Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 5401/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 10/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20.12.2013 abgeändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig vom 02.12.2013 bis zum 30.04.2014 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von vorläufigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.12.2013, wobei die Erwerbsfähigkeit streitig ist.
Die 1983 geborene Antragsstellerin bezieht seit November 2006 mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Antragsgegner bewilligte ihr mit Bescheid vom 18.01.2013 Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis zum 31.08.2013. Vor dem Sozialgericht Freiburg (SG; Az.: S 18 AS 1362/13) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; Az.: L 9 AS 1755/13 ER-B) beantragte die Antragstellerin in der Folge die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1506/13 geführten Klage bezüglich zweier Absenkungsbescheide vom 14.01.2013 und 12.02.2013 (Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013). Das LSG hat mit Beschluss vom 08.05.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, es bestünden Zweifel an der subjektiven Zurechenbarkeit der Pflichtverletzung und der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin.
Der Antragsgegner versuchte im Folgenden, Ermittlungen über den Gesundheitszustand der Antragstellerin durchzuführen. Jedoch erschien die Antragstellerin weder zu Meldeterminen am 29.05.2013 und 21.06.2013 noch zu einem Termin beim Berufspsychologischen Service der Agentur für Arbeit am 21.08.2013. Auch legte die Antragstellerin, trotz entsprechender Aufforderung, eine Erklärung über die Entbindung ihrer behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zunächst nicht beim Antragsgegner vor.
Mit Schreiben vom 25.06.2013 (Bl. 754 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 15.07.2013 zur Mitwirkung nach § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) durch Vorlage eines Weiterbewilligungsantrages ab September 2013 und Vorlage von ausgefüllten und unterschriebenen Unterlagen zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit auf. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die Leistungen nach §§ 60, 66, 67 SGB I nach Fristablauf bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden könnten. Nachdem die Antragstellerin am 02.07.2013 den Weiterbewilligungsantrag ohne Unterschrift vorlegte, wiederholte der Antragsgegner seine Aufforderung zur Mitwirkung mit Schreiben vom 04.07.2013 (Bl. 762 der Verw.akte) unter Fristsetzung bis zum 12.07.2013. Die Antragstellerin legte hierauf den ausgefüllten und unterschriebenen Weiterbewilligungsantrag, nicht jedoch die weiteren angeforderten Unterlagen bei dem Antragsgegner vor. Mit weiterem Schreiben vom 11.07.2013 (Bl. 773 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin nochmals unter Bezugnahme auf §§ 60, 66, 67 SGB I, nunmehr unter Fristsetzung bis zum 19.07.2013, zur Mitwirkung durch Vorlage eines vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Gesundheitsfragebogens auf. Nachdem die Antragstellerin diesen vorlegte, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter dem 15.07.2013 nunmehr zur Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklä¬rung bezüglich ihres Hausarztes und anderer behandelnder Ärzte auf. Der Antragsgegner setzte eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 24.07.2013 und wies erneut auf die Regelungen der §§ 60, 66, 67 SGB I hin. Mit Schreiben vom 22.07.2013 teilte die Antragstellerin mit, dass der Antragsgegner keine weiteren Unterlagen mehr von ihr erhalten werde.
Mit Bescheid vom gleichen Tag versagte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für die Zeit ab dem 01.09.2013 nach §§ 60, 66 SGB I. Dieser Bescheid ist mittlerweile be-standskräftig. Das SG verpflichtete im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner mit Beschluss vom 26.08.2013 (Az.: S 18 AS 3691/13 ER), der Antragstellerin vorläufig ab dem 01.09.2013 bis zur Bestands- oder Rechtskraft des Bescheides vom 22.07.2013, längstens jedoch bis zum 30.11.2013, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach zu gewähren. Das SG hatte unter anderem ausgeführt, dass noch Ermittlungen im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durchzuführen seien. Die Befristung der einstweiligen Anordnung auf drei Monate erfolge daher im Hinblick auf die Einholung eines Gutachtens der Prof. Dr. E. im Hauptsacheverfahren S 18 AS 1506/13. Der Antragsgegner setzte diese einstweilige Anordnung mit Bescheid vom 29.08.2013 um.
In dem vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1506/13 geführten Rechtsstreit hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.07.2013 mitgeteilt, dass sie die vom Gericht angeforderte Erklärung über die Entbindung ihrer behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zunächst nicht vorlegen werde. Zu einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage in diesem Rechtsstreit am 26.08.2013 ist die Antragstellerin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen. Das SG hat sodann Prof. Dr. E. mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Einen Termin beim Berufspsychologischen Service des Antragsgegners am 26.09.2013 nahm die Antragstellerin ebensowenig wahr, wie die Begutachtungstermine bei Prof. Dr. E. am 22.10.2013, 31.10.2013 und 27.11.2013. Prof. Dr. E. verfasste daher nach Aktenlage unter dem 09.12.2013 ein kurzes psychiatrisches Gutachten, wonach eine Diagnosestellung nicht möglich sei. Das Vorliegen einer Erkrankung bzw. einer krankheitswertigen Symptomatik sei aber wahrscheinlich.
Die Antragstellerin beantragte am 16.10.2013 die Weitergewährung von Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.12.2013. Mit Schreiben vom 17.10.2013 (Bl. 950 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 03.11.2013 zur Mitwirkung nach § 60 SGB I durch Vorlage von ausgefüllten und unterschriebenen Unterlagen zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit auf. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die Leistungen nach §§ 60, 66, 67 SGB I nach Fristablauf bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden könnten. Mit Schreiben vom 18.11.2011 (Bl. 954 der Verw.akte) teilte die Antragstellerin mit, dass sie keine Behinderung habe und keine psy¬chischen oder ernstzunehmenden Probleme habe und ein gesunder Mensch sei.
