Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 241/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 5/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 2010 wird zurückgewiesen
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie um die Rückforderung der insoweit für die Zeit vom 10. Oktober 1989 bis zum 30. September 2006 erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 5.871,67 EUR.
Die 1949 in Beirut/Libanon geborene Klägerin ist die Witwe des 1925 geborenen und 1989 verstorbenen Versicherten C. C ... Sie ist nach eigenen Angaben Diplom-Soziologin und kam 1985 zusammen mit dem Versicherten und den beiden im Libanon geboren Kindern nach Deutschland. Hier besuchte sie einen Intensivkurs in Deutsch und war zunächst nicht versicherungspflichtig erwerbstätig.
Nach dem Tode des Ehemannes beantragte die Klägerin am 9. Januar 1989 bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Im Antragsformular gab sie hinsichtlich ihrer eigenen Einkünfte seinerzeit wahrheitsgemäß an, dass sie ohne eigene Einkünfte sei. Durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 24. Februar 1989 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin für die Zeit ab 1. Februar 1989 eine große Witwenrente aus der Versicherung des Ehemannes. Im Bewilligungsbescheid wies die Beklagte darauf hin, dass aktuell keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe und dass über den Antrag der Klägerin auf Beitragszuschuss nach § 83e Abs. 1 Nr. 2 Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG) in Kürze entschieden werde.
Durch Neuberechnungsbescheid vom 3. April 1989 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann für die Zeit ab 1. Februar 1989 einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in gesetzlicher Höhe. Die Bewilligungsbescheide wurden in der Sache bindend.
Wegen des Hinzutritts weiterer vom Versicherten zurückgelegter Beitragszeiten wurde die Witwenrente einschließlich des Beitragszuschusses nachfolgend seitens der Beklagten durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 13. Juni 1989 für die Zeit ab 1. Februar 1989 neu festgestellt.
Im Neuberechnungsbescheid vom 3. April 1989 heißt es – ebenso wie auch im nachfolgenden Neufeststellungsbescheid vom 13. Juni 1989 – unter anderem:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen der freiwilligen Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe sind unverzüglich mitzuteilen. Das gilt auch für Änderungen in den Verhältnissen von Familienangehörigen, deren Beitrag bei der Berechnung des Beitragszuschusses berücksichtigt wurde
Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.
Zu Unrecht gezahlte Beträge sind zu erstatten (§ 50 SGB X)."
Die Klägerin nahm am 1. Oktober 1989 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf und entrichtete nachfolgend unter ihrer eigenen Versicherungsnummer regelmäßig Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Angestelltenversicherung. Im Hause der Beklagten unterblieb allerdings zunächst eine Unterrichtung des für die Gewährung der Witwenrente zuständigen Dezernats. Auch die Klägerin machte im Zusammenhang mit dem Bezug der Witwenrente bei der Beklagten keine Anzeige bezüglich der Beschäftigungsaufnahme. Die Witwenrente wurde deshalb zunächst auch über den 1. Oktober 1989 hinaus ohne Anrechnung eigener Einkünfte der Klägerin sowie unter Einschluss des bewilligten Beitragszuschusses geleistet.
Im August 2006 erlangte das für die Zahlung der Witwenrente zuständige Dezernat der Beklagten schließlich erstmals Kenntnis von der seitens des Klägers in der Zeit ab 1. Oktober 1989 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung. Durch Bescheid vom 22. August 2006 nahm die Beklagte daraufhin zunächst für die Zeit ab 1. Januar 2002 eine Neuberechnung der Witwenrente unter Berücksichtigung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor.
Nach vorheriger Anhörung hob die Beklagte sodann durch Bescheid vom 4. Oktober 2006 unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) "den Bescheid über die Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken-/Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Oktober 1989" auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. September 2006 entstandenen Überzahlung in Höhe von insgesamt 5.871,67 EUR. Auf Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsentscheidung könne die Klägerin sich nicht berufen, weil sie aufgrund der ihr gegebenen Informationen den Wegfall der Ansprüche auf die Zuschüsse zur Kranken-/Pflegeversicherung gekannt bzw. grob fahrlässig nicht gekannt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Die Klägerin erhob am 6. Dezember 2006 Widerspruch und machte geltend, dass ihr keine grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten vorgeworfen werden könne. Im Gegenteil müsse die Beklagte sich vorhalten lassen, dass ihr die Aufnahme der beitragspflichtigen Beschäftigung aufgrund der von der Klägerin entrichteten Rentenversicherungsbeiträge ohnehin bekannt gewesen sei. Die Beklagte habe im Übrigen auch nicht berücksichtigt, dass ein sog. atypischer Fall vorliege, weil die Klägerin ohne Zahlung der Witwenrente einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe gestellt haben würde. Schließlich seien auch die gesetzlichen Fristen für eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebung der Rentenbewilligung bereits verstrichen.
Der Widerspruch der Klägerin wurde seitens der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Rentenbewilligung nicht geschützt sei, weil ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X vorliege. Die Klägerin habe die ihr obliegenden Mitteilungspflichten verletzt und außerdem auch gewusst bzw. wissen müssen, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss mit Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung entfalle. Das Verhalten der Klägerin sei vorsätzlich bzw. zumindest grob fahrlässig. Es sei im Rahmen des kraft Gesetzes eingeräumten Ermessens geprüft worden, ob Gründe vorhanden sind, die gegen eine Rücknahme des Bescheides sprechen. Derartige Gründe, insbesondere soziale oder wirtschaftliche, seien nicht erkennbar. Umstände, die die Rückforderung als unbillige Härte erscheinen ließen, seien ebenfalls nicht erkennbar. Die Fristen für eine Bescheidrücknahme seien nicht verstrichen, weil gemäß § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist ein Bescheid zurückgenommen werden könne, wenn mit dem Bescheid wiederkehrende Geldleistungen bewilligt wurden und diese im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung noch laufend gezahlt werden.
Die Klägerin erhob daraufhin am 20. April 2007 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt (Aktenzeichen: S 6 241/07) und vertiefte ihre bereits zur Widerspruchsbegründung gemachten Ausführungen. Die Beklagte verteidigte dagegen die angefochtenen Bescheide.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. November 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X berechtigt gewesen sei, ihre Entscheidung über die Rentenbewilligung aufzuheben, weil die Klägerin hinsichtlich der Aufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung zumindest grob fahrlässig die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt habe. Ein sog. atypischer Fall sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegeben, weil im Hinblick auf die von der Klägerin erzielten Einkünfte auch ohne die zu Unrecht erfolgte Zahlung von Beitragszuschüssen keine Sozialhilfebedürftigkeit eingetreten sein würde. Dass die Beklagte keinen Abgleich der bei ihr hinsichtlich des Versicherungskontos der Klägerin einerseits und hinsichtlich des Kontos des Versicherten andererseits bekannten Daten vorgenommen habe, begründe kein mitwirkendes Fehlverhalten. Schließlich habe die Beklagte auch die bei einer auf § 48 SGB X gestützten Bescheidaufhebung zu beachtenden Fristen ordnungsgemäß eingehalten.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 10. Dezember 2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 4. Januar 2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 2010 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der ursprüngliche Bescheid vom 3. April 1989 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 13. Juni 1989 hinsichtlich der Bewilligung von Beitragszuschüssen unveränderten Bestand hat, weil sie mit Aufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung zum 1. Oktober 2006 kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlag und deshalb keinen Anspruch auf Beitragszuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr haben konnte. Die Beklagte durfte den Bescheid vom 3. April 1989 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 13. Juni 1989 hinsichtlich Bewilligung der Beitragszuschüsse rückwirkend aufheben, weil in den für die Bewilligungsentscheidung maßgeblich gewesenen Verhältnissen (nachträglich) bezüglich des streitigen Zeitraums eine wesentliche Änderung eingetreten ist und weil einer Aufhebung dieser Bescheide kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin entgegensteht.
Die Beklagte beruft sich in den angefochtenen Bescheiden zu Recht auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist ein (anfänglich rechtmäßiger oder rechtswidriger) Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, nachträglich eine wesentliche Änderung eintritt.
Sofern der ursprüngliche Verwaltungsakt – wie im vorliegenden Fall – rechtmäßig war, ist eine Änderung im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig dann "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter den geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist das nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Dementsprechend heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (Bundestags-Drucksache 8/2034 S. 35 zu § 46), ob eine Änderung wesentlich sei, bestimme sich nach dem materiellen Recht.
Ausgangspunkt für das Tätigwerden der Beklagten ist im vorliegenden Fall die seit dem 1. Juli 1977 in § 1304e Reichsversicherungsordnung (RVO)/§ 83e Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG) bzw. seit 1. Januar 1992 in § 106 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) enthaltene gesetzliche Regelung, wonach Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, dass der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung erhalten, sofern sie nicht gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.
Die Beklagte ist in Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin von Rechts wegen in der vorliegend streitigen Zeit vom 10. Oktober 1989 bis zum 30. September 2006 jedenfalls der Höhe nach keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung (mehr) haben konnte, weil sie mit Aufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu dem nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegenden Personenkreis gehörte. Es handelt sich insoweit um eine "wesentliche Änderung" im Sinne des § 48 SGB X, denn durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist dem ursprünglichen Bescheid über die Bewilligung des Beitragszuschusses vom 3. April 1989 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 13. Juni 1989 nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen worden. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der hier insgesamt in Rede stehenden Überzahlung von insgesamt 5.8871,67 EUR. Das Rechenwerk der Beklagten als solches ist in den Einzelheiten nicht umstritten ist, so dass es insoweit keiner weiteren Darlegungen bedarf.
Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann ist in §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelt.
Soweit – wie im vorliegenden Falle nachträglich – in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines anfänglichen rechtmäßigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zufolge grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (also rückwirkend) aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Wie sich aus § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ergibt, kann der Verwaltungsakt grundsätzlich nur bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe aufgehoben werden. Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann der Verwaltungsakt allerdings auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren noch zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Die Behörde muss dies gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.
Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist der Vorschrift des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zufolge durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X soll die Festsetzung, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Bestimmungen kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie auf den Bestand der (mit dem Beginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung rechtswidrig gewordenen) Gewährung der Beitragszuschüsse vertraut habe und in diesem Vertrauen geschützt sei. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Klägerin positive Kenntnis davon gehabt hat, dass ihr bei Bestehen einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kein Anspruch auf die bewilligten Zuschüsse zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr zusteht. Denn sie hätte jedenfalls unschwer erkennen können, dass ihr kein Beitragszuschuss zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zustehen kann, sofern sie gar keine Beiträge zu einer solchen freiwilligen Versicherung (mehr) zu leisten hat. Die in den Bescheiden der Beklagten vom 3. April 1989 sowie vom 13. Juni 1989 enthaltenen Hinweise sind ausführlich, klar und einfach zu verstehen. Wenn die Klägerin – wie es bei Beachtung der einem jedem Sozialleistungsempfänger obliegenden Sorgfalt geboten ist – die entsprechenden Hinweise sorgfältig zur Kenntnis genommen hat, dann musste ihr klar sein, dass bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung kein Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Versicherung mehr bestehen konnte. Etwaigen Zweifeln hinsichtlich der Rechtslage hätte die Klägerin in einfacher Weise dadurch begegnen können, dass sie den ihr seitens der Beklagten in den Bescheiden vom 3. April 1989 sowie vom 13. Juni 1989 gegebenen Hinweisen gefolgt wäre und ihrer Verpflichtung, "jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen", entsprochen hätte. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Erwägungen die Klägerin zu der Annahme gelangt sein könnte, dass ihr ein Beitragszuschuss zu einer freiwilligen Krankenversicherung zusteht, obwohl sie zum Kreis der in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten gehört. Zur Überzeugung des Senats spricht bei dieser Sachlage in der Tat viel für die Annahme, dass die Klägerin im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X die Rechtswidrigkeit der Gewährung des Beitragszuschusses gekannt oder zumindest nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Abgesehen davon muss die Klägerin sich im Übrigen aber auch vorhalten lassen, dass sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der ihr obliegenden Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist. Für die sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergebende Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen, auf welche die Klägerin in den Bescheiden vom 3. April 1989 und vom 13. Juni 1989 rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich hingewiesen worden ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 13/79) nicht darauf an, ob der Rentenversicherungsträger bereits auf anderem Wege – hier durch die unter der eigenen Versicherungsnummer der Klägerin aufgrund der ausgeübten Beschäftigung erfolgte Entrichtung von Pflichtbeiträgen – Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse hatte. Dies wird damit begründet, dass es gerade Zweck der Mitteilungspflicht des Leistungsempfängers sei, auch eine – von der Kenntnis des Amtes unabhängige – Überprüfung des Leistungsfalls veranlassen.
