L 3 U 480/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3979/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 480/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit.

Der 1965 geborene Kläger absolvierte vom 01.11.1984 bis zum 31.08.1985 einen Lehrgang zur Berufsfindung bei der Industrie- und Handelskammer sowie Ausbildungen zum Bürogehilfen vom 01.09.1985 bis zum 31.08.1986 und zum Bürokaufmann vom 01.09.1986 bis zum 31.08.1989. Vom 01.09.1989 bis zum 31.03.1990 war er arbeitslos. Vom 02.04.1990 bis zum 24.11.2006 war er als Lagerist in der Getränkeabteilung zweier Niederlassungen eines Einzelhandelsunternehmens (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt. In dieser Tätigkeit war er bei einer Rechtsvorgängerin der beklagten Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert.

Unter dem 10.04.2007 teilte die Krankenkasse des Klägers der Beklagten den Verdacht einer Berufskrankheit (BK) mit. Sie wies auf Beschwerden an der Wirbelsäule hin. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Aus dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums A., Dr. Sch., vom 26.01.2007 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 20.12.2006 bis zum 22.01.2007 ergaben sich als Diagnosen ein chronifiziertes Schmerzstadium in Stadium III nach Gerbershagen, ein LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, Fehlstatik und Muskelinsuffizienz, ein degeneratives HWS-Syndrom (Halswirbelsäule), eine initiale Coxarthrose links sowie eine cerebrale Insuffizienz bei Z.n. (Zustand nach) dreimaliger Hirnblutung 1979. Das Restleistungsvermögen sei aus orthopädischer Sicht - nur - auf leichte Tätigkeiten in Wechselhaltung für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich eingeschränkt. Es werde jedoch eine psychiatrisch-neurologische Untersuchung empfohlen. Ferner schrieb die Beklagte den Kläger an. Dieser teilte mit, er habe zunächst 10 Jahre in der Filiale G. und nach deren Schließung weitere sieben Jahre in der Filiale Stadtmitte (S.) gearbeitet. Als Warenannahmeleiter habe er pro Arbeitstag Ware mit einem Gewicht von 16 bis 18 t, an manchen Tagen mehr als 20 t gehoben. Er habe bei Anlieferungen die gesamten Waren auf leere Europaletten umsetzen müssen, da jede Artikelnummer mit dem Lieferschein habe verglichen werden müssen. Über 30 Anlieferungen pro Tag seien nicht selten gewesen. Als Lagerist habe er Waren verstapeln müssen. Ferner habe er die komplette Getränkeabteilung unter sich gehabt und daher nicht nur die Bestellungen, sondern auch das Nachfüllen der gesamten Getränke erledigt. Dabei habe er im Verkaufsbereich unter beengten Bedingungen zunächst den Altbestand herausgestapelt, die Neuware dahinter gestapelt und den Altbestand wieder davor gestapelt. In der Filiale S. sei es nicht erlaubt gewesen, den Elektrohubwagen zu benutzen. Er leide, so der Kläger weiter, seit 12 Jahren an Beschwerden und großen Schmerzen. Er wies darauf hin, dass er seit dem 01.10.2007 eine Erwerbsminderungsrente beziehe (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 14.08.2007: Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.04.2007). Der Kläger legte seinem Schreiben das Rentengutachten des Orthopäden Dr. K. vom 22.05.2007 bei. Darin war ihm wegen der Beschwerden an der Wirbelsäule, wegen einer Monarthritis am Fingermittelgelenk D 2 rechts sowie einer Varus-Gonarthrose links bei Z.n. Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) ein Restleistungsvermögen von unter 3 Stunden arbeitstäglich sowohl in seinem Beruf als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert worden. Unter dem 02.10.2007 teilte der Kläger ergänzend mit, in der Filiale in G. habe er jeden Freitag mit einem Besen den Parkplatz (150 Stellplätze) fegen müssen. Er legte ferner den ausgefüllten Fragebogen der Beklagten zu den einzelnen Hebe- und Tragevorgängen in seiner Arbeitszeit vor.

Die Beklagte beauftragte unter dem 17.10.2007 ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) mit einer Untersuchung der arbeitstechnischen Voraussetzungen vor allem der BK 2108.

Während dieser Untersuchung wies der Beklagte über seinen späteren Prozessbevollmächtigten unter dem 12.02.2008 darauf hin, dass auch eine Schleimbeutelentzündung am Mittelgelenk des rechten Zeigefingers berufsbedingt sein könne.