Zu einem weiteren Termin beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners am 27.11.2013 erschien die Antragstellerin wiederum nicht. Zur Begründung führte sie in mehreren Schriftsätzen sinngemäß aus, dass sie alles erforderliche getan habe. Sie habe die Schweigepflichtsentbindungserklärung vorgelegt. Ein Besuch bei einem Arzt in F. sei daher ihrer Ansicht nach nicht erforderlich. Außerdem nehme sie Termine nicht mehr wahr, be¬vor ihr nicht Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2013 bewilligt würden. Außerdem hätten weder der Antragsgegner noch das SG das Recht, sie zu einer psychiatrischen Untersuchung zu schicken. Dies entscheide wenn überhaupt nur ein Hausarzt.
Dr. W. vom ärztlichen Dienst des Antragsgegners (Bl. 966, 967 der Verw.akte) führte in seinen Stellungnahmen vom 28.11.2013 und 02.12.2013 aus, dass ihm zwar ein Befundbericht des Hausarztes zugeleitet worden sei, eine abschließende Bewertung des Leistungsvermögens der Antragstellerin auf dieser Grundlage aber nicht möglich sei. Die Ausführungen des Hausarztes seien dünn und der letzte fachärztliche Bericht datiere aus dem Jahr 2008. Eine Schweigepflichtsentbindung sei nur gegenüber der Deutschen Rentenversicherung abgegeben worden. Es gäbe aber keinen Hinweis darauf, dass die Deutsche Rentenversicherung irgendwie tätig gewesen sein könnte.
Mit Schreiben vom 02.12.2013 (Bl. 985 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 06.12.2013 zur Mitwirkung nach § 60 SGB I durch Kontaktaufnahme mit der Kundenbetreuerin zur Vereinbarung eines Termins bei dem Ärztlichen Dienst auf. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die Leistungen nach §§ 60, 66 SGB I nach Fristablauf bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden könnten. Eine Kontaktaufnahme zur Vereinbarung eines Termins erfolgte seitens der Antragstellerin nicht.
Am 02.12.2013 stellte die Antragstellerin beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 18 AS 5401/13). Sie trug vor, sie habe eine Entbindungserklärung unterschrieben beim Antragsgegner abgegeben. Des Wei¬teren sei sie der Auffassung, dass der Antragsgegner ihr Leistungen gewähren müsse, bis geklärt sei, ob sie erwerbsfähig sei oder nicht. Insbesondere werde sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, solange sie nicht die vollen Leistungen erhalte. Erst dann werde sie einen Termin bei dem Berufspsychologischen Dienst ausmachen. Außerdem habe der Antragsgegner in den letzten drei Monaten seit dem letzten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Erwerbsfä¬higkeit nicht geklärt, sondern sich Zeit gelassen. Sie sei außerdem gar nicht verpflichtet, sich be¬gutachten zu lassen. Denn dies dürfe nur ein Hausarzt entscheiden. Sie sei ein gesunder Mensch und könne eine Arbeit von acht bis neun Stunden am Tag annehmen.
Der Antragsgegner versagte der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.12.2013 Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2013 nach §§ 60, 66 SGB I (Bl. 1045 der Verw.akte).
Das SG hat mit Beschluss vom 11.12.2013 den Landkreis B.-H. - Kreissozialamt - zum Verfahren beigeladen und mit Beschluss vom 20.12.2013 den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Antragstellerin sei nach §§ 60, 62 SGB I verpflichtet, einen Termin beim Berufspsychologischen Dienst des Antragsgegners zu vereinbaren und sich dort untersuchen zu lassen. Ohne eine persönliche Begutachtung könne nicht geklärt werden, ob die Antragstellerin erwerbsfähig sei. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sie gesundheitlich nicht in der Lage sei, sich begutachten zu lassen, bestünden nicht.
Hiergegen richtet sich die am 30.12.2013 beim LSG eingelegte Beschwerde der Antragstellerin (Az.: L 1 AS 10/14 ER-B), mit der sie im Wesentlichen geltend macht, die Unterlagen ihres Hausarztes habe der Antragsgegner bereits am 05./06.11.2013 erhalten. Sie selbst sei erst am 28.11.2013 über den Termin zur Untersuchung am 28.11.2013 informiert worden. Sie habe diesen Termin mangels Leistungen nicht wahrnehmen können. Die Einladung für den 26.09.2013 habe sie nicht erhalten. Solange die Erwerbsfähigkeit nicht geklärt sei, müsse der Antragsgegner vorläufig leisten, nur der Hausarzt dürfte sie an einen Psychologen überweisen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20.12.2013 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr vorläufig ab dem 01.12.2013 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 sei nicht zu beanstanden. Denn ohne eine ärztliche oder psychologische Untersuchungsmaßnahme könne die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin nicht positiv festgestellt werden. Die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin sei jedoch Voraussetzung für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II.
Telefonisch hat die Antragstellerin der Geschäftsstelle des Senats mitgeteilt, sobald sie Leistungen erhalte, werde sie zum psychologischen Dienst nach F. fahren. Aber ohne Geld könne sie sich die Fahrtkosten nicht leisten.
Hinsichtlich des weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten S 18 AS 5401/13 ER, S 18 AS 3691/13 ER, S 18 AS 3690/13 ER, S 18 AS 1506/13, L 9 AS 1755/13 ER-B, L 9 AS 1739/13 und L 1 AS 14/10 ER-B sowie auf die vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und nach § 172 SGG auch im Übrigen statthafte Beschwerde ist - im tenorierten Umfang - begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG hat für den Zeitraum ab Ersuchen um gerichtlichen Eilrechtsschutz am 02.12.2013 Erfolg. Soweit die Antragstellerin bereits ab dem 01.12.2013 die Gewährung von Leistungen begehrt, musste die Beschwerde zurückgewiesen werden, da Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Regelfall erst ab Antragseingang bei Gericht und mithin nicht rückwirkend gewährt werden können (vgl. Senatsbeschluss v. 02.12.2012 - L 1 AS 3635/13 ER-B m.w.N.).
