden würde. Schließlich spreche auch ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Arbeitnehmerin A. D. einen Dienstwagen (Minicooper) aus dem arbeitgebereigenen Fuhrpark zur Verfügung gestellt worden sei und sie ein solches Fahrzeug auch privat genutzt habe.

Das Gericht hat die zwischen der Klägerin und der Zeugin A. D. sowie zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. geschlossenen Anstellungsverträge sowie den Gesellschaftsvertrag beigezogen. Vom Finanzamt O.-Nord sind schriftliche Auskünfte vom 21.11.2012 und vom 20.02.2013 zu den im Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 28.03.2009 getroffenen Feststellungen eingeholt worden. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf Blatt 32, 33, 46 der Gerichtsakte Bezug genommen. Das Gericht hat ferner im Beweisaufnahmetermin vom 20.06.2013 eine Anhörung des Gesellschafter-Geschäftsführers S. D. sowie eine Vernehmung der Mitarbeiterin A. D. als Zeugin als sowie eine Vernehmung der Steuerberaterin der Klägerin, M. T. als Zeugin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten der Anhörung und der Zeugenvernehmungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.06.2013 (Blatt 63 bis 70 der Gerichtsakte) verwiesen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagte in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da die Klägerin nicht verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmerin A. D. wegen Überlassung eines betrieblichen PKW zur privaten Nutzung für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2008 nachzuentrichten.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt, das der Beitragspflicht unterliegt, alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Bei einer vom Arbeitgeber gewährten ständigen Überlassung eines PKW (Dienstwagens) zur privaten Nutzung handelt es sich um die Gewährung geldwerter Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen, d.h. um laufenden Arbeitslohn (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.01.2013, L 11 EG 1721/12). Werden Sachbezüge in Gesalt der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges zu privaten Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt, ist in § 3 Satz 2 der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) in Verbindung mit §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt, dass hinsichtlich des Wertes für jeden Kilometer der privaten Nutzung des Kraftfahrzeuges 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen ist. Somit kommt die Überlassung eines betrieblichen KFZ zur privaten Nutzung grundsätzlich als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Betracht.

Grundvoraussetzung ist jedoch, dass tatsächlich ein firmeneigenes Fahrzeug zur privaten Nutzung überlassen worden ist. Maßgeblich sind insoweit die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Aufgrund der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Zeugin A. D. gegeben hat, dass sie in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin der Klägerin berechtigt war, ein firmeneigenes Fahrzeug zu privaten Zwecken zu nutzen.

Aus dem zwischen der Klägerin und der Zeugin A. D. geschlossenen Anstellungsvertrag ergibt sich weder ein Anspruch der Zeugin A. D. auf Gestellung eines betrieblichen PKW im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit für die Klägerin noch ein Anspruch auf private Nutzung eines zur Verfügung gestellten PKW. Sowohl die Klägerin als auch die Zeugin A. D. haben auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts ausgeführt, dass es eine entsprechende Vereinbarung zu keinen Zeitpunkt gegeben hat. Das Finanzamt O.-Nord hat in der schriftlichen Auskunft vom 20.02.2013 dargelegt, dass es keinerlei persönliche Angaben der Klägerin oder der Zeugin A. D. dahingehend gegeben habe, dass der Zeugin A. D. seitens der Arbeitgeberin ein betrieblicher PKW im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit zur Verfügung gestellt worden sei oder eine private Nutzung eines zur Verfügung gestellten PKW gestattet worden sei. Auch entsprechende schriftliche Unterlagen hätten dem Finanzamt O.-Nord nicht vorgelegen. Die Zuordnung der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeuges (Minicooper) zur Person der Arbeitnehmerin A. D. habe allein auf einer Übereinkunft der Prüferin des Finanzamtes mit der Steuerberaterin, der Zeugin M. T., beruht.

Die Zeugin M. T. hat im Rahmen ihrer Vernehmung ebenfalls nicht bestätigt, dass es eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Zeugin A. D. hinsichtlich einer Gestellung eines betrieblichen PKWs und einer privaten Nutzung durch die Zeugin A. D. gegeben hat. Die Zeugin war mit der Erarbeitung und dem Abschluss von Arbeitsverträgen mit den einzelnen Mitarbeitern der Klägerin nicht befasst und konnte keinerlei Angaben zu dem Tätigkeitsbereich der Zeugin A. D. machen. Insoweit war aus Sicht des Gerichts die Angabe der Zeugin glaubhaft, dass sie selbst keine Kenntnis über die private Nutzung eines Fahrzeuges durch die Zeugin A. D. gehabt habe. Sie konnte sich auch nicht konkret daran erinnern, wie es zu der Vereinbarung der Prüferin des Finanzamtes hinsichtlich der steuerrechtlichen Zuordnung der Fahrzeuge gekommen ist. Nach ihren Angaben hat sie der von der Prüferin vorgenommenen lohnsteuerrechtlichen Zuordnung der Nutzung des Minicooper zur Zeugin A. D. deshalb nicht widersprochen, weil die Auswirkungen in steuerrechtlicher Hinsicht für die Eheleute S. und A.D. nicht relevant waren. Danach wäre die Lohnsteuer in gleichem Umfang abgeführt worden, wenn die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeuges dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. zugeordnet worden wäre. Die Kammer sieht die Angabe der Zeugin, nach der sie sich mit dieser Problematik aus den genannten Gründen nicht näher befasst habe, auch deshalb als glaubhaft an, weil zu dem Zeitpunkt der Steuerprüfung im Juli 2009 das Fahrzeug bereits verkauft war und sich nicht mehr im Betriebsvermögen der Klägerin befand, so dass sich für die Zukunft entsprechende Zuordnungsfragen nicht mehr stellten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt dem Umstand, dass die Klägerin gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid kein Rechtsmittel eingelegt hat, kein maßgeblicher Beweiswert bei. Dieser Umstand und die Übereinkunft der Zeugin M. T. mit dem Finanzamt stellt allenfalls ein Indiz dafür dar, dass die Klägerin mit der Zeugin A. D. die Gestellung eines betrieblichen KFZ und dessen privater Nutzung vereinbart hat. Dieses Indiz ist dadurch widerlegt, dass die Zeugin M. T. glaubhaft dargelegt hat, in steuerrechtlicher Hinsicht habe durch den Lohnsteuerhaftungsbescheid keine Beschwer vorgelegen, da die Eheleute D. gemeinsam zur Lohnsteuerveranlagung angemeldet gewesen seien und die Lohnsteuer im gleichen Umfang abgeführt worden sei, wenn das Fahrzeug nicht der Zeugin A. D., sondern dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. zur privaten Nutzung zugeordnet worden wäre. Da die Finanzverwaltung nach den Angaben der Zeugin M. T. grundsätzlich unterstellt, dass ein Fahrzeug auch privat genutzt wird, wenn – wie im Fall der Klägerin – kein Fahrtenbuch vorgelegt werden kann, wurde eine Nacherhebung der Lohnsteuer seitens des Finanzamtes jedenfalls entweder bezogen auf die Person des Gesellschafter-Geschäftsführers oder bezogen auf die Person der Zeugin A. D. vorgenommen. Dementsprechend ergaben sich für die Klägerin keine nachteiligen Folgen, wenn sie der steuerrechtlichen Zuordnung des Fahrzeuges zur Zeugin A. D. nicht widersprach und keinen Widerspruch gegen den Bescheid des Finanzamtes erhob. Somit ist die indizielle Wirkung der in dem Lohnsteuerhaftungsbescheid enthaltenen tatsächlichen Feststellungen widerlegt.

Ein Indiz für die Gestellung eines betrieblichen PKWs und für die Vereinbarung einer unentgeltlichen privaten Nutzung ergibt sich auch nicht aus der Art der von der Zeugin A. D. ausgeübten Tätigkeit. Anders als im Fall der Ausübung einer Gesellschafter-Geschäftsführertätigkeit, die im erheblichen Außendienstaufgaben und repräsentativen Funktionen einhergeht und aus diesem Grund regelmäßig mit der Gestellung eines – repräsentativen – Dienstfahrzeuges und häufig mit der Gestattung der privaten Nutzung des Dienstfahrzeuges verbunden ist, spricht Art und Umfang der Tätigkeit der Klägerin gerade nicht für die Vereinbarung der Gestellung eines betrieblichen Fahrzeuges und der Gestattung einer privaten Nutzung des Fahrzeuges. Für die Ausübung der Tätigkeit der Zeugin A. D. war die Nutzung eines KFZs typischerweise nicht erforderlich, sondern nur ausnahmsweise. Es handelte sich nämlich um eine Bürotätigkeit in den Betriebsräumen der Firma der Klägerin, in deren Rahmen die Zeugin A. D. nur gelegentlich mit einem betrieblichen PKW die Post aufsuchen musste oder Einkäufe für die von der Klägerin durchgeführten Hausmessen erledigen musste. Zudem spricht der Umfang der Tätigkeit mit 45 Arbeitsstunden im Monat und die Vergütung von 450,00 EUR pro Monat gegen die Annahme, dass die Klägerin als Arbeitgeberin der Zeugin A. D. im Rahmen der Ausübung der Berufstätigkeit zusätzlich einen betrieblichen PKW zur Verfügung gestellt hat und die private Nutzung dieses PKWs gestattet hat. Zumal die Zeugin A. D. einen solchen PKW auch für die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb nicht benötigte, weil sie in unmittelbarer Nachbarschaft des Betriebes wohnte.

Soweit die Beklagte einen Anscheinsbeweis angenommen hat, dass die Zeugin A. D. als Arbeitnehmerin einen Dienstwagen (Minicooper) aus dem arbeitgebereigenen Fuhrpark zur Verfügung gestanden habe und dass dieses Fahrzeug auch von ihr privat genutzt worden sei, steht dem entgegen, dass die Voraussetzungen des Beweises des ersten Anscheins nicht vorliegen. Nach der höchstrichterlichen finanzgerichtlichen Rechtsprechung kann der Anscheinsbeweis lediglich dafür herangezogen werden, dass ein vom Arbeitgeber tatsächlich zur privaten Nutzung überlassener firmeneigener Dienstwagen auch tatsächlich von dem Arbeitnehmer privat genutzt worden ist. Denn nach der allgemeinen Lebenserwartung ist typischerweise davon auszugehen, dass ein dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Steht jedoch – wie vorliegend – nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen firmeneigenen Wagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen (vgl. BFH, Urteil vom 21.04.2010, VI R 46/08). Der Anscheinsbeweis streitet weder dafür, dass der Arbeitnehmer überhaupt einen Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark privat zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen auch privat nutzen darf. Es gibt insbesondere keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhaltes, dass Fahrzeuge aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers stets einem oder mehreren Arbeitnehmern zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen und auch privat genutzt werden (vgl. BFH, Urteil vom 06.10.2011, VI R 63/10; BFH, Urteil vom 21.04.2010, VI R 46/08; BFH Urteil vom 21.03.2013, VI R 46/11). Somit ergibt sich aus dem Umstand, dass die Zeugin A. D. gelegentlich ein firmeneigenes Fahrzeug zu betrieblichen Zwecken (Fahrten zur Post und zu Einkäufen für die Hausmessen) genutzt hat, kein Anscheinsbeweis dafür, dass die das Fahrzeug in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin der Klägerin zu privaten Zwecken nutzen durfte.

Soweit die Zeugin A. D. ausgesagt hat, dass der firmeneigene Minicooper ebenso wie der Audi Q 7 von ihrem Ehemann, dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. D. sowohl zu betrieblichen Zwecken als auch privat genutzt worden seien und ihr beide Fahrzeuge von ihrem Ehemann auch für private Fahrten zur Verfügung gestellt worden seien, handelt es sich nicht um eine im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin gestattete private Nutzung. Insoweit wurden beide Fahrzeuge der Zeugin A. D. nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin der Klägerin überlassen, sondern aufgrund der privaten ehelichen Verbundenheit mit Herrn S. D. (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung: FG Saarland, Urteil vom 04.02.1992, 1 K 159/91). Die durch das Eheverhältnis bedingte ausschließlich private Nutzung der beiden Fahrzeuge durch die Zeugin A. D. wird dadurch untermauert, dass sie nach ihren Angaben zu keinem Zeitpunkt und zu keiner Gelegenheit andere betriebliche Fahrzeuge genutzt hat, insbesondere nicht die Kastenfahrzeuge der Monteure, und dass sie wahlweise ein Fahrzeug aus ihrem sonstigen privaten Umfeld, nämlich den PKW ihrer im Haus lebenden Schwiegermutter, genutzt hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich der Nachweis der Überlassung des firmeneigenen Minicooper an die Zeugin A. D. zur privaten Nutzung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses schließlich auch nicht aus dem Lohnhaftungsbescheid des Finanzamtes O.-Nord vom 28.07.2009 bzw. den Feststellungen in dem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 24.07.2009. Zutreffend ist, dass in § 10 Abs. 2 der aufgrund des § 28 p Abs. 9 SGB IV ergangenen Beitragsverfahrensordnung (BVV) der Arbeitgeber verpflichtet ist, Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorzulegen und für die Betriebsprüfung verpflichtend gilt, diese Unterlagen einzusehen und eine versicherungsrechtliche und beitragsrechtliche Auswertung vorzunehmen. Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass aufgrund des Vorliegens eines bindend gewordenen Bescheides des Finanzamtes das abweichende Vorbringen der Klägerin in dem Betriebsprüfungsverfahren ohne Belang sei, solange keine Aufhebung oder Änderung des Bescheides des Finanzamtes erfolgt sei, ist unzutreffend. Für die insoweit von der Beklagten zugrunde gelegte Bindungswirkung eines Bescheides des Finanzamtes für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung im Betriebsprüfungsverfahren gibt es keine gesetzliche Grundlage (vgl. ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2008, L 4 KR 55/07). Die Verpflichtung zu einer beitragsrechtlichen Auswertung bedeutet nicht die zwingende Übernahme der in einem Bescheid der Finanzbehörde enthaltenen Feststellungen und enthebt die Beklagte nicht von der Verpflichtung zu eigenständigen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht und zu einer eigenen rechtlichen Beurteilung. Den Feststellungen in einem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung und in einem Lohnsteuerhaftungsbescheid kommt lediglich eine Indizwirkung zu. Diese vom erkennenden Gericht zugrunde gelegte Indizwirkung ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
Saved