Unter dem 15.05.2009 legte die spätere Zeugin Ko., Dipl.-Ing. beim TAD der Beklagten, ihren Ermittlungsbericht vor. Sie hatte am 14.01.2008 in Gegenwart des Klägers, seines Bevollmächtigten sowie mehrerer Mitarbeiter der Arbeitgeberin, darunter der späteren Zeugen B. und Kw., die Arbeitsabläufe in der Filiale S. untersucht. In der inzwischen geschlossenen Filiale G. seien des öfteren Mischpaletten direkt von Lieferanten angeliefert worden, die auf Vollständigkeit hätten kontrolliert werden müssen. In der Filiale S. seien vor allem aus der Zentrale der Arbeitgeberin kommissionierte Waren angeliefert worden, die nicht kontrolliert worden seien. In beiden Märkten habe ein Mitgängerflurfahrzeug zur Verfügung gestanden, der Kläger habe jedoch teilweise auch schwere Paletten mit dem Handhubwagen transportiert. Der Kläger habe bei dem Termin auch eigene Aufstellungen über die Hebe- und Tragevorgänge vorgelegt. Diese Angaben hätten äußerst unübliche Arbeitsvorgänge vorausgesetzt. Daher seien ab Januar 2009 weitere Ermittlungen durchgeführt worden. Hierbei hätten Kollegen des Klägers mitgeteilt, dass Palettenwaren, vor allem Getränkekisten, niemals bei der Warenannahme abgeräumt worden seien, da die Vollständigkeit auch ohne Abpacken habe kontrolliert werden können. Ferner habe in den Abteilungen des Marktes das Verkaufspersonal die Waren eingeräumt. Nur Paletten mit leichter Ware (z. B. Glückwunschkarten oder Backwaren) hätten zur Kontrolle abgepackt werden müssen. Ferner seien 10 bis 15 Paletten täglich aus dem Zentrallager angeliefert worden, die jedoch von den Verkäufern direkt in den Markt gezogen und dort einsortiert worden seien; dies habe nicht zu den Aufgaben des Klägers gehört. Auch seien einzelne Getränke (Coca-Cola) von Mitarbeitern des Lieferanten eingeräumt worden. Tiefkühlware habe die Kollegin B. eingeräumt, Wurst und Fleisch habe direkt die Frischeabteilung übernommen. Ferner seien exemplarisch die Lieferscheine der Filiale S. für eine Woche (30.03. bis 02.04.2009) ausgewertet worden. Diese hätten den Erfahrungen des TAD auf dem Gebiet von Einzelhandelsunternehmen entsprochen. Die - viel höheren - Angaben des Klägers hätten nicht nachvollzogen und mit den Lieferscheinen nicht belegt werden können. Die Belastungsdosen seien nach den realen Zahlen der Lieferscheine beurteilt worden. Die Zeugin Ko. hatte diesem Bericht ihre Berechnungen beigefügt und abschließend - im Hinblick auf die BK 2108 - nach den Kriterien des Mainz-Dortmunder Dosismodells (MDD) eine Gesamtbelastungsdosis von 8,7 x 106 Nh (Newtonstunden, entspricht 8,7 MNh [Meganewtonstunden]) angegeben. Damit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der genannten BK nicht erfüllt, da die Gesamtdosis unterhalb des hälftigen Orientierungswertes für Männer von 12,5 MNh liege. Längere Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung oder anderer Wirbelsäulenzwangshaltung hätten nicht vorgelegen.

Nach Anhörung des Staatlichen Gewerbearztes, der keine Stellung nahm, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.07.2009 die Anerkennung der BK 2108 sowie in Bezug darauf die Gewährung von Leistungen ab. Die Gesamtbelastung habe nach dem derzeitigen arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht ausgereicht, um eine berufsbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu verursachen.

Den nicht weiter begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2009 zurück.