Eine Regelungsanordnung im Sinne der Verpflichtung zur vorläufigen Leistung kann auch bei Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 SGB I ergehen, da bei Leistungen zum Lebensunterhalt nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG v. 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg v. 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und v. 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Unter Beachtung dieser Grundsätze führt eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragstellerin vorliegend dazu, dass ihr - im tenorierten Umfang - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II) zu gewähren sind.
Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Mitwirkungsobliegenheiten des SGB I (§ 60 ff.) auch im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung finden, soweit keine bereichsspezifischen Mitwirkungsobliegenheiten anwendbar sind (BSG v. 28.03.2013 - B 4 AS 42/12 R = SozR 4-1200 § 60 RdNr. 14; v. 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr. 13). Vor diesem Hintergrund war der Antragsgegner gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I auch berechtigt, von der Antragstellerin die Vorlage der Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht zu fordern. Die Rechtsgrundlagen für die Mitwirkung an einer ärztlicher Untersuchung sind jedoch weiterhin ungeklärt (vgl. hierzu nur Knapp in jurisPK-SGB II, § 44a RdNr. 46.1 m.w.N., Stand August 2013). Zum einen wird die Auffassung vertreten, die Anwendung des § 62 SGB I scheide aus, da § 59 SGB II i.V.m. § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eine abschließende Regelung (mit der Rechtsfolge des § 32 SGB II) über das Erscheinen zum Untersuchungstermin und die Mitwirkung bei der Untersuchung enthalte (Blüggel in: Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Aufl. 2013, § 8 RdNr. 49, § 59 RdNr. 13 f.; Hessisches LSG v. 22.06.2011 - L 7 AS 700/10 B ER = info also 2012, 174). Zum anderen wird davon ausgegangen, dass zwischen der Pflicht zum Erscheinen nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III und der Pflicht, sich einer ärztlichen und psychologischen Untersuchung zu unterziehen (§ 62 SGB I), unterschieden werden müsse (Bayerisches LSG v. 31.08.2012 - L 7 AS 601/12 B ER = juris; Hammel in: NDV 2012, 397, 399 f.). Teilweise wird - ohne nähere Begründung - auch die Auffassung vertreten, der Leistungsträger müsse bis zur Klärung der Erwerbsfähigkeit stets Leistungen nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II gewähren, wobei die Regelungen der §§ 60 ff. SGB I anwendbar seien (LSG Nordrhein-Westfalen v. 23.05.2007 - L 19 B 48/07 AS und L 19 B 47/07 AS ER = juris).
Insofern ist noch nicht abschließend geklärt, ob für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers bzw. Leistungsberechtigten eine bereichsspezifische Mitwirkungsobliegenheit besteht. Diese Frage kann für die Entscheidung im hiesigen Verfahren jedoch offen bleiben. Denn die Versagung von SGB-II-Leistungen stellt sich vorliegend in jedem Fall als rechtswidrig dar. Vertritt man die Auffassung, dass § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III eine die allgemeinen Regelungen der §§ 60 ff. SGB I verdrängende, mithin bereichsspezifische Regelung darstellt, so wurde die Antragstellerin weder in dem Aufforderungsschreiben vom 17.10.2013 (Bl. 950 der Verw.akte) noch in dem vom 02.12.2013 (Bl. 985 der Verw.akte) auf die Rechtsfolge des § 32 SGB II hingewiesen und mithin nicht ordnungsgemäß belehrt. Ist man hingegen der Meinung, dass vorliegend die §§ 60 ff. SGB I einschlägig sind, so ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht, die ihr im Schreiben vom 17.10.2013 auferlegt wurde, nachgekommen ist, indem sie die Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht (eingehender hierzu weiter unten) vorgelegt hat. Zum anderen ist schon nicht ersichtlich, ob es sich bei dem Aufforderungsschreiben vom 02.12.2013 um eine Meldeaufforderung oder um die Verpflichtung, sich einer ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahme zu unterziehen, handelt. Die Antragstellerin wurde hierin nur aufgefordert, sich mit ihrer Kundenbetreuerin bis zum 06.12.2013 in Verbindung zu setzen, um einen Termin beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners zu vereinbaren. Ob hiermit eine Verpflichtung nach § 62 SGB I beabsichtigt war, lässt sich dem Schreiben nicht eindeutig entnehmen, was zu Lasten des Antragsgegners geht. Soweit eine Verpflichtung der Antragstellerin nach § 62 SGB I beabsichtigt war, leidet das Aufforderungsschreiben zudem an einer ordnungsgemäßen Belehrung, da auf die Grenzen der Mitwirkungspflichten nach § 65 Abs. 2 SGB I nicht hingewiesen wurde (vgl. hierzu Lilge, Kommentar zum SGB I, 3. Aufl. 2012, § 65 RdNr. 4).
