L 8 SB 772/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 SB 7475/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 772/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ab dem 25.06.2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuzuerkennen ist.

Die 1951 geborene Klägerin ist in Teilzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie beantragte am 25.06.2008 beim Landratsamt B. - Versorgungsamt S. - einen GdB festzustellen (Blatt 2 der Verwaltungsakte des Beklagten). Unter Berücksichtigung von ärztlichen Berichten (Blatt 3 bis 17 der Verwaltungsakte des Beklagten) sowie eines Reha-Entlassungsberichts vom 23.06.2008 über eine vom 29.05.2008 bis 19.06.2008 seitens der Deutschen Rentenversicherung durchgeführte stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Blatt 18 bis 29 der Verwaltungsakte des Beklagten) und einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. L. vom 21.07.2008 (Blatt 30 der Verwaltungsakte des Beklagten) lehnte das Landratsamt B. die Feststellung eines GdB ab (Bescheid vom 23.07.2008; Blatt 31, 32 der Verwaltungsakte des Beklagten). Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen (chronisches Schmerzsyndrom, Fibromyalgiesyndrom, funktionelle Organbeschwerden, Depression, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Sehminderung) bedingten keinen GdB von wenigstens 20. Die Funktionsbehinderung des Sprunggelenks, die Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform, Haarausfall und Bronchialasthma bedingten keinen GdB von 10.

Den hiergegen am 06.08.2008 erhobenen Widerspruch der Klägerin (Blatt 34, 35 der Verwaltungsakte des Beklagten) wies der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 30.08.2008 (Blatt 37 der Verwaltungsakte des Beklagten) mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2008 (Blatt 39, 40 der Verwaltungsakte des Beklagten) zurück.

Am 07.11.2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht richtig bewertet. Sie leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit mittelschweren depressiven Phasen. Bereits diese Erkrankungen seien mit einem Teil-GdB von 40 bis 50 zu bewerten. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von mindestens 20 zu bewerten. Die bestehende Sprunggelenkserkrankung führe zu einem Teil-GdB von 30 bis 40. Die rezidivierende Sinusitis sei mit einem Teil-GdB von mindestens 20 zu beurteilen. Darüber hinaus leide sie an Haarausfall, der mit einem Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen sei. Die Klägerin hat hierzu - einen Bericht des Facharztes für innere Medizin, Rheumatologie Dr. S. vom 25.11.2008 (Blatt 26, 27 der SG-Akte), - ein Attest des Diplompsychologen H. vom 24.02.2009 (Blatt 31 der SG-Akte), - einen Bericht des ärztlichen Direktors der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Prof. Dr. S. vom 29.10.2009 (Blatt 70, 71 der SG-Akte), - einen Bericht der Ärztin für Neurologie und Psychitrie B. vom 26.08.2010 (Blatt 121 bis 124 der SG-Akte), - die Zusage der Kostenübernahme für eine psychotherapeutische Behandlung für 25 Sitzungen durch die IKK (Blatt 125 der SG-Akte), - einen Bericht der Kliniken Landkreis B. vom 30.11.2010 (Blatt 130, 131 der SG-Akte), - den Reha-Entlassungsbericht vom 24.12.2010 über eine vom 04.11.2010 bis 16.12.2010 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme (Blatt 134 bis 144 der SG-Akte), - einen Bericht von Dr. H. vom 18.01.2011 (Blatt 152 der SG-Akte), - einen Bericht des Pathologen Dr. O. vom 13.01.2011 (Blatt 153 der SG-Akte) und - Unterlagen über die stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin ins Erwerbsleben ab 24.01.2011 (Blatt 154, 155 der SG-Akte), vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 40 sowie 42 bis 56 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat dem SG am 15.04.2009 geschrieben, aufgrund der mehrjährigen Schmerzgeschichte sei ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert worden, zusätzlich eine Arthralgie des linken Fußes sowie Tendinitis und Lumbalsyndrom. Er teile auf orthopädischem Fachgebiet die Angaben des Versorgungsamtes bezüglich der GdB-Einstufung. Für den im Ruhestand befindlichen Prof. Dr. R. hat Oberarzt M., Leiter der Schmerzambulanz im K.-O. Krankenhaus S., dem SG mit Schreiben vom 04.05.2009 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe ein Fibromyalgie-Syndrom im Sinne einer somatoformen Störung mit Präsentation eines Ganzkörperschmerzes sowie eine Sprunggelenksarthralgie links (fremddiagnostisch: eine arterielle Hypertonie sowie eine latente Hypothyreose). Er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes zur GdB-Einschätzung.

Darüber hinaus hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. R ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 82 bis 105 der SG-Akte Bezug genommen. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. hat in ihrem Gutachten vom 12.02.2010 ausgeführt, bei der Klägerin liege auf nervenfachärztlichem Gebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Diese beinhalte eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch eine dadurch ausgelöste starke Müdigkeit, Abgeschlagenheit und eingeschränkte Lebensfreude. Den GdB hat sie auf 30 eingeschätzt und unter Berücksichtigung der fachfremden Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 10 und der Sehminderung mit einem GdB von 10 den Gesamt-GdB auf 30 bestimmt.

Der Beklagte hat zunächst im Vergleichswege (Blatt 107 bis 110 der SG-Akte), später als Teilanerkenntnis (Blatt 114 der SG-Akte) angeboten, ab 25.06.2008 einen GdB von 30 anzuerkennen (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Chronisches Schmerzsyndrom, Fibromyalgiesyndrom, funktionelle Organbeschwerden, Depressionen: Teil-GdB 30; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: Teil-GdB 10; Sehminderung beidseitig: Teil-GdB 10). Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen fortgeführt (Schriftsatz vom 14.07.2010); das Landeratsamt B. hat das Teilanerkenntnis mit Bescheid vom 01.03.2011 umgesetzt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2011 die Klage abgewiesen. Die Klägerin leide in erster Linie an einer Erkrankung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, wo eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliege. Hierzu schließe sich die Kammer der Auffassung von Dr. R. an, wonach bei der Klägerin eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, durch die Schmerzen ausgelöste starke Müdigkeit, Abgeschlagenheit und eingeschränkte Lebensfreude vorliege. Auch soweit Dr. R. für die stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einen Teil-GdB von 30 angesetzt habe, schließe sich die Kammer dem an. Ob neben der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung noch die separate Diagnose einer mittelgradig depressiven Episode zu stellen sei, wie dies in dem Bericht der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, M. B., vom 26.08.2010 bzw. im Reha-Entlassbericht der S. B. B. vom 24.12.2010 angegeben sei, könne dahinstehen. Jedenfalls führe auch diese Diagnose nicht zu einer anderen Bewertung der Beschwerden auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet. Auch das Lumbalsyndrom führe zu keiner erheblichen Einschränkung. Dieses sei mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Bereits die als sachverständige Zeugen befragten Ärzte Dr. S. und M. hätten angegeben, dass die Bewertung des Beklagten nicht zu beanstanden sei. Aus dem Reha-Entlassbericht vom 24.12.2010 lasse sich entnehmen, dass die BWS und LWS frei beweglich gewesen seien und lediglich mäßige muskuläre Verspannungen vorgelegen hätten. Dies sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die subjektiv in diesem Zusammenhang empfundenen Schmerzen seien bereits im Rahmen der Bewertung der somatoformen Schmerstörung eingeflossen. Aus dem Reha-Entlassbericht ergebe sich außerdem, dass objektiv alle Gelenke ohne Deformierungen aktiv und passiv frei beweglich gewesen seien. Sofern bei der Klägerin ein Knick-Spreiz-Fuß vorliege, habe die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass dies mit statischen Auswirkungen verbunden sei. Ein Knick-Spreiz-Fuß ohne statische Auswirkungen führe jedoch zu keinem Teil-GdB. Bei der Klägerin lägen auch keine internistischen Leiden vor, die einen Teil-GdB bedingen würden. Die arterielle Hypertonie sei medikamentös eingestellt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin hierdurch beeinträchtigt werde. Insbesondere sei auch für die im Reha-Entlassbericht vom 24.12.2010 diagnostizierte akute Colondivertikulitis kein Teil-GdB anzusetzen. Diese sei im Rahmen der stationären Rehabilitationsmaßnahme Ende November 2010 akut aufgetreten. Aus dem aufgrund einer am 18.01.2011 durchgeführten Coloskopie von Dr. H. erstellten Arztbericht ergebe sich, dass die Divertikulitis derzeit keine Beschwerden bereite. Somit stelle die Divertikulitis keine Behinderung dar, für die einTeil-GdB zu vergeben sei. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Augenerkrankung der Klägerin verschlechtert habe. Der Gesamt-GdB betrage 30.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten 17.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.02.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Sie wende sich insbesondere gegen die fehlerhaften Feststellungen des GdB im Bereich des Halte- und Bewegungsapparat sowie im Bereich der Verdauungsorgane. Die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der oberen Luftwege seien überhaupt nicht berücksichtigt. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts der S. B. B. vom 24.12.2010 sei dort eine akute Colondivertikulitis diagnostiziert worden. Dies entspreche auch den Feststellungen der Kreisklinik B. vom 30.11.2010. Dort sei eine Divertikulitis im Bereich der rechten Colonflexur diagnostiziert worden. Hierfür sei ein Teil-GdB von 20 bis 30 festzustellen. Selbst bei Darmstörungen, ohne wesentliche Beschwerden oder Auswirkungen sei ein Teil-GdB bis zu 10 gerechtfertigt. Tatsächlich leide sie nach wie vor unter akuten Durchfällen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sie an einer schwerwiegenden Bronchitis und Sinusitis leide. Hierfür sei ein Teil-GdB von 20 bis 40 festzustellen. Auch werde die Bewertung der Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (Lumbalsyndrom) mit lediglich einem Teil-GdB von 10 ihren tatsächlichen Einschränkungen nicht gerecht. Es liege eine Einschränkung mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor. Hierfür sei ein Teil-GdB von 20 festzustellen

Die Klägerin beantragt:

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 23.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2008 in der Fassung des das Teil-Anerkenntnis vom 05.07.2010 ausführenden Bescheids vom 01.03.2011 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 25.06.2008 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ärztliche Berichte vorgelegt. Hierzu wird für - das Attest von Dr.-medic M. vom 25.10.2010 auf Blatt 36 der Senatsakte, - den Bericht des Arztes für Chirurgie Dr. F. vom 18.07.2011 auf Blatt 40 der Senatsakte, - den Bericht der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapie, Stressmanagement, Übergewicht und Stoffwechsel Dr. W. vom 18.08.2011 auf Blatt 46 der Senatsakte, - den Bericht des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle orthopädische Chirurgie, Sportmedizin, Physikalische Therapie Prof. Dr. P. vom 12.08.2011 auf Blatt 52, 53 der Senatsakte, - den Bericht des Facharztes für Diagnostische Radiologie Dr. M. (MRT des rechten Sprunggelenks am 11.11.2011) auf Blatt 55 der Senatsakte, - den Bericht des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle orthopädische Chirurgie, orthopädische Rheumatologie, Sportmedizin, Chirotherapie, Fußchirurgie Dr. H. vom 30.11.2011 auf Blatt 57, 58 der Senatsakte, - die Zusage der Kostenübernahme für eine psychotherapeutische Behandlung für 30 Sitzungen durch die IKK auf Blatt 87 der Senatsakte, - den Bericht von Dr. G. aus der gastroenterologischen Schwerpunktpraxis vom 25.05.2012 auf Blatt 93 der Senatsakte, - den vorläufigen Entlassbericht des K.-O.-Krankenhauses - Bereich Innere Klinik I vom 20.06.2012 auf Blatt 95, 96 der Senatsakte (= Blatt 104,105), - den Bericht der Schilddrüsensonografie von Dr. S. vom 18.06.2012 auf Blatt 97 der Senatsakte, - den Bericht des Urologen Dr. U. vom 07.06.2012 auf Blatt 100 der Senatsakte, - den Bericht des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. D. vom 04.07.2012 auf Blatt 102, 103 der Senatsakte, - den Operationsbericht (Arthroskopie der rechten Schulter am 03.09.2012) des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. auf Blatt 116, 117 der Senatsakte, Bezug genommen.

Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständigen Zeugen. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 42, 61 bis 81 der Senatsakte Bezug genommen. Der Arzt für Chirurgie Dr. F. hat in seiner Auskunft vom 27.07.2011 darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin nur am 18.07.2011 vorgestellt habe wegen Krampfadern und Beinschmerzen. Die Untersuchung habe ein VSM-Insuffizienz St3 mit Seitenastvarikose und VSP-Insuffizienz St2 rechts ergeben. Eine operative Therapie sei erforderlich. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie B. hat mit Schreiben vom 22.01.2012 darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit Jahren unter einer rezidivierenden depressiven Störung leide, diese sei aktuell in leichtgradiger Form vorhanden, trotz durchgeführter ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und antidepressiver medikamentöser Therapie. Aus ihrer Sicht bestehe ein Gesamt-GdB von 60 unter Einschluss der auf anderen Facharztgebieten liegenden Funktionseinschränkungen (Funktionelle Wirbelsäulenbeschwerden, Zustand nach Meniskusoperation rechts, Valgus-Fehlstellung beider Sprunggelenke mit arthrotischen Veränderungen und Ermüdungsbruch, Sehstörungen, arterielle Hypertonie).

Der Senat hat des Weiteren u.a. Berichte des D. S., Chirurgische Klinik (Gefäßchirurgie; Dr. E.) vom 17.07.2012 beigezogen (Blatt 116 bis 117 der Senatsakte), wonach eine periphere arterielle Verschlusskrankheit der Beine ausgeschlossen werden könne.

Gemäß § 109 SGG hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. W.; wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 123 bis 160 der Senatsakte Bezug genommen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapie Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 12.12.2012 ausgeführt, die Klägerin sei von einer Multimorbidität betroffen. Dazu hat er ein Fibromyalgiesyndrom, eine Chronifizierung der chronischen Schmerzstörung mit Lokalisation in der oberen und unteren Körperhälfte, in der linken und rechten Körperseite mit Schwerpunkt an Nacken und Rumpf sowie Armen, eine lumbale Spinalkanalstenose in Verbindung mit einer Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule und eine multifaktoriell bedingte rezidivierende depressive Störung sowie die degenerativen Veränderungen von Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, die Kniegelenksveränderungen mit Zustand nach Meniskusoperation und die Fraktur des linken Sprunggelenks 2011 und die komplexe Schultergelenkserkrankung rechts mit Operation am 03.09.2012, sowie nachgeordnet eine Schilddrüsenunterfunktion mit Substitution, eine Hypertonie mit medikamentöser Behandlung, eine behandelte Magenentzündung eine Visusminderung bei Vaskulopathie dargestellt. Für das Fibromyalgiesyndrom sei ein Teil-GdB von 30 anzusetzen, für die schmerzhafte lumbale Spinalkanalstenose ein Teil-GdB von 30. Hinzu kämen weitere Schmerzsyndrome im Bereich von Gesicht, Schultern, Hüften und Gelenken, sodass eine über "das übliche Maß hinausgehende" Schmerzhaftigkeit mit hohem Behandlungsbedarf vorliege. Den Gesamt-GdB im Juni 2008 schätze er auf 40 ein. 2011 sei es zu einer signifikanten Verschlechterung durch eine Fraktur mit Schwellung von linkem Sprunggelenk gekommen, sodass seit 04/2011 ein Gesamt-GdB von 50 v.H. vorliege. Nach der Operation der rechten Schulter sei diesbezüglich eine Linderung der Schulterschmerzen und auch der Einschränkungen der Beweglichkeit eingetreten, doch sei auch die verbleibende Schulterproblematik in Rechnung zu stellen.