Am 11.11.2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und eine Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der BK 2108 beantragt. Er hat Einwände gegen die Dosisberechnung erhoben. Insbesondere seien sehr viel mehr Hebe- und Tragevorgänge mit sehr viel höheren Gewichten angefallen als die Beklagte annehme. Hierzu hat der Kläger den einzelnen Daten der Beklagten eigene Werte zu seiner Berufstätigkeit in den Zeiträumen 02.04.2006 bis 13.10.2006 bzw. 01.08.2000 bis 31.10.2006 (Filiale S.) sowie 02.04.1990 bis 31.07.2000 (Filiale G.) gegenübergestellt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Stellungnahmen der Zeugin Ko. vom 16.09.2010 und vom 11.01.2011 vorgelegt. Darin hat der TAD ausgeführt: Die Lieferscheine aus der Zeit März/April seien repräsentativ, auch wenn das Warensortiment über das Jahr wechsle. In der fraglichen Woche sei auch Wein angeliefert worden. Das Frühjahr sei auch gewählt worden, da der Kläger in der Getränkeabteilung tätig gewesen sei und im Frühjahr mehr Getränke verkauft würden als im Winter. Die Kollegen des Klägers, die im Frühjahr 2009 ergänzend befragt worden seien, seien die Zeuginnen B. und Se. (Fe.) gewesen. Auch seien in anderen Filialen der Arbeitgeberin sowie bei einem anderen Einzelhandelsunternehmen Mitarbeiter an den Wa¬renannahmen befragt worden. Alle Befragten hätten bestätigt, dass Palettenware bei der Anlieferung nicht abgepackt, sondern lediglich abgezählt werde, bevor der Lieferschein quittiert werde. Es würden hierbei die Kästen einer Lage und die Zahl der Lagen ermittelt. Ein Abpacken der Ware würde zu viel Zeit beanspruchen und sei wegen der Platzverhältnisse an Rampe und Lager auch nicht möglich. Die Paletten aus dem Zentrallager der Arbeitgeberin würden direkt in den Markt gebracht und von den Mitarbeitern der einzelnen Abteilungen eingeräumt. Alle Paletten würden mit einem Mitgängerflurfahrzeug ("Ameise") über einen Aufzug transportiert. Aus den Aufstellungen des Klägers hätten sich Waren von 10 bis 13 t pro Arbeitstag, durchschnittlich 11,6 t, ergeben. Diese Werte hätten sich nach den Lieferscheinen nicht bestätigt. Vielmehr seien pro Tag 2,2 t von Hand bewegt worden. Es sei hierbei sogar davon ausgegangen worden, dass die gesamte angelieferte Ware vom Kläger allein gehoben worden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 14.12.2011 hat das SG die Zeugin Ko. formlos angehört. Der Klägervertreter hat dort auch die Einholung eines arbeitstechnischen Gutachtens über die Hebe- und Tragevorgänge "gemäß MDD-Modell unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)" beantragt.

Mit Urteil vom 14.12.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die BK 2108 setze ein langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder eine langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung voraus. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BSG betrage der relevante Grenzwert für die Gesamtbelastungsdosis nur noch die Hälfte des (bislang) nach dem MDD vorgeschlagenen Orientierungswerts von 25 MNh bei Männern, also 12,5 MNh (Verweis auf Urt. v. 30.10.2007, B 2 U 4/06 R). Bei dem Kläger habe diese Dosis jedoch 8,7 MNh betragen. Dies ergebe sich aus den Berechnungen der Beklagten. Gegen diese beständen keine durchgreifenden Bedenken. Weder die vom Kläger angegebenen Mengen an Gütern noch die von ihm geschilderten Arbeitsvorgänge seien plausibel. Die ausgewerteten Lieferscheine seien eine objektive Erkenntnisquelle. Es hätten sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Warenmengen in der Filiale G. höher gewesen seien als später in S. Dem TAD sei auch hinsichtlich der angenommenen Arbeitsabläufe zu folgen. Die Zeugin Ko. habe schriftlich und in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, von welchen Arbeitsabläufen auszugehen sei. Sie habe ihre Angaben nicht nur auf ihre Erfahrung gestützt, sondern auch auf die Befragung von Kollegen des Klägers. Die abweichenden Angaben des Klägers seien nicht plausibel. Abschließend hat das SG ausgeführt, der "Beweisanregung" des Klägers, ein arbeitstechnisches Gutachten einzuholen, sei nicht zu folgen gewesen, da die Beklagte nach dem MDD-Modell gerechnet und die neue Rechtsprechung des BSG berücksichtigt habe.

Gegen dieses Urteil, das seinen Prozessbevollmächtigten am 28.12.2011 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 30.01.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 02. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2009 zu verurteilen festzustellen, dass bei ihm seit dem 12. April 2007 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter des Senats hat die Arbeitgeberin angeschrieben. Diese hat unter dem 28.06.2012 Namen und ladungsfähige Anschriften der Marktleiter der Filialen G. und S. in den Jahren 1990 bis 2007 sowie einiger Kollegen des Klägers mitgeteilt.

Nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass die von der Zeugin Ko. während der Untersuchungen gefertigten Unterlagen einschließlich der von der Arbeitgeberin übermittelten Lieferscheine, ohne zuvor gescannt worden zu sein, vernichtet worden seien, hat die Arbeitgeberin unter dem 10.10.2012 erneut Kopien der Lieferscheine der Filiale S. vom 30.03. bis 02.04.2009 übersandt.

Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen und Zeugen Dipl.-Ing. Ko., B. und Kw ... Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.06.2013 Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG seine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht eine (behördliche) Feststellung der BK 2108 abgelehnt. Nur auf die Feststellung dieser BK hat der Kläger seine Klage gerichtet, nachdem die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid auch nur Feststellungen zu dieser BK getroffen hat. Andere BKen, etwa wegen Beeinträchtigungen an den Händen, sind nicht Gegenstand des Verfahrens.

a) Die rechtlichen Anforderungen an die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), insbesondere an den Nachweis der arbeitstechnischen und der medizinischen Voraussetzungen, hat das SG in dem angegriffenen Urteil (S. 4 f. UA) zutreffend dargelegt, darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Von der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst. Wie bereits diesem Wortlaut zu entnehmen ist, wollte der Verordnungsgeber der BK nicht alle beruflich verursachten BS-Schäden im Bereich der LWS erfassen. Vorangegangen sein muss vielmehr eine langandauernde, die LWS in spezifischer Weise besonders belastende Tätigkeit. Hierfür ist auf das vom Bundesminister für Arbeit herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [BMAS], BArbBl. 10/2006 S. 30 ff, abgedruckt etwa bei Mehrtens/Bran¬den¬burg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Lieferung 2/12) zurückzugreifen. Danach steht unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS verursachen oder verschlimmern können, fortgesetztes Heben oder Tragen schwerer Lasten einhergehend mit einer statischen Belastung der Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der LWS im Vordergrund. Daneben sind untrennbar damit zusammenhängende Lastenhandhabungen wie Um- oder Absetzen, Halten, Ziehen, Schieben schwerer Lasten, Schaufeln von Schutt zu berücksichtigen. Durch diese spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen sowie zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein Kausalzusammenhang im Sinne einer wesentlichen (Mit)verursachung bestehen, wobei für den Nachweis dieser Zusammenhänge hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist eine BK Nr. 2108 nicht anzuerkennen (BSG, Urt. v. 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, Juris, und v. 18.11.2008, B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R, juris).

Für die BK Nr. 2108 ergibt sich die berufliche Belastung nach dem so genannten Mainz-Dort-munder Dosismodell (MDD) aus einem gestuften Ermittlungs- und Beurteilungsverfahren. In einer ersten Stufe werden Hebe- und Tragetätigkeiten herausgefiltert, die eine Druckkraft am Übergang der LWS zum Kreuzbein von 3,2 kN (Kilo-Newton) für Männer und 2,5 kN für Frauen erzeugen, für Rumpfbeugehaltung wird eine Druckbelastung von 1,7 kN zu Grunde gelegt (Schwellenwert). Tätigkeiten, die diese Voraussetzungen erfüllen oder überschreiten, werden nach ihrer Häufigkeit in einer Arbeitsschicht erfasst und die Druckkräfte addiert. Als Beurteilungsdosisrichtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS zu rechnen ist, gilt für Männer 5,5 kNh (Kilo-Newton/h), für Frauen 3,5 kNh. Nur wenn diese Tagesdosisrichtwerte erreicht oder überschritten sind, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zum Entstehen einer BK Nr. 2108 als gegeben angesehen werden, wurden bislang 25 x 106 Nh (25 MNh) für Männer bzw. 17 x 106 Nh für Frauen vorgeschlagen. Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte zu verstehen. Hiervon geht auch das aktuelle Merkblatt des BMAS zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der WS-Belastung auf das MDD verweist (BArbBl. 10/ 2006, S. 30 ff, a.a.O.).

Das BSG hat jedoch Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet (vgl. Urt. v. 18.11.2006, a.a.O.). Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nur mit dem Wert 2.700 N (2,7 kN) pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh, also auf 12,5 x 106 Nh (12,5 MNh), herabzusetzen.

b) Nach diesen Grundsätzen kann dahin stehen, ob bei dem Kläger die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 vorliegen, also eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule, und ob diese Beschwerden einen Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten im Sinne der entsprechenden Regelung in der BKV bedingt haben. Es fehlt bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen.

aa) Die Zeiten während des Kurses bei der IHK und der Ausbildungen zum Bürogehilfen und Bürokaufmann in den 1980-er Jahren waren im Ganzen nicht wirbelsäulenbelastend, der Kläger macht dies auch nicht geltend.