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Leistungsträger ärztliche und psychologische Untersuchungen nur veranlassen darf, wenn sich der Sachverhalt nicht auf andere Weise klären lässt (Lilge, a.a.O., § 62 RdNr. 5). Dies zeigt auch die Regelung des § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I, wonach die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I nicht bestehen, soweit der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass die Antragstellerin ihrer vom Antragsgegner auferlegten Mitwirkungsverpflichtung im November 2013 insofern nachgekommen ist, als sie sowohl ihren Hausarzt als auch die deutsche Rentenversicherung von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat. Zwar befinden sich die entsprechenden Schriftstücke nicht in den vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten. Der Senat entnimmt dies jedoch dem eigenen Vortrag des Antragsgegners, der die Vorlagen den entsprechenden Schriftstücke der Antragstellerin schriftlich im Beschwerdeverfahren bestätigt hat. Aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht konnte der ärztliche Dienst des Antragsgegners den Befundbericht des Hausarztes, der sich ebenfalls nicht in den vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten befindet, vom 23.11.2013 beiziehen. Vom ärztlichen Dienst des Antragsgegners wurde zwar im Vermerk vom 28.11.2013 (Bl. 1032 der Verw.akte) geltend gemacht, der Befundbericht des Hausarztes reiche für eine abschließende Bewertung des Leistungsvermögens nicht aus. Dies kann aber zum einen nicht überprüft werden, da sich dieser Befundbericht - wie bereits dargelegt - nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindet. Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb der ärztliche Dienst nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich nochmals mit dem Hausarzt der Antragstellerin in Verbindung zu setzen, um eventuelle Unklarheit bezüglich der Erwerbsfähigkeit zu beseitigen. Schließlich geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht hervor, ob der Antragsgegner bzw. sein ärztlicher Dienst bereits Auskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung eingeholt hat. All dies sind jedoch Maßnahmen, mit Hilfe derer sich der Antragsgegner die für ihn erforderlichen Kenntnisse (mit einem - im Hinblick auf eine ärztliche Untersuchung - geringeren Aufwand als für die Antragstellerin, vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) beschaffen kann.
Schließlich steht der Leistungsgewährung auch nicht der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 entgegen. Zwar steht ein bestandskräftiger Versagungsbescheid einer Leistungsgewährung für die Dauer der fehlenden Mitwirkung entgegen, was auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gilt. Der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 ist aber ist nicht bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden. Der Senat geht davon aus, dass die - nicht vertretene - Antragstellerin hiergegen am 11.12.2013 (Bl. 1037 der Verw.akte) Widerspruch eingelegt und diesen auch am 12.12.2013 (Bl. 1047 der Verw.akte) weiter begründet hat. Ob ein Widerspruch eingelegt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Widerspruch muss nicht unbedingt als Widerspruch bezeichnet sein (BSG v. 13.07.2010 - B 8 SO 11/09 R; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 83 RdNr. 2). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften. Der Begriff Widerspruch muss nicht ausdrücklich verwendet werden; ausreichend ist es vielmehr, wenn hinreichend deutlich wird, dass sich die Antragstellerin gegen die von dem Antragsgegner verfügte Versagung von Leistungen wendet (BSG, a.a.O.). Dies hat die Antragstellerin in Ihren bereits genannten Schreiben getan. Sie hat hierin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie weiterhin Leistungen begehrt und der Antragsgegner nicht das Recht habe, ihr Leistungen zu versagen. Über diesen Widerspruch hat der Antragsgegner bislang noch nicht befunden. In diesem Zusammenhang weist der Senat auch darauf hin, dass die Antragstellerin mehrmals beantragt hat, den Befundbericht ihres Hausarztes übermittelt zu bekommen. Auch über diesen Antrag (vgl. hierzu § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) ist bislang - zumindest nach den vorliegenden Verwaltungsakten - noch nicht entscheiden worden.
Eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage ist jedoch nicht möglich, weil die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin noch nicht geklärt ist. Ein Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist damit zum jetzigen Zeitpunkt nicht glaubhaft. Es ist daher eine Folgenabwägung vorzunehmen.
Die Folgenabwägung führt dazu, dass der Antragstellerin für einen begrenzten Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig zuzusprechen sind. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass es vorliegend um die Sicherung des Existenzminimums geht. Abgesehen von der Erwerbsfähigkeit sind die anderen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, insbesondere die Hilfebedürftigkeit, nicht zweifelhaft. Dass die Antragstellerin über Einkommen oder Vermögen verfügt, ist nicht ersichtlich. Von daher müsste die Antragstellerin entweder einen Anspruch auf Sozialhilfe oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben. Der Senat hat weiter berücksichtigt, dass die Ermittlungsmöglichkeiten (§ 20 SGB X) des Antragsgegners noch nicht ausgeschöpft sind. So kommt - wie bereits dargelegt - eine weitere Befragung des Hausarztes sowie eine Auskunftserteilung durch die Deutsche Rentenversicherung in Betracht. Sollte dann immer noch Bedarf für eine persönliche ärztliche und psychologische Untersuchung der Antragstellerin bestehen, bleibt es dem Antragsgegner unbenommen, die Antragstellerin unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften hierzu aufzufordern. Die Antragstellerin wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Mitwirkungspflichten bereits ab Antragsstellung und nicht erst bei Leistungsempfang gelten. Sollte der Antragsgegner nach Ausschöpfen der genannten Ermittlungsmöglichkeiten mithin die Antragstellerin ordnungsgemäß auffordern, sich nach § 62 SGB I ärztlich und psychologisch untersuchen zu lassen und kommt die Antragstellerin dem - ohne, dass Ablehnungsgründe nach § 65 Abs. 2 SGB I vorliegen - nicht nach, riskiert sie die (teilweise oder gänzliche) Versagung der Leistungen zur Sicherungen des Lebensunterhalts (zur insoweit notwendigen Ermessensausübung vgl. eingehend Bayerisches LSG v. 31.08.2012 - L 7 AS 601/12 B ER = juris). Schließlich hat der Senat berücksichtigt, dass der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 allein deswegen rechtswidrig ist, weil hierin kein Ermessen ausgeübt wurde. Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erklärt, dass sie - nach Leistungsgewährung - nunmehr bereit ist, sich vom ärztlichen bzw. psychologischen Dienst des Antragsgegners persönlich untersuchen zu lassen.
Bei der Dauer der vorläufigen Leistung hat der Senat berücksichtigt, dass die Klärung der Erwerbsfähigkeit noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis Ende April sollte aber ge-
nug Zeit bestehen, die Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und - falls dann noch notwendig und erforderlich - ein ärztliches Gutachten einzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Antragstellerin im Wesentlichen obsiegt hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig vom 02.12.2013 bis zum 30.04.2014 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von vorläufigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.12.2013, wobei die Erwerbsfähigkeit streitig ist.