Der Senat hat nunmehr erneut Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des behandelnden Orthopäden als sachverständigen Zeugen. Hierzu hat zunächst Dr. H. aus der Praxis Dr. M., S., L. & Partner (Blatt 172 der Senatsakte) mit Schreiben vom 08.08.2013 ausgeführt, es bestehe eine Fasciitis plantaris rechts bei dekompensiertem Knickplattfuß rechts und aktivierter Mittelfußarthrose. Mit Schreiben vom 29.08.2012 hat sich auch die Fachärztin für Neurochirurgie Dr. W. aus derselben Praxis geäußert (Blatt 178 der Senatsakte) und ausgeführt, es bestehe ein chronisches Lumbalsyndrom, eine Spondylarthrose der LWS, ein Spreizfuß, eine Innenmeniskopathie des rechten Knies (Innenmeniskus rechts und Außenmeniskus rechts), eine Ermüdungsfraktur und Arthralgie im Bereich des oberen Sprunggelenkes rechts, eine Spinalkanalstenose, ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter und eine Bursitis subacromialis der rechten Schulter sowie eine Faciitis plantaris rechts. Für sich betrachtet liege der GdB im Bereich der Wirbelsäule bei 30 %. Dabei seien die bestehenden Komorbiditäten im Bereich des Sprunggelenkes und der Schultern etc. nicht berücksichtigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die beigezogene Akte des SG sowie des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung der Klägerin entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid des Landratsamts B. vom 23.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 13.10.2008 war ursprünglich rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Diese Rechtsverletzung wurde durch das angenommene Teilanerkenntnis über einen GdB von 30 seit 25.06.2008 beseitigt.

Der Bescheid des Landratsamts B. vom 01.03.2011, mit dem dieses das Teilanerkenntnis umgesetzt hatte, ist mangels eigenen Regelungsgehalts kein ersetzender Verwaltungsakt im Sinne von § 96 SGG (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 31 Rn. 30). Der in Ausführung des Teilanerkenntnisses ergangene Ausführungsbescheid wird von der Berufung des Klägers gegen den diesen Sachverhalt regelnden Gerichtsbescheid erfasst, ohne dass es hierzu einer Klage nach §§ 153 Abs. 1, 96 SGG bedürfte, über die der Senat gesondert zu befinden hätte (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 96 Rn. 7 und 4b, jeweils m.w.N.).

Durch das angenommene Teilanerkenntnis hat sich der Rechtsstreit insoweit erledigt. Der Senat hatte daher nicht mehr darüber zu entscheiden, ob der Klägerin ein GdB von 30 zusteht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004 bzw. 2008 (AHP; die angegebenen Seitenzahlen gelten jeweils für beide Fassungen der AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 19091, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr. 30). In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).

Auch aus der vom Senat und vom SG durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass ein höherer GdB als 30 nicht festzustellen ist.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet hat Dr. R. in ihrem Gutachten die dort bestehende Erkrankungsproblematik aus dem Bereich der depressiven Erkrankungen und der Schmerzerkrankungen als anhaltende somatoforme Schmerzstörung bezeichnet und mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. W. an. Bei seiner Bemessung des Teil-GdB berücksichtigt der Senat sowohl die depressive Komponente der Funktionsbeeinträchtigungen als auch die Fibromyalgie und die dabei eingetretene Chronifizierung der Schmerzstörung mit Lokalisation in der oberen und unteren Körperhälfte, in der linken und rechten Körperseite mit Schwerpunkt an Nacken und Rumpf sowie Armen, wie sie von Dr. W. in seinem Gutachten dargestellt worden war. Wie sich aus den in den Gutachten von Dr. R. und Dr. W. dargestellten Umständen zum Tagesablauf - einschließlich der Erwerbstätigkeit - ergibt, ist die Klägerin zwar in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt. Doch konnte auch Dr. W. die Klägerin als bei klarem Bewusstsein, zeitlich, örtlich, zur Person und situativ orientiert beschreiben, ohne Hinweise auf eine aktuelle Merkschwäche oder eine verminderte Erinnerungsfähigkeit. Auch konnte sie die bestehenden Schmerzen in Mimik und Gestik adäquat darstellen (vgl. das Gutachten von Dr. W. Blatt 143 der Senatsakte = Seite 21 des Gutachtens). Auch wenn die Klägerin in ihrer Grundstimmung etwas bedrückt wirkte (Blatt 143 der Senatsakte) konnte Dr. W. bei Behandlung mit zwei Antidepressiva keine Zeichen einer schweren depressiven Störung, speziell keine psychotischen Symptome und kein Morgentief ihrer Beschwerden finden. Vielmehr hat auch Dr. W. beschrieben (a.a.O.), dass die Klägerin, die trotz ihrer Erkrankung noch immer am Erwerbsleben teilnimmt, sich nicht aus der Gesellschaft zurückgezogen habe, den Haushalt und die Lebensführung leiste. Vor diesem Hintergrund und auch unter Berücksichtigung der Auskünfte von Dr. B. gegenüber dem Senat aber auch in ihrer Stellungnahme gegenüber der Rentenversicherung im Rahmen des Rehabilitationsverfahrens konnte der Senat bei der Klägerin nicht an den oberen Rand des für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen; dazu vgl 26.3 AHP, Seite 48; B Nr. 3.7 VG) gehen. Daher war der Teil-GdB auf 30 zu bemessen. Dem entsprechen auch die Ausführungen des Entlassungsberichts aus der Rehabilitation im Jahr 2010 (Blatt 69 ff der Senatsakte), wo die Klägerin als im Verlauf der Rehabilitation deutlich gebessert beschrieben wird. Auch war angesichts von 26.18 AHP, Seite 113, B Nr. 18.4 VG ein eigenständiger Teil-GdB für die Schmerzerkrankung/das Fibromyalgiersyndrom nicht auszuweisen.

Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule in Folge einer lumbalen Spinalkanalstenose in Verbindung mit einer Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule, degenerativen Veränderungen von Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule. Hierzu hat Dr. W. (Blatt 142 der Senatsakte = Seite 20 des Gutachtens) an der Halswirbelsäule schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bei der Rotation und Reklination nach rechts (Kinn-Jugulum-Abstand 2/16 cm, Schmerzäußerung bei maximaler Vor- und Rückbeugung, Bewegungsausmaße: Extension/Flexion 60°/0/30° (Normbereich), Rotation re./li. 70°/0/60° (Blockierung nach links), Seitneigung re./li. 30°/0/30° (Normbefund) mitgeteilt; auch der Reha-Entlassbericht vom 24.12.2010 teilt hinsichtlich der Brust- und Lendenwirbelsäule eine freie Beweglichkeit bei lediglich muskulärer Verspannung mit. Die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule war auch bei der Untersuchung durch Dr. W. bei der Rotation und Seitbeugung schmerzhaft eingeschränkt, doch ohne nervale Ausstrahlung (Ott sches Zeichen 30/33 cm). An der Lendenwirbelsäule bestanden bei der Begutachtung durch Dr. W. Vorbeugungs- und Rückbeugungs- sowie Seitneigungsschmerzen ohne radikuläre Ausstrahlung (Finger-Boden-Abstand 8 cm, Schober-Index 10/12,5 cm (gute Aufklappbarkeit der Lendenwirbelsäule bei Hyperlordose), Lasegue sches Zeichen negativ). Aus diesen Funktionsausmaßen lässt sich nach Überzeugung des Senats auch in Anbetracht der in den ärztlichen Berichten und Auskünften vorgebrachten Umstände ein höherer Teil-GdB als 10 nicht ableiten. Denn aus diesen Befunden lassen sich mittelschwere oder gar schwere funktionelle Auswirkungen im Sinne von 26.18 AHP, Seite 116; B Nr. 18.9 VG nicht ableiten. Vielmehr handelt es sich um Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen.

Die Kniegelenksveränderungen mit Zustand nach Meniskusoperation und die Fraktur des linken Sprunggelenks 2011 bedingen ebenso wie die komplexe Schultergelenkserkrankung rechts mit Operation am 03.09.2012 jeweils nur einen Teil-GdB von 10. Keiner der Ärzte konnte insoweit erhebliche Bewegungseinschränkungen oder Funktionseinbußen darlegen. Vielmehr hat sich der behandelnde Orthopäde Dr. S. aus der Praxis Dr. M., S., L. & Partner gegenüber dem SG der GdB-Bewertung des Beklagten, die für diese Funktionseinschränkungen überhaupt keinen Teil-GdB angenommen hatte, ausdrücklich zugestimmt. Auch aus den später von Dr. H. und Dr. W. aus derselben Praxis mitgeteilten Befunde lässt sich ein höherer Teil-GdB als 10 nicht ableiten. Dem hat der Beklagte auch mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.03.2012 (Blatt 83, 84 der Senatsakte) teilweise Rechnung getragen, als auch er nunmehr hinsichtlich der Funktionsbehinderungen beider Sprunggelenke einen Teil-GdB von 10 angenommen hat. Anhaltspunkte für eine stärkere Funktionsbeeinträchtigung - insbesondere der Schulter - konnte der Senat (hinsichtlich der Schulter weder vor noch nach der Operation) feststellen.

Die Sehminderung beidseits ist angesichts der in der Verwaltungsakte vorliegenden Befunde (dazu vgl. Blatt 6, 7, 12 der Verwaltungsakte des Beklagten) seit Jahren stabil und zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 bewertet.

Auch die Varikosis/Krampfadern sind wegen der bestehenden aber nur geringgradig ausgeprägten Ödeme mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet (26.0 AHP, Seite 74; B Nr. 9.2.3). Insoweit konnte gerade eine Verschlusserkrankung ausgeschlossen werden (Bericht von Dr. E. vom 17.07.2012, Blatt 116, 117 der Senatsakte).

Die auf internistischem Fachgebiet darüber hinaus bestehenden Erkrankungen einer Schilddrüsenunterfunktion mit Substitution, einer Hypertonie mit medikamentöser Behandlung und einer behandelten Magenentzündung bedingen keinen eigenständigen Teil-GdB. Die bestehende arterielle Hypertonie ist medikamentös eingestellt. Es bestehen darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin hierdurch beeinträchtigt würde. Gleichfalls ist die Schilddrüsenunterfunktion medikamentös ausreichend behandelt; entsprechend hat auch keiner der Ärzte hier Funktionsbeeinträchtigungen mitteilen können. Auch die von der Klägerin dargestellte Colondivertikulitis begründet keinen Teil-GdB. Diese Erkrankung trat akut im Rahmen der stationären Rehabilitationsmaßnahme Ende November 2010 auf. Aus dem aufgrund einer am 18.01.2011 durchgeführten Coloskopie von Dr. H. erstellten Arztbericht (Blatt 152 der SG-Akte) ergibt sich, dass die Divertikulitis keine Beschwerden mehr bereitet hat. Dass seither erhebliche funktionelle Beeinträchtigungen aufgetreten sind, hat keiner der behandelnden Ärzte mehr mitgeteilt, so dass auch aus den Angaben der Klägerin zu Durchfällen kein Teil-GdB abgeleitet werden kann. Auch Dr. W. hat in seinem Gutachten keine Anhaltspunkt dafür angegeben, dass die Klägerin im Rahmen der Beschwerdeschilderung hierzu etwas vorgetragen hätte.

Die von der Klägerin geltend gemachte Bronchitis und Sinusitis sind vorübergehende Erkrankungen, die nicht zu einen Zeitraum von sechs Monaten überdauernden Funktionsbeeinträchtigungen führen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) und auch vorliegend nicht geführt haben. Dass es sich im vorliegenden Fall um chronische Erkrankungen handelt, hat selbst die Klägerin nicht geltend gemacht.

Der Haarausfall lässt sich lediglich in alten Unterlagen feststellen. Ein aktueller Haarausfall wird dagegen von keinem der Ärzte beschrieben, weshalb hier auch eine Funktionsbeeinträchtigung nicht angenommen werden kann.

Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen, liegen bei der Klägerin nicht vor.

Der Senat ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und in Anbetracht der vorliegenden medizinischen Befunde samt der daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB mit 30 zu bemessen ist. Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall.

Unter Beachtung der gegenseitigen Auswirkungen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB mit 30, gebildet aus Teil-GdB-Werten von 30 (für die auf nervenärztlichem Fachgebiet einschließlich der Fibromyalgie/Schmerzerkrankung bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen) sowie jeweils von 10 für die aus den Wirbelsäulenschäden, den Kniegelenksveränderungen, der Erkrankung des Sprunggelenks sowie des Schultergelenkserkrankung, der Sehminderung und der Varikosis/Krampfadern resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen, ausreichend bemessen ist. Dabei war zu berücksichtigen, dass insbesondere zwischen der Schmerzerkrankung/nervenärztlichen Erkrankung sowie den schmerzhaften Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet deutliche Überschneidungen bzw. Überlagerungen bestehen.

Der angefochtene Bescheid vom 23.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2008, in der Fassung des das Teilanerkenntnisses ausführenden Bescheids vom 01.03.2011 war daher ebensowenig abzuändern wie der Gerichtsbescheid des SG. Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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