Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1040/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2809/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für die Umschulung zur Kosmetikerin als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die 1965 geborene Klägerin hat von September 1983 bis August 1986 eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und sich zur Fachschwester für Intensiv- und Anästhesie-medizin sowie Leitung einer Pflegeeinheit und eines Schüleranleitungskurses fortgebildet. Außerdem hat sie berufsbegleitend eine Ausbildung zur staatlich geprüften Fachwirtin für Organisation und Führung im Sozialwesen und eine Weiterbildung zur Qualitätsmanagementbeauftragten gemacht. In den letzten Jahren war sie wie folgt beschäftigt (vgl. bzgl. weiterer Einzelheiten Lebenslauf der Klägerin, Blatt 31 – 33 der Verwaltungsakten):
April 1998 – Januar 2002 Neurologische Intensivstation, Städtische Kliniken K. Februar 2002 – September 2003 Pflegedienstleitung ambulanter Pflegedienst in K. Oktober 2003 – September 2005 Pflegedienstleitung Caritas Altenzentrum G. Oktober 2005 Umzug nach E. Januar 2006 – Juli 2006 R. PflegeTeam für außerklinische Intensivmedizin August 2006 – Dezember 2007 Pflegefachkraft A. H., C., Fachgebiet Häusliche Pflege Januar 2008 – 15. Juni 2009 R. PflegeTeam für außerklinische Intensivmedizin, Pflegedienstleitung mit täglichen Fahrten von 400 bis 500 km 10. August 2008 Beginn der Arbeitsunfähigkeit
Vom 19.02. bis 16.04.2009 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der B.-Klinik S., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie. Die dortigen Ärzte stellten bei der Klägerin folgende Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Tinnitus aurium, Zustand nach Hörsturz rechts 05/2008 und 08/2008, Innenohrschwerhörigkeit und Cervikobrachialgie. Aufgrund des nicht ausreichend gebesserten Beschwerdebilds wurde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen. In der sozialmedizinischen Epikrise heißt es, es bestünden Einschränkungen der psychischen und somatischen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, so dass die Klägerin als Pflegedienstleiterin (ambulante Pflege) als unter drei Stunden leistungsfähig einzuschätzen sei. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Lärmbelastung, erhöhten Stressbedingungen, Heben und Tragen von Lasten, Zwangshaltungen, Hocken, Bücken und mit Nachtschichten. Die Selbstbehauptungsfähigkeit der Klägerin sei leicht- bis mittelgradig eingeschränkt.
Am 02.04.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Mit Bescheid vom 24.06.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, nach ihren Feststellungen sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht erheblich gefährdet oder gemindert. Die Klägerin sei in der Lage, eine Beschäftigung als Pflegedienstleiterin weiterhin auszuüben. Für die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei die Agentur für Arbeit zuständig.
Mit Schreiben vom 08.07.2009 leitete die Bundesagentur für Arbeit der Beklagten einen Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 01.07.2009 zu, da die Beklagte der zuständige Rehabilitationsträger sei. Beigefügt war u.a. ein Gutachten nach Aktenlage der Ärztin Dr. F. vom 16.06.2009, die die Ansicht vertrat, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Pflegedienstleitung beinhalte teilweise Belastungen, die für die Klägerin nicht mehr leidensgerecht seien. Ein Wechsel der Tätigkeit werde empfohlen.
Gegen den Bescheid vom 24.06.2009 legte die Klägerin am 14.07.2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, trotz des guten Behandlungsverlaufs im Heilverfahren sei ihre Leistungsfähigkeit weiterhin stark eingeschränkt. Sie leide immer noch unter Schlaf- und Konzentrationsstörungen und sei sehr erschöpft. Außerdem habe sie im linken Arm und in der linken Hand Gefühlstörungen und ein Schwächegefühl. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls der Halswirbelsäule (HWS) leide sie unter spontanem Schwindel und Übelkeitsattacken. Wegen der hohen Stressbelastung und Verantwortung sehe sie sich nicht mehr in der Lage, ihre Tätigkeit als Pflegedienstleitung in der Pflege weiter auszuüben.
Die Beklagte holte beratungsärztliche Stellungnahmen ein (Dr. L. 27.07.2009: Pflegedienstleitung ohne pflegerische Tätigkeit leidensgerecht; Dr. W. 02.01.2010: Pflegedienstleitung ist Klägerin weiter vollschichtig zumutbar), zog einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 16.09.2009 bei (erstmalige Vorstellung nach Heilverfahren am 15.09.2009) bei und ließ die Klägerin auf psychiatrischem Gebiet begutachten. Die Klägerin übersandte einen Arztbrief der Klinik für Neurochirurgie des Klinikums L. vom 26.10.2009 (Diagnose: Bandscheibenvorfall HWK 5/6 links; stationärer Aufenthalt vom 19.10. bis 26.10.2009, Nukleotomie HWK 5/6 mit Implantation einer Prothese von vorn; beschwerdefreie Entlassung).
Der Psychiater A. diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 08.12.2009 eine perfektionistische Persönlichkeitsausrichtung (F60.5) und eine Depression (F32.0) und führte aus, momentan sei die depressive Befindenslage hinreichend ausgeglichen. Die Klägerin vermöge zuverlässig ihren Tag sinnvoll zu gestalten, habe Interesse am Alltagsgeschehen, entfalte kreative Ansätze, beschäftige sich mit geistig fordernden Themen und lasse es auch nicht an anregender sozialer Geselligkeitsanbindung fehlen. Wenn sich diese Besserung unter der ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung weiter steigere, könne die Klägerin – fernab von hoch beanspruchenden Leitungsfunktionen – als Krankenschwester tätig sein. Bei übergeordneten krankenpflegerischen Leitungsaufgaben und verantwortlichen wirtschaftlichen Organisationsobliegenheiten sei zu befürchten, dass sich die Klägerin in beklemmenden Zugzwang manipulieren lasse und sich überfordern werde. Die von ihr favorisierte Zusatz- und Weiterqualifizierung zur Sachverständigen in pflegerischer Sachverhalten und zur Zuordnung von Antragstellern in die unterschiedlichen Pflegestufen könne die Klägerin von ihrer momentanen psychomentalen Leistungsfähigkeit her erfolgreich bewältigen. Inwieweit auf anderen Fachgebieten Leistungseinschränkungen bestünden, könne er nicht beurteilen. In der abschließenden sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung schätzte der Gutachter das Leistungsvermögen der Klägerin als Pflegedienstleiterin und Krankenschwester auf sechs Stunden und mehr ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.03.2010 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und HWS, sei sie ihrem Beruf als Krankenschwester oder als Pflegedienstleiterin nicht mehr gewachsen, zumal es sich dabei nicht nur um sitzende Tätigkeiten handle, sondern auch eine tätige Mithilfe erforderlich sei. Weiter hat sie auf die Beurteilung im Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 14.05.2009 verwiesen und erklärt, der beratende Dienst der Beklagten verkenne, dass eine Rückkehr in ihren erlernten Beruf aufgrund ihres Pflichtgefühls immer wieder zur körperlichen Überforderung und zu Schädigungen führen werde. Sie hat mitgeteilt, sie habe am 01.04.2010 eine Ausbildung als Kosmetikerin als berufsbegleitendes Fernstudium bei der Firma Ästhetik-Kosmetik, I. begonnen. Dort würden Kurse (z.B. Fußpflege) und Praxiseinsätze durchgeführt. Die theoretische Abschlussprüfung sei für Januar 2011 vorgesehen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Neurologen und Psychiater Dr. G. (Auskunft vom 14.05.2010: Vorstellungen seit Ende 2008 in größeren Abständen, zuletzt am 27.04.2010, davor am 15.09.2009; Klägerin könne in ihren erlernten Beruf nicht zurück; es wäre günstig, Teile ihres Wissens in das Berufsleben zu integrieren; inwieweit im Beruf der Ergotherapeutin die Klägerin sich von den kranken Menschen mit erheblichen Behinderungen hätte abgrenzen können, hätte diskutiert werden müssen; die Klägerin macht eine Ausbildung zur Kosmetikerin), den Orthopäden Dr. N. (Auskunft vom 19.05.2010: Diagnose: Bandscheibenvorfall HWK 5/6 links, Zustand nach Operation 20.10.2009; Gesundheitsstörungen wirken sich v.a. bei Arbeiten in Zwangshaltungen der HWS sowie bei Überkopfarbeiten aus) und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. (Auskunft vom 01.06.2010: unter Belastung Zunahme des Tinnitus; bei körperlicher Belastung Schweregefühl im linken Arm und Kribbeln bis in die linke Hand; Minderbelastbarkeit der HWS, des linken Armes und der LWS; schweres Heben nicht mehr möglich; Zunahme der depressiven Verstimmung unter Belastung; seelische Minderbelastbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen, Grübelzwänge; fühlt sich nicht mehr fähig, als Pflegedienstleiterin zu arbeiten, geschweige denn am Krankenbett; Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug), als sachverständige Zeugen gehört und ein psychiatrisches Gutachten eingeholt.
Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. hat im Gutachten vom 27.01.2011 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte depressive Episode (F33.0), diagnostiziert. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit werde dadurch nicht bedingt. Die Klägerin sei in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich auszuüben und leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Um eine Exazerbation der depressiven Symptomatik zu vermeiden, sei eine Überlastung durch Schicht-, Akkord- und Nachtarbeiten sowie eine extreme Verantwortung, die der Qualifikation der Klägerin nicht entspricht, zu vermeiden. Tätigkeiten im Bereich der Kranken- und Altenpflege und ähnliche Tätigkeiten in leitender Position könne die Klägerin verrichten. Eine berufliche Rehabilitation in Form von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei nicht erforderlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auszugehen sei vorliegend vom Beruf der Pflegedienstleiterin. Hierbei seien jedoch nicht die konkreten Anforderungen und auszuführenden Tätigkeiten beim letzten Arbeitgeber der Klägerin maßgeblich, sondern die abstrakten Anforderungen, wie sie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Ausdruck aus der Datenbank "Berufenet" ergeben. Die Klägerin sei in der Lage, die Tätigkeit als Pflegedienstleiterin ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit auszuüben. Das SG stütze sich dabei auf das Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 27.01.2011. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 06.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.07.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG habe sie Anspruch auf die beantragten Leistungen, da sie nicht mehr in der Lage sei, ihre Tätigkeit als Pflegedienstleiterin in der Pflege weiter auszuüben. Bei dieser Tätigkeit bestehe die Gefahr der Selbstüberforderung, was bisher regelmäßig zu einem physischen und psychischen Zusammenbruch geführt habe. Dies könnten ihre sie seit dem 26.05.2009 behandelnden Therapeuten der Psychotherapeutischen Praxis Diplom-Psychologin M. R. bestätigen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2010 aufzuheben und ihr die Kosten für die Umschulung zur Kosmetikerin zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, sie verweise auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie ihr Vorbringen in der ersten Instanz.
Der Senat hat die behandelnden Therapeuten der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. K. hat am 23.02.2012 mitgeteilt, sie habe die Klägerin vom 26.05.2009 bis 22.03.2011 (37 Stunden) behandelt. Es sei eine Verhaltenstherapie zum Abbau der Depression, zum Aufbau leistungsunabhängigen Selbstwerts, Senkung der Anspannung, Verbesserung des Selbstmanagements usw. mit kognitiven Verfahren, Atemtraining, Imaginationsübungen, Stressimpfungstraining, Verhaltensübungen und Rollenspielen usw. durchgeführt worden. Aufgrund der vorliegenden organischen und psychischen Befunde sehe sie das Risiko einer Lähmung durch Tätigkeiten im Pflegeberuf und damit eine völlige Erwerbsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf. Insofern stimme sie nicht mit der Beurteilung von Frau Dr. R. überein, sondern halte die von der Klägerin gewählte Berufstätigkeit nach selbstbezahlter Ausbildung mit freier Termingestaltung nach eigenen Belastungsgrenzen für gesundheitlich (körperlich und seelisch) förderlich.
Professor Dr. R. hat unter dem 22.03.2012 erklärt, er behandle die Klägerin seit dem 18.05.2011, zuletzt am 28.02.2012. Es handle sich um eine Kombination von Psychopharmaka-Verordnungen und Psychotherapie, wobei das Schwergewicht auf der verhaltenstherapeutischen Ebene liege. Der Erfolg sei unterschiedlich gewesen. Die Klägerin sei aber immerhin in der Lage gewesen, zeitweilig berufstätig zu sein und Behandlungsräume anzumieten. Es sei zu erwarten, dass die Klägerin in der Lage sein werde, ihre Tätigkeit als Kosmetikerin durchzuführen. Der Beurteilung von Dr. R. stimme er im Wesentlichen zu. Allerdings sei zumindest zeitweise den Beschwerden der Klägerin nicht genügend Gewicht beigemessen worden. Umschulung und Berufswechsel seien erforderlich gewesen, da sie im erlernten Beruf nicht andauernd leistungsfähig gewesen sei.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die der Klägerin durch die Umschulung zur Kosmetikerin entstandenen Kosten zu erstatten.
Nachdem die Klägerin die Umschulung zur Kosmetikerin selbst durchgeführt hat, richtet sich ihr Begehren nicht mehr auf die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Allgemeinen bzw. auf die Gewährung einer Sachleistung, sondern nur noch auf Kostenerstattung, wie sie in der mündlichen Verhandlung auch beantragt hat. Zwar haben die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 24.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2010 und das SG im Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 nicht über die Kostenerstattung entschieden. Dies ist jedoch unschädlich, da es sich bei der Umstellung auf Kostenerstattung für die inzwischen durchgeführte Umschulung zur Kosmetikerin gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht um eine Klageänderung handelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, § 99 Rn. 5 m.w.N.).
Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch den zuständigen Leistungsträger ist § 15 Abs. 1 S. 4, 2. Alt. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX – (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10 R, SozR 4-3500 § 54 Nr. 8 und Urteil vom 20.10.2009, B 5 R 5/07 R, SozR 4-3250 § 14 Nr. 8 und in Juris). Danach sind selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Vorliegend vermag der Senat jedoch nicht festzustellen, dass die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe nicht besteht, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht vorliegen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weit gehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass der Begriff der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht definierten Erwerbsfähigkeit als Fähigkeit des Versicherten zu verstehen ist, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Zu prüfen ist, ob der Versicherte unabhängig von den Besonderheiten des gerade inne gehaltenen Arbeitsplatzes den typischen Anforderungen des ausgeübten Berufs noch nachkommen kann (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 22/08 – SGB 2011, S. 39 ff. und in Juris, und Urteil vom 17.10.2006 – B 5 RJ 15/05 R – SozR 4-2600 § 10 Nr. 2 und in Juris). Was die zu berücksichtigende bisherige Tätigkeit der Klägerin betrifft, so ist damit nicht die letzte Tätigkeit und nicht überhaupt nur eine bisherige Tätigkeit gemeint. Vielmehr sind die beruflichen Tätigkeiten in den letzten Jahren, wenn auch nicht aus allzu lange zurückliegender Zeit in die Betrachtung mit einzubeziehen (so schon BSG, Urteil vom 31.01.1980, 11 RA 8/79, SozR 2200 § 1237a Nr. 10 und in Juris). Als nicht allzu lange zurückliegende Zeit wird von den Rentenversicherungsträgern dabei ein Zeitraum von max. 10 Jahren vor der Antragstellung angesehen. Eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liegt dann vor, wenn nach ärztlicher Feststellung wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionsstörungen damit zu rechnen ist, dass ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintritt. Der Eintritt der Minderung darf nicht nur möglich sein. Es muss eine begründete Aussicht bestehen, dass sie in absehbarer Zeit eintritt. Eine geminderte Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht unwesentlich eingeschränkt ist und der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit normal auszuüben. Die Minderung hat im Gegensatz zur Gefährdung bereits zu einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit geführt (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2012, § 10 SGB VI Rn. 5 ff.).
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf die Tätigkeitsbeschreibung im "Berufenet" das Anforderungsprofil einer Pflegedienstleiterin ausführlich beschrieben und ist aufgrund der Ausführungen im Sachverständigengutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 27.01.2011 nachvollziehbar und überzeugend zum Ergebnis gelangt, dass die leichtgradige Ausprägung der depressiven Symptomatik die Klägerin nicht daran hindert, ihren bisherigen Beruf als Pflegedienst-Leiterin mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Soweit die Klägerin darauf verweist, dass bei einer Tätigkeit als Pflegedienstleiterin die Gefahr einer Selbstüberforderung und eines psychischen und physischen Zusammenbruchs besteht, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen bei ihr lediglich leichtgradig ausgeprägte depressive Verstimmungen vorliegen, die einer Tätigkeit als Pflegedienstleiterin nicht entgegenstehen, und dass die besonderen Belastungen an ihrem früheren Arbeitsplatz, tägliche Fahrten über 400 bis 500 km, Übernahme vertraglich nicht vereinbarter Arbeiten, Übernahme von Pflegetätigkeiten für ausgefallene Mitarbeiter, nicht typisch für die Tätigkeit einer Pflegedienstleiterin sind. Darüber hinaus gehört zu den Tätigkeiten der Klägerin in den letzten Jahren nicht nur ihre Tätigkeit als Pflegedienstleiterin in einem Altenzentrum und in der ambulanten Pflege, sondern auch ihre Tätigkeit als Pflegefachkraft bei der A. H ... Gesundheitliche Gründe, warum die Klägerin diese Tätigkeit nicht mehr verrichten können soll, vermag der Senat nicht festzustellen. Diese ergeben sich auch nicht daraus, dass die Klägerin andere Wertvorstellungen hinsichtlich der zu leistenden Pflege als die Krankenkasse hat.
Da nach den den Senat überzeugenden ärztlichen Feststellungen der Psychiaterin Dr. R., die durch die Aussagen der behandelnden Therapeuten der Klägerin nicht erschüttert und erst Recht nicht widerlegt werden, die Klägerin eine Tätigkeit als Pflegedienstleiterin (zumindest ohne wesentliche krankenpflegerische Tätigkeiten) bzw. als Pflegefachkraft bei einer Krankenkasse noch verrichten kann, sind auch sonstige Rechtsgrundlagen nicht ersichtlich, die einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen der geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründen könnten.
Unabhängig davon, dass der Senat – ebenso wie das SG – nicht festzustellen vermag, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin bei einer Tätigkeit als Pflegedienstleiterin bzw. Pflegefachkraft erheblich gefährdet oder gemindert wäre, dürfte auch eine Förderung der Umschulung zur Kosmetikerin nicht in Betracht kommen, da dadurch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gegebenenfalls auf Dauer nicht abgewendet werden dürfte. Denn bei dieser Tätigkeit fallen zahlreiche körperliche Verrichtungen, Tätigkeiten im Stehen, mit vorgebeugtem Oberkörper, mit Strecken der Arme, Handarbeit (z.B. Maniküre, Pediküre, spezielle Teil- oder Ganzkörpermassagen), Feinarbeiten (Lidschatten, Make-up), an, die im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden der HWS, der LWS, der linken Hand und des linken Armes ungünstig sein könnten.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für die Umschulung zur Kosmetikerin als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die 1965 geborene Klägerin hat von September 1983 bis August 1986 eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und sich zur Fachschwester für Intensiv- und Anästhesie-medizin sowie Leitung einer Pflegeeinheit und eines Schüleranleitungskurses fortgebildet. Außerdem hat sie berufsbegleitend eine Ausbildung zur staatlich geprüften Fachwirtin für Organisation und Führung im Sozialwesen und eine Weiterbildung zur Qualitätsmanagementbeauftragten gemacht. In den letzten Jahren war sie wie folgt beschäftigt (vgl. bzgl. weiterer Einzelheiten Lebenslauf der Klägerin, Blatt 31 – 33 der Verwaltungsakten):
April 1998 – Januar 2002 Neurologische Intensivstation, Städtische Kliniken K. Februar 2002 – September 2003 Pflegedienstleitung ambulanter Pflegedienst in K. Oktober 2003 – September 2005 Pflegedienstleitung Caritas Altenzentrum G. Oktober 2005 Umzug nach E. Januar 2006 – Juli 2006 R. PflegeTeam für außerklinische Intensivmedizin August 2006 – Dezember 2007 Pflegefachkraft A. H., C., Fachgebiet Häusliche Pflege Januar 2008 – 15. Juni 2009 R. PflegeTeam für außerklinische Intensivmedizin, Pflegedienstleitung mit täglichen Fahrten von 400 bis 500 km 10. August 2008 Beginn der Arbeitsunfähigkeit
Vom 19.02. bis 16.04.2009 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der B.-Klinik S., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie. Die dortigen Ärzte stellten bei der Klägerin folgende Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Tinnitus aurium, Zustand nach Hörsturz rechts 05/2008 und 08/2008, Innenohrschwerhörigkeit und Cervikobrachialgie. Aufgrund des nicht ausreichend gebesserten Beschwerdebilds wurde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen. In der sozialmedizinischen Epikrise heißt es, es bestünden Einschränkungen der psychischen und somatischen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, so dass die Klägerin als Pflegedienstleiterin (ambulante Pflege) als unter drei Stunden leistungsfähig einzuschätzen sei. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Lärmbelastung, erhöhten Stressbedingungen, Heben und Tragen von Lasten, Zwangshaltungen, Hocken, Bücken und mit Nachtschichten. Die Selbstbehauptungsfähigkeit der Klägerin sei leicht- bis mittelgradig eingeschränkt.
Am 02.04.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Mit Bescheid vom 24.06.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, nach ihren Feststellungen sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht erheblich gefährdet oder gemindert. Die Klägerin sei in der Lage, eine Beschäftigung als Pflegedienstleiterin weiterhin auszuüben. Für die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei die Agentur für Arbeit zuständig.
Mit Schreiben vom 08.07.2009 leitete die Bundesagentur für Arbeit der Beklagten einen Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 01.07.2009 zu, da die Beklagte der zuständige Rehabilitationsträger sei. Beigefügt war u.a. ein Gutachten nach Aktenlage der Ärztin Dr. F. vom 16.06.2009, die die Ansicht vertrat, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Pflegedienstleitung beinhalte teilweise Belastungen, die für die Klägerin nicht mehr leidensgerecht seien. Ein Wechsel der Tätigkeit werde empfohlen.
Gegen den Bescheid vom 24.06.2009 legte die Klägerin am 14.07.2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, trotz des guten Behandlungsverlaufs im Heilverfahren sei ihre Leistungsfähigkeit weiterhin stark eingeschränkt. Sie leide immer noch unter Schlaf- und Konzentrationsstörungen und sei sehr erschöpft. Außerdem habe sie im linken Arm und in der linken Hand Gefühlstörungen und ein Schwächegefühl. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls der Halswirbelsäule (HWS) leide sie unter spontanem Schwindel und Übelkeitsattacken. Wegen der hohen Stressbelastung und Verantwortung sehe sie sich nicht mehr in der Lage, ihre Tätigkeit als Pflegedienstleitung in der Pflege weiter auszuüben.
Die Beklagte holte beratungsärztliche Stellungnahmen ein (Dr. L. 27.07.2009: Pflegedienstleitung ohne pflegerische Tätigkeit leidensgerecht; Dr. W. 02.01.2010: Pflegedienstleitung ist Klägerin weiter vollschichtig zumutbar), zog einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 16.09.2009 bei (erstmalige Vorstellung nach Heilverfahren am 15.09.2009) bei und ließ die Klägerin auf psychiatrischem Gebiet begutachten. Die Klägerin übersandte einen Arztbrief der Klinik für Neurochirurgie des Klinikums L. vom 26.10.2009 (Diagnose: Bandscheibenvorfall HWK 5/6 links; stationärer Aufenthalt vom 19.10. bis 26.10.2009, Nukleotomie HWK 5/6 mit Implantation einer Prothese von vorn; beschwerdefreie Entlassung).
Der Psychiater A. diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 08.12.2009 eine perfektionistische Persönlichkeitsausrichtung (F60.5) und eine Depression (F32.0) und führte aus, momentan sei die depressive Befindenslage hinreichend ausgeglichen. Die Klägerin vermöge zuverlässig ihren Tag sinnvoll zu gestalten, habe Interesse am Alltagsgeschehen, entfalte kreative Ansätze, beschäftige sich mit geistig fordernden Themen und lasse es auch nicht an anregender sozialer Geselligkeitsanbindung fehlen. Wenn sich diese Besserung unter der ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung weiter steigere, könne die Klägerin – fernab von hoch beanspruchenden Leitungsfunktionen – als Krankenschwester tätig sein. Bei übergeordneten krankenpflegerischen Leitungsaufgaben und verantwortlichen wirtschaftlichen Organisationsobliegenheiten sei zu befürchten, dass sich die Klägerin in beklemmenden Zugzwang manipulieren lasse und sich überfordern werde. Die von ihr favorisierte Zusatz- und Weiterqualifizierung zur Sachverständigen in pflegerischer Sachverhalten und zur Zuordnung von Antragstellern in die unterschiedlichen Pflegestufen könne die Klägerin von ihrer momentanen psychomentalen Leistungsfähigkeit her erfolgreich bewältigen. Inwieweit auf anderen Fachgebieten Leistungseinschränkungen bestünden, könne er nicht beurteilen. In der abschließenden sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung schätzte der Gutachter das Leistungsvermögen der Klägerin als Pflegedienstleiterin und Krankenschwester auf sechs Stunden und mehr ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.03.2010 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und HWS, sei sie ihrem Beruf als Krankenschwester oder als Pflegedienstleiterin nicht mehr gewachsen, zumal es sich dabei nicht nur um sitzende Tätigkeiten handle, sondern auch eine tätige Mithilfe erforderlich sei. Weiter hat sie auf die Beurteilung im Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 14.05.2009 verwiesen und erklärt, der beratende Dienst der Beklagten verkenne, dass eine Rückkehr in ihren erlernten Beruf aufgrund ihres Pflichtgefühls immer wieder zur körperlichen Überforderung und zu Schädigungen führen werde. Sie hat mitgeteilt, sie habe am 01.04.2010 eine Ausbildung als Kosmetikerin als berufsbegleitendes Fernstudium bei der Firma Ästhetik-Kosmetik, I. begonnen. Dort würden Kurse (z.B. Fußpflege) und Praxiseinsätze durchgeführt. Die theoretische Abschlussprüfung sei für Januar 2011 vorgesehen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Neurologen und Psychiater Dr. G. (Auskunft vom 14.05.2010: Vorstellungen seit Ende 2008 in größeren Abständen, zuletzt am 27.04.2010, davor am 15.09.2009; Klägerin könne in ihren erlernten Beruf nicht zurück; es wäre günstig, Teile ihres Wissens in das Berufsleben zu integrieren; inwieweit im Beruf der Ergotherapeutin die Klägerin sich von den kranken Menschen mit erheblichen Behinderungen hätte abgrenzen können, hätte diskutiert werden müssen; die Klägerin macht eine Ausbildung zur Kosmetikerin), den Orthopäden Dr. N. (Auskunft vom 19.05.2010: Diagnose: Bandscheibenvorfall HWK 5/6 links, Zustand nach Operation 20.10.2009; Gesundheitsstörungen wirken sich v.a. bei Arbeiten in Zwangshaltungen der HWS sowie bei Überkopfarbeiten aus) und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. (Auskunft vom 01.06.2010: unter Belastung Zunahme des Tinnitus; bei körperlicher Belastung Schweregefühl im linken Arm und Kribbeln bis in die linke Hand; Minderbelastbarkeit der HWS, des linken Armes und der LWS; schweres Heben nicht mehr möglich; Zunahme der depressiven Verstimmung unter Belastung; seelische Minderbelastbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen, Grübelzwänge; fühlt sich nicht mehr fähig, als Pflegedienstleiterin zu arbeiten, geschweige denn am Krankenbett; Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug), als sachverständige Zeugen gehört und ein psychiatrisches Gutachten eingeholt.
Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. hat im Gutachten vom 27.01.2011 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte depressive Episode (F33.0), diagnostiziert. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit werde dadurch nicht bedingt. Die Klägerin sei in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich auszuüben und leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Um eine Exazerbation der depressiven Symptomatik zu vermeiden, sei eine Überlastung durch Schicht-, Akkord- und Nachtarbeiten sowie eine extreme Verantwortung, die der Qualifikation der Klägerin nicht entspricht, zu vermeiden. Tätigkeiten im Bereich der Kranken- und Altenpflege und ähnliche Tätigkeiten in leitender Position könne die Klägerin verrichten. Eine berufliche Rehabilitation in Form von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei nicht erforderlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auszugehen sei vorliegend vom Beruf der Pflegedienstleiterin. Hierbei seien jedoch nicht die konkreten Anforderungen und auszuführenden Tätigkeiten beim letzten Arbeitgeber der Klägerin maßgeblich, sondern die abstrakten Anforderungen, wie sie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Ausdruck aus der Datenbank "Berufenet" ergeben. Die Klägerin sei in der Lage, die Tätigkeit als Pflegedienstleiterin ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit auszuüben. Das SG stütze sich dabei auf das Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 27.01.2011. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 06.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.07.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG habe sie Anspruch auf die beantragten Leistungen, da sie nicht mehr in der Lage sei, ihre Tätigkeit als Pflegedienstleiterin in der Pflege weiter auszuüben. Bei dieser Tätigkeit bestehe die Gefahr der Selbstüberforderung, was bisher regelmäßig zu einem physischen und psychischen Zusammenbruch geführt habe. Dies könnten ihre sie seit dem 26.05.2009 behandelnden Therapeuten der Psychotherapeutischen Praxis Diplom-Psychologin M. R. bestätigen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2010 aufzuheben und ihr die Kosten für die Umschulung zur Kosmetikerin zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, sie verweise auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie ihr Vorbringen in der ersten Instanz.
Der Senat hat die behandelnden Therapeuten der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. K. hat am 23.02.2012 mitgeteilt, sie habe die Klägerin vom 26.05.2009 bis 22.03.2011 (37 Stunden) behandelt. Es sei eine Verhaltenstherapie zum Abbau der Depression, zum Aufbau leistungsunabhängigen Selbstwerts, Senkung der Anspannung, Verbesserung des Selbstmanagements usw. mit kognitiven Verfahren, Atemtraining, Imaginationsübungen, Stressimpfungstraining, Verhaltensübungen und Rollenspielen usw. durchgeführt worden. Aufgrund der vorliegenden organischen und psychischen Befunde sehe sie das Risiko einer Lähmung durch Tätigkeiten im Pflegeberuf und damit eine völlige Erwerbsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf. Insofern stimme sie nicht mit der Beurteilung von Frau Dr. R. überein, sondern halte die von der Klägerin gewählte Berufstätigkeit nach selbstbezahlter Ausbildung mit freier Termingestaltung nach eigenen Belastungsgrenzen für gesundheitlich (körperlich und seelisch) förderlich.
Professor Dr. R. hat unter dem 22.03.2012 erklärt, er behandle die Klägerin seit dem 18.05.2011, zuletzt am 28.02.2012. Es handle sich um eine Kombination von Psychopharmaka-Verordnungen und Psychotherapie, wobei das Schwergewicht auf der verhaltenstherapeutischen Ebene liege. Der Erfolg sei unterschiedlich gewesen. Die Klägerin sei aber immerhin in der Lage gewesen, zeitweilig berufstätig zu sein und Behandlungsräume anzumieten. Es sei zu erwarten, dass die Klägerin in der Lage sein werde, ihre Tätigkeit als Kosmetikerin durchzuführen. Der Beurteilung von Dr. R. stimme er im Wesentlichen zu. Allerdings sei zumindest zeitweise den Beschwerden der Klägerin nicht genügend Gewicht beigemessen worden. Umschulung und Berufswechsel seien erforderlich gewesen, da sie im erlernten Beruf nicht andauernd leistungsfähig gewesen sei.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die der Klägerin durch die Umschulung zur Kosmetikerin entstandenen Kosten zu erstatten.
Nachdem die Klägerin die Umschulung zur Kosmetikerin selbst durchgeführt hat, richtet sich ihr Begehren nicht mehr auf die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Allgemeinen bzw. auf die Gewährung einer Sachleistung, sondern nur noch auf Kostenerstattung, wie sie in der mündlichen Verhandlung auch beantragt hat. Zwar haben die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 24.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2010 und das SG im Gerichtsbescheid vom 26.05.2011 nicht über die Kostenerstattung entschieden. Dies ist jedoch unschädlich, da es sich bei der Umstellung auf Kostenerstattung für die inzwischen durchgeführte Umschulung zur Kosmetikerin gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht um eine Klageänderung handelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, § 99 Rn. 5 m.w.N.).
Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch den zuständigen Leistungsträger ist § 15 Abs. 1 S. 4, 2. Alt. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX – (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10 R, SozR 4-3500 § 54 Nr. 8 und Urteil vom 20.10.2009, B 5 R 5/07 R, SozR 4-3250 § 14 Nr. 8 und in Juris). Danach sind selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Vorliegend vermag der Senat jedoch nicht festzustellen, dass die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe nicht besteht, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht vorliegen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weit gehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass der Begriff der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht definierten Erwerbsfähigkeit als Fähigkeit des Versicherten zu verstehen ist, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Zu prüfen ist, ob der Versicherte unabhängig von den Besonderheiten des gerade inne gehaltenen Arbeitsplatzes den typischen Anforderungen des ausgeübten Berufs noch nachkommen kann (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 22/08 – SGB 2011, S. 39 ff. und in Juris, und Urteil vom 17.10.2006 – B 5 RJ 15/05 R – SozR 4-2600 § 10 Nr. 2 und in Juris). Was die zu berücksichtigende bisherige Tätigkeit der Klägerin betrifft, so ist damit nicht die letzte Tätigkeit und nicht überhaupt nur eine bisherige Tätigkeit gemeint. Vielmehr sind die beruflichen Tätigkeiten in den letzten Jahren, wenn auch nicht aus allzu lange zurückliegender Zeit in die Betrachtung mit einzubeziehen (so schon BSG, Urteil vom 31.01.1980, 11 RA 8/79, SozR 2200 § 1237a Nr. 10 und in Juris). Als nicht allzu lange zurückliegende Zeit wird von den Rentenversicherungsträgern dabei ein Zeitraum von max. 10 Jahren vor der Antragstellung angesehen. Eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liegt dann vor, wenn nach ärztlicher Feststellung wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionsstörungen damit zu rechnen ist, dass ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintritt. Der Eintritt der Minderung darf nicht nur möglich sein. Es muss eine begründete Aussicht bestehen, dass sie in absehbarer Zeit eintritt. Eine geminderte Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht unwesentlich eingeschränkt ist und der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit normal auszuüben. Die Minderung hat im Gegensatz zur Gefährdung bereits zu einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit geführt (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2012, § 10 SGB VI Rn. 5 ff.).
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf die Tätigkeitsbeschreibung im "Berufenet" das Anforderungsprofil einer Pflegedienstleiterin ausführlich beschrieben und ist aufgrund der Ausführungen im Sachverständigengutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 27.01.2011 nachvollziehbar und überzeugend zum Ergebnis gelangt, dass die leichtgradige Ausprägung der depressiven Symptomatik die Klägerin nicht daran hindert, ihren bisherigen Beruf als Pflegedienst-Leiterin mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Soweit die Klägerin darauf verweist, dass bei einer Tätigkeit als Pflegedienstleiterin die Gefahr einer Selbstüberforderung und eines psychischen und physischen Zusammenbruchs besteht, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen bei ihr lediglich leichtgradig ausgeprägte depressive Verstimmungen vorliegen, die einer Tätigkeit als Pflegedienstleiterin nicht entgegenstehen, und dass die besonderen Belastungen an ihrem früheren Arbeitsplatz, tägliche Fahrten über 400 bis 500 km, Übernahme vertraglich nicht vereinbarter Arbeiten, Übernahme von Pflegetätigkeiten für ausgefallene Mitarbeiter, nicht typisch für die Tätigkeit einer Pflegedienstleiterin sind. Darüber hinaus gehört zu den Tätigkeiten der Klägerin in den letzten Jahren nicht nur ihre Tätigkeit als Pflegedienstleiterin in einem Altenzentrum und in der ambulanten Pflege, sondern auch ihre Tätigkeit als Pflegefachkraft bei der A. H ... Gesundheitliche Gründe, warum die Klägerin diese Tätigkeit nicht mehr verrichten können soll, vermag der Senat nicht festzustellen. Diese ergeben sich auch nicht daraus, dass die Klägerin andere Wertvorstellungen hinsichtlich der zu leistenden Pflege als die Krankenkasse hat.
Da nach den den Senat überzeugenden ärztlichen Feststellungen der Psychiaterin Dr. R., die durch die Aussagen der behandelnden Therapeuten der Klägerin nicht erschüttert und erst Recht nicht widerlegt werden, die Klägerin eine Tätigkeit als Pflegedienstleiterin (zumindest ohne wesentliche krankenpflegerische Tätigkeiten) bzw. als Pflegefachkraft bei einer Krankenkasse noch verrichten kann, sind auch sonstige Rechtsgrundlagen nicht ersichtlich, die einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen der geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründen könnten.
Unabhängig davon, dass der Senat – ebenso wie das SG – nicht festzustellen vermag, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin bei einer Tätigkeit als Pflegedienstleiterin bzw. Pflegefachkraft erheblich gefährdet oder gemindert wäre, dürfte auch eine Förderung der Umschulung zur Kosmetikerin nicht in Betracht kommen, da dadurch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gegebenenfalls auf Dauer nicht abgewendet werden dürfte. Denn bei dieser Tätigkeit fallen zahlreiche körperliche Verrichtungen, Tätigkeiten im Stehen, mit vorgebeugtem Oberkörper, mit Strecken der Arme, Handarbeit (z.B. Maniküre, Pediküre, spezielle Teil- oder Ganzkörpermassagen), Feinarbeiten (Lidschatten, Make-up), an, die im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden der HWS, der LWS, der linken Hand und des linken Armes ungünstig sein könnten.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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