Dass die Klägerin auch ungeachtet der insoweit bereits erfolgten Unterrichtung des "anderen Dezernats" der Beklagten im Zusammenhang mit der Witwenrente zur Anzeige der von ihr erzielten Erwerbseinkünfte verpflichtet war und dieser für sie höchstpersönlichen Mitteilungspflicht objektiv nicht nachgekommen ist, berechtigt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X allerdings nur dann zu einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligungsentscheidung, wenn sie ihre Anzeigepflicht auch subjektiv zumindest grob fahrlässig verletzt hat.
Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X, wer erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG vom 25. April 1990 - 7 RAr 20/89 - und vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273). Ob ein dementsprechender Verschuldensvorwurf gerechtfertigt ist, richtet sich nach seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seinem Einsichtsvermögen und Verhalten sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur im Falle einer Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vor, d.h. es muss sich um eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln.
In diesem Zusammenhang kann freilich nicht übersehen werden, dass der in den Bescheiden vom 3. April 1989 und vom 13. Juni 1989 enthaltene Hinweis, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfällt und dass jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen sind, so klar und eindeutig ist, dass jeder Leistungsempfänger dies unschwer nachvollziehen kann. Um der seitens der Klägerin geschuldeten Mitteilungspflicht nachzukommen, bedurfte es keiner schwierigen rechtlichen Erwägungen, sondern der schlichten Offenlegung von unzweifelhaft vorliegenden Tatsachen. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Urteils- und Kritikfähigkeit sowie von dem Einsichtsvermögen der akademisch gebildeten Klägerin erscheint es zur Überzeugung des Senats nicht unangemessen, von der Klägerin eine entsprechende Unterrichtung der Beklagten einzufordern. Wenn solch einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, dann liegt ein Fall der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist (vgl. BSG vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 = BSGE 42, 184, 187 und BSG vom 28. November 1978 - 4 RJ 130/77 = SozR 2200 § 1301 RVO Nr. 8 m.w.N).
Wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, kann angefochtene Aufhebungsentscheidung der Beklagten auch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet das "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, dass der Rentenversicherungsträger den Verwaltungsakt im Regelfall ("typischer Fall") rückwirkend aufzuheben hat. Liegt jedoch ein Ausnahmefall (sog. "atypischer Fall") vor, so ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang von der gegebenen Aufhebungsmöglichkeit abgesehen werden kann. Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für "atypische Fälle" eine Verpflichtung zur Ermessensausübung. Die Prüfung, ob ein solcher "atypischer Fall" vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Das Gericht darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die Prüfung ergibt, dass ein "atypischer Fall" gegeben ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116; BSG vom 11. Februar 1988 - 7 RAr 55/86 = SozR 1300 § 48 Nr. 44 m.w.N.; BSG SozR 3-4100 § 63 Nr. 2).
Wann ein "atypischer Fall" vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rückwirkend aufgehoben wird, hängt von dem jeweiligen Zweck der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen vom (typischen) Regelfall signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweichen (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 S. 56). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger durch die mit der Rücknahme verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116), wenn er sonst für den von der Rücknahme betroffenen Zeitraum Anspruch auf eine andere Sozialleistungen, etwa auf Sozialhilfe, gehabt hätte (vgl. BSG SozR 1300 § 50 Nr. 6), oder wenn er entreichert ist (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103). Beispiele für vergleichbare Härten finden sich z.B. in § 76 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) und in § 42 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Auch ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers weist regelmäßig auf einen "atypischen Fall" hin. Ein "atypischer Fall" kann ferner gegeben sein, wenn ohne ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers besondere Umstände vorliegen, die die Aufhebung für die Vergangenheit als unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erscheinen lassen. Im Rahmen der Prüfung, ob ein "unbilliger Eingriff" gegeben ist, können insbesondere das Lebensalter des Betroffenen, dessen soziale Verhältnisse und Familienstand, der Gesundheitszustand (Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit) des Betroffenen sowie der konkrete Verwendungszweck der zu Unrecht erhaltenen Leistung (z.B. Weiterleitung eines Kinderzuschusses an das Kind ohne eigenen finanziellen Nutzen oder Unterstützung anderer bedürftiger Personen) von Bedeutung sein. Nach Lage des Einzelfalles können sich weitere Umstände – insbesondere aus der Anhörung – ergeben, wobei auch ein Zusammenwirken mehrerer Umstände denkbar ist, die erst in der Gesamtschau einen "atypischen Fall" begründen.
Unter Anlegung dieser Maßstäbe muss es im vorliegenden Fall bereits fraglich erscheinen, ob überhaupt ein "atypischer Fall" in dem genannten Sinne gegeben ist.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 26. November 1986 - 7 RAr 65/85; BSG vom 15. August 2002 – B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr. 1; BSG vom 5. Juni 2003 B 11 AL 70/02 R; BSG vom 12. Februar 2004 - B 13 RJ 28/03 R = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2 = BSGE 92, 150) zu Recht darauf hingewiesen, dass die mit jeder Rückforderung verbundene finanzielle Belastung für sich genommen noch nicht geeignet ist, einen "atypischen Fall" zu begründen. Das entspricht dem in §§ 275 ff. BGB zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben"). Eine durch die Pflicht zur Erstattung im Sinne der Rechtsprechung drohende "besondere Bedrängnis"(vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116) oder ein Fall der "Entreicherung" (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103) ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.
