Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 30 AS 337/13 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 185/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Rückausnahme nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB 2 setzt nicht voraus, dass der Leistungsberechtigte im Haushalt der Eltern lebt, sondern findet in jedem Fall des Leistungsausschlusses nach § 2 Abs. 1a BAföG Anwendung.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozial- gerichts Kiel vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch für das Beschwerdeverfahren. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerde- verfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 2. Oktober bis 31. Dezember 2013 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Vorschriften des § 7 Abs. 5 und 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 2 Abs. 1a Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zutreffend angewandt und seine Entscheidung ausführlich begründet. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Gründe, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Auch das Vorbringen des Antragsgegners zur Begründung seiner Beschwerde führt nicht zu einer abweichenden Entscheidung.
Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2009 geklärt, dass ein Auszubildender, der nicht bei seinen Eltern wohnt, nicht aus diesem Grunde von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 61/08 R, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Es ist zwar zutreffend, dass der Personenkreis, dem der Antragstellers angehört, nach der gesetzgeberischen Wertung im BAföG von Leistungen zur Ausbildungsförderung ausgeschlossen werden soll, wenn er nicht bei seinen Eltern wohnt, obwohl er von der Wohnung seiner Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichen könnte. Dies führt jedoch – zumal entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – nicht zu einem vergleichbaren Leistungsausschluss im Grundsicherungsrecht, zumal im SGB II jedenfalls seit dem 1. April 2006 auch spezifische Regelungen geschaffen worden sind, die denkbare finanzielle Anreize für junge Hilfebedürftige, während eines Schulbesuchs aus dem Haushalt der Eltern auszuziehen, beseitigt haben. Dazu gehören die Leistungsabsenkungen sowohl bei den Regelbedarfen als auch bei den Kosten der Unterkunft. Im vorliegenden Verfahren bestehen allerdings keine Anhaltspunkte für eine solche Leistungskürzung, da der Antragsteller gemäß der Bescheinigung des Jugend- und Sozialdienstes des Kreises Rendsburg-Eckernförde im Alter von 16 Jahren völlig unabhängig von der vorliegenden Ausbildung Mitte 2007 u. a. wegen des Entzugs des Sorgerechts für die Mutter in eine Pflegefamilie gegeben worden ist. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Amt für Ausbildungsförderung insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013 zur Versagung von Leistungen nach dem BAföG auf die besondere soziale Situation des Antragstellers hingewiesen hat, die im Förderungssystem des BAföG nicht berücksichtigt werden könne. Allerdings hätten die Jobcenter im Rahmen des SGB II die Möglichkeit, soziale Gesichtspunkte – wie sie vorliegend durch den Jugend- und Sozialdienst des Kreises Rendsburg-Eckernförde bestätigt worden seien – bei der Gewährung von Leistungen zu berücksichtigen, weshalb sich der Antragsteller mit dem zuständigen Jobcenter in Verbindung setzen solle. Hintergrund der auch nach Auffassung des Senats zutreffenden Ausführungen des Amtes für Ausbildungsförderung ist, dass die in § 2 Abs. 1a Satz 2 BAföG vorgesehene Rechtsverordnung der Bundesregierung über die Gewährung von Ausbildungsförderung auch in den Fällen, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist, nach wie vor nicht verabschiedet ist und daher allein die räumliche Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort als Entscheidungsgrundlage nach dem BAföG dienen kann (vgl. etwa Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2013 – 12 A 2601/11, zitiert nach juris Rn. 32 f.).
Auch dieser Gesichtspunkt spricht für eine Leistungsberechtigung des Antragstellers nach dem SGB II durch das System der Grundsicherung, das, anders als das BAföG mit seinen insgesamt pauschalierten und nicht durchgehend bedarfsdeckenden Leistungen, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat (vgl. auch BSG, a.a.O., Rn. 19).
