L 3 U 1651/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1839/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1651/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. März 2013 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung (behördliche Feststellung) eines Arbeitsunfalls.

Der 1942 geborene Kläger war früher als Fliesenlegermeister erwerbstätig und bezieht Regelaltersrente. 1977 erwarb er ein 16 Ar großes Grundstück, das u. a. mit Obstbäumen bestanden ist und landwirtschaftlich genutzt wird. Seitdem wird der Kläger als (nebenerwerblicher) selbstständiger Landwirt zur gesetzlichen Unfallversicherung veranlagt. Nach dem Beitragsbescheid der früheren Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg, einer Rechtsvorgängerin der jetzigen Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte), für das Geschäftsjahr 2011 betrug der Jahresbeitrag für das genannte Grundstück EUR 67,95.

Am 07.08.2011 stürzte der Kläger beim Ernten von Ringlotten von der an einem Baum angelehnten Leiter. Der D-Bericht von Dr. A. vom 16.08.2011 nannte für den Unfalltag eine Prellung der LWS (Lendenwirbelsäule). Später wurde eine Fraktur des LWK1 (ersten LW-Körpers) diagnostiziert (Bericht des Klinikums Pforzheim vom 23.09.2011). Der Kläger wurde am 11.08.2011 operiert (dorsale Spondylodese/Fixatur der WK Th11-L3) und befand sich längere Zeit in ärztlicher Behandlung, wobei er vom 06.10.2011 bis - verlängert - zum 10.11.2011 eine Anschlussrehabilitation absolvierte (Entlassungsbericht der Fachklinik Falkenburg vom 10.11.2011).

In dem Fragebogen "Obsterntung" teilte der Kläger unter dem 23.08.2011 mit, auf dem fraglichen Grundstück ständen insgesamt 17 Bäume "für Eigenverbrauch oder Verschenken". Außerdem gebe es einen Hausgarten mit zwei Kirschbäumen. Von den Bäumen erziele er einen "kleinen Eigenverbrauch". Am Unfalltage habe er eine "kleine Tüte" Ringlotten für seinen Sohn, dessen Ehefrau und seinen Enkel mit etwa "1-2 kg" ernten wollen. Ohne den Unfall hätte das Abernten fünf Minuten gedauert. Der gesamte Baum habe nicht abgeerntet werden sollen. Weiteres Obst habe zu späteren Zeitpunkten geerntet werden sollen. Zur weiteren Prüfung befragte der Außendienstmitarbeiter G. der Beklagten den Kläger. Dieser stellte u. a. fest, dass auf der versicherten Fläche 13 Obstbäume, Kartoffeln und Gemüse angebaut würden, dass der jährliche Obstertrag des Baums ca. 15 kg umfasse. Er teilte ferner mit, dass die Familie des Klägers (Sohn, Schwiegertochter und fast zwei Jahre alter Enkel) am Unfalltag gemeinsam "im Rahmen eines Spaziergangs" zu dem Garten gegangen sei. An sich habe der Sohn die für ihn bestimmten Ringlotten ernten sollen. Da der Enkel aber nicht auf dem Arm des Klägers habe bleiben wollen, sei der Sohn wieder von der Leiter gestiegen und der Kläger habe es unternommen, die Ringlotten zu pflücken. Eine weitere Tätigkeit sei nicht vorgesehen gewesen. Dabei sei er von der Leiter gestürzt. G. stützte seine Feststellungen auch auf Angaben des Klägers selbst, die dieser unterschriftlich bestätigte. Hierauf wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 08.02.2012 lehnte es die Beklagte ab, einen Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Unfall habe sich nicht bei einer versicherten Tätigkeit ereignet. Das Abernten von Früchten sei nur dann dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzurechnen, wenn größere Mengen geerntet würden und die Erzeugnisse zum Verkauf, zur Vorratshaltung oder Lagerung bestimmt seien. Der Kläger habe nur eine kleine Menge zum alsbaldigen Verzehr ernten wollen.

Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, er habe ernten wollen, was gerade reif gewesen sei, und seinem Sohn mitgeben oder für den Eigenverbrauch verwenden wollen, ohne den Sturz hätte er sicherlich noch z. B. die bereits reifen Frühäpfel oder sonstiges Gemüse abernten wollen und dies sicher nicht nur zum sofortigen Verzehr.

Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012. Die zum Unfall führende Tätigkeit müsse auf eine planmäßige Bodenbewirtschaftung ausgerichtet sein und dem Unternehmensinteresse dienen. Dies sei beim Schneiden und Pflegen von Obstbäumen, bei Spritzarbeiten und beim Entfernen von Altbäumen der Fall. Das Abernten von Obstbäumen sei - nur - in der Regel zwar dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzuordnen. Dies gelte dann, wenn dies in ordnungsgemäßer Ausübung des landwirtschaftlichen Betriebs bzw. im Betriebsinteresse liege. Dies sei z. B. der Fall, wenn ein Obstbaum vollständig abgeerntet würde, dann sei auch der Verwendungszweck des Obstes gleichgültig. Nach den Angaben des Klägers gegenüber dem Außendienstmitarbeiter am 16.01.2012 stehe aber fest, dass hier nur eine geringe Pflaumenmenge zum Mitnehmen für den Sohn des Klägers und dessen Familie für deren Eigenverbrauch vorgesehen gewesen sei. Diese Angaben des Klägers seien maßgebend. Sie seien glaubwürdiger als die später - im Widerspruchsverfahren - gemachten Angaben. Es sei nicht mit der erforderlichen Gewissheit bewiesen, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt habe. Sei ein solcher Nachweis nicht zu führen, gehe dies zu Lasten des Anspruchstellers.

Am 21.05.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat dort vorgetragen, sein Sohn und seine Schwiegertochter könnten bestätigen, dass man sich gemeinsam zu dem Grundstück begeben habe, um Frühäpfel, Kartoffeln, Ringlotten und Frühzwetschgen zu ernten, die nicht ausschließlich zum sofortigen Verzehr hätten geerntet werden sollen. Die Antworten, die er - der Kläger - am 16.01.2012 gegeben habe, habe ihm der Außendienstmitarbeiter in den Mund gelegt. Er habe seine Angaben in dem Protokoll nicht durchgelesen, bevor er sie unterschrieben habe. Zu den Vorgängen am Unfalltag hat der Kläger unter anderem seinen Sohn als Zeugen benannt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat mitgeteilt, ihr Mitarbeiter G. sei nicht unangemeldet und auch nicht kurz, sondern erst fünf Monate nach dem Ausfüllen des Obstfragebogens erschienen. Die Familie sei zu Besuch gekommen. Es sei abwegig, dass zusammen mit einem Kleinkind an einem Sonntag eine komplette Aberntung des Grundstücks geplant gewesen sei.

Das SG hat eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt, der Kläger dem widersprochen. Mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen der Beklagten in den angegriffenen Bescheiden verwiesen und ergänzend ausgeführt, nach den Angaben des Klägers im Fragebogen und am 16.01.2012 habe nur eine kleine Tüte Ringlotten geerntet werden sollen. Diesen Angaben sei zu folgen, sodass eine Zeugenvernehmung nicht angezeigt gewesen sei.

Gegen diesen Gerichtsbescheid, seinem Prozessbevollmächtigten am 13.03.2013 zugestellt, hat der Kläger am Montag, dem 15.04.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er beanstandet, dass das SG trotz seines Widerspruchs durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Der Sachverhalt sei nicht geklärt gewesen. Er behauptet ergänzend, er habe unter dem Einfluss starker Medikamente gestanden, als er den Obstfragebogen ausgefüllt habe, deshalb habe er die Fragen nicht richtig verstanden. Er trägt vor, man habe eine Teilernte für den Eigenverbrauch durchführen wollen. Ohne den Sturz habe mehr geerntet werden sollen als eine Tüte Ringlotten. Er verweist darauf, dass er wegen des fraglichen Grundstücks seit 1977 Beiträge an die Beklagte zahle.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2012 zu verurteilen, den Unfall vom 07. August 2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, selbst bei einem Eigenverbrauch sei eine Aberntung hier dem Haushalt und nicht dem Betrieb zuzuordnen, da der Haushalt - auch wegen der geringen Größe der bewirtschafteten Fläche - nicht Teil des Unternehmens sei.

Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung seines Sohnes als Zeugen. Wegen des Ergebnisses von Anhörung und Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 02.10.2013 verwiesen.

In dem Erörterungstermin am 02.10.2013 haben sich beide Beteiligte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

1. Die Berufung des Klägers ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftig. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

2. Eine bloße Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids, verbunden mit einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG (§ 159 Abs. 1 SGG) hat der Kläger nicht beantragt. Es liegen auch keine Gründe dafür vor. Insbesondere liegt kein Verfahrensfehler darin, dass das SG entgegen dem Widerspruch des Klägers durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Eine solche Entscheidungsform verlangt nicht die Zustimmung der Beteiligten (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die in erster Instanz unterbliebene Vernehmung des vom Kläger benannten Zeugen hat der Senat nachgeholt.

3. In der Sache hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, durch Bescheid festzustellen, dass der Unfall am 07.08.2011 ein Arbeitsunfall war.

Ein Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ein Unfall eines Versicherten "infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2 ( ) begründenden Tätigkeit."

