L 29 AS 2414/13 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 117 AS 18909/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 2414/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2013 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1964 geborene Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin. Sie ist nach eigenen Angaben verheiratet mit einem 1946 geborenen polnischen Staatsbürger (im Folgenden: Ehemann), der nach einer Anmeldebestätigung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin seit dem 4. November 2010 in Berlin gemeldet ist. Der Ehemann erhält nach seinen Angaben vom 6. Juni 2013 eine Altersrente aus der polnischen Rentenversicherung in monatlicher Höhe von rund 100 EUR und Sozialhilfe.

Ausweislich einer weiteren Anmeldebestätigung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 28. Mai 2013 meldete sich auch die Antragstellerin mit diesem Datum unter derselben Anschrift wie ihr Ehemann an. Mit schriftlichem Antrag vom 29. Mai 2013, bei dem Antragsgegner eingegangen am 30. Mai 2013, beantragten die Antragstellerin sowie ihr Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht geltend gemacht. Außerdem erklärten beide, als Arbeitsuchende freizügigkeitsberechtigt zu sein. Der Ehemann erklärte außerdem, das Datum seiner ersten Einreise (in die Bundesrepublik Deutschland) sei am 4. November 2010 und seiner letzten Einreise sei am 25. Mai 2013 gewesen. Die Antragstellerin erklärte, kein Einkommen zu erzielen und auch keiner Tätigkeit nachzugehen; sie sei am 23. Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Mit Bescheid vom 26. Juli 2013 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin unter Hinweis auf den Leistungsausschluss § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ab.

Am 5. August 2013 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Zeitraum vom 5. August 2013 bis zum 30. November 2013 monatliche Leistungen in Höhe von 345 EUR (für die Zeit vom 5. August 2013 bis zum 31. August 2013 anteilig 310,50 EUR) vorläufig zu bewilligen und auszuzahlen. Ihr seien Leistungen zu gewähren, da sie weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Ihr monatlicher Bedarf liege bei 345 EUR. Ihr Ehemann sei Rentner und sie würden bei einem Bekannten wohnen, ohne Miete zu zahlen. Sie sei auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II angewiesen, um Lebensmittel zu kaufen.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Schreiben vom 15. August 2013 den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass ein Leistungsanspruch für die ersten drei Monate nach der Einreise nicht bestehe und die Dreimonatsfrist liefe erst am 23. August 2013 ab. Außerdem hat das Sozialgericht zur Vorlage von Unterlagen über die Einkommensverhältnisse aufgefordert.

Mit Schriftsatz vom 15. August 2013 hat daraufhin die Antragstellerin erklärt, der Ehemann wohne schon seit drei Jahren in Deutschland und daher gelte die Ausschlussfrist von drei Monaten nach Einreise nicht. Außerdem hat die Antragstellerin die Kopie eines Bewilligungsbescheides des Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 8. August 2013 über die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) für den Ehemann für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Mai 2014 in monatlicher Höhe von 245 EUR übersandt.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 28. August 2013 den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit ab dem 28. August 2013 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 26. Juli 2013, längstens jedoch bis zum 30. November 2013, anteilig für August 2013 36,80 EUR und für die Monate September bis November 2013 monatlich 276 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II verstoße gegen Art. 4 VO (EG) 883/2004. Der Antragstellerin seien daher Leistungen ab dem Zeitpunkt der Entscheidung zu bewilligen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner am 5. September 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg u.a unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 5. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin verweist auf ihre Anträge und dem Vortrag aus im erstinstanzlichen Verfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (Behelfsakte, ) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Antragsgegner zu Unrecht vorläufig zur Leistung für die Antragstellerin verpflichtet.

Nach § 86b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).

Für den Zeitraum bis zur Entscheidung des erkennenden Senates ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Hierzu sind Tatsachen jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich.

Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zumindest dieser fehlende Anordnungsanspruch steht der begehrten einstweiligen Anordnung auch für die Zukunft entgegen.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitneh- mer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II).

Nach diesen Regelungen ist der begehrte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht überwiegend wahrscheinlich im Sinne der Legaldefinition des § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X und damit nicht glaubhaft gemacht.

Ob die einzelnen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach § 7 SGB II vorliegen würden kann dahinstehen, weil die Antragstellerin jedenfalls nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen wäre, da für sie als Ausländerin vorliegend ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allenfalls zum Zweck der Arbeitsuche in Betracht kommt. Nach ihren eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren ist dies auch der Zweck, aus dem sie selbst ihr Aufenthaltsrecht behauptet.

Wie schon das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R, zitiert nach juris) ausgeführt hat, greift der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht, wenn ein anderes Aufenthaltsrecht als zum Zweck der Arbeitssuche besteht. Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU oder gegebenenfalls dem begrenzt subsidiär (bis zum 30. Juni 2011) anwendbaren Aufenthaltsgesetz.

Ein anderes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin lässt sich allerdings nicht erkennen.

Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2004, 1950, 1986) haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

Gemäß § 2 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU in der seit dem 29. Januar 2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 86) sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt: 1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, 2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige), 3. Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind, 4. Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen, 5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4, 6. Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4, 7. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.

Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU bleibt das Recht nach Absatz 1 für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei

1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, 2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstän- dige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, 3. Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat.

Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU).

Für Familienangehörige regelt § 3 Freizügigkeitsgesetz/EU folgendes:

(1) Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger haben das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Für Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 5 genannten Unionsbürger gilt dies nach Maßgabe des § 4.

(2) Familienangehörige sind

1. der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind,

2. die Verwandten in aufsteigender und in absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren.

(3) Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, behalten beim Tod des Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht, wenn sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 erfüllen und sich vor dem Tod des Unionsbürgers mindestens ein Jahr als seine Familienangehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben. § 3 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 6 und 7 sind für Personen nach Satz 1 nicht anzuwenden; insoweit ist das Aufenthaltsgesetz anzuwenden.

(4) Die Kinder eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers und der Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich ausübt, behalten auch nach dem Tod oder Wegzug des Unionsbürgers, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, bis zum Abschluss einer Ausbildung ihr Aufenthaltsrecht, wenn sich die Kinder im Bundesgebiet aufhalten und eine Ausbildungseinrichtung besuchen.

(5) Ehegatten oder Lebenspartner, die nicht Unionsbürger sind, behalten bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft ein Aufenthaltsrecht, wenn sie die für Unionsbürger geltenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 erfüllen und wenn

1. die Ehe oder die Lebenspartnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet,

2. ihnen durch Vereinbarung der Ehegatten oder der Lebenspartner oder durch gerichtliche Entscheidung die elterliche Sorge für die Kinder des Unionsbürgers übertragen wurde,

3. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder dem Lebenspartner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange ein Festhalten an der Ehe oder der Lebenspartnerschaft nicht zugemutet werden konnte, oder

4. ihnen durch Vereinbarung der Ehegatten oder der Lebenspartner oder durch gerichtliche Entscheidung das Recht zum persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind nur im Bundesgebiet eingeräumt wurde.

§ 3 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 6 und 7 sind für Personen nach Satz 1 nicht anzuwenden; insoweit ist das Aufenthaltsgesetz anzuwenden.

Nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU haben nicht erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Hält sich der Unionsbürger als Student im Bundesgebiet auf, haben dieses Recht nur sein Ehegatte, Lebenspartner und seine Kinder, denen Unterhalt gewährt wird.

Nach diesen Regelungen ist ein weiteres Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich.

Ein anderes Aufenthaltsrecht aus § 2 ff. Freizügigkeitsgesetz/EU ergibt sich insbesondere nicht zur "Familienzusammenführung" als Familienangehöriger im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 6 Freizügigkeitsgesetz/EU in Verbindung mit §§ 3 und 4 Freizügigkeitsgesetz/EU.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass nach den Angaben im Verwaltungsverfahren die Einreise der Antragstellerin am 23. Mai 2013 und damit vor der (letzten) Einreise des Ehemannes am 25. Mai 2013 erfolgt ist. Danach wäre die Antragstellerin jedoch schon nicht zur Familienzusammenführung eingereist, weil sich der Ehemann zum Zeitpunkt der Einreise der Antragstellerin selbst nach seinen eigenen Angaben gar nicht in Deutschland aufhielt.

Weiter ist festzustellen, dass der Ehemann sich nach seinen eigenen Angaben nicht durchgehend seit 2010 in Deutschland aufgehalten hat, sondern wiederholt eingereist ist.

Schließlich ist festzustellen, dass für die Antragstellerin vom Ehemann schon deshalb kein weiteres Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 Freizügigkeitsgesetz/EU ableitbar ist, weil die Voraussetzungen der §§ 3 und 4 Freizügigkeitsgesetz/EU nicht glaubhaft gemacht worden sind. Der 1946 geborene Ehemann der Antragstellerin ist polnischer Altersrentner und bezieht nach dem vorgelegten Bewilligungsbescheid des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 8. August 2013 im streitigen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Eine Arbeitsuche oder die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit wird von ihm nicht einmal behauptet. Danach kann eine Erwerbsfähigkeit des Ehemannes nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden und für ihn könnte ein eigenes Aufenthaltsrecht allenfalls nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 Freizügigkeitsgesetz/EU bestehen. Dies bedeutet, dass schon er ein Aufenthaltsrecht nur nach Maßgabe des § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU hätte, wenn er über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Auch diese Voraussetzungen sind aber im Hinblick auf die eigenen Angaben und die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen durch das Bezirksamt nicht glaubhaft gemacht.

Entsprechend kann auch die Antragstellerin aus dem Aufenthalt ihres Ehemannes kein eigenes Aufenthaltsrecht ableiten, weil dies bei Familienangehörigen der in § 2 Abs. 2 Nr. 5 Freizügigkeitsgesetz/EU genannten Unionsbürger auch nur nach Maßgabe des § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU möglich ist. Die Antragstellerin verfügt jedoch nach ihren eigenen Angaben ebenfalls nicht über Einkünfte oder Vermögen und damit nicht über ausreichende Existenzmittel.

Ein weiteres Aufenthaltsrecht der Antragstellerin insbesondere über § 11 Abs. 1 S. 5 Freizügigkeitsgesetz /EU in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung vom 19. August 2007 (Bundesgesetzblatt I 1970) und das Aufenthaltsgesetz (siehe hierzu BSG, B 4 AS 54/12 R, a.a.O) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Regelungen zum Zeitpunkt der Einreise der Antragstellerin (23. Mai 2013) nicht mehr anwendbar waren und sich danach ein Aufenthaltsrecht nur noch aus dem geltenden Freizügigkeitsgesetz/EU ergeben kann.

Lässt sich mithin aber ein Aufenthaltsrecht allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, so greift der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, der nach Ansicht des Senats anwendbar ist.

Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass er eine Europarechtswidrigkeit dieser Regelung nicht feststellen kann. Im Anschluss an die Entscheidung des 20. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 29. Februar 2012 ( L 20 AS 2347/11 B ER, zitiert nach juris) hat der Senat schon mehrfach darauf hingewiesen (unter anderen in den Beschlüssen vom 5. März 2012, L 29 AS 414/12 B ER, vom 7. Juni 2012, L 29 AS 920/12 B ER, vom 12. Juni 2012, L 29 AS 914/12 B ER, vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER und vom 9. November 2012, L 29 AS 1782/12 B ER, jeweils zitiert nach juris), dass nur eine Überzeugung von der Europarechtswidrigkeit dieser Regelung ausnahmsweise berechtigen könnte, dieses formelle Gesetz nicht anzuwenden. Die Nichtanwendung eines in Kraft getretenen Gesetzes (hier § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II) stellt einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dar (vgl. zur Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, 1 BvR 2492/08, zitiert nach juris) und birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG). Nicht zuletzt deshalb ist nach Art. 100 GG ein Gesetz auch nur dann nicht anzuwenden und das Verfassungsgericht anzurufen, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt ist.

Dieser Maßstab gilt nach Ansicht des Senats auch bei einer vermeintlichen Europarechtswidrigkeit der anzuwendenden einfachgesetzlichen Regelung. Es wäre ein eklatanter Wertungswiderspruch, wenn lediglich "Zweifel" an der Vereinbarkeit einer einfachgesetzlichen Norm mit der Verfassung noch zur Anwendung des Gesetzes führen, solche Zweifel im Hinblick auf Europarechtliche Regelungen, die nicht einmal den Rang von Verfassungsrecht haben, aber zur Nichtanwendung der gesetzlichen Regelung berechtigen würden. Entsprechend kann eine Nichtanwendung allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das erkennende Gericht zu der Überzeugung eines Verstoßes der anzuwendenden Regelung gegen höherrangiges europäisches Recht kommt. Eine solche Überzeugung von einem Verstoß des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gegen Recht der Europäischen Union konnte und kann der Senat aus den in den oben genannten Beschlüssen genannten Gründen nicht gewinnen. Der Senat verweist insoweit auf seine bisherige Rechtsprechung, insbesondere die oben genannten Beschlüsse, und sieht von einer Wiederholung der Ausführungen hierzu ab.

Schließlich besteht wegen der nicht feststellbaren Europarechts- bzw. Völkerrechtswidrigkeit des Leistungsausschlusses auch nicht die Möglichkeit einer Entscheidung über eine Folgenabwägung, weil dies letztlich zur Nichtanwendung der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und zu einer unzulässigen Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung führen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, ausführlich u.a. Beschluss vom 22. August 2013, L 29 AS 1952/13 B ER, m.w.N., zitiert nach juris).

Danach ist abschließend festzustellen, dass jedenfalls zumindest aufgrund des anzuwendenden Leistungsausschlusses § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches nicht gelungen ist.

Mit diesem Beschluss hat sich auch der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 SGG erledigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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