Die 1983 geborene Antragsstellerin bezieht seit November 2006 mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Antragsgegner bewilligte ihr mit Bescheid vom 18.01.2013 Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis zum 31.08.2013. Vor dem Sozialgericht Freiburg (SG; Az.: S 18 AS 1362/13) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; Az.: L 9 AS 1755/13 ER-B) beantragte die Antragstellerin in der Folge die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1506/13 geführten Klage bezüglich zweier Absenkungsbescheide vom 14.01.2013 und 12.02.2013 (Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013). Das LSG hat mit Beschluss vom 08.05.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, es bestünden Zweifel an der subjektiven Zurechenbarkeit der Pflichtverletzung und der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin.
Der Antragsgegner versuchte im Folgenden, Ermittlungen über den Gesundheitszustand der Antragstellerin durchzuführen. Jedoch erschien die Antragstellerin weder zu Meldeterminen am 29.05.2013 und 21.06.2013 noch zu einem Termin beim Berufspsychologischen Service der Agentur für Arbeit am 21.08.2013. Auch legte die Antragstellerin, trotz entsprechender Aufforderung, eine Erklärung über die Entbindung ihrer behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zunächst nicht beim Antragsgegner vor.
Mit Schreiben vom 25.06.2013 (Bl. 754 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 15.07.2013 zur Mitwirkung nach § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) durch Vorlage eines Weiterbewilligungsantrages ab September 2013 und Vorlage von ausgefüllten und unterschriebenen Unterlagen zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit auf. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die Leistungen nach §§ 60, 66, 67 SGB I nach Fristablauf bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden könnten. Nachdem die Antragstellerin am 02.07.2013 den Weiterbewilligungsantrag ohne Unterschrift vorlegte, wiederholte der Antragsgegner seine Aufforderung zur Mitwirkung mit Schreiben vom 04.07.2013 (Bl. 762 der Verw.akte) unter Fristsetzung bis zum 12.07.2013. Die Antragstellerin legte hierauf den ausgefüllten und unterschriebenen Weiterbewilligungsantrag, nicht jedoch die weiteren angeforderten Unterlagen bei dem Antragsgegner vor. Mit weiterem Schreiben vom 11.07.2013 (Bl. 773 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin nochmals unter Bezugnahme auf §§ 60, 66, 67 SGB I, nunmehr unter Fristsetzung bis zum 19.07.2013, zur Mitwirkung durch Vorlage eines vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Gesundheitsfragebogens auf. Nachdem die Antragstellerin diesen vorlegte, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter dem 15.07.2013 nunmehr zur Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklä¬rung bezüglich ihres Hausarztes und anderer behandelnder Ärzte auf. Der Antragsgegner setzte eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 24.07.2013 und wies erneut auf die Regelungen der §§ 60, 66, 67 SGB I hin. Mit Schreiben vom 22.07.2013 teilte die Antragstellerin mit, dass der Antragsgegner keine weiteren Unterlagen mehr von ihr erhalten werde.
Mit Bescheid vom gleichen Tag versagte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für die Zeit ab dem 01.09.2013 nach §§ 60, 66 SGB I. Dieser Bescheid ist mittlerweile be-standskräftig. Das SG verpflichtete im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner mit Beschluss vom 26.08.2013 (Az.: S 18 AS 3691/13 ER), der Antragstellerin vorläufig ab dem 01.09.2013 bis zur Bestands- oder Rechtskraft des Bescheides vom 22.07.2013, längstens jedoch bis zum 30.11.2013, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach zu gewähren. Das SG hatte unter anderem ausgeführt, dass noch Ermittlungen im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durchzuführen seien. Die Befristung der einstweiligen Anordnung auf drei Monate erfolge daher im Hinblick auf die Einholung eines Gutachtens der Prof. Dr. E. im Hauptsacheverfahren S 18 AS 1506/13. Der Antragsgegner setzte diese einstweilige Anordnung mit Bescheid vom 29.08.2013 um.
In dem vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1506/13 geführten Rechtsstreit hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.07.2013 mitgeteilt, dass sie die vom Gericht angeforderte Erklärung über die Entbindung ihrer behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zunächst nicht vorlegen werde. Zu einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage in diesem Rechtsstreit am 26.08.2013 ist die Antragstellerin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen. Das SG hat sodann Prof. Dr. E. mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Einen Termin beim Berufspsychologischen Service des Antragsgegners am 26.09.2013 nahm die Antragstellerin ebensowenig wahr, wie die Begutachtungstermine bei Prof. Dr. E. am 22.10.2013, 31.10.2013 und 27.11.2013. Prof. Dr. E. verfasste daher nach Aktenlage unter dem 09.12.2013 ein kurzes psychiatrisches Gutachten, wonach eine Diagnosestellung nicht möglich sei. Das Vorliegen einer Erkrankung bzw. einer krankheitswertigen Symptomatik sei aber wahrscheinlich.
Die Antragstellerin beantragte am 16.10.2013 die Weitergewährung von Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.12.2013. Mit Schreiben vom 17.10.2013 (Bl. 950 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 03.11.2013 zur Mitwirkung nach § 60 SGB I durch Vorlage von ausgefüllten und unterschriebenen Unterlagen zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit auf. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die Leistungen nach §§ 60, 66, 67 SGB I nach Fristablauf bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden könnten. Mit Schreiben vom 18.11.2011 (Bl. 954 der Verw.akte) teilte die Antragstellerin mit, dass sie keine Behinderung habe und keine psy¬chischen oder ernstzunehmenden Probleme habe und ein gesunder Mensch sei.