Der Kläger hat eine solche versicherte Tätigkeit nicht ausgeübt, als er am 07.08.2011 beim Pflücken von Ringlotten von einer Leiter stürzte und sich verletzte:

a) Den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII begründet - nur - eine Tätigkeit als "Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens".

b) Zwar ist der Kläger in diesem Sinne landwirtschaftlicher Unternehmer. Sein Garten ist eine grundsätzlich versicherte Fläche. Der Kläger übt dort regelmäßig und mit einer gewissen Planung Arbeiten der Bodenbewirtschaftung aus, zu denen nicht nur die Zucht von Bodenpflanzen (hier: Karotten, Kartoffeln) zählt, sondern auch das Bewirtschaften von Obstbäumen. Der Garten war auch nicht nach der einschränkenden Ausnahmeregelung in § 123 Abs. 2 SGB VII vom Versicherungsschutz ausgenommen, anderenfalls wäre der Kläger auch seit Jahren zu Unrecht der Pflichtversicherung und der Beitragslast unterworfen gewesen: Mit 1.600 qm Fläche überschreitet der Garten zumindest die vom BSG erwogene neue untere Grenze von 1.250 qm für eine versicherte landwirtschaftliche Fläche (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.2011 B 2 U 16/10 R, www.sozialgerichts¬bar¬keit.de, Rn. 13, ferner Urt. v. 28.07.1977, 2 RU 40/77, Juris Rn. 20; dagegen noch auf 2.500 qm abstellend: BSG, Urt. v. 31.01.1989, 2 RU 30/88, Juris Rn. 18 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts). Es handelt sich auch nicht um einen Hausgarten nach § 123 Abs. 2 SGB VII, weil er 500 m entfernt vom Haushalt des Klägers liegt (zu diesem Kriterium BSG, Urt. v. 06.05.2003, B 2 U 37/02 R, Juris Rn. 20 m.w.N.), und es ist auch kein "anderer Kleingarten" im Sinne von Hs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift, weil die Voraussetzungen aus § 1 BKleingG nicht erfüllt sind, insbesondere nicht in einer Kleingartenanlage liegt und die dort als Soll-Vorschrift ausgestaltete Höchstfläche von 400 qm deutlich überschreitet (hierzu ausführlich BSG, Urt. v. 28.07.1977, a.a.O.).

c) Der Kläger hat auch einen Unfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erlitten, er ist nämlich von der Leiter gestürzt und hat sich hierbei einen Lendenwirbelkörper gebrochen, was den Gesundheitserstschaden darstellt. Der Sturz war eine unerwartete Einwirkung von außen auf seinen Körper.

d) Jedoch übte der Kläger am Unfalltag keine versicherte Unternehmertätigkeit aus.

aa) Tätigkeiten eines Unternehmers, der grundsätzlich der Unfallversicherung unterliegt, sind nur dann versichert im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wenn sie unternehmensbezogen sind. Eigenwirtschaft¬liche Tätigkeiten im privaten Bereich sind nicht geschützt.

Eigenwirtschaftlich in diesem Sinne sind - grundsätzlich - auch solche Tätigkeiten, die ganz oder ganz überwiegend dem eigenen Haushalt des versicherten Unternehmers dienen. Hiervon macht allerdings gerade für landwirtschaftliche Unternehmer § 124 Nr. 1 SGB VII eine Ausnahme, weil hier schwieriger zwischen privatem Haushalt und Unternehmen abzugrenzen ist als bei anderen Selbstständigen. Diese Norm bezieht auch Tätigkeiten in einem oder für den Haushalt eines solchen Unternehmens in den Schutz der Unfallversicherung ein, wenn der fragliche Haushalt dem Unternehmen wesentlich dient. Ein solches Dienen kann z. B. angenommen werden, wenn in dem Haushalt Mitarbeiter (Erntehelfer und andere, ggfs. auch familienangehörige Helfer) wegen bzw. im Zusammenhang mit ihrer Mitarbeit verköstigt werden (vgl. Schmitt, a.a.O., § 124 Rn. 2 ff.), was hier bei dem Kläger nach seinen eigenen Angaben bei seiner Anhörung nicht der Fall war. Aber auch der Verbrauch geernteter Früchte im Haushalt des Unternehmers kann dem Unternehmen dienen. Wann dies der Fall ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Ältere Entscheidungen stellten z.T. auf die Menge des geernteten Obstes ab und haben bei geringen Mengen zum Eigenverbrauch eine unternehmensbezogene Tätigkeit verneint (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.08.1981, L 3 U 199/80, Juris: 3, 10 bzw. 12 kg Kirschen). Zum Teil wurde aber auch auf die Zweckbestimmung allein abgestellt und ein Unternehmensbezug verneint, wenn das Obst allein zum Einwecken und Kuchenbacken bestimmt war (Bayerisches LSG, Urt. v. 17.07.1984, L 3 U 47/84, Juris). Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 26.05.1987 (2 RU 25/86, Juris) entschieden, ein Nebenerwerbslandwirt stehe beim Abernten von Obst unter dem Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, wenn es dem planmäßigen Abschluss der Gewinnung von Bodenerzeugnissen diene; - nur - das Ernten von geringen Mengen zum baldigen Verzehr sei dagegen dem eigenwirtschaftlichen, nicht unfallversicherungsrechtlich geschützten Bereich zuzurechnen (vgl. auch BSG, Urt. v. 24.02.1988, 2 RU 29/87, Juris). Sofern kein "baldiger Verzehr" geplant sei, bestehe Unfallversicherungsschutz unabhängig davon, ob die Früchte hernach im eigenen Betrieb, im eigenen Haushalt, durch Verkauf oder durch Vernichtung verwertet würden, wenn nur die Erntetätigkeit selbst planvolle landwirtschaftliche Betriebstätigkeit sei. Das BSG hat in jenem Urteil daher Unfallversicherungsschutz bejaht, weil die geplante Erntemenge "überwiegend als Vorrat eingeweckt" und "nur zu einem kleineren Teil ‚so gegessen‘" werden sollte.

