Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2471/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3039/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.06.2012 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid vom 02.08.2012 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die 1955 in K. geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie zog im Jahr 1968 in die Bundesrepublik Deutschland und war ab 1971 als Montiererin, Küchenhilfe, Arbeiterin in einer Wollspinnerei und ab 2004 als Verpackerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Tätigkeit als Verpackerin endete im Juli 2010 aufgrund der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Vom 23.07. bis 03.09.2010 war sie von ihrem Hausarzt wegen einer depressiven Störung krank geschrieben. Eine medikamentöse oder fachärztliche Therapie erfolgte nicht. Bei einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 24.08.2010 wurde eine Anpassungsstörung nach dem Verlust des Arbeitsplatzes festgestellt. Trotz der pessimistischen Stimmung sei die Klägerin in der Lage vollschichtig zu arbeiten. Im Anschluss war sie zunächst weiterhin arbeitslos. Am 01.12.2010 nahm sie eine Tätigkeit als Maschinenarbeiterin auf. Bei einem Arbeitsunfall am 03.12.2010 erlitt sie Verletzungen an der linken Schulter. Aufgrund des Arbeitsunfalls bezog sie bis 17.01.2011 Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Seither ist die Klägerin arbeitslos. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I wird ihr seit April 2012 Arbeitslosengeld II gewährt.
Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 03.12.2010 war unter dem Aktenzeichen S 15 U 2876/11 ein weiteres Verfahren beim Sozialgericht Karlsruhe anhängig. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 28.06.2012 abgewiesen. Berufung wurde nicht eingelegt.
Am 14.02.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie sei seit Dezember 2010 erwerbsgemindert wegen Bewegungseinschränkungen der linken Schulter und des linken Armes, eines früheren Bruchs des linken Fußes und daraus resultierender Knochenfehlstellung und einem trockenen linken Auge.
Die Beklagte ließ die Klägerin begutachten. Der Gutachter H. H.-L., Facharzt für innere Medizin und Sozialmedizin, stellte bei der Untersuchung am 09.03.2011 eine deutliche Funktionsstörung bei Schultersteife links, eine Minderbelastbarkeit des linken Fußes bei ausgeprägter Sprunggelenksarthrose und eine bislang nicht bekannte, pathologische Blutdruckregulation ohne Anhalt für Folgekrankheiten fest. Die Therapieoptionen seien in Bezug auf das Schultergelenk noch nicht ausgeschöpft. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Die trockenen Bindehäute würden mit einer Augensalbe behandelt. Zumutbar seien noch leichte körperliche Tätigkeiten über sechs Stunden und mehr pro Tag. Qualitativ seien Tätigkeiten mit Gehen auf unebenem Untergrund, ausschließlich stehende und gehende Tätigkeiten, kniende und hockende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit häufigem Ersteigen von Treppen, mit Ersteigen von Leitern, mit repetitiven, kraftvollen und zwangshaltenden Belastungen der linken Schulter, insbesondere auch Tätigkeiten über dem Schulterniveau links, Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg und mit Staubelastungen ausgeschlossen.
Mit Bescheid vom 28.03.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor. Den hiergegen am 15.04.2011 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2011 zurück.
Am 07.06.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ließ zur Begründung vortragen, sie könne aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mindestens drei Stunden täglich arbeitstätig sein. Darüber hinaus sei aufgrund des Alters der Klägerin der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen. Aufgrund der schweren spezifischen Leistungseinschränkung könne nicht davon ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze vorhanden seien. Die Leistungseinschätzung der Beklagten sei fehlerhaft. Aufgrund ihres Alters und ihrer bisherigen Tätigkeit sei es für die Klägerin unmöglich eine Tätigkeit zu finden, in der sie unter den von der Beklagten genannten qualitativen Leistungseinschränkungen erwerbstätig sein könne.
Das SG hat die Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. D., Orthopäde und Unfallchirurg der Praxis D./D./R., teilte im August 2011 mit, die Klägerin sei aufgrund der Schultererkrankung nicht mehr in der Lage, Arbeiten mit erhobenen Armen bzw. Überkopfarbeiten zu verrichten. Das Heben und Tragen von schweren Lasten über 8 kg sei nicht zumutbar. Sie sei in der Lage sechs Stunden täglich oder auch mehr leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Der Chirurg J. W. gab im August 2011 an, dass die Klägerin nach den von ihm geführten Unterlagen und Befunden in der Lage sei, wenigstens leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Dr. K., Allgemeinarzt, berichtete im September 2011 von den Schultererkrankungen und der im Juli 2010 festgestellten depressiven Episode. Sowohl die Läsionen am linken Schultergelenk als auch die durch eine lange Leidenszeit und die Insolvenz des Arbeitgebers aufgetretenen schweren Existenzängste, die sich in einer schweren depressiven Erkrankung verfestigt hätten, wirkten sich auf die Einsatzfähigkeit der Klägerin aus. Seiner Auffassung nach sei die Klägerin nicht auf dem freien Arbeitsmarkt einsetzbar. Leichte Tätigkeiten ohne körperliche Belastung, insbesondere des Schultergelenks, und ohne psychische Belastung könnten allenfalls noch für drei bis vier Stunden täglich ausgeübt werden.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens (zugleich Gutachten im Verfahren S 15 U 2876/11). Der Gutachter Dr. H. hat im Gutachten vom 09.01.2012 ausgeführt, die Klägerin habe beim Arbeitsunfall am 03.12.2010 eine vorübergehende schmerzhafte Funktionsstörung der linken Schulter bei fraglicher unverschobener Fraktur durch den Tuberculum majus erlitten. Bereits im Sommer 2009 habe sie bei einem privaten Unfall einen Teilabriss der Rotatorenmanschette links erlitten, der operativ behandelt worden sei. Nach den eigenen Angaben der Klägerin, sei sie diesbezüglich ab März 2010 wieder beschwerdefrei gewesen. Nach den Angaben der Klägerin bestünde seit dem Arbeitsunfall am 03.12.2010 ein massiver Dauerschmerz in der linken Schulter und im linken Oberarm in Verbindung mit einer weitgehenden Gebrauchsunfähigkeit der gesamten linken oberen Gliedmaße aufgrund einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk. Die geklagten Beschwerden seien vor dem Hintergrund der Unfallverletzungen und des in der Untersuchungssituation gezeigten demonstrativen Verhaltens nicht plausibel. Der seit ca. 30 Jahren bestehende Dauerschmerz im linken Rückfuß, der unter mechanischer Belastung und bei ungünstigen Witterungsverhältnissen zunehme, sei dagegen aufgrund der objektiv klinischen und radiologischen Befunde nachvollziehbar. Diesbezüglich könne die Klägerin nur noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen verrichten. Die Körperhaltung sollte ein bis zwei Mal stündlich geändert werden. Treppensteigen sei auch mehrmals arbeitstäglich im Umfang von zwei bis drei Stockwerken zumutbar, sofern dabei keine zusätzlichen schweren Lasten gehoben und getragen werden müssten. Unzumutbar sei das Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit Sprungbelastungen und Arbeiten auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände. Bei unterstellter Richtigkeit der Beschwerden in der linken oberen Gliedmaße könne die linke Hand nur noch für leichte Hilfstätigkeiten in Bauchhöhe eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund der Diskrepanzen zwischen demonstrierten Funktionsstörungen und beobachtetem Spontanverhalten würde empfohlen, dass mit der linken Hand keine grob- oder feinmechanisch besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen etc.) und keine Überkopfarbeiten mehr verrichtet werden sollen. Arbeiten an und mit laufenden Maschinen, mit Büromaschinen, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft und Arbeiten bei Publikumsverkehr seien aus orthopädischer Sicht nicht prinzipiell ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen könne die Klägerin noch vollschichtig arbeiten.
Am 21.05.2012 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung gab sie an, sie sei wegen Bewegungsbeeinträchtigungen an der linken Schulter, am linken Arm und am linken Fuß sowie wegen einer Bindehauterkrankung seit Dezember 2010 erwerbsgemindert. Ihrem Antrag fügte die Klägerin Befundberichte u.a. von Dr. R., Dr. J., der Universitäts-Hautklinik T. sowie das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 09.09.2011, wonach die Klägerin vollschichtig leistungsfähig sei, bei. Die Beklagte holte zu den eingereichten Befundunterlagen eine ergänzende Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes ein. In der Stellungnahme vom 30.07.2012 führte Dr. Sch. aus, dass sich aus den Befundunterlagen keine Erkrankungen mit zusätzlicher Leistungsrelevanz über das bisher bekannte Niveau hinaus (komplikationslos operierte Zehenfehlstellung links, mit einer Nachtschiene versorgtes Karpaltunnelsyndrom links, Unterschenkelekzem) ergäben. Die Beklagte lehnte sodann diesen Antrag mit Bescheid vom 02.08.2012 ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2012 Widerspruch ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die vom Gutachter Dr. H. festgestellten orthopädischen Erkrankungen hätten qualitative, nicht aber quantitative Einschränkungen zur Folge. Ein Rentenanspruch bestünde auch nicht wegen der Konjunktivitis oder wegen Erkrankungen auf nervenfachärztlichem Gebiet. Zwar habe Dr. K. von einem schweren depressiven Syndrom bei der Klägerin als Reaktion auf den Arbeitsplatzverlust und den komplizierten Heilungsverlauf berichtet und deswegen ein auf drei bis vier Stunden eingeschränktes Leistungsvermögen angenommen. Dem sei aufgrund mangelnder tatsächlicher Grundlage nicht zu folgen. Der MDK habe in seinem Gutachten vom 24.08.2010 lediglich eine Anpassungsstörung nach Verlust des Arbeitsplatzes festgestellt. Auch der Gutachter der Beklagten, H.-L., habe eine erhebliche psychische Beeinträchtigung verneint. Dr. G. habe die orthopädischen Erkrankungen als führend bezeichnet. Zweifel an dem von Dr. K. geschilderten Ausmaß der psychischen Erkrankung bestünden auch deswegen, weil er eine Behandlung oder eine Überweisung an einen Nervenarzt nicht berichtet habe, die Klägerin keinen behandelnden Nervenarzt angegeben und sich in der Klagebegründung auch nicht auf die Erkrankung berufen habe. Eine rentenrelevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes und damit Anlass für weitere Ermittlungen ergäben sich auch nicht aus dem neuen Rentenantrag vom 21.05.2012. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich lediglich, dass die Klägerin mittlerweile wegen einer Hammerzehe operiert worden sei und auch der arbeitsamtsärztliche Dienst die Klägerin für vollschichtig erwerbsfähig halte.
Am 17.07.2012 hat die Klägerin gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 18.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, der behandelnde Arzt Dr. R. meine, die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes sei nahezu aufgehoben. Dies werde durch den Arztbrief des Dr. N. vom 12.09.2012 bestätigt, wonach Schmerzen bereits bei Abduktion von 30 Grad bestünden. Aufgrund dessen erscheine es äußerst zweifelhaft, dass die Klägerin noch sechs Stunden täglich eine leichte Tätigkeit verrichten könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.06.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2011 und des Bescheids vom 02.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 02.08.2012 abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf die Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes verwiesen, wonach der im vorgelegten Arztbrief des Dr. N. vom 12.09.2012 beschriebene Verdacht auf eine Bursitis keine Relevanz für die Leistungsbeurteilung habe. Diese entzündliche Reaktion sei behandelbar und führe allenfalls zu einer Arbeitsunfähigkeit, nicht aber zu einer dauerhaften quantitativen Leistungsminderung. Die deutliche Funktionsstörung sei bereits in den Gutachten beschrieben. Eine Änderung im Gesundheitszustand liege insoweit nicht vor. Das Karpaltunnelsyndrom links habe zu keinen relevanten Funktionseinschränkungen geführt.
Das LSG hat dem Gutachter Dr. H. den Arztbrief von N. zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt. Dr. H. teilte daraufhin mit Schreiben vom 01.09.2013 mit, dass sich daraus keine Änderung seiner gutachterlichen Einschätzung ergebe. Das LSG hat außerdem den im neuen Antragsverfahren benannten Nervenarzt Dr. J. als sachverständigen Zeugen befragt. Er berichtete mit Schreiben vom 10.01.2014, dass sich die Klägerin am 26.04.2012 einmalig bei ihm vorgestellt habe. Er habe ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom bei dauerhaft bestehendem Taubheitsgefühl an den Fingerkuppen links festgestellt. Er habe zu einer Operation geraten, die die Klägerin zunächst hinausschieben wolle. Er habe eine Handgelenksstütze links zur nächtlichen Anwendung rezeptiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2011 und des Bescheids vom 02.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Streitgegenständlich ist neben dem Ablehnungsbescheid vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2011 auch der weitere Ablehnungsbescheid vom 02.08.2012, da damit der ursprüngliche Bescheid in seinem zeitlichen Anwendungsbereich abgeändert wird (§ 96 SGG).
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung ergeben sich aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Gerichts- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben.
Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einem Zustand nach fraglicher unverschobener Fraktur durch die Basis des Tuberculum majus im linken Schultergelenk am 03.12.2010 sowie einem Dauerschmerz am linken Mittel- bzw. Rückfuß nach Arbeitsunfall vor ca. 30 Jahren. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Orthopäden Dr. H ... Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen kann die Klägerin nur noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen, wechselnden Körperhaltungen ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit Sprungbelastungen und Arbeiten auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände verrichten. Aufgrund der Beeinträchtigungen des linken Armes können keine grob- oder feinmechanisch besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen etc.) und keine Überkopfarbeiten verrichtet werden. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen ist die Klägerin aber noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr auszuüben. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten von Dr. H ... Darin führt der Gutachter schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass stärker limitierende Beeinträchtigungen nicht plausibel sind. Eine eindeutige knöcherne Verletzung oder Weichteilverletzungen konnte Dr. H. dem Bildmaterial nicht entnehmen. Die Befunderhebung ergab zwar links eine deutliche Beweglichkeitseinschränkung (Beugung/Streckung links 70/0/30, rechts 160/0/40; Abspreizen/Heranführen links 50/0/30, rechts 160/0/40; Auswärts/einwärts drehen links 40/0/10, rechts 40/0/70). Damit wäre die linke Hand, so der Gutachter, nur noch für leichte Hilfstätigkeiten auf Bauchhöhe einsetzbar. Die Begutachtung ergab jedoch mehrfach Diskrepanzen zwischen den geklagten Beeinträchtigungen und dem beobachteten Spontanverhalten. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule in entspannter Bauchlage beispielweise führte die Klägerin spontan den linken Oberarm seitlich neben den Kopf. Im Schultergelenk zeigte sie damit eine Abspreizung von etwa 100 bis 110 Grad. Auch beim Abstreifen der Bluse hat die Klägerin ihren linken Arm spontan hinter den Rücken bis zum Schürzengriff geführt. Bei der Überprüfung der groben Kraft demonstrierte die Klägerin einen ausgesprochen schwachen Faustschluss links bei weniger schwachem Faustschluss rechts obwohl sie Linkshänderin ist. Diese demonstrierte Muskelschwäche steht im Widerspruch zu der vom Gutachter festgestellten seitengleichen Muskulatur im Bereich der oberen Gliedmaßen. Eine Verschmächtigung der Muskulatur konnte Dr. H. weder im Schultergürtelbereich noch im Bereich des Ober- oder Unterarms links feststellen. Stärker limitierende Funktionsstörungen des linken Armes können vor diesem Hintergrund nicht als erwiesen angesehen werden.
Bestätigt wird diese Leistungseinschätzung von den behandelnden Fachärzten der Klägerin, Dr. D. (Praxis D./D./R.) und J. W ... Bei diesen Ärzten befand sich die Klägerin aufgrund ihrer Schulterbeschwerden in Behandlung. Beide Ärzte halten das Leistungsvermögen lediglich qualitativ für eingeschränkt. Danach ist sie nicht mehr in der Lage, Arbeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten über 8 kg, mit erhobenem Armen und mit Überkopfarbeiten zu verrichten. Leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann die Klägerin aber auch nach Einschätzung ihrer Fachärzte täglich sechs Stunden oder mehr verrichten. Dieser Auffassung ist auch Dr. R., wie dem im erneuten Antragsverfahren vorgelegten Befundbericht vom 31.01.2012 zu entnehmen ist ("mit Patientin und Ehemann ausführlich geklärt, dass Patientin 6 h /d arbeitsfähig ist"). Zu demselben Ergebnis gelangte schließlich auch der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Gutachten vom 09.09.2011) und der Gutachter der Beklagten, H. H.-L ...
Eine relevante Verschlechterung der orthopädischen Erkrankungen ist seit der Begutachtung durch Dr. H. nicht eingetreten. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Befundbericht des Orthopäden Dr. N., bei dem sich die Klägerin am 11.09.2012 in Behandlung befand, ergeben sich keine relevanten Änderungen. Dies bestätigt der Ärztliche Dienst der Beklagten sowie der ergänzend befragte Gutachter Dr. H ...
Auf psychiatrischem Fachgebiet ist der Senat nicht vom Vorliegen einer Erkrankung von relevantem Ausmaß überzeugt. Der Hausarzt der Klägerin, Dr. K., berichtete zwar von einem schweren depressiven Syndrom. Diese Erkrankung stand offenbar im Zusammenhang mit dem damaligen Arbeitsplatzverlust und dem komplizierten Heilungsverlauf infolge der Unfälle in den Jahren 2009 und 2010. Eine medikamentöse und/oder fachärztliche Behandlung der Depression erfolgte jedoch nicht, was gegen eine schwere und nachhaltige Erkrankung spricht. Im August 2010 stellte der MDK schließlich nur noch eine Anpassungsstörung fest. Bei der Begutachtung durch den Sozialmediziner H. H.-L. am 09.03.2011 fanden sich keine psychischen Beeinträchtigungen (mehr). Die Befunderhebung ergab keinen Anhalt für eine krankheitswertige psychische Störung sowie kein Anhalt für eine Antriebsminderung. Die Klägerin zeigte sich durchaus lebhaft, schwingungsfähig und in der Stimmung ausgeglichen. Im Übrigen beruft sich die Klägerin selbst auch nicht auf eine Erkrankung des depressiven Formenkreises.
Schließlich begründen auch die weiteren Erkrankungen der Klägerin keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Die Konjunktivitis sicca ist behandelbar und nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Gutachters H. H.-L. nicht leistungsmindernd. Gleiches gilt für das Karpaltunnelsyndrom links, das nach den Angaben des einmalig aufgesuchten Nervenarztes Dr. J. zu Sensibilitätsstörungen an den Kuppen der Finger 1 bis 3 führt. Daraus folgen qualitative Einschränkungen für feinmotorische Arbeiten. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes werden hierdurch jedoch zeitlich nicht limitiert. Gleiches gilt für die komplikationslos operierte Zehenfehlstellung links und das Unterschenkelekzem. Dies bestätigt der Ärztliche Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 30.07.2012.
Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass sie noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus ihnen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. BSG Urt. v. 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Die Wegefähigkeit ist ebenfalls nicht eingeschränkt (zu den Voraussetzungen: BSG Urt. v. 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; Urt. v. 19.11.1997, 5 RJ 16/97, SozR 3-2600 § 44 Nr. 10; Urt. v. 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, juris). Die Klägerin ist noch in der Lage, eine Gehstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu nutzen. Dies haben die Gutachter Dr. H. und H. H.-L. übereinstimmend festgestellt. Vor dem Hintergrund der festgestellten Befunde ist dies für den Senat schlüssig und nachvollziehbar.
Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Sie hat damit keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Vor dem Hintergrund einer fehlenden Berufsausbildung und des beruflichen Werdegangs ist die Klägerin auf alle Tätigkeiten einer ungelernten Arbeiterin und damit auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes breit verweisbar. Diese Tätigkeiten kann die Klägerin nach oben dargelegter Überzeugung des Senats auch noch ausüben. Eine konkrete Tätigkeit muss daher nicht benannt werden.
Dem Senat drängen sich angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen nicht auf. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen Gutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung.
Die Berufung der Klägerin konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Klage gegen den Bescheid vom 02.08.2012 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die 1955 in K. geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie zog im Jahr 1968 in die Bundesrepublik Deutschland und war ab 1971 als Montiererin, Küchenhilfe, Arbeiterin in einer Wollspinnerei und ab 2004 als Verpackerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Tätigkeit als Verpackerin endete im Juli 2010 aufgrund der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Vom 23.07. bis 03.09.2010 war sie von ihrem Hausarzt wegen einer depressiven Störung krank geschrieben. Eine medikamentöse oder fachärztliche Therapie erfolgte nicht. Bei einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 24.08.2010 wurde eine Anpassungsstörung nach dem Verlust des Arbeitsplatzes festgestellt. Trotz der pessimistischen Stimmung sei die Klägerin in der Lage vollschichtig zu arbeiten. Im Anschluss war sie zunächst weiterhin arbeitslos. Am 01.12.2010 nahm sie eine Tätigkeit als Maschinenarbeiterin auf. Bei einem Arbeitsunfall am 03.12.2010 erlitt sie Verletzungen an der linken Schulter. Aufgrund des Arbeitsunfalls bezog sie bis 17.01.2011 Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Seither ist die Klägerin arbeitslos. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I wird ihr seit April 2012 Arbeitslosengeld II gewährt.
Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 03.12.2010 war unter dem Aktenzeichen S 15 U 2876/11 ein weiteres Verfahren beim Sozialgericht Karlsruhe anhängig. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 28.06.2012 abgewiesen. Berufung wurde nicht eingelegt.
Am 14.02.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie sei seit Dezember 2010 erwerbsgemindert wegen Bewegungseinschränkungen der linken Schulter und des linken Armes, eines früheren Bruchs des linken Fußes und daraus resultierender Knochenfehlstellung und einem trockenen linken Auge.
Die Beklagte ließ die Klägerin begutachten. Der Gutachter H. H.-L., Facharzt für innere Medizin und Sozialmedizin, stellte bei der Untersuchung am 09.03.2011 eine deutliche Funktionsstörung bei Schultersteife links, eine Minderbelastbarkeit des linken Fußes bei ausgeprägter Sprunggelenksarthrose und eine bislang nicht bekannte, pathologische Blutdruckregulation ohne Anhalt für Folgekrankheiten fest. Die Therapieoptionen seien in Bezug auf das Schultergelenk noch nicht ausgeschöpft. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Die trockenen Bindehäute würden mit einer Augensalbe behandelt. Zumutbar seien noch leichte körperliche Tätigkeiten über sechs Stunden und mehr pro Tag. Qualitativ seien Tätigkeiten mit Gehen auf unebenem Untergrund, ausschließlich stehende und gehende Tätigkeiten, kniende und hockende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit häufigem Ersteigen von Treppen, mit Ersteigen von Leitern, mit repetitiven, kraftvollen und zwangshaltenden Belastungen der linken Schulter, insbesondere auch Tätigkeiten über dem Schulterniveau links, Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg und mit Staubelastungen ausgeschlossen.
Mit Bescheid vom 28.03.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor. Den hiergegen am 15.04.2011 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2011 zurück.
Am 07.06.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ließ zur Begründung vortragen, sie könne aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mindestens drei Stunden täglich arbeitstätig sein. Darüber hinaus sei aufgrund des Alters der Klägerin der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen. Aufgrund der schweren spezifischen Leistungseinschränkung könne nicht davon ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze vorhanden seien. Die Leistungseinschätzung der Beklagten sei fehlerhaft. Aufgrund ihres Alters und ihrer bisherigen Tätigkeit sei es für die Klägerin unmöglich eine Tätigkeit zu finden, in der sie unter den von der Beklagten genannten qualitativen Leistungseinschränkungen erwerbstätig sein könne.
Das SG hat die Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. D., Orthopäde und Unfallchirurg der Praxis D./D./R., teilte im August 2011 mit, die Klägerin sei aufgrund der Schultererkrankung nicht mehr in der Lage, Arbeiten mit erhobenen Armen bzw. Überkopfarbeiten zu verrichten. Das Heben und Tragen von schweren Lasten über 8 kg sei nicht zumutbar. Sie sei in der Lage sechs Stunden täglich oder auch mehr leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Der Chirurg J. W. gab im August 2011 an, dass die Klägerin nach den von ihm geführten Unterlagen und Befunden in der Lage sei, wenigstens leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Dr. K., Allgemeinarzt, berichtete im September 2011 von den Schultererkrankungen und der im Juli 2010 festgestellten depressiven Episode. Sowohl die Läsionen am linken Schultergelenk als auch die durch eine lange Leidenszeit und die Insolvenz des Arbeitgebers aufgetretenen schweren Existenzängste, die sich in einer schweren depressiven Erkrankung verfestigt hätten, wirkten sich auf die Einsatzfähigkeit der Klägerin aus. Seiner Auffassung nach sei die Klägerin nicht auf dem freien Arbeitsmarkt einsetzbar. Leichte Tätigkeiten ohne körperliche Belastung, insbesondere des Schultergelenks, und ohne psychische Belastung könnten allenfalls noch für drei bis vier Stunden täglich ausgeübt werden.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens (zugleich Gutachten im Verfahren S 15 U 2876/11). Der Gutachter Dr. H. hat im Gutachten vom 09.01.2012 ausgeführt, die Klägerin habe beim Arbeitsunfall am 03.12.2010 eine vorübergehende schmerzhafte Funktionsstörung der linken Schulter bei fraglicher unverschobener Fraktur durch den Tuberculum majus erlitten. Bereits im Sommer 2009 habe sie bei einem privaten Unfall einen Teilabriss der Rotatorenmanschette links erlitten, der operativ behandelt worden sei. Nach den eigenen Angaben der Klägerin, sei sie diesbezüglich ab März 2010 wieder beschwerdefrei gewesen. Nach den Angaben der Klägerin bestünde seit dem Arbeitsunfall am 03.12.2010 ein massiver Dauerschmerz in der linken Schulter und im linken Oberarm in Verbindung mit einer weitgehenden Gebrauchsunfähigkeit der gesamten linken oberen Gliedmaße aufgrund einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk. Die geklagten Beschwerden seien vor dem Hintergrund der Unfallverletzungen und des in der Untersuchungssituation gezeigten demonstrativen Verhaltens nicht plausibel. Der seit ca. 30 Jahren bestehende Dauerschmerz im linken Rückfuß, der unter mechanischer Belastung und bei ungünstigen Witterungsverhältnissen zunehme, sei dagegen aufgrund der objektiv klinischen und radiologischen Befunde nachvollziehbar. Diesbezüglich könne die Klägerin nur noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen verrichten. Die Körperhaltung sollte ein bis zwei Mal stündlich geändert werden. Treppensteigen sei auch mehrmals arbeitstäglich im Umfang von zwei bis drei Stockwerken zumutbar, sofern dabei keine zusätzlichen schweren Lasten gehoben und getragen werden müssten. Unzumutbar sei das Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit Sprungbelastungen und Arbeiten auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände. Bei unterstellter Richtigkeit der Beschwerden in der linken oberen Gliedmaße könne die linke Hand nur noch für leichte Hilfstätigkeiten in Bauchhöhe eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund der Diskrepanzen zwischen demonstrierten Funktionsstörungen und beobachtetem Spontanverhalten würde empfohlen, dass mit der linken Hand keine grob- oder feinmechanisch besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen etc.) und keine Überkopfarbeiten mehr verrichtet werden sollen. Arbeiten an und mit laufenden Maschinen, mit Büromaschinen, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft und Arbeiten bei Publikumsverkehr seien aus orthopädischer Sicht nicht prinzipiell ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen könne die Klägerin noch vollschichtig arbeiten.
Am 21.05.2012 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung gab sie an, sie sei wegen Bewegungsbeeinträchtigungen an der linken Schulter, am linken Arm und am linken Fuß sowie wegen einer Bindehauterkrankung seit Dezember 2010 erwerbsgemindert. Ihrem Antrag fügte die Klägerin Befundberichte u.a. von Dr. R., Dr. J., der Universitäts-Hautklinik T. sowie das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 09.09.2011, wonach die Klägerin vollschichtig leistungsfähig sei, bei. Die Beklagte holte zu den eingereichten Befundunterlagen eine ergänzende Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes ein. In der Stellungnahme vom 30.07.2012 führte Dr. Sch. aus, dass sich aus den Befundunterlagen keine Erkrankungen mit zusätzlicher Leistungsrelevanz über das bisher bekannte Niveau hinaus (komplikationslos operierte Zehenfehlstellung links, mit einer Nachtschiene versorgtes Karpaltunnelsyndrom links, Unterschenkelekzem) ergäben. Die Beklagte lehnte sodann diesen Antrag mit Bescheid vom 02.08.2012 ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2012 Widerspruch ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die vom Gutachter Dr. H. festgestellten orthopädischen Erkrankungen hätten qualitative, nicht aber quantitative Einschränkungen zur Folge. Ein Rentenanspruch bestünde auch nicht wegen der Konjunktivitis oder wegen Erkrankungen auf nervenfachärztlichem Gebiet. Zwar habe Dr. K. von einem schweren depressiven Syndrom bei der Klägerin als Reaktion auf den Arbeitsplatzverlust und den komplizierten Heilungsverlauf berichtet und deswegen ein auf drei bis vier Stunden eingeschränktes Leistungsvermögen angenommen. Dem sei aufgrund mangelnder tatsächlicher Grundlage nicht zu folgen. Der MDK habe in seinem Gutachten vom 24.08.2010 lediglich eine Anpassungsstörung nach Verlust des Arbeitsplatzes festgestellt. Auch der Gutachter der Beklagten, H.-L., habe eine erhebliche psychische Beeinträchtigung verneint. Dr. G. habe die orthopädischen Erkrankungen als führend bezeichnet. Zweifel an dem von Dr. K. geschilderten Ausmaß der psychischen Erkrankung bestünden auch deswegen, weil er eine Behandlung oder eine Überweisung an einen Nervenarzt nicht berichtet habe, die Klägerin keinen behandelnden Nervenarzt angegeben und sich in der Klagebegründung auch nicht auf die Erkrankung berufen habe. Eine rentenrelevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes und damit Anlass für weitere Ermittlungen ergäben sich auch nicht aus dem neuen Rentenantrag vom 21.05.2012. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich lediglich, dass die Klägerin mittlerweile wegen einer Hammerzehe operiert worden sei und auch der arbeitsamtsärztliche Dienst die Klägerin für vollschichtig erwerbsfähig halte.
Am 17.07.2012 hat die Klägerin gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 18.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, der behandelnde Arzt Dr. R. meine, die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes sei nahezu aufgehoben. Dies werde durch den Arztbrief des Dr. N. vom 12.09.2012 bestätigt, wonach Schmerzen bereits bei Abduktion von 30 Grad bestünden. Aufgrund dessen erscheine es äußerst zweifelhaft, dass die Klägerin noch sechs Stunden täglich eine leichte Tätigkeit verrichten könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.06.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2011 und des Bescheids vom 02.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 02.08.2012 abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf die Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes verwiesen, wonach der im vorgelegten Arztbrief des Dr. N. vom 12.09.2012 beschriebene Verdacht auf eine Bursitis keine Relevanz für die Leistungsbeurteilung habe. Diese entzündliche Reaktion sei behandelbar und führe allenfalls zu einer Arbeitsunfähigkeit, nicht aber zu einer dauerhaften quantitativen Leistungsminderung. Die deutliche Funktionsstörung sei bereits in den Gutachten beschrieben. Eine Änderung im Gesundheitszustand liege insoweit nicht vor. Das Karpaltunnelsyndrom links habe zu keinen relevanten Funktionseinschränkungen geführt.
Das LSG hat dem Gutachter Dr. H. den Arztbrief von N. zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt. Dr. H. teilte daraufhin mit Schreiben vom 01.09.2013 mit, dass sich daraus keine Änderung seiner gutachterlichen Einschätzung ergebe. Das LSG hat außerdem den im neuen Antragsverfahren benannten Nervenarzt Dr. J. als sachverständigen Zeugen befragt. Er berichtete mit Schreiben vom 10.01.2014, dass sich die Klägerin am 26.04.2012 einmalig bei ihm vorgestellt habe. Er habe ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom bei dauerhaft bestehendem Taubheitsgefühl an den Fingerkuppen links festgestellt. Er habe zu einer Operation geraten, die die Klägerin zunächst hinausschieben wolle. Er habe eine Handgelenksstütze links zur nächtlichen Anwendung rezeptiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2011 und des Bescheids vom 02.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Streitgegenständlich ist neben dem Ablehnungsbescheid vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2011 auch der weitere Ablehnungsbescheid vom 02.08.2012, da damit der ursprüngliche Bescheid in seinem zeitlichen Anwendungsbereich abgeändert wird (§ 96 SGG).
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung ergeben sich aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Gerichts- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben.
Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einem Zustand nach fraglicher unverschobener Fraktur durch die Basis des Tuberculum majus im linken Schultergelenk am 03.12.2010 sowie einem Dauerschmerz am linken Mittel- bzw. Rückfuß nach Arbeitsunfall vor ca. 30 Jahren. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Orthopäden Dr. H ... Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen kann die Klägerin nur noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen, wechselnden Körperhaltungen ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit Sprungbelastungen und Arbeiten auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände verrichten. Aufgrund der Beeinträchtigungen des linken Armes können keine grob- oder feinmechanisch besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen etc.) und keine Überkopfarbeiten verrichtet werden. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen ist die Klägerin aber noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr auszuüben. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten von Dr. H ... Darin führt der Gutachter schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass stärker limitierende Beeinträchtigungen nicht plausibel sind. Eine eindeutige knöcherne Verletzung oder Weichteilverletzungen konnte Dr. H. dem Bildmaterial nicht entnehmen. Die Befunderhebung ergab zwar links eine deutliche Beweglichkeitseinschränkung (Beugung/Streckung links 70/0/30, rechts 160/0/40; Abspreizen/Heranführen links 50/0/30, rechts 160/0/40; Auswärts/einwärts drehen links 40/0/10, rechts 40/0/70). Damit wäre die linke Hand, so der Gutachter, nur noch für leichte Hilfstätigkeiten auf Bauchhöhe einsetzbar. Die Begutachtung ergab jedoch mehrfach Diskrepanzen zwischen den geklagten Beeinträchtigungen und dem beobachteten Spontanverhalten. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule in entspannter Bauchlage beispielweise führte die Klägerin spontan den linken Oberarm seitlich neben den Kopf. Im Schultergelenk zeigte sie damit eine Abspreizung von etwa 100 bis 110 Grad. Auch beim Abstreifen der Bluse hat die Klägerin ihren linken Arm spontan hinter den Rücken bis zum Schürzengriff geführt. Bei der Überprüfung der groben Kraft demonstrierte die Klägerin einen ausgesprochen schwachen Faustschluss links bei weniger schwachem Faustschluss rechts obwohl sie Linkshänderin ist. Diese demonstrierte Muskelschwäche steht im Widerspruch zu der vom Gutachter festgestellten seitengleichen Muskulatur im Bereich der oberen Gliedmaßen. Eine Verschmächtigung der Muskulatur konnte Dr. H. weder im Schultergürtelbereich noch im Bereich des Ober- oder Unterarms links feststellen. Stärker limitierende Funktionsstörungen des linken Armes können vor diesem Hintergrund nicht als erwiesen angesehen werden.
Bestätigt wird diese Leistungseinschätzung von den behandelnden Fachärzten der Klägerin, Dr. D. (Praxis D./D./R.) und J. W ... Bei diesen Ärzten befand sich die Klägerin aufgrund ihrer Schulterbeschwerden in Behandlung. Beide Ärzte halten das Leistungsvermögen lediglich qualitativ für eingeschränkt. Danach ist sie nicht mehr in der Lage, Arbeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten über 8 kg, mit erhobenem Armen und mit Überkopfarbeiten zu verrichten. Leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann die Klägerin aber auch nach Einschätzung ihrer Fachärzte täglich sechs Stunden oder mehr verrichten. Dieser Auffassung ist auch Dr. R., wie dem im erneuten Antragsverfahren vorgelegten Befundbericht vom 31.01.2012 zu entnehmen ist ("mit Patientin und Ehemann ausführlich geklärt, dass Patientin 6 h /d arbeitsfähig ist"). Zu demselben Ergebnis gelangte schließlich auch der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Gutachten vom 09.09.2011) und der Gutachter der Beklagten, H. H.-L ...
Eine relevante Verschlechterung der orthopädischen Erkrankungen ist seit der Begutachtung durch Dr. H. nicht eingetreten. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Befundbericht des Orthopäden Dr. N., bei dem sich die Klägerin am 11.09.2012 in Behandlung befand, ergeben sich keine relevanten Änderungen. Dies bestätigt der Ärztliche Dienst der Beklagten sowie der ergänzend befragte Gutachter Dr. H ...
Auf psychiatrischem Fachgebiet ist der Senat nicht vom Vorliegen einer Erkrankung von relevantem Ausmaß überzeugt. Der Hausarzt der Klägerin, Dr. K., berichtete zwar von einem schweren depressiven Syndrom. Diese Erkrankung stand offenbar im Zusammenhang mit dem damaligen Arbeitsplatzverlust und dem komplizierten Heilungsverlauf infolge der Unfälle in den Jahren 2009 und 2010. Eine medikamentöse und/oder fachärztliche Behandlung der Depression erfolgte jedoch nicht, was gegen eine schwere und nachhaltige Erkrankung spricht. Im August 2010 stellte der MDK schließlich nur noch eine Anpassungsstörung fest. Bei der Begutachtung durch den Sozialmediziner H. H.-L. am 09.03.2011 fanden sich keine psychischen Beeinträchtigungen (mehr). Die Befunderhebung ergab keinen Anhalt für eine krankheitswertige psychische Störung sowie kein Anhalt für eine Antriebsminderung. Die Klägerin zeigte sich durchaus lebhaft, schwingungsfähig und in der Stimmung ausgeglichen. Im Übrigen beruft sich die Klägerin selbst auch nicht auf eine Erkrankung des depressiven Formenkreises.
Schließlich begründen auch die weiteren Erkrankungen der Klägerin keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Die Konjunktivitis sicca ist behandelbar und nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Gutachters H. H.-L. nicht leistungsmindernd. Gleiches gilt für das Karpaltunnelsyndrom links, das nach den Angaben des einmalig aufgesuchten Nervenarztes Dr. J. zu Sensibilitätsstörungen an den Kuppen der Finger 1 bis 3 führt. Daraus folgen qualitative Einschränkungen für feinmotorische Arbeiten. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes werden hierdurch jedoch zeitlich nicht limitiert. Gleiches gilt für die komplikationslos operierte Zehenfehlstellung links und das Unterschenkelekzem. Dies bestätigt der Ärztliche Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 30.07.2012.
Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass sie noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus ihnen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. BSG Urt. v. 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Die Wegefähigkeit ist ebenfalls nicht eingeschränkt (zu den Voraussetzungen: BSG Urt. v. 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; Urt. v. 19.11.1997, 5 RJ 16/97, SozR 3-2600 § 44 Nr. 10; Urt. v. 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, juris). Die Klägerin ist noch in der Lage, eine Gehstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu nutzen. Dies haben die Gutachter Dr. H. und H. H.-L. übereinstimmend festgestellt. Vor dem Hintergrund der festgestellten Befunde ist dies für den Senat schlüssig und nachvollziehbar.
Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Sie hat damit keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Vor dem Hintergrund einer fehlenden Berufsausbildung und des beruflichen Werdegangs ist die Klägerin auf alle Tätigkeiten einer ungelernten Arbeiterin und damit auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes breit verweisbar. Diese Tätigkeiten kann die Klägerin nach oben dargelegter Überzeugung des Senats auch noch ausüben. Eine konkrete Tätigkeit muss daher nicht benannt werden.
Dem Senat drängen sich angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen nicht auf. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen Gutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung.
Die Berufung der Klägerin konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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