Man muss angesichts dessen schon suchen, hinsichtlich welcher besonderen Umstände der vorliegende Fall im Sinne der in der Rechtsprechung zum Vorliegen eines sog. "atypischen Falles" entwickelten Grundsätze im Vergleich mit dem (typischen) Regelfall "signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweicht" (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Als Anknüpfungspunkt verbleibt insoweit letztlich allein der Umstand, dass die Beklagte im Falle des Informationsaustausches zwischen den verschiedenen Dezernaten ihres Hauses schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, den aufgrund der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eingetretenen Wegfall der Berechtigung zum Bezug der bewilligten Beitragszuschüsse zu erkennen und auf diese Weise das Entstehen einer mehrere Jahre umfassenden Überzahlung zu verhindern. Weitergehende Gesichtspunkte, die für die Annahme eines "atypischen Falles" sprechen könnten, vermochte auch die Klägerin nicht aufzuzeigen. Dass sie auch ohne den Bezug der ungeschmälerten Witwenrente keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätte, hat das Sozialgericht unter Hinweis auf die seitens der Klägerin im Einzelnen erzielten Einkünfte bereits eindrucksvoll dargelegt.
Geht man zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass vorliegend ein "atypischer Fall" gegeben ist, dann bedarf es in der Tat der hier von der Klägerin eingeforderten Ermessensausübung. Es kann andererseits jedoch nicht übersehen werden, dass die Beklagte ihr Ermessen sehr wohl ausgeübt und dabei insbesondere auch die Frage eines eigenen Mitverschuldens in die Ermessensbetätigung mit einbezogen hat. Anhaltspunkte dahingehend, dass die insoweit erfolgte Ermessensbetätigung in den hinsichtlich einer gerichtlichen Überprüfbarkeit durch § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gezogenen Grenzen zu beanstanden sein könnte, sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Bei der Ermessensausübung geht es im Kern darum, eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme rechtswidriger bzw. nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte andererseits. Es handelt sich insoweit um ein auf Ausnahmefälle beschränktes "Soll"-Ermessen (vgl. BSG vom 4. Februar 1988 - 11 RAr 26/87 = BSGE 63, 37 = SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG vom 17. Oktober 1990 – 11 Rar 3/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 5), wobei es der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens in der Regel freigestellt ist, auf welche Umstände sie im Rahmen der Ermessensbetätigung abstellen will (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Die Ermessensausübung ist jedoch gerichtlich dahingehend zu überprüfen, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. BSG vom 10. August 1993 - 9 BV 4/93 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 18). Zu den in diesem Sinne bei der Ermessenausübung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles gehört anerkanntermaßen auch die Frage danach, auf wessen Verschulden das Zustandekommen der fehlerhaften Entscheidung beruht (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2; BSGE vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 = BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27). Ein Mitverschulden oder gar ein alleiniges Verschulden des Rentenversicherungsträgers bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Bescheidrücknahme und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren ist. Vielmehr sind auch bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers Fälle denkbar, in denen andere Ermessensgründe – insbesondere ein überwiegendes öffentliches Interesse der Versichertengemeinschaft an der Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen – so schwer wiegen, dass dennoch eine vollumfänglichen Bescheidrücknahme als geboten erscheinen kann.
Unabhängig von der Frage, wie die Ermessensentscheidung der Behörde im Ergebnis ausfällt, ist jedoch in jedem Falle zu fordern, dass die Behörde tatsächlich und nach außen erkennbar ihr Ermessen ausübt. Aus dem jeweiligen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid muss angesichts dessen ersichtlich sein, dass die Behörde sich ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, sich also nicht allein wegen der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Aufhebung des ursprünglichen Bescheides gezwungen gesehen hat, dass die Behörde keine besondere Härte beim Versicherten als gegeben ansieht und dass die Behörde im Übrigen entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zu Gunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, verneint oder ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein teilweises Absehen von der Aufhebung nicht rechtfertigen (vgl. KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rdnr. 56 m.w.N.)
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die im vorliegenden Fall seitens der Beklagten vorgenommene Ermessensausübung zur Überzeugung des Senats im Ergebnis nicht beanstandet werden. Nach den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte zunächst zutreffend erkannt, dass im Falle der Klägerin überhaupt Ermessen ausgeübt werden muss, und sie hat im Rahmen der Ermessensbetätigung im Einzelnen nicht nur das Ausmaß des gegenüber der Klägerin zu erhebenden Verschuldensvorwurfs und die Frage ihres eigenen Mitverschuldens berücksichtigt, sondern auch die für die Klägerin mit der in Rede stehenden Erstattungsverpflichtung verbundene finanzielle Belastung gewürdigt und ihr insoweit ausdrücklich in Aussicht gestellt, dass nach Abschluss des Rechtbehelfsverfahrens über eine Niederschlagung bzw. eine Stundung der Erstattungsforderung entschieden werden könne. Die insoweit in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Darlegungen sind zwar knapp; sie sind zur Überzeugung des Senats aber andererseits bereits hinreichend konkret, um den an eine bescheidmäßige Niederlegung der Ermessenserwägungen zu stellenden Anforderungen gerecht zu werden.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergibt sich insoweit aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. In Anbetracht der Tatsache, dass das für die Zahlung der Beitragszuschüsse zur Witwenrente zuständige Dezernat der Beklagten, auf das entscheiden abzustellen ist, erstmals im August 2006 Kenntnis von der seitens der Klägerin in der Zeit ab 1. Oktober 1989 bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung erlangt und bereits zwei Monate später den hier angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Oktober 2006 erlassen hat, ergeben sich im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen bei Bescheiderteilung bereits abgelaufen gewesen sein könnten.
Die Berufung der Klägerin konnte angesichts dessen im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie um die Rückforderung der insoweit für die Zeit vom 10. Oktober 1989 bis zum 30. September 2006 erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 5.871,67 EUR.
Die 1949 in Beirut/Libanon geborene Klägerin ist die Witwe des 1925 geborenen und 1989 verstorbenen Versicherten C. C ... Sie ist nach eigenen Angaben Diplom-Soziologin und kam 1985 zusammen mit dem Versicherten und den beiden im Libanon geboren Kindern nach Deutschland. Hier besuchte sie einen Intensivkurs in Deutsch und war zunächst nicht versicherungspflichtig erwerbstätig.
Nach dem Tode des Ehemannes beantragte die Klägerin am 9. Januar 1989 bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Im Antragsformular gab sie hinsichtlich ihrer eigenen Einkünfte seinerzeit wahrheitsgemäß an, dass sie ohne eigene Einkünfte sei. Durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 24. Februar 1989 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin für die Zeit ab 1. Februar 1989 eine große Witwenrente aus der Versicherung des Ehemannes. Im Bewilligungsbescheid wies die Beklagte darauf hin, dass aktuell keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe und dass über den Antrag der Klägerin auf Beitragszuschuss nach § 83e Abs. 1 Nr. 2 Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG) in Kürze entschieden werde.
Durch Neuberechnungsbescheid vom 3. April 1989 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann für die Zeit ab 1. Februar 1989 einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in gesetzlicher Höhe. Die Bewilligungsbescheide wurden in der Sache bindend.
Wegen des Hinzutritts weiterer vom Versicherten zurückgelegter Beitragszeiten wurde die Witwenrente einschließlich des Beitragszuschusses nachfolgend seitens der Beklagten durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 13. Juni 1989 für die Zeit ab 1. Februar 1989 neu festgestellt.
Im Neuberechnungsbescheid vom 3. April 1989 heißt es – ebenso wie auch im nachfolgenden Neufeststellungsbescheid vom 13. Juni 1989 – unter anderem:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen der freiwilligen Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe sind unverzüglich mitzuteilen. Das gilt auch für Änderungen in den Verhältnissen von Familienangehörigen, deren Beitrag bei der Berechnung des Beitragszuschusses berücksichtigt wurde
Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.
Zu Unrecht gezahlte Beträge sind zu erstatten (§ 50 SGB X)."
Die Klägerin nahm am 1. Oktober 1989 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf und entrichtete nachfolgend unter ihrer eigenen Versicherungsnummer regelmäßig Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Angestelltenversicherung. Im Hause der Beklagten unterblieb allerdings zunächst eine Unterrichtung des für die Gewährung der Witwenrente zuständigen Dezernats. Auch die Klägerin machte im Zusammenhang mit dem Bezug der Witwenrente bei der Beklagten keine Anzeige bezüglich der Beschäftigungsaufnahme. Die Witwenrente wurde deshalb zunächst auch über den 1. Oktober 1989 hinaus ohne Anrechnung eigener Einkünfte der Klägerin sowie unter Einschluss des bewilligten Beitragszuschusses geleistet.
Im August 2006 erlangte das für die Zahlung der Witwenrente zuständige Dezernat der Beklagten schließlich erstmals Kenntnis von der seitens des Klägers in der Zeit ab 1. Oktober 1989 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung. Durch Bescheid vom 22. August 2006 nahm die Beklagte daraufhin zunächst für die Zeit ab 1. Januar 2002 eine Neuberechnung der Witwenrente unter Berücksichtigung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor.
Nach vorheriger Anhörung hob die Beklagte sodann durch Bescheid vom 4. Oktober 2006 unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) "den Bescheid über die Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken-/Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Oktober 1989" auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. September 2006 entstandenen Überzahlung in Höhe von insgesamt 5.871,67 EUR. Auf Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsentscheidung könne die Klägerin sich nicht berufen, weil sie aufgrund der ihr gegebenen Informationen den Wegfall der Ansprüche auf die Zuschüsse zur Kranken-/Pflegeversicherung gekannt bzw. grob fahrlässig nicht gekannt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Die Klägerin erhob am 6. Dezember 2006 Widerspruch und machte geltend, dass ihr keine grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten vorgeworfen werden könne. Im Gegenteil müsse die Beklagte sich vorhalten lassen, dass ihr die Aufnahme der beitragspflichtigen Beschäftigung aufgrund der von der Klägerin entrichteten Rentenversicherungsbeiträge ohnehin bekannt gewesen sei. Die Beklagte habe im Übrigen auch nicht berücksichtigt, dass ein sog. atypischer Fall vorliege, weil die Klägerin ohne Zahlung der Witwenrente einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe gestellt haben würde. Schließlich seien auch die gesetzlichen Fristen für eine auf § 48 SGB X gestützte Aufhebung der Rentenbewilligung bereits verstrichen.
Der Widerspruch der Klägerin wurde seitens der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Rentenbewilligung nicht geschützt sei, weil ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X vorliege. Die Klägerin habe die ihr obliegenden Mitteilungspflichten verletzt und außerdem auch gewusst bzw. wissen müssen, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss mit Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung entfalle. Das Verhalten der Klägerin sei vorsätzlich bzw. zumindest grob fahrlässig. Es sei im Rahmen des kraft Gesetzes eingeräumten Ermessens geprüft worden, ob Gründe vorhanden sind, die gegen eine Rücknahme des Bescheides sprechen. Derartige Gründe, insbesondere soziale oder wirtschaftliche, seien nicht erkennbar. Umstände, die die Rückforderung als unbillige Härte erscheinen ließen, seien ebenfalls nicht erkennbar. Die Fristen für eine Bescheidrücknahme seien nicht verstrichen, weil gemäß § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist ein Bescheid zurückgenommen werden könne, wenn mit dem Bescheid wiederkehrende Geldleistungen bewilligt wurden und diese im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung noch laufend gezahlt werden.
Die Klägerin erhob daraufhin am 20. April 2007 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt (Aktenzeichen: S 6 241/07) und vertiefte ihre bereits zur Widerspruchsbegründung gemachten Ausführungen. Die Beklagte verteidigte dagegen die angefochtenen Bescheide.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. November 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X berechtigt gewesen sei, ihre Entscheidung über die Rentenbewilligung aufzuheben, weil die Klägerin hinsichtlich der Aufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung zumindest grob fahrlässig die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt habe. Ein sog. atypischer Fall sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegeben, weil im Hinblick auf die von der Klägerin erzielten Einkünfte auch ohne die zu Unrecht erfolgte Zahlung von Beitragszuschüssen keine Sozialhilfebedürftigkeit eingetreten sein würde. Dass die Beklagte keinen Abgleich der bei ihr hinsichtlich des Versicherungskontos der Klägerin einerseits und hinsichtlich des Kontos des Versicherten andererseits bekannten Daten vorgenommen habe, begründe kein mitwirkendes Fehlverhalten. Schließlich habe die Beklagte auch die bei einer auf § 48 SGB X gestützten Bescheidaufhebung zu beachtenden Fristen ordnungsgemäß eingehalten.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 10. Dezember 2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 4. Januar 2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 2010 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der ursprüngliche Bescheid vom 3. April 1989 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 13. Juni 1989 hinsichtlich der Bewilligung von Beitragszuschüssen unveränderten Bestand hat, weil sie mit Aufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung zum 1. Oktober 2006 kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlag und deshalb keinen Anspruch auf Beitragszuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr haben konnte. Die Beklagte durfte den Bescheid vom 3. April 1989 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 13. Juni 1989 hinsichtlich Bewilligung der Beitragszuschüsse rückwirkend aufheben, weil in den für die Bewilligungsentscheidung maßgeblich gewesenen Verhältnissen (nachträglich) bezüglich des streitigen Zeitraums eine wesentliche Änderung eingetreten ist und weil einer Aufhebung dieser Bescheide kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin entgegensteht.
Die Beklagte beruft sich in den angefochtenen Bescheiden zu Recht auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist ein (anfänglich rechtmäßiger oder rechtswidriger) Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, nachträglich eine wesentliche Änderung eintritt.
Sofern der ursprüngliche Verwaltungsakt – wie im vorliegenden Fall – rechtmäßig war, ist eine Änderung im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig dann "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter den geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist das nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Dementsprechend heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (Bundestags-Drucksache 8/2034 S. 35 zu § 46), ob eine Änderung wesentlich sei, bestimme sich nach dem materiellen Recht.
Ausgangspunkt für das Tätigwerden der Beklagten ist im vorliegenden Fall die seit dem 1. Juli 1977 in § 1304e Reichsversicherungsordnung (RVO)/§ 83e Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG) bzw. seit 1. Januar 1992 in § 106 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) enthaltene gesetzliche Regelung, wonach Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, dass der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung erhalten, sofern sie nicht gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.
Die Beklagte ist in Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin von Rechts wegen in der vorliegend streitigen Zeit vom 10. Oktober 1989 bis zum 30. September 2006 jedenfalls der Höhe nach keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung (mehr) haben konnte, weil sie mit Aufnahme ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu dem nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegenden Personenkreis gehörte. Es handelt sich insoweit um eine "wesentliche Änderung" im Sinne des § 48 SGB X, denn durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist dem ursprünglichen Bescheid über die Bewilligung des Beitragszuschusses vom 3. April 1989 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 13. Juni 1989 nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen worden. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der hier insgesamt in Rede stehenden Überzahlung von insgesamt 5.8871,67 EUR. Das Rechenwerk der Beklagten als solches ist in den Einzelheiten nicht umstritten ist, so dass es insoweit keiner weiteren Darlegungen bedarf.
Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann ist in §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelt.
Soweit – wie im vorliegenden Falle nachträglich – in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines anfänglichen rechtmäßigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zufolge grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (also rückwirkend) aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Wie sich aus § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ergibt, kann der Verwaltungsakt grundsätzlich nur bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe aufgehoben werden. Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann der Verwaltungsakt allerdings auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren noch zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Die Behörde muss dies gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.
Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist der Vorschrift des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zufolge durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X soll die Festsetzung, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Bestimmungen kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie auf den Bestand der (mit dem Beginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung rechtswidrig gewordenen) Gewährung der Beitragszuschüsse vertraut habe und in diesem Vertrauen geschützt sei. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Klägerin positive Kenntnis davon gehabt hat, dass ihr bei Bestehen einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kein Anspruch auf die bewilligten Zuschüsse zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr zusteht. Denn sie hätte jedenfalls unschwer erkennen können, dass ihr kein Beitragszuschuss zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zustehen kann, sofern sie gar keine Beiträge zu einer solchen freiwilligen Versicherung (mehr) zu leisten hat. Die in den Bescheiden der Beklagten vom 3. April 1989 sowie vom 13. Juni 1989 enthaltenen Hinweise sind ausführlich, klar und einfach zu verstehen. Wenn die Klägerin – wie es bei Beachtung der einem jedem Sozialleistungsempfänger obliegenden Sorgfalt geboten ist – die entsprechenden Hinweise sorgfältig zur Kenntnis genommen hat, dann musste ihr klar sein, dass bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung kein Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Versicherung mehr bestehen konnte. Etwaigen Zweifeln hinsichtlich der Rechtslage hätte die Klägerin in einfacher Weise dadurch begegnen können, dass sie den ihr seitens der Beklagten in den Bescheiden vom 3. April 1989 sowie vom 13. Juni 1989 gegebenen Hinweisen gefolgt wäre und ihrer Verpflichtung, "jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen", entsprochen hätte. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Erwägungen die Klägerin zu der Annahme gelangt sein könnte, dass ihr ein Beitragszuschuss zu einer freiwilligen Krankenversicherung zusteht, obwohl sie zum Kreis der in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten gehört. Zur Überzeugung des Senats spricht bei dieser Sachlage in der Tat viel für die Annahme, dass die Klägerin im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X die Rechtswidrigkeit der Gewährung des Beitragszuschusses gekannt oder zumindest nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Abgesehen davon muss die Klägerin sich im Übrigen aber auch vorhalten lassen, dass sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der ihr obliegenden Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist. Für die sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergebende Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen, auf welche die Klägerin in den Bescheiden vom 3. April 1989 und vom 13. Juni 1989 rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich hingewiesen worden ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 13/79) nicht darauf an, ob der Rentenversicherungsträger bereits auf anderem Wege – hier durch die unter der eigenen Versicherungsnummer der Klägerin aufgrund der ausgeübten Beschäftigung erfolgte Entrichtung von Pflichtbeiträgen – Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse hatte. Dies wird damit begründet, dass es gerade Zweck der Mitteilungspflicht des Leistungsempfängers sei, auch eine – von der Kenntnis des Amtes unabhängige – Überprüfung des Leistungsfalls veranlassen.
Dass die Klägerin auch ungeachtet der insoweit bereits erfolgten Unterrichtung des "anderen Dezernats" der Beklagten im Zusammenhang mit der Witwenrente zur Anzeige der von ihr erzielten Erwerbseinkünfte verpflichtet war und dieser für sie höchstpersönlichen Mitteilungspflicht objektiv nicht nachgekommen ist, berechtigt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X allerdings nur dann zu einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligungsentscheidung, wenn sie ihre Anzeigepflicht auch subjektiv zumindest grob fahrlässig verletzt hat.
Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X, wer erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG vom 25. April 1990 - 7 RAr 20/89 - und vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273). Ob ein dementsprechender Verschuldensvorwurf gerechtfertigt ist, richtet sich nach seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seinem Einsichtsvermögen und Verhalten sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur im Falle einer Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vor, d.h. es muss sich um eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln.
In diesem Zusammenhang kann freilich nicht übersehen werden, dass der in den Bescheiden vom 3. April 1989 und vom 13. Juni 1989 enthaltene Hinweis, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfällt und dass jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen sind, so klar und eindeutig ist, dass jeder Leistungsempfänger dies unschwer nachvollziehen kann. Um der seitens der Klägerin geschuldeten Mitteilungspflicht nachzukommen, bedurfte es keiner schwierigen rechtlichen Erwägungen, sondern der schlichten Offenlegung von unzweifelhaft vorliegenden Tatsachen. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Urteils- und Kritikfähigkeit sowie von dem Einsichtsvermögen der akademisch gebildeten Klägerin erscheint es zur Überzeugung des Senats nicht unangemessen, von der Klägerin eine entsprechende Unterrichtung der Beklagten einzufordern. Wenn solch einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, dann liegt ein Fall der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist (vgl. BSG vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 = BSGE 42, 184, 187 und BSG vom 28. November 1978 - 4 RJ 130/77 = SozR 2200 § 1301 RVO Nr. 8 m.w.N).
Wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, kann angefochtene Aufhebungsentscheidung der Beklagten auch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet das "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, dass der Rentenversicherungsträger den Verwaltungsakt im Regelfall ("typischer Fall") rückwirkend aufzuheben hat. Liegt jedoch ein Ausnahmefall (sog. "atypischer Fall") vor, so ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang von der gegebenen Aufhebungsmöglichkeit abgesehen werden kann. Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für "atypische Fälle" eine Verpflichtung zur Ermessensausübung. Die Prüfung, ob ein solcher "atypischer Fall" vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Das Gericht darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die Prüfung ergibt, dass ein "atypischer Fall" gegeben ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116; BSG vom 11. Februar 1988 - 7 RAr 55/86 = SozR 1300 § 48 Nr. 44 m.w.N.; BSG SozR 3-4100 § 63 Nr. 2).
Wann ein "atypischer Fall" vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rückwirkend aufgehoben wird, hängt von dem jeweiligen Zweck der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen vom (typischen) Regelfall signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweichen (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 S. 56). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger durch die mit der Rücknahme verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116), wenn er sonst für den von der Rücknahme betroffenen Zeitraum Anspruch auf eine andere Sozialleistungen, etwa auf Sozialhilfe, gehabt hätte (vgl. BSG SozR 1300 § 50 Nr. 6), oder wenn er entreichert ist (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103). Beispiele für vergleichbare Härten finden sich z.B. in § 76 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) und in § 42 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Auch ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers weist regelmäßig auf einen "atypischen Fall" hin. Ein "atypischer Fall" kann ferner gegeben sein, wenn ohne ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers besondere Umstände vorliegen, die die Aufhebung für die Vergangenheit als unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erscheinen lassen. Im Rahmen der Prüfung, ob ein "unbilliger Eingriff" gegeben ist, können insbesondere das Lebensalter des Betroffenen, dessen soziale Verhältnisse und Familienstand, der Gesundheitszustand (Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit) des Betroffenen sowie der konkrete Verwendungszweck der zu Unrecht erhaltenen Leistung (z.B. Weiterleitung eines Kinderzuschusses an das Kind ohne eigenen finanziellen Nutzen oder Unterstützung anderer bedürftiger Personen) von Bedeutung sein. Nach Lage des Einzelfalles können sich weitere Umstände – insbesondere aus der Anhörung – ergeben, wobei auch ein Zusammenwirken mehrerer Umstände denkbar ist, die erst in der Gesamtschau einen "atypischen Fall" begründen.
Unter Anlegung dieser Maßstäbe muss es im vorliegenden Fall bereits fraglich erscheinen, ob überhaupt ein "atypischer Fall" in dem genannten Sinne gegeben ist.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 26. November 1986 - 7 RAr 65/85; BSG vom 15. August 2002 – B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr. 1; BSG vom 5. Juni 2003 B 11 AL 70/02 R; BSG vom 12. Februar 2004 - B 13 RJ 28/03 R = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2 = BSGE 92, 150) zu Recht darauf hingewiesen, dass die mit jeder Rückforderung verbundene finanzielle Belastung für sich genommen noch nicht geeignet ist, einen "atypischen Fall" zu begründen. Das entspricht dem in §§ 275 ff. BGB zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben"). Eine durch die Pflicht zur Erstattung im Sinne der Rechtsprechung drohende "besondere Bedrängnis"(vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116) oder ein Fall der "Entreicherung" (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103) ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.
Man muss angesichts dessen schon suchen, hinsichtlich welcher besonderen Umstände der vorliegende Fall im Sinne der in der Rechtsprechung zum Vorliegen eines sog. "atypischen Falles" entwickelten Grundsätze im Vergleich mit dem (typischen) Regelfall "signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweicht" (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Als Anknüpfungspunkt verbleibt insoweit letztlich allein der Umstand, dass die Beklagte im Falle des Informationsaustausches zwischen den verschiedenen Dezernaten ihres Hauses schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, den aufgrund der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eingetretenen Wegfall der Berechtigung zum Bezug der bewilligten Beitragszuschüsse zu erkennen und auf diese Weise das Entstehen einer mehrere Jahre umfassenden Überzahlung zu verhindern. Weitergehende Gesichtspunkte, die für die Annahme eines "atypischen Falles" sprechen könnten, vermochte auch die Klägerin nicht aufzuzeigen. Dass sie auch ohne den Bezug der ungeschmälerten Witwenrente keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätte, hat das Sozialgericht unter Hinweis auf die seitens der Klägerin im Einzelnen erzielten Einkünfte bereits eindrucksvoll dargelegt.
Geht man zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass vorliegend ein "atypischer Fall" gegeben ist, dann bedarf es in der Tat der hier von der Klägerin eingeforderten Ermessensausübung. Es kann andererseits jedoch nicht übersehen werden, dass die Beklagte ihr Ermessen sehr wohl ausgeübt und dabei insbesondere auch die Frage eines eigenen Mitverschuldens in die Ermessensbetätigung mit einbezogen hat. Anhaltspunkte dahingehend, dass die insoweit erfolgte Ermessensbetätigung in den hinsichtlich einer gerichtlichen Überprüfbarkeit durch § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gezogenen Grenzen zu beanstanden sein könnte, sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Bei der Ermessensausübung geht es im Kern darum, eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme rechtswidriger bzw. nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte andererseits. Es handelt sich insoweit um ein auf Ausnahmefälle beschränktes "Soll"-Ermessen (vgl. BSG vom 4. Februar 1988 - 11 RAr 26/87 = BSGE 63, 37 = SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG vom 17. Oktober 1990 – 11 Rar 3/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 5), wobei es der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens in der Regel freigestellt ist, auf welche Umstände sie im Rahmen der Ermessensbetätigung abstellen will (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Die Ermessensausübung ist jedoch gerichtlich dahingehend zu überprüfen, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. BSG vom 10. August 1993 - 9 BV 4/93 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 18). Zu den in diesem Sinne bei der Ermessenausübung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles gehört anerkanntermaßen auch die Frage danach, auf wessen Verschulden das Zustandekommen der fehlerhaften Entscheidung beruht (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2; BSGE vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 = BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27). Ein Mitverschulden oder gar ein alleiniges Verschulden des Rentenversicherungsträgers bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Bescheidrücknahme und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren ist. Vielmehr sind auch bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers Fälle denkbar, in denen andere Ermessensgründe – insbesondere ein überwiegendes öffentliches Interesse der Versichertengemeinschaft an der Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen – so schwer wiegen, dass dennoch eine vollumfänglichen Bescheidrücknahme als geboten erscheinen kann.
Unabhängig von der Frage, wie die Ermessensentscheidung der Behörde im Ergebnis ausfällt, ist jedoch in jedem Falle zu fordern, dass die Behörde tatsächlich und nach außen erkennbar ihr Ermessen ausübt. Aus dem jeweiligen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid muss angesichts dessen ersichtlich sein, dass die Behörde sich ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, sich also nicht allein wegen der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Aufhebung des ursprünglichen Bescheides gezwungen gesehen hat, dass die Behörde keine besondere Härte beim Versicherten als gegeben ansieht und dass die Behörde im Übrigen entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zu Gunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, verneint oder ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein teilweises Absehen von der Aufhebung nicht rechtfertigen (vgl. KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rdnr. 56 m.w.N.)
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die im vorliegenden Fall seitens der Beklagten vorgenommene Ermessensausübung zur Überzeugung des Senats im Ergebnis nicht beanstandet werden. Nach den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte zunächst zutreffend erkannt, dass im Falle der Klägerin überhaupt Ermessen ausgeübt werden muss, und sie hat im Rahmen der Ermessensbetätigung im Einzelnen nicht nur das Ausmaß des gegenüber der Klägerin zu erhebenden Verschuldensvorwurfs und die Frage ihres eigenen Mitverschuldens berücksichtigt, sondern auch die für die Klägerin mit der in Rede stehenden Erstattungsverpflichtung verbundene finanzielle Belastung gewürdigt und ihr insoweit ausdrücklich in Aussicht gestellt, dass nach Abschluss des Rechtbehelfsverfahrens über eine Niederschlagung bzw. eine Stundung der Erstattungsforderung entschieden werden könne. Die insoweit in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Darlegungen sind zwar knapp; sie sind zur Überzeugung des Senats aber andererseits bereits hinreichend konkret, um den an eine bescheidmäßige Niederlegung der Ermessenserwägungen zu stellenden Anforderungen gerecht zu werden.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergibt sich insoweit aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. In Anbetracht der Tatsache, dass das für die Zahlung der Beitragszuschüsse zur Witwenrente zuständige Dezernat der Beklagten, auf das entscheiden abzustellen ist, erstmals im August 2006 Kenntnis von der seitens der Klägerin in der Zeit ab 1. Oktober 1989 bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung erlangt und bereits zwei Monate später den hier angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Oktober 2006 erlassen hat, ergeben sich im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen bei Bescheiderteilung bereits abgelaufen gewesen sein könnten.
Die Berufung der Klägerin konnte angesichts dessen im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved