L 5 KR 3134/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 6123/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3134/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.06.2011 und der Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die stationäre Behandlung vom 29.07.2009 bis 04.08.2009 im Universitätsklinikum B. weitere 5.639,23 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat 56 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu tragen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Kostenerstattung für eine stationäre Krankenhausbehandlung in der Sch ...

Die 1962 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin erlitt einen Band-scheibenprolaps im Halswirbelsäulenbereich mit Spinalkanalstenose und progressiver Myelopa- thie und Tetraspastik. Die Klägerin befand sich deshalb bei ihren Ärzten in Deutschland in Be-handlung. Am 17.07.2009 begab sich die Klägerin in die Privatsprechstunde von Dr. M. im Universitätsklinikum B. in Z ... Er stellte eine dringende Operationsindikation fest und legte den Operationstermin für den 30.07.2009 fest.

Am 24.07.2009 ging bei der Beklagten ein Kostengutsprachegesuch der Universitätsklinik B. vom 20.07.2009 ein. Mit Schreiben vom 28.07.2009, adressiert an die Klägerin, teilte die Beklagte mit, eine Kostenübernahme sei nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dann möglich, wenn eine Behandlung aus medizinischen Gründen nur im Ausland möglich sei oder die Behandlung nicht innerhalb der medizinisch erforderlichen Zeit in Deutschland stattfinden könne. Diese Ausnahmegründe lägen bei der Klägerin nicht vor. Dennoch würden im Rahmen einer Sonderentscheidung - ohne Rechtsanspruch für zukünftige Fälle - bis zu kalendertäglich 284,00 CHF befristet bis zum 15.08.2009 übernommen. Maximal könnten die Kosten der 3. Pflegeklasse übernommen werden. Für den Entlassungstag dürften keine Kosten übernommen werden. Diese Kostenzusage habe keine Gültigkeit für Einrichtungen der Rehabilitation und der Geriatrie. Damit die Klinik die Abrechnung direkt vornehmen könne, werde eine Kopie des Schreibens an das Universitätsklinikum Z. übersandt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.

Vom 29.07.2009 bis 04.08.2009 befand sich die Klägerin sodann in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum B ... Die Klinik forderte hierfür von der Klägerin mit Rechnung vom 07.09.2009, die am 11.09.2009 bei der Beklagten einging, einen Betrag in Höhe von insgesamt 38.650,00 CHF (nach damaligem Kurs = 25.545,27 EUR).

Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin eine Verordnung von Krankenhausbehandlung. Dr. Dr. B., Hausarzt der Klägerin, stellte daraufhin unter dem 25.09.2009 eine solche Verordnung aus. Eine sofortige Operation sei wegen drohender Lähmung angezeigt. Die Beklagte zahlte so¬dann einen Betrag in Höhe von 2.430,00 CHF (nach damaligem Kurs = 1.606,08 EUR) an die Klägerin. Dieser Betrag setze sich aus sechs Tagessätzen zu 405,00 CHF zusammen.

Die private Zusatzkrankenversicherung der Klägerin zahlte einen Betrag in Höhe von 15.504,30 EUR. Die übrigen 15.150,00 CHF könnten nicht übernommen werden, da kein Versicherungsschutz für den Tagesbezug, Implantatkosten und Operationssaalnutzung bestünde. Die Klägerin wandte sich daraufhin an die Beklagte und führte aus, die restlichen Kosten seien von der D. in der Sch. telefonisch zugesagt worden. Dies könnten ihr Ehemann und eine Mitarbeiterin der Universitätsklinik B. bezeugen.

Mit Bescheid vom 22.10.2009 lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme ab. Aus Kulanzgründen seien 405,00 CHF pro Kalendertag gewährt worden. Darüber hinaus könnten keine Kosten übernommen werden. Hiergegen legte die Klägerin am 16.11.2009 Widerspruch ein.

Am 30.11.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2011 wies die Beklagte sodann den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, Krankenhausleistungen im Ausland könnten nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung dürfe nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem all-gemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden könne. Die Behandlung der Klägerin hätte in jeder deutschen Universitätsklinik mit neurologi-scher Abteilung durchgeführt werden können. Eine Zustimmung zur Behandlung in der Sch. hätte daher von der Beklagten bereits dem Grunde nach verweigert werden dürfen. Soweit sich die Beklagte gleichwohl an den Kosten der Behandlung in der Sch. beteiligt habe, sei dies im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizielle Wirkung geschehen. Eine Leistungspflicht sei daher nur in dem bewilligten Umfang entstanden. Nur insoweit habe die Klägerin auf eine Kostenübernahme vertrauen dürfen. Mit der Kostenerstattung in Höhe von kalendertäglich 405,00 CHF sei der Klägerin sogar mehr geleistet worden, als im Bescheid vom 28.07.2009 be¬willigt. Ob ein Mitarbeiter der Beklagten tatsächlich telefonisch der Klägerin eine höhere Kos¬tenerstattung zugesagt habe, könne offen bleiben, da eine Zusage der Schriftform bedürfe.

Die Klägerin hat daraufhin ihren Klageantrag umgestellt und die Zahlung weiterer 15.150,00 CHF beantragt. Zur Begründung hat sie vortragen lassen, sie habe sich auf die Zusage der Beklagten verlassen und darauf vertraut, dass die Kosten in voller Höhe übernommen würden. Ihr sei bewusst gewesen, dass sie eine Behandlung im Ausland zu¬nächst mit der Beklagten absprechen müsse. Deshalb habe sie bei der Beklagten persönlich vor¬gesprochen. Erst als die Zusage von der Beklagten erteilt worden sei, habe sie sich in die Be¬handlung in der Sch. begeben. Auch das Klinikum habe nochmals eine Bestätigung der Kos¬tenübernahme telefonisch eingeholt. Ohne eine solche Zusage hätte weder das Krankenhaus die Operation durchgeführt noch die Klägerin sich in Behandlung begeben. Der Bescheid vom 28.07.2009 sei der Klägerin erst zugegangen, als sie sich schon im Krankenhaus befunden habe. Die Beklagte könne die Klägerin nicht darauf verweisen, dass die mündlich erteilte Zusage nicht den Formerfordernissen genüge. Auch für den Fall, dass dem Grunde nach kein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung bestehen sollte, sei die Beklagte wegen einer Verletzung ihrer Beratungspflichten und der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes zur Kostenübernahme ver-pflichtet. Die Klägerin habe unverzüglich operiert werden müssen. Wegen Bedenken hinsichtlich der Kostenübernahme habe die Klägerin einen Tag vor der Operation bei der Bezirksstelle der Beklagten in Waldshut-Tiengen angerufen. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe bestätigt, dass die Kosten übernommen würden. Hierauf habe sie vertraut.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.06.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Erstattungsanspruch bestünde nicht, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die in der Sch. durchgeführte Operation bei einem zugelassenen Krankenhaus in Deutschland nicht dem medizinischen Standard entsprechend hätte durchgeführt werden können. Die von der Beklagten gewährte Kostenbeteiligung sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Auch aus einer mündlichen Zusage könne die Klägerin keinen Anspruch auf volle Kostenübernahme herleiten.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.07.2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, die Beklagte habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Auch eine formunwirksame Zusicherung führe nicht stets zu einem Leistungsausschluss. Aus einer Entscheidung des SG gehe hervor (S 9 AL 2219/03), dass eine mündliche Zusicherung im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen sei. Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, dass es sich nicht um eine Ermessensentscheidung han¬dele. Die Beklagte bewillige vielfach auch ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allein aus Gründen der Zweckmäßigkeit die Kostenerstattung. Die Behandlung wäre in Deutsch¬land nicht billiger gewesen. Im Übrigen stünde der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Vertrauensschadens in Höhe der aufgewendeten Behandlungskosten zu. Die Beklagte müsse auch deshalb die Kosten übernehmen, weil eine ebenso wirksame, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nicht, jedenfalls nicht rechtzeitig in Deutschland zur Verfügung gestanden habe. Die sofortige Operation sei zur Vermeidung der ansonsten drohenden Lähmung dringend geboten gewesen. Die Ärzte des Zentrums für Neurolo¬gie, Psychiatrie und Neuroradiologie in S., in dem die Klägerin zuvor untersucht worden sei, hätten der Klägerin zur Operation innerhalb von 14 Tagen geraten. Noch bevor sich die Klä¬gerin zur Operation in der Sch. entschieden habe, habe sie bei den Kliniken in K. und R. angefragt. Sie habe jeweils die Auskunft erhalten, dass eine Operation frühestens in sechs Wochen möglich sei. Daraufhin habe sie sich nochmals zu ihrem Hausarzt begeben, unter dessen Mitwirkung die Behandlung in Z. ermöglicht worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.06.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.10.2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 21.02.2011 zu verurteilen, der Klägerin für die stationäre Behandlung vom 29.07.2009 bis 04.08.2009 im Universitätsklinikum B. 15.150,00 CHF zu erstatten, hilfsweise über den Antrag der Klägerin auf Kostenerstattung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung ihres Antrags hat die Beklagte vorgetragen, auf die Verfügbarkeit einer recht-zeitigen Behandlung in Deutschland komme es nicht an. Schon von den Ärzten der Klägerin in Deutschland sei eine Operation vorgeschlagen worden. In der Sch. habe sich die Klägerin vorgestellt, um sich eine Zweitmeinung einzuholen. Bereits bei Konsultation des Dr. M. am 17.07.2009 sei die Klägerin auf eine Behandlung in der Universitätsklinik fixiert gewesen, da im Rahmen dieser Vorsprache bereits ein Operationstermin vereinbart worden sei. Dieser zeitliche Ablauf spreche gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin, sie habe sich um Termine in den Kliniken K. und R. bemüht. Im Übrigen könne ein Krankenhaus nicht telefonisch beurteilen, wie dringlich eine Operation ist. Der Krankenhausarzt entscheide nach einer Untersuchung selbst über die Aufnahme. Hätte eine solche stattgefunden, wäre möglicher¬weise festgestellt worden, dass die Operationsindikation tatsächlich dringlich war. Selbst wenn aber ein Fehlverhalten eines Vertragskrankenhauses zu bejahen sei, hätte der Hausarzt nicht auf eine Sch. Klinik zurückgreifen dürfen. Er hätte eine Behandlungsalternative in Deutschland suchen müssen, da es sich nicht um einen Notfall im Sinne des Gesetzes gehandelt habe. Dies zeige bereits der zeitliche Abstand zwischen der Konsultation bei Dr. M. und der Operation von fast zwei Wochen. Auch aus der - angeblichen - mündlichen Zusage könne die Klägerin keine Rechte herleiten. Sowohl ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch als auch ein Amtshaftungsanspruch schieden aus.

Das LSG hat die Klägerin aufgefordert konkrete Angaben zu den Abläufen vor der Operation zu machen. Die Klägerin hat daraufhin vortragen lassen, sie habe sich nicht nur in S., sondern auch in V. im Krankenhaus vorgestellt. Dort sei eine Operation diskutiert worden. Es sei ihr geraten worden, eine Zweitmeinung, z.B. in der Sch. einzuholen. Daraufhin habe sie sich zu Dr. M. begeben, der zur Operation binnen kürzester Zeit riet. Wegen der Kostenproblematik habe die Klägerin in K. telefonisch nach einem Operationstermin gefragt. Aufgrund der Sommerferien hätte dort eine Operation aber erst in sechs Wochen stattfinden können. In Z. habe sie "den erstmöglichen Termin reserviert aus Angst - notfalls hätte sie selbst bezahlt -, um nicht gelähmt zu werden". Telefonische Kostenanfragen seien erstmals sofort nach der Untersu¬chung und dem gegebenen Rat zur Operation gestellt worden. Dr. M. habe den 29.07.2009 als letzten OP-Termin anbieten können, weil er für die Zeit danach im Urlaub gewesen sei. Die pri¬vate Krankenversicherung habe auf die Kostenanfrage sofort reagiert. Als bis zum Tage der Ope¬ration keine schriftliche Zusage der Beklagten vorgelegen habe, habe die Klägerin im Beisein ihres Ehemannes und eines Mitarbeiters der Klinik mit der Geschäftsstelle der Beklagten in Waldshut-Tiengen telefoniert. Es sei eine Frau am Telefon gewesen. Diese habe die Kostenüber¬nahme zugesichert.

Auf Anforderung des LSG hat der MDK zu der Frage Stellung genommen, ob die Klägerin die gleiche oder eine für sie ebenso wirksame, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkennt-nisse entsprechende Behandlung ihrer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Be-klagten im Inland habe erlangen können. Unter dem 30.05.2012 hat der MDK diese Frage mit Verweis auf die Neurochirurgische Universitätsklinik in F. und das St. J. in F. bejaht.

Das LSG hat desweiteren Mitarbeiter der Universitätsklinik B. um Mitteilung gebeten, ob die Beklagte der Klinik gegenüber erklärt habe, dass sie die Kosten der Behandlung der Klägerin trage. Die Klink hat daraufhin ihr Kostengutsprachegesuch und eine Kopie des Schreibens der Beklagten an die Klägerin vom 28.07.2009 übersandt.

Das LSG hat außerdem die Beklagte zur Abgabe einer dienstlichen Stellