L 11 KR 1298/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3225/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1298/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.01.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger gemäß § 5 Abs 1 Nr 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist.

Der 1958 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger; er reiste im Jahr 1961 im Wege des Familiennachzuges in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die erste Aufenthaltserlaubnis wurde am 15.10.1974 (gültig bis 22.06.1975) erteilt. Seit dem 19.08.1998 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, welche als Niederlassungserlaubnis nach § 9 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gilt. Nach einem an den Kläger gerichteten Schreiben des Amts für öffentliche Ordnung, Polizeibehörde Ausländerwesen der Stadt P. vom 09.03.2011 (Bl 19 der Verwaltungsakte) setzte die Erteilung dieses Aufenthaltstitels damals voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert war. Der Kläger war zunächst im Zeitraum von 1975 bis 1999 als abhängig Beschäftigter tätig. Ab dem Jahr 1999 übte er eine selbständige Tätigkeit als Gastwirt aus. Das Gewerbe wurde zum 01.08.2010 abgemeldet. Am 24.01.2011 erlitt der Kläger einen Hirnschlag und ist seither Komapatient. Seit dem 01.06.2011 bezieht der Kläger Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II ohne Krankenversicherungsleistungen (Bescheid des Jobcenters P. vom 16.06.2011, Bl 18 der SG-Akte). Das Amtsgericht P. richtete mit Beschluss vom 27.01.2011 eine rechtliche Betreuung für den Kläger ein (verlängert durch Beschluss vom 10.02.2011, Bl 32 der Verwaltungsakte). Das Sozialamt der Stadt P. gewährte dem Kläger ab dem 10.02.2011 bis auf Weiteres Krankenhilfeleistungen nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Bei der Beklagten sind Versicherungszeiten des Klägers wie folgt dokumentiert: • 24.04.1990 - 17.08.1990 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer • 15.10.1990 - 21.03.1991 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer • 01.04.1991 - 31.08.1991 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer • 02.09.1991 - 13.01.1997 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer • 16.01.1997 - 31.10.1997 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer • 17.11.1997 - 26.02.1999 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer • 01.03.1999 - 15.08.1999 Freiwilliges Mitglied nach § 9 SGB V • 01.07.2009 - 30.09.2009 Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Arbeitnehmer Nach dem 30.09.2009 war der Kläger nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert.

Am 18.02.2011 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, die Aufnahme in die Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.03.2011 ab und führte zur Begründung aus, dass nach § 5 Abs 11 SGB V Personen, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU), Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder Staatsangehörige der Schweiz seien, von der Versicherungspflicht nach Abs 1 Nr 13 erfasst würden, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als 12 Monate nach dem AufenthG besäßen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe. Nach der Mitteilung der Stadt P. habe die Erteilung des Aufenthaltstitel vorausgesetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert sei. Die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V seien daher nicht erfüllt.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 zurück und führte ergänzend aus, dass nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 18.12.2008, L 5 KR 3342/08) die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, die für die Erteilung des Aufenthaltstitels Voraussetzung gewesen sei, fortwirke.

Der Kläger hat am 01.08.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.01.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zwar die grundsätzlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V vorlägen, die Versicherungspflicht jedoch nach Maßgabe des § 5 Abs 11 SGB V zu verneinen sei. Die dem Kläger von der Ausländerbehörde erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis gelte gemäß § 101 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zugrundeliegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt fort. Diese Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 24 Ausländergesetz in der Fassung vom 24.03.1997, gültig vom 01.01.1998 bis zum 31.12.2004, unter der Voraussetzung erteilt worden, dass kein Ausweisungsgrund nach § 24 Abs 1 Nr 6 Ausländergesetz vorliege. Ein Ausweisungsgrund habe nach § 46 Nr 6 Ausländergesetz für denjenigen vorgelegen, der für sich, seine Familiengehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, und denen er allgemein zum Unterhalt verpflichtet sei oder für Personen in seinem Haushalt, für die er Unterhalt getragen habe oder aufgrund einer Zusage zu tragen habe, Sozialhilfe in Anspruch nehme oder in Anspruch nehmen müsse. Dies beinhalte mithin auch die Inanspruchnahme von Krankenversicherungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dieser Sachverhalt sei durch das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt P. in der Mitteilung vom 09.03.2011 bestätigt worden. Entsprechend der Begründung zur Regelung des § 5 Abs 11 SGB V sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der Verpflichtung zum Lebensunterhalt einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu sorgen "insoweit über eine anderweitige Absicherung", verfüge. Auch der Wortlaut des § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V schließe eine hiervon abweichende Beurteilung für den vorliegenden Sachverhalt aus. § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V setze voraus, dass "für die Erteilung" des Aufenthaltstitels keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes "besteht". Da § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V auf die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes abhebe, lasse sich nicht schlussfolgern, dass nicht derjenige Sachverhalt erfasst sein solle, dass bei Erteilung des Aufenthaltstitels ein ausreichender Krankenversicherungsschutz bestanden habe, dieser jedoch zu einem späteren Zeitpunkt entfallen sei. Die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, die für die Erteilung des Aufenthaltszieles Voraussetzung gewesen sei und ist, wirke fort mit der Folge, dass vorliegend Krankenversicherungsschutz nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V zu verneinen sei. Auch der Verweis des Klägers auf das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei geschlossenen Sozialversicherungsabkommen rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V sei auch nicht aufgrund des ab dem 01.06.2010 erfolgten Bezuges von Arbeitslosengeld II eingetreten. Nach § 5 Abs 5a SGB V werde nach Abs 1 Nr 2a nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu dem in Abs 5 genannten Personen gehöre. Da der Kläger unmittelbar vor Bezug des Arbeitslosengeldes II weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen sei und aufgrund der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zu den in Abs 5 genannten Personen, den hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigen zähle, lägen die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht nicht vor.

Der Kläger hat gegen das am 22.02.2013 zugestellte Urteil am 22.03.2013 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels der Lebensunterhalt gesichert gewesen sei. Das SG habe verkannt, dass die Niederlassungserlaubnis unbefristet und inhaltlich grundsätzlich unbeschränkt sei. Er sei von 1987 bis 1999 erwerbstätig gewesen und habe auch Versicherungsleistungen erbracht. Ihm komme auch aufgrund des Assoziationsabkommens der EWG mit der Türkei durch Artikel 6 ARV 1/80 eine aufenthaltsrechtliche Privilegierung zu. Im Zusatzprotokoll des Assoziationsabkommens EWG Türkei werde zudem noch festgelegt, dass die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit einführen dürften. Zweck dieser Maßnahme sei es, dass die Niederlassung und damit verbunden der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen in diesem Mitgliedsstaat nicht strengeren Bedingungen unterworden werde. Die Beklagte beziehe sich auf einen Zeitraum von über 10 Jahren und stelle auf diesen Zeitraum bezüglich der Versicherungspflicht und der Sicherung des Lebensunterhaltes ab. Die von der Beklagten angewandte und ausgelegte Vorschrift habe zur Folge, dass sich die Lebensumstände eines Ausländers zu keinem Zeitpunkt negativ entwickeln dürften. Trotz der negativen Entwicklung der Lebensumstände sei im Gegenzug die Ausländerbehörde nicht befugt bzw nur in Ausnahmefällen berechtigt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu treffen. Aufgrund des § 101 AufenthG habe durch die "Umwandlung" des unbefristeten Aufenthaltsziels in einer Niederlassungserlaubnis eben keine Pflicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes von Krankenversicherung bestanden. Hierzu werde auch auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 16.01.2012 (L 8 KR 117/11 B ER) verwiesen. Er sei somit spätestens ab dem 01.10.2009 bei der Beklagten nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a) SGB V zu versichern gewesen. In der Folge habe auch Versicherungspflicht während des Arbeitslosengeld II-Bezuges bei der Beklagten bestanden. Der Ausschluss des § 5 Abs 5a SGB V finde keine Anwendung, da vor dem Arbeitslosengeld II-Bezug eine gesetzliche Krankenversicherung bei der Beklagten bestanden habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.01.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2011 aufzuheben und den Kläger spätestens ab dem 01.10.2009 nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V zu versichern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf ihr bisheriges Vorbringen sowie die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Des Weiteren hat die Beklagte angeführt, dass die vom Kläger in der Zeit vom 01.07.2009 bis zum 30.09.2009 gemeldete Versicherungspflicht als Arbeitnehmer nicht korrekt seien dürfte, da nach der Entgeltmeldung des Arbeitgebers das Arbeitsentgelt in diesem Zeitraum insgesamt nur 480 EUR betragen habe. Zudem sei zu beachten, dass der Kläger in dieser Zeit selbständig gewesen sei und daher auch der Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 5 SGB V greifen dürfte.

Der Senat hat das Sozialamt der Stadt P. zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sacherhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß den §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist nicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig.

Nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V (eingefügt mit Wirkung vom 01.04.2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz -GKV-WSG- vom 26.03.2007, Bundesgesetzblatt I Seite 378) sind seit dem 01.04.2007 in der GKV versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert (Buchstabe a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, sie gehören zu den in § 5 Abs 5 SGB V genannten hauptberuflich Selbständigen oder zu den nach § 6 Abs 1 oder 2 SGB V genannten versicherungsfreien Personen oder hätten bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland zu ihnen gehört (Buchstabe b).

Der Kläger war zuletzt im Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 30.09.2009 als gesetzlich krankenversichert gemeldet. Dass die Beklagte bezüglich der Meldung der Versicherungspflicht in diesem Zeitraum Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit erhoben hat, ändert nichts daran, dass der Kläger zuletzt gesetzlich krankenversichert war, da er auch im Zeitraum davor über längere Zeiträume als Arbeitnehmer versicherungspflichtig nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V und dann im Zeitraum vom 01.03.1999 bis zum 15.08.1999 freiwilliges Mitglied nach § 9 SGB V war. Der Kläger war daher zuletzt gesetzlich krankenversichert. Eine private Krankenversicherung hat zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Die Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V scheitert jedoch an der Sonderregelung des § 5 Abs 11 SGB V. Nach § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V werden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedsstaates der EU, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den EWR oder Staatsangehörige der Schweiz sind, von der Versicherungspflicht nach Abs 1 Nr 13 nur erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als 12 Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG besteht. § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V trifft auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Dem Kläger wurde nach der Mitteilung des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt P. vom 09.03.2011 am 19.08.1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, welche als Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 AufenthG nach neuem Recht gilt.

Nach § 24 Abs 1 Ausländergesetz (AuslG) idF vom 24.03.1997, gültig vom 01.01.1998 bis 31.12.2004, war die Aufenthaltserlaubnis unter anderem unbefristet zu verlängern, wenn kein Ausweisungsgrund vorliegt. Nach § 46 Abs. 1 Nr 6 AuslG idF vom 09.07.1990, gültig vom 01.01.1991 bis zum 31.12.2001, konnte insbesondere ausgewiesen werden, wer für sich, seine Familienangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten und denen er allgemein zum Unterhalt verpflichtet ist, oder für Personen in seinem Haushalt, für die er Unterhalt getragen oder auf Grund einer Zusage zu tragen hat, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss. Nach § 101 Abs 1 AufenthG gilt eine vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt fort. Insofern wirken auch die der Erteilung damals zugrundegelegten Bedingungen fort (vgl hierzu Dienelt/Wunderle in Renner/Bergmann/Dienelt, Kommentar zum Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 101, Rn 8ff). Im Übrigen ist auch für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AufenthG iVm § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG die Sicherung des Lebensunterhalts zwingend erforderlich. Die Bedarfsberechnung zur Sicherung des Lebensunterhaltes beinhaltet nach § 2 Abs 3 Satz 1 AufenthG auch einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Die Erteilung des Aufenthaltstitels setzte somit damals voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert war und diese Voraussetzung besteht auch nach den Regelungen des AufenthG.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers wirkt die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen Betrachtung fort. Hieran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Aufenthaltsgesetz als unbefristeter Aufenthaltstitel, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, zeitlich und räumlich unbeschränkt ist und nicht mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf, erteilt wurde. Denn sowohl im Fall einer Niederlassungserlaubnis als auch im Falle einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Aufenthaltsgesetz, ist zu prüfen, ob gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes besteht. Ist dies der Fall, muss der betreffende Ausländer dafür sorgen, dass sein Lebensunterhalt einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sichergestellt ist, so dass kein Bedarf für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V besteht (vgl hierzu Felix in juris PK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 5 SGB V Rdnr 98 - 99). Das Abstellen auf die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG entspricht auch der gesetzgeberischen Intention. Nach der Gesetzesbegründung (vgl Bundestagsdrucksache 16/3100 S 95) ist ein Versicherungsschutz nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nicht geboten in den Fällen, in denen die Ausländer gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 des AufenthG verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass ihr Lebensunterhalt einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sichergestellt ist. Sie verfügen insoweit über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Bereits der Gesetzesbegründung ist somit zu entnehmen, dass dies auch in dem Fall gelten soll, in dem bei Erteilung des Aufenthaltstitels ein ausreichender Krankenversicherungsschutz bestanden hat, dieser jedoch zu einem späteren Zeitpunkt entfallen ist.

Das Fortwirken der Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, die für die Erteilung des Aufenthaltstitels Voraussetzung war, wird auch in der Rechtsprechung bestätigt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 03.07.2013 (B 12 KR 2/11 R, juris) bezüglich des Wortlauts, dass für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs 1 Nr 1 des AufenthG besteht, von einer "negativen" Tatbestandsvoraussetzung gesprochen. Der Wortlaut des § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V sei im Hinblick auf die Passage "für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel" und wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Verpflichtung nach dem AufenthG insoweit unmissverständlich als es für die Beurteilung (durch Verwaltung und Sozialgerichte) danach allein auf die Gesetzeslage und nicht darauf ankommen solle, wie die Ausländerbehörde diese im konkreten Fall - bei der Erteilung oder Versagung eines Aufenthaltstitels - umgesetzt habe. Das BSG spricht in diesem Zusammenhang von einer Anknüpfung des § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V an die "Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs 1 Nr 1 des AufenthG" und lässt eine Auslegung dahingehend, dass eine einmalig bestandene Absicherung in der Vergangenheit ausreichend sei, nicht zu. § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V müsse als Teil der für Ausländer bestehenden Sonderregelung zu § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V in einem umfassenden Sinn betrachtet werden und ihm müsse ein Verständnis beigelegt werden, das an das Bestehen eines Anspruches auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall (überhaupt) anknüpft. Die Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V sei subsidiär ausgestaltet und diese Subsidiarität dürfe bei Bestehen anderweitiger Absicherung (nicht nur "Versicherung") im Krankheitsfall eingeschränkt werden. Es sei nicht nur folgerichtig sondern auch geboten, ausländische Staatsangehörige aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Auffangversicherungspflichttatbestandes des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V auszunehmen, wenn sie über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügten, die das Gesetz dem Grunde (und der Form) nach als solche (den Tatbestand ausschließende) ausreichen lasse. Das sei bei den zur Sicherung des Lebensunterhaltes (einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes) getroffenen aufenthaltsrechtlichen Vorkehrungen der Fall. Denn das Gesetz knüpfe für die vorzunehmende Beurteilung der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall bei Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nach § 5 Abs 11 Satz 1 SGB V (auch sonst) allgemein an das Aufenthaltsrecht und die Maßstäbe bzw Parameter des AufenthG an.

Der Senat schließt aus den Ausführungen des BSG, dass aus der Systematik und dem Zweck des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V es auf das Bestehen einer anderweitigen Absicherung ankommt. Das Bestehen einer anderweitigen Absicherung wird auch dann angenommen, wenn eine solche Verpflichtung sich aus aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen ergibt. Sachverhalte, bei denen der einmal bestehende ausreichende Krankenversicherungsschutz in der Folgezeit entfallen ist, sind danach nicht anders zu beurteilen (ebenso LSG Baden-Württemberg 18.12.2008, L 5 KR 3342/08 sowie SG Berlin 30.03.2012, S 208 KR 1643/09 WA, juris). Die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG wirkt somit fort. Sofern der Kläger auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts (16.01.2012, L 8 KR 117/11 B ER, juris) abstellt, war der dortigen Antragstellerin eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 5 Abs 1 Nr 1 Aufenthaltsgesetz nicht auferlegt worden. Damit ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei geschlossenen Sozialversicherungsabkommen. Dies beinhaltet lediglich eine Gleichstellung der Staatsangehörigen der beiden Mitgliedstaaten bezüglich der Leistungserbringung. Insofern hat die Beklagte zutreffend auf das Erfordernis einer bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung in der Türkei hingewiesen. Eine Rechtsgrundlage zur Begründung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V kann den Bestimmungen des Abkommen jedoch nicht entnommen werden (vgl hierzu Deutsch - Türkisches Sozialversicherungsabkommen vom 30.03.1964/ Gesetz vom 13.09.1965 - BGBl II, 1169 in Sozialversicherung International).

Auch aus dem Beschluss Nr 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 im Nachgang zum Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei (64/733/EWG) vom 12.09.1963 folgt keine anderweitige Beurteilung des Sachverhalts (vgl hierzu Groenendijk/Hoffmann/Luiten, Das Assoziationsrecht EWG/Türkei, 1. Auflage 2013, S. 49/50). Nach dem vom Kläger zitierten Art 6 Abs 1 dritter Spiegelstrich des Beschlusses Nr 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung, in diesem Mitgliedstaat nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis. Die darin enthaltenen Regelungen umfassen jedoch nur den freien Zugang zum Arbeitsmarkt im Mitgliedstaat. Eine darüberhinausgehende Relevanz für die Frage der Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ist nicht erkennbar. Auch der Beschluss Nr 3/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 regelt in Art 10 iVm mit Art 18 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nur die wechselseitigen Anerkennung von Versicherungszeiten für das Gebiet der Krankenversicherung.

Das SG hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld II nach § 5 Abs 1 Nr 2a iVm Abs 5a Satz 1 SGB V zu verneinen ist, da der Kläger unmittelbar vor Bezug des Arbeitslosengeldes II weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und aufgrund der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zu den in § 5 Abs 5a SGB V genannten Personen, den hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigen, zählt. Während es nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nur darauf ankommt, ob die Person zuletzt krankenversichert war, stellt § 5 Abs 5a Satz 1 SGB V auf den krankenversicherungsrechtlichen Status ab, wie er unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II bestanden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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