bb) Während seiner Beschäftigung als Lagerist ab dem 02.04.1990 war der Kläger nicht durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung belastet. Hierzu gehören Tätigkeiten in Arbeitsräumen niedriger als 100 cm in ständig gebeugter Körperhaltung und Arbeiten mit einer Beugung des Oberkörpers aus aufrechter Haltung um mehr als 90° (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 490). Solche Tätigkeiten fallen in der Warenannahme und im Getränkemarkt eines Einzelhandelsunternehmens nicht an.

cc) Der Kläger war in dieser Zeit auch nicht durch "Heben oder Tragen schwerer Lasten" belastet. Er war insgesamt nicht der von der Rechtsprechung für eine Anerkennung der BK 2108 verlangten Gesamtbelastungsdosis von 12,5 MNh ausgesetzt. Hiervon ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG). Er stützt sich hierbei auf die Ermittlungen des TAD der Beklagten, wie sie in dem Bericht vom 15.05.2009 beschrieben worden sind. Dieses behördliche Gutachten, das der Senat als öffentliche Urkunde verwertet, ist auch nach der ergänzenden Vernehmung der Gutachterin, Dipl.-Ing. Ko., als sachverständige Zeugin in sich schlüssig und nachvollziehbar. Ferner hat die weitere Beweisaufnahme vor dem Senat, nämlich die Vernehmung der Zeugin B. und des Zeugen Kw., bestätigt, dass der TAD der Beklagten von den zutreffenden Grundlagen (Anknüpfungstatsachen), vor allem hinsichtlich der Arbeitsabläufe und der Menge der gehobenen und getragenen Waren, ausgegangen ist.

(1) Die Beklagte hat die richtige Anzahl von Hebe- und Tragevorgängen zu Grunde gelegt. Basis hierfür war die Warenmenge, die der Kläger in der Zeit seiner Tätigkeit bei der Arbeitgeberin gehoben hat. Diese Warenmenge hat die Zeugin zutreffend ermittelt:

(a) Nicht zu beanstanden ist vor allem, dass die Zeugin Ko. vom TAD der Beklagten nicht von den Angaben des Klägers ausgegangen ist, sondern sich vor allem auf die Lieferscheine für eine (exemplarische) Woche gestützt hat.

Die Zeugin Ko. hat hierzu bekundet, sie habe bereits bei dem Ortstermin am 14.01.2008 manche Angaben des Klägers zu diesem Punkt für unplausibel gehalten, deshalb habe sie bei der Zeugin B. die Lieferscheine für die eine (damals aktuelle) Woche angefordert. Die Zeugin habe ihr bei diesem Gespräch mitgeteilt, dass nunmehr sie in der Warenannehme arbeite und dass in der Filiale G. die gleichen Mengen Ware angeliefert worden seien und die Arbeitsabläufe identisch gewesen seien. B. habe ihr auch bestätigt, dass die Paletten in der Warenannahme nicht abgeräumt worden seien. Nach ihrem eigenen Eindruck habe der Platz an der Rampe auch gar nicht ausgereicht, um Paletten abzuräumen. Auch bei einer Vollkontrolle müsse ja die letzte Lage nicht abgeräumt werden. Bei ihrer Berechnung, so die Zeugin Ko. weiter, sei sie - aber - davon ausgegangen, dass der Kläger Mischpaletten abgeräumt und die Waren bzw. Gebinde einzeln gehoben habe.

Diesen Annahmen der Zeugin Ko. folgt der Senat. Auch er ist davon überzeugt, dass die Angaben des Klägers zum großen Teil unzutreffend waren. Insbesondere hat der Kläger bei der Warenannahme nicht jede Palette ganz oder bis zur letzten Lage abgeräumt. Vielmehr wurden nahezu alle Paletten im Ganzen mit der Ameise und dem Fahrstuhl in das Getränkelager bzw. direkt in den Verkaufsbereich gebracht. Die Arbeiten dort hat dann nicht der Kläger ausgeführt, sondern das dortige Verkaufspersonal. Der Kläger war lediglich in seiner zusätzlichen Tätigkeit in der Getränkeabteilung auch mit dem Abräumen von Paletten betraut, z. B. wenn auf der alten Palette noch einzelne Gebinde vorhanden waren. In der Warenannahme kann es allenfalls bei den Mischpaletten, die allerdings bei Getränken nur selten vorkamen, dazu gekommen sein, dass zum Zwecke der Grobkontrolle Teile abgeräumt werden mussten. Dies haben die Zeugin B. und der Zeuge Kw. bestätigt:

Die Zeugin B. hat bekundet, sie sei seit 1998 in den Filialen G. und S. beschäftigt. Der Kläger habe in der Warenannahme im vierten Stock des Gebäudes gearbeitet und die Getränkebestellungen getroffen. Sie selbst habe die Lieferscheine bearbeitet, die ihr der Kläger gebracht habe. Der Kläger sei der einzige Warenannehmer gewesen, es habe nur eine Vertretung für Abwesenheitszeiten gegeben. Nach dem Ausscheiden des Klägers habe sie, die Zeugin, in der Warenannahme gearbeitet. Die Getränkepaletten seien überwiegend einheitlich bestückt, allenfalls ein oder zwei von zehn seien gemischt. Solche Paletten würden mit der Ameise und dem Aufzug in das Getränkelager bzw. die Getränkeabteilung im Markt hinuntergefahren und dort abgestellt. Wenn dort die alte Palette noch nicht leer sei, würden die alten Kästen zur Seite geräumt und vor die neue Palette gestellt, damit sie als erste abverkauft würden. Die weiteren Arbeiten im Getränkemarkt besorge das dortige Personal. Andere Ware wie Blumenerde oder Grillkohle komme ebenfalls auf Paletten. Zum Teil gebe es Mischpaletten. Sie seien ebenfalls mit Folie eingeschweißt. Sie würden im Ganzen in die jeweiligen Abteilungen gebracht und, wenn es dort nicht genügend Platz für die ganze Palette gebe, vom dortigen Personal abgeräumt. Leere Paletten würden im Aufzug wieder in die Warenannahme hochgefahren und dort gesammelt, bis sie abgeholt würden. Es würden 20 bis 50 Paletten etwa alle zwei Tage abgefahren. Angeliefert würden insgesamt 15 Paletten pro Tag, wenn Getränke dabei seien, vielleicht auch 20. In der Warenannehme sei immer schon bei allen Paletten nur eine Grobkontrolle durchgeführt worden, die Feinkontrolle finde im Verkaufsbereich statt.

Der Zeuge Kw. hat angegeben, er sei von 2007 bis 2009 Marktleiter in S. gewesen. Den Kläger habe er noch kennengelernt. Dieser sei in der Warenannahme und im Getränkemarkt tätig gewesen. An Samstagen habe auch er, der Zeuge, zeitweise in der Warenannahme gearbeitet, möglicherweise nach dem Ausscheiden des Klägers. Getränkepaletten würden unverändert in den Verkaufsbereich hinuntergefahren. Eine ggfs. noch nicht leere alte Palette werde, ebenfalls mit der Ameise, herausgeholt und abgeräumt. Die alten Getränkekisten würden eigentlich im Lager zwischengelagert und später in Lücken auf der Palette gefüllt; sie sollten nicht vor die neuen Paletten gestellt werden, da die Gänge hierfür zu schmal seien. In ähnlicher Weise werde mit anderer Palettenware verfahren. Es gebe auch Mischpaletten. Diese würden in der jeweiligen Abteilung verräumt, weil es nicht sinnvoll sei, sie schon in der Warenannahme abzuräumen und dann die Waren und Gebinde einzeln hinunterzufahren. Leerpaletten würden gestapelt und regelmäßig abgefahren. Bei der Anlieferung werde bei einheitlich bestückten Paletten nur nach dem äußeren Umfang abgezählt, ob die Zahl (der Gebinde) stimme. Auch Mischpaletten müssten nicht abgeräumt werden, wenn es sich um Getränke handle, denn man könne durch die Kästen hindurchschauen und die Sorten erkennen. Betrügereien in diesem Bereich habe es nicht gegeben. Nur in vielleicht fünf Prozent hätten Mischpaletten abgeräumt werden müssen. Bei Wein und Sekt in Kartons seien die Kartons von außen kontrolliert, aber nicht geöffnet worden. In der Getränkeabteilung habe der Kläger z. B. auch Cola eingeräumt. Einige - andere - Getränke, konkret z. B. das örtliche Bier (H. L.bräu), hätten die Fahrer der Lieferanten direkt in den Verkaufsbereich gebracht.

Diesen Aussagen kann gefolgt werden. Beide Zeugen waren, z.T. unmittelbar nach dem Ausscheiden des Klägers, ebenfalls in der Warenannahme tätig, der Zeuge Kw. auch als Marktleiter. Sie konnten daher unmittelbar Wahrnehmungen machen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ihre Aussagen nicht zutreffen. Die Zeugin. B. hatte entsprechende Angaben schon in den Jahren 2008/2009 gegenüber der Zeugin Ko. gemacht und jetzt vor dem Senat ohne Abweichungen im Einzelnen wiederholt. Es entspricht auch dem üblichen Arbeitsablauf in Einzelhandelsgeschäften, dass z. B. die Verkaufsmitarbeiter und nicht die Warenannehmer für die Einräumung der Ware in den Verkaufsabteilungen zuständig sind. Gestützt werden die Angaben der beiden Zeugen durch die Wahrnehmungen der Zeugin Ko. Diese hat die Warenannahme in der Filiale S. für zu klein befunden, als dass dort regelmäßig ganze Paletten hätten abgeräumt werden können. Sie hat auch auf eine Inkonsistenz in den Angaben des Klägers bei dem Ortstermin am 14.01.2008 hingewiesen, der zunächst behauptet hatte, alle Paletten insgesamt abgeräumt zu haben, später aber einräumen musste, dass selbst für eine Feinkontrolle die jeweils letzte Lage nicht abgeräumt werden musste.

Ferner konnte der Senat nicht den weiteren Angaben des Klägers folgen. Sie waren bereits unplausibel. So hatte er z. B. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 15.01.2008 angegeben, er habe in der Filiale G. 10 Jahre lang von September bis März bis zu 600 kg Kohle pro Woche und täglich 40 mal Blumenerde mit je 11,2 kg, bzw. 22,7 kg umgesetzt. Dies hat keiner der Zeugen bestätigt, es ist auch kein Grund für solche Arbeiten ersichtlich. Zum Teil haben sich die Angaben des Klägers auch nicht bestätigt. Seinen Vortrag, es habe in erheblichem Umfang Retouren wegen Falsch- oder Zuvielbestellungen gegeben, die er einzeln habe sortieren und verpacken müssen, hat der Zeuge Kw. nicht bestätigt, obwohl dieser als Marktleiter entsprechende Kenntnis haben müsste. Alle Zeugen haben ferner bekundet, dass auch in der Filiale S. die "Ameise" benutzt wurde, sodass die Angabe des Klägers, dies sei "untersagt gewesen", nicht zutreffen kann. Der Zeuge Kw. hat nur mitgeteilt, er habe den Kläger "auch" mit dem Handhubwagen gesehen, wobei auch bei der Benutzung eines solchen Hilfsmittels keine ausreichenden Druckbelastungen durch Heben entstehen.

(b) Die von der Zeugin Ko. zu Grunde gelegten Lieferscheine für die Woche vom 30.03. bis zum 02.04.2009 reichten als Basis ihrer Berechnungen aus. Zwar lag dieser Zeitraum eineinhalb Jahre nach dem Ende der Berufstätigkeit des Klägers, aber die Auskunftspersonen der Zeugin Ko., dar¬unter die Zeugin B., hatten bestätigt, dass sich Warenmengen und Arbeitsabläufe in der Zwischenzeit nicht verändert hatten und auch schon in den zehn Jahren der Tätigkeit des Klägers in der Filiale G. im Wesentlichen die Gleichen waren. Dass der TAD keinen längeren Zeitraum als eine Woche ausgewertet hat, ist gut vertretbar: Zwar ändert sich das angelieferte Sortiment im Laufe eines Jahres, die untersuchte Menge während einer Woche war jedoch groß genug, um als repräsentativ zu gelten. Dies gilt umso mehr, als in jener Woche auch mehrfach Getränkepaletten (30.03.: Weine und Spirituosen von Herzberger; 01.04.: Bier der Brauerei Stuttgarter Hofbräu., Säfte von Dietz, Bier der L.brauerei; Getränke der Wildbachquelle, große Mengen Getränke von Heinrichs, Rietenauer Mineralwasser und Weine der WZG) angeliefert worden, die zu den schwersten Waren bzw. Gebinden gehören dürften.

(c) Vor diesem Hintergrund ist die Anzahl der Hebevorgänge, die die Zeugin Ko. zu Grunde gelegt hat, nicht zu beanstanden. Sie ist sogar zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass dieser zumindest jede der nach den Lieferscheinen nachgewiesene Mischpalette zur Kontrolle abgeräumt hat, obwohl selbst dies nach den Aussagen der Zeugen nicht zutreffen dürfte. Ferner hat sie wegen der Arbeit des Klägers im Getränkemarkt ein umfangreiches Ab- bzw. Verräumen von Getränkekisten akzeptiert. So hat sie z. B. - gestützt auf die vorhandenen Lieferscheine für den 01.04.2009 - für einen durchschnittlichen Mittwoch unter anderem folgende Hebevorgänge angenommen: 24 mal Bierkiste 20 Fl. Glas 0,5 l, 118 mal Saftkarton, 10 mal Bierkiste 24 Fl. 0,33 l, 39 mal Mineralwasserkiste 6 PET-Flaschen 1,5 l, 39 mal Getränkekiste 24 Fl. Glas 0,33 l, 27 mal Getränkekiste 10 Fl. Glas 1 l, 16 Getränkekisten 20 Fl. Glas 0,5 l, 36 (leere) Paletten.

(2) Auch die pro Hebevorgang zu Grunde gelegten Gewichte hat der TAD nachvollziehbar ermittelt. Die Zeugin Ko. hatte bei dem Ortstermin am 14.01.2008 mit einer Personenwaage festgestellt, wie schwer alle in Betracht kommenden Paletten bzw. Waren oder Gebinde sind. Die Zeugin hat hierzu bekundet, sie habe hierbei alles berücksichtigt, wovon der Kläger angegeben habe, es gehoben oder getragen zu haben. Sie habe die Gewichte dann notiert, wegen technischer Schwierigkeiten aber erst später in das Computersystem des TAD eingeben können. Es handle sich um die Daten, die auf den Ausdrucken in der Verwaltungsakte zu sehen seien. Diesen Angaben folgt der Senat. Aus der bei der Akte befindlichen Berechnung ergibt sich, welche Werte die Zeugin ermittelt hat, nämlich Gewichte von 7,5 kg (Karton mit 6 Literflaschen Punica Fruchtsaft) bis 20 kg (u. a. Kiste mit 24 Glasflaschen à 0,33 l, Leerpaletten) ermittelt. Diese Werte erscheinen nach der Lebenserfahrung nicht zu niedrig angesetzt.

(3) Die Dauer der Hebevorgänge hat die Beklagte richtig eingeschätzt. Die Zeugin Ko. hat in ihren Berechnungen das Ab- bzw. Verräumen der einzelnen Waren bzw. Gebinde als beidhändiges Heben von 2,5 sec. angesetzt. Dies überzeugt. Ein entsprechender Vorgang "beidhändiges Heben" ist anerkannt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 487). Eine Dauer von 2,5 sec entspricht der Zeitklasse "kurz", die beschrieben ist als "Umsetzen im engeren Greifraum oder Stapeln". Dies trifft hier zu: Die einzelnen Kisten oder Kartons waren jeweils nur von einer Palette herunter- bzw. hinaufzustellen. Es ist daher auch nicht dargetan, dass der Kläger größere Gewichte über längere Strecken getragen hat. Bei den weiteren Transporten der Paletten wurden dann die "Ameise" und der Fahrstuhl benutzt; hierbei sind keine zusätzlichen Hebe- oder Tragevorgänge angefallen. Auch dies haben die gehörten Zeugen - unabhängig voneinander - bestätigt.

(4) Gegen die hieran anschließenden Berechnungen sind Einwände weder vom Kläger erhoben worden noch sind solche ersichtlich.

Vielmehr hat die Zeugin Ko. gestützt auf Erfahrungswerte für jeden einzelnen Hebevorgang einzelne Belastungsdosen zwischen 2,4 kN (Fruchtsaftkarton 7,5 kg) und 3,4 kN (20 kg [Leerpaletten, Bierkisten]) angesetzt. Hiernach war schon für einen Teil der Hebevorgänge nicht einmal die notwendige Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern von 2,7 kN erreicht. Gestützt hierauf hat die Zeugin Tagesdosen zwischen 0,8 kNh (donnerstags) und 4,2 kNh (mittwochs) ermittelt und aus diesen dann bei 222 Arbeitstagen pro Jahr und 17,42 Arbeitsjahren zutreffend Tagesteildosen und eine Gesamtbelastungsdosis von 8,7 MNh ermittelt. Hiergegen ist auch rechnerisch nichts einzuwenden.

Diese Gesamtbelastungsdosis liegt, wie die Beklagte und das SG zu Recht ausgeführt haben, deutlich unterhalb des hälftigen Orientierungswerts für eine Gesamtbelastungsdosis (12,5 MNh), also in dem Bereich, in dem ein Ursachenzusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und einer ggfs. vorhandenen bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung, von Rechts wegen ausgeschlossen werden kann. Eine entsprechende Anerkennung scheidet daher aus.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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