Da die Beschwerde in der Sache zurückzuweisen ist, kann offenbleiben, ob durch die zwischenzeitliche Bewilligung von vorläufigen Leistungen mit Bescheid des Antraggegners vom 15. Oktober 2013 auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ohne Hinweis auf das vorliegende Eilverfahren nicht ein eigenständiger Rechtsgrund für den Leistungsanspruch des Antragstellers geschaffen worden ist, der das Rechtsschutzbedürfnis des Antragsgegners für die Beschwerde entfallen lässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Wegen des vorrangigen Kostenerstattungsanspruchs war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 2. Oktober bis 31. Dezember 2013 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Vorschriften des § 7 Abs. 5 und 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 2 Abs. 1a Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zutreffend angewandt und seine Entscheidung ausführlich begründet. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Gründe, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Auch das Vorbringen des Antragsgegners zur Begründung seiner Beschwerde führt nicht zu einer abweichenden Entscheidung.
Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2009 geklärt, dass ein Auszubildender, der nicht bei seinen Eltern wohnt, nicht aus diesem Grunde von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 61/08 R, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Es ist zwar zutreffend, dass der Personenkreis, dem der Antragstellers angehört, nach der gesetzgeberischen Wertung im BAföG von Leistungen zur Ausbildungsförderung ausgeschlossen werden soll, wenn er nicht bei seinen Eltern wohnt, obwohl er von der Wohnung seiner Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichen könnte. Dies führt jedoch – zumal entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – nicht zu einem vergleichbaren Leistungsausschluss im Grundsicherungsrecht, zumal im SGB II jedenfalls seit dem 1. April 2006 auch spezifische Regelungen geschaffen worden sind, die denkbare finanzielle Anreize für junge Hilfebedürftige, während eines Schulbesuchs aus dem Haushalt der Eltern auszuziehen, beseitigt haben. Dazu gehören die Leistungsabsenkungen sowohl bei den Regelbedarfen als auch bei den Kosten der Unterkunft. Im vorliegenden Verfahren bestehen allerdings keine Anhaltspunkte für eine solche Leistungskürzung, da der Antragsteller gemäß der Bescheinigung des Jugend- und Sozialdienstes des Kreises Rendsburg-Eckernförde im Alter von 16 Jahren völlig unabhängig von der vorliegenden Ausbildung Mitte 2007 u. a. wegen des Entzugs des Sorgerechts für die Mutter in eine Pflegefamilie gegeben worden ist. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Amt für Ausbildungsförderung insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013 zur Versagung von Leistungen nach dem BAföG auf die besondere soziale Situation des Antragstellers hingewiesen hat, die im Förderungssystem des BAföG nicht berücksichtigt werden könne. Allerdings hätten die Jobcenter im Rahmen des SGB II die Möglichkeit, soziale Gesichtspunkte – wie sie vorliegend durch den Jugend- und Sozialdienst des Kreises Rendsburg-Eckernförde bestätigt worden seien – bei der Gewährung von Leistungen zu berücksichtigen, weshalb sich der Antragsteller mit dem zuständigen Jobcenter in Verbindung setzen solle. Hintergrund der auch nach Auffassung des Senats zutreffenden Ausführungen des Amtes für Ausbildungsförderung ist, dass die in § 2 Abs. 1a Satz 2 BAföG vorgesehene Rechtsverordnung der Bundesregierung über die Gewährung von Ausbildungsförderung auch in den Fällen, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist, nach wie vor nicht verabschiedet ist und daher allein die räumliche Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort als Entscheidungsgrundlage nach dem BAföG dienen kann (vgl. etwa Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2013 – 12 A 2601/11, zitiert nach juris Rn. 32 f.).
Auch dieser Gesichtspunkt spricht für eine Leistungsberechtigung des Antragstellers nach dem SGB II durch das System der Grundsicherung, das, anders als das BAföG mit seinen insgesamt pauschalierten und nicht durchgehend bedarfsdeckenden Leistungen, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat (vgl. auch BSG, a.a.O., Rn. 19).
Da die Beschwerde in der Sache zurückzuweisen ist, kann offenbleiben, ob durch die zwischenzeitliche Bewilligung von vorläufigen Leistungen mit Bescheid des Antraggegners vom 15. Oktober 2013 auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ohne Hinweis auf das vorliegende Eilverfahren nicht ein eigenständiger Rechtsgrund für den Leistungsanspruch des Antragstellers geschaffen worden ist, der das Rechtsschutzbedürfnis des Antragsgegners für die Beschwerde entfallen lässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Wegen des vorrangigen Kostenerstattungsanspruchs war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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