bb) Nach der Beweisaufnahme ist der Senat ebenso wie das SG nicht in dem nach § 128 Abs. 1 SGG notwendigen Maße einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass der Kläger mehr ernten wollte als eine kleine Menge Ringlotten, die er oder seine Familienangehörigen alsbald - also noch am selben oder allenfalls am folgenden Tag - essen wollten.

Diese verbleibenden Zweifel folgen insbesondere aus den Angaben des Klägers in dem Fragebogen Obsterntung und bei seiner Anhörung im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Außendienstmitarbeiter G. der Beklagten. Dass der Kläger diese Angaben gemacht hat, ist unstreitig und steht auch fest. So ist der vom Außendienstmitarbeiter G. gefertigte Bericht vom 20.01.2012, in dem er ebenfalls bestätigt, dass die fraglichen Angaben so gemacht wurden, eine öffentliche Urkunde und begründet daher nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 415 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vollen Beweis dafür, dass die fraglichen Erklärungen gegeben wurden und vom Kläger stammten. Dafür dass diese Angaben inhaltlich unzutreffend sein sollten, liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Es handelt sich um die ersten Angaben nach dem Unfall, die der Kläger unbeeinflusst vom weiteren Verfahrensablauf gemacht hat. Die Angaben wurden mehrere Monate nacheinander (23.08.2011 und 16.01.2012) gemacht und stimmen inhaltlich überein. Der Vortrag des Klägers, er habe bei der Ausfüllung des Fragebogens unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden und der Außendienstmitarbeiter habe ihm die Antworten "in den Mund gelegt", überzeugt den Senat nicht. In beiden Fällen hat der Kläger seine Angaben unterschriftlich bestätigt. Dass der Kläger die Bedeutung der Fragen nicht verstanden hat und sich daher womöglich über den Inhalt seiner Erklärungen geirrt hat (§ 119 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), ist nicht anzunehmen. Es waren einfach formulierte Fragen nach alltäglichen Arbeitsabläufen in einem landwirtschaftlichen Unternehmen. Dass der Kläger womöglich nicht wusste, welche rechtliche Bedeutung die Angaben haben könnten, wäre einem unbeachtlichen Motivirrtum gleichzustellen (vgl. § 119 Abs. 2 BGB).

Eine andere Einschätzung hat der Senat auch nicht aus den ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren gewinnen können. Die Angaben des Klägers und seines als Zeugen vernommenen Sohnes in dem Erörterungstermin am 02.10.2013 waren zwar in ihren Grundzügen identisch. So haben beide angegeben, es sei geplant gewesen, eine größere Menge verschiedener Früchte zu ernten, die dann hätten eingelagert oder entsprechend den üblichen Wegen - unter anderem Verschenken an einen Nachbarn oder eine kinderreiche Familie - verwertet werden sollen. Aber es gab doch auch einige, wenn auch geringfügige Unterschiede, die die Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers und der Aussagen des Zeugen erschüttern. So hat der Kläger angegeben, es seien die Frühäpfel, die Ringlotten und die Kartoffeln reif gewesen. Man habe zwei Tüten zu dem Grundstück mitgenommen und dort aus einem Schuppen Eimer geholt. Der Zeuge hat dagegen auch auf Karotten rekurriert und nur eine Plastiktüte nennen können. Die Angaben beider hinsichtlich der weiteren Erntepläne waren auch oberflächlich, so konnten genauere Mengenangaben nicht gemacht werden. Vor diesem Hintergrund kann der Senat diesen Angaben keine solche Beweiskraft zumessen wie den schriftlichen Angaben des Klägers unmittelbar nach dem Unfall.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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