Zu einem weiteren Termin beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners am 27.11.2013 erschien die Antragstellerin wiederum nicht. Zur Begründung führte sie in mehreren Schriftsätzen sinngemäß aus, dass sie alles erforderliche getan habe. Sie habe die Schweigepflichtsentbindungserklärung vorgelegt. Ein Besuch bei einem Arzt in F. sei daher ihrer Ansicht nach nicht erforderlich. Außerdem nehme sie Termine nicht mehr wahr, be¬vor ihr nicht Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2013 bewilligt würden. Außerdem hätten weder der Antragsgegner noch das SG das Recht, sie zu einer psychiatrischen Untersuchung zu schicken. Dies entscheide wenn überhaupt nur ein Hausarzt.
Dr. W. vom ärztlichen Dienst des Antragsgegners (Bl. 966, 967 der Verw.akte) führte in seinen Stellungnahmen vom 28.11.2013 und 02.12.2013 aus, dass ihm zwar ein Befundbericht des Hausarztes zugeleitet worden sei, eine abschließende Bewertung des Leistungsvermögens der Antragstellerin auf dieser Grundlage aber nicht möglich sei. Die Ausführungen des Hausarztes seien dünn und der letzte fachärztliche Bericht datiere aus dem Jahr 2008. Eine Schweigepflichtsentbindung sei nur gegenüber der Deutschen Rentenversicherung abgegeben worden. Es gäbe aber keinen Hinweis darauf, dass die Deutsche Rentenversicherung irgendwie tätig gewesen sein könnte.
Mit Schreiben vom 02.12.2013 (Bl. 985 der Verw.akte) forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 06.12.2013 zur Mitwirkung nach § 60 SGB I durch Kontaktaufnahme mit der Kundenbetreuerin zur Vereinbarung eines Termins bei dem Ärztlichen Dienst auf. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die Leistungen nach §§ 60, 66 SGB I nach Fristablauf bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden könnten. Eine Kontaktaufnahme zur Vereinbarung eines Termins erfolgte seitens der Antragstellerin nicht.
Am 02.12.2013 stellte die Antragstellerin beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 18 AS 5401/13). Sie trug vor, sie habe eine Entbindungserklärung unterschrieben beim Antragsgegner abgegeben. Des Wei¬teren sei sie der Auffassung, dass der Antragsgegner ihr Leistungen gewähren müsse, bis geklärt sei, ob sie erwerbsfähig sei oder nicht. Insbesondere werde sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, solange sie nicht die vollen Leistungen erhalte. Erst dann werde sie einen Termin bei dem Berufspsychologischen Dienst ausmachen. Außerdem habe der Antragsgegner in den letzten drei Monaten seit dem letzten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Erwerbsfä¬higkeit nicht geklärt, sondern sich Zeit gelassen. Sie sei außerdem gar nicht verpflichtet, sich be¬gutachten zu lassen. Denn dies dürfe nur ein Hausarzt entscheiden. Sie sei ein gesunder Mensch und könne eine Arbeit von acht bis neun Stunden am Tag annehmen.
Der Antragsgegner versagte der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.12.2013 Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2013 nach §§ 60, 66 SGB I (Bl. 1045 der Verw.akte).
Das SG hat mit Beschluss vom 11.12.2013 den Landkreis B.-H. - Kreissozialamt - zum Verfahren beigeladen und mit Beschluss vom 20.12.2013 den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Antragstellerin sei nach §§ 60, 62 SGB I verpflichtet, einen Termin beim Berufspsychologischen Dienst des Antragsgegners zu vereinbaren und sich dort untersuchen zu lassen. Ohne eine persönliche Begutachtung könne nicht geklärt werden, ob die Antragstellerin erwerbsfähig sei. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sie gesundheitlich nicht in der Lage sei, sich begutachten zu lassen, bestünden nicht.
Hiergegen richtet sich die am 30.12.2013 beim LSG eingelegte Beschwerde der Antragstellerin (Az.: L 1 AS 10/14 ER-B), mit der sie im Wesentlichen geltend macht, die Unterlagen ihres Hausarztes habe der Antragsgegner bereits am 05./06.11.2013 erhalten. Sie selbst sei erst am 28.11.2013 über den Termin zur Untersuchung am 28.11.2013 informiert worden. Sie habe diesen Termin mangels Leistungen nicht wahrnehmen können. Die Einladung für den 26.09.2013 habe sie nicht erhalten. Solange die Erwerbsfähigkeit nicht geklärt sei, müsse der Antragsgegner vorläufig leisten, nur der Hausarzt dürfte sie an einen Psychologen überweisen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20.12.2013 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr vorläufig ab dem 01.12.2013 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 sei nicht zu beanstanden. Denn ohne eine ärztliche oder psychologische Untersuchungsmaßnahme könne die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin nicht positiv festgestellt werden. Die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin sei jedoch Voraussetzung für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II.
Telefonisch hat die Antragstellerin der Geschäftsstelle des Senats mitgeteilt, sobald sie Leistungen erhalte, werde sie zum psychologischen Dienst nach F. fahren. Aber ohne Geld könne sie sich die Fahrtkosten nicht leisten.
Hinsichtlich des weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten S 18 AS 5401/13 ER, S 18 AS 3691/13 ER, S 18 AS 3690/13 ER, S 18 AS 1506/13, L 9 AS 1755/13 ER-B, L 9 AS 1739/13 und L 1 AS 14/10 ER-B sowie auf die vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und nach § 172 SGG auch im Übrigen statthafte Beschwerde ist - im tenorierten Umfang - begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG hat für den Zeitraum ab Ersuchen um gerichtlichen Eilrechtsschutz am 02.12.2013 Erfolg. Soweit die Antragstellerin bereits ab dem 01.12.2013 die Gewährung von Leistungen begehrt, musste die Beschwerde zurückgewiesen werden, da Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Regelfall erst ab Antragseingang bei Gericht und mithin nicht rückwirkend gewährt werden können (vgl. Senatsbeschluss v. 02.12.2012 - L 1 AS 3635/13 ER-B m.w.N.).
Eine Regelungsanordnung im Sinne der Verpflichtung zur vorläufigen Leistung kann auch bei Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 SGB I ergehen, da bei Leistungen zum Lebensunterhalt nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG v. 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg v. 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und v. 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Unter Beachtung dieser Grundsätze führt eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragstellerin vorliegend dazu, dass ihr - im tenorierten Umfang - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II) zu gewähren sind.
Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Mitwirkungsobliegenheiten des SGB I (§ 60 ff.) auch im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung finden, soweit keine bereichsspezifischen Mitwirkungsobliegenheiten anwendbar sind (BSG v. 28.03.2013 - B 4 AS 42/12 R = SozR 4-1200 § 60 RdNr. 14; v. 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr. 13). Vor diesem Hintergrund war der Antragsgegner gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I auch berechtigt, von der Antragstellerin die Vorlage der Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht zu fordern. Die Rechtsgrundlagen für die Mitwirkung an einer ärztlicher Untersuchung sind jedoch weiterhin ungeklärt (vgl. hierzu nur Knapp in jurisPK-SGB II, § 44a RdNr. 46.1 m.w.N., Stand August 2013). Zum einen wird die Auffassung vertreten, die Anwendung des § 62 SGB I scheide aus, da § 59 SGB II i.V.m. § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eine abschließende Regelung (mit der Rechtsfolge des § 32 SGB II) über das Erscheinen zum Untersuchungstermin und die Mitwirkung bei der Untersuchung enthalte (Blüggel in: Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Aufl. 2013, § 8 RdNr. 49, § 59 RdNr. 13 f.; Hessisches LSG v. 22.06.2011 - L 7 AS 700/10 B ER = info also 2012, 174). Zum anderen wird davon ausgegangen, dass zwischen der Pflicht zum Erscheinen nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III und der Pflicht, sich einer ärztlichen und psychologischen Untersuchung zu unterziehen (§ 62 SGB I), unterschieden werden müsse (Bayerisches LSG v. 31.08.2012 - L 7 AS 601/12 B ER = juris; Hammel in: NDV 2012, 397, 399 f.). Teilweise wird - ohne nähere Begründung - auch die Auffassung vertreten, der Leistungsträger müsse bis zur Klärung der Erwerbsfähigkeit stets Leistungen nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II gewähren, wobei die Regelungen der §§ 60 ff. SGB I anwendbar seien (LSG Nordrhein-Westfalen v. 23.05.2007 - L 19 B 48/07 AS und L 19 B 47/07 AS ER = juris).
Insofern ist noch nicht abschließend geklärt, ob für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers bzw. Leistungsberechtigten eine bereichsspezifische Mitwirkungsobliegenheit besteht. Diese Frage kann für die Entscheidung im hiesigen Verfahren jedoch offen bleiben. Denn die Versagung von SGB-II-Leistungen stellt sich vorliegend in jedem Fall als rechtswidrig dar. Vertritt man die Auffassung, dass § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III eine die allgemeinen Regelungen der §§ 60 ff. SGB I verdrängende, mithin bereichsspezifische Regelung darstellt, so wurde die Antragstellerin weder in dem Aufforderungsschreiben vom 17.10.2013 (Bl. 950 der Verw.akte) noch in dem vom 02.12.2013 (Bl. 985 der Verw.akte) auf die Rechtsfolge des § 32 SGB II hingewiesen und mithin nicht ordnungsgemäß belehrt. Ist man hingegen der Meinung, dass vorliegend die §§ 60 ff. SGB I einschlägig sind, so ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht, die ihr im Schreiben vom 17.10.2013 auferlegt wurde, nachgekommen ist, indem sie die Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht (eingehender hierzu weiter unten) vorgelegt hat. Zum anderen ist schon nicht ersichtlich, ob es sich bei dem Aufforderungsschreiben vom 02.12.2013 um eine Meldeaufforderung oder um die Verpflichtung, sich einer ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahme zu unterziehen, handelt. Die Antragstellerin wurde hierin nur aufgefordert, sich mit ihrer Kundenbetreuerin bis zum 06.12.2013 in Verbindung zu setzen, um einen Termin beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners zu vereinbaren. Ob hiermit eine Verpflichtung nach § 62 SGB I beabsichtigt war, lässt sich dem Schreiben nicht eindeutig entnehmen, was zu Lasten des Antragsgegners geht. Soweit eine Verpflichtung der Antragstellerin nach § 62 SGB I beabsichtigt war, leidet das Aufforderungsschreiben zudem an einer ordnungsgemäßen Belehrung, da auf die Grenzen der Mitwirkungspflichten nach § 65 Abs. 2 SGB I nicht hingewiesen wurde (vgl. hierzu Lilge, Kommentar zum SGB I, 3. Aufl. 2012, § 65 RdNr. 4).
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Leistungsträger ärztliche und psychologische Untersuchungen nur veranlassen darf, wenn sich der Sachverhalt nicht auf andere Weise klären lässt (Lilge, a.a.O., § 62 RdNr. 5). Dies zeigt auch die Regelung des § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I, wonach die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I nicht bestehen, soweit der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass die Antragstellerin ihrer vom Antragsgegner auferlegten Mitwirkungsverpflichtung im November 2013 insofern nachgekommen ist, als sie sowohl ihren Hausarzt als auch die deutsche Rentenversicherung von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat. Zwar befinden sich die entsprechenden Schriftstücke nicht in den vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten. Der Senat entnimmt dies jedoch dem eigenen Vortrag des Antragsgegners, der die Vorlagen den entsprechenden Schriftstücke der Antragstellerin schriftlich im Beschwerdeverfahren bestätigt hat. Aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht konnte der ärztliche Dienst des Antragsgegners den Befundbericht des Hausarztes, der sich ebenfalls nicht in den vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten befindet, vom 23.11.2013 beiziehen. Vom ärztlichen Dienst des Antragsgegners wurde zwar im Vermerk vom 28.11.2013 (Bl. 1032 der Verw.akte) geltend gemacht, der Befundbericht des Hausarztes reiche für eine abschließende Bewertung des Leistungsvermögens nicht aus. Dies kann aber zum einen nicht überprüft werden, da sich dieser Befundbericht - wie bereits dargelegt - nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindet. Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb der ärztliche Dienst nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich nochmals mit dem Hausarzt der Antragstellerin in Verbindung zu setzen, um eventuelle Unklarheit bezüglich der Erwerbsfähigkeit zu beseitigen. Schließlich geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht hervor, ob der Antragsgegner bzw. sein ärztlicher Dienst bereits Auskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung eingeholt hat. All dies sind jedoch Maßnahmen, mit Hilfe derer sich der Antragsgegner die für ihn erforderlichen Kenntnisse (mit einem - im Hinblick auf eine ärztliche Untersuchung - geringeren Aufwand als für die Antragstellerin, vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) beschaffen kann.
Schließlich steht der Leistungsgewährung auch nicht der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 entgegen. Zwar steht ein bestandskräftiger Versagungsbescheid einer Leistungsgewährung für die Dauer der fehlenden Mitwirkung entgegen, was auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gilt. Der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 ist aber ist nicht bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden. Der Senat geht davon aus, dass die - nicht vertretene - Antragstellerin hiergegen am 11.12.2013 (Bl. 1037 der Verw.akte) Widerspruch eingelegt und diesen auch am 12.12.2013 (Bl. 1047 der Verw.akte) weiter begründet hat. Ob ein Widerspruch eingelegt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Widerspruch muss nicht unbedingt als Widerspruch bezeichnet sein (BSG v. 13.07.2010 - B 8 SO 11/09 R; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 83 RdNr. 2). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften. Der Begriff Widerspruch muss nicht ausdrücklich verwendet werden; ausreichend ist es vielmehr, wenn hinreichend deutlich wird, dass sich die Antragstellerin gegen die von dem Antragsgegner verfügte Versagung von Leistungen wendet (BSG, a.a.O.). Dies hat die Antragstellerin in Ihren bereits genannten Schreiben getan. Sie hat hierin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie weiterhin Leistungen begehrt und der Antragsgegner nicht das Recht habe, ihr Leistungen zu versagen. Über diesen Widerspruch hat der Antragsgegner bislang noch nicht befunden. In diesem Zusammenhang weist der Senat auch darauf hin, dass die Antragstellerin mehrmals beantragt hat, den Befundbericht ihres Hausarztes übermittelt zu bekommen. Auch über diesen Antrag (vgl. hierzu § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) ist bislang - zumindest nach den vorliegenden Verwaltungsakten - noch nicht entscheiden worden.
Eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage ist jedoch nicht möglich, weil die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin noch nicht geklärt ist. Ein Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist damit zum jetzigen Zeitpunkt nicht glaubhaft. Es ist daher eine Folgenabwägung vorzunehmen.
Die Folgenabwägung führt dazu, dass der Antragstellerin für einen begrenzten Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig zuzusprechen sind. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass es vorliegend um die Sicherung des Existenzminimums geht. Abgesehen von der Erwerbsfähigkeit sind die anderen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, insbesondere die Hilfebedürftigkeit, nicht zweifelhaft. Dass die Antragstellerin über Einkommen oder Vermögen verfügt, ist nicht ersichtlich. Von daher müsste die Antragstellerin entweder einen Anspruch auf Sozialhilfe oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben. Der Senat hat weiter berücksichtigt, dass die Ermittlungsmöglichkeiten (§ 20 SGB X) des Antragsgegners noch nicht ausgeschöpft sind. So kommt - wie bereits dargelegt - eine weitere Befragung des Hausarztes sowie eine Auskunftserteilung durch die Deutsche Rentenversicherung in Betracht. Sollte dann immer noch Bedarf für eine persönliche ärztliche und psychologische Untersuchung der Antragstellerin bestehen, bleibt es dem Antragsgegner unbenommen, die Antragstellerin unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften hierzu aufzufordern. Die Antragstellerin wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Mitwirkungspflichten bereits ab Antragsstellung und nicht erst bei Leistungsempfang gelten. Sollte der Antragsgegner nach Ausschöpfen der genannten Ermittlungsmöglichkeiten mithin die Antragstellerin ordnungsgemäß auffordern, sich nach § 62 SGB I ärztlich und psychologisch untersuchen zu lassen und kommt die Antragstellerin dem - ohne, dass Ablehnungsgründe nach § 65 Abs. 2 SGB I vorliegen - nicht nach, riskiert sie die (teilweise oder gänzliche) Versagung der Leistungen zur Sicherungen des Lebensunterhalts (zur insoweit notwendigen Ermessensausübung vgl. eingehend Bayerisches LSG v. 31.08.2012 - L 7 AS 601/12 B ER = juris). Schließlich hat der Senat berücksichtigt, dass der Versagungsbescheid vom 10.12.2013 allein deswegen rechtswidrig ist, weil hierin kein Ermessen ausgeübt wurde. Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erklärt, dass sie - nach Leistungsgewährung - nunmehr bereit ist, sich vom ärztlichen bzw. psychologischen Dienst des Antragsgegners persönlich untersuchen zu lassen.
Bei der Dauer der vorläufigen Leistung hat der Senat berücksichtigt, dass die Klärung der Erwerbsfähigkeit noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis Ende April sollte aber ge-
nug Zeit bestehen, die Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und - falls dann noch notwendig und erforderlich - ein ärztliches Gutachten einzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Antragstellerin im Wesentlichen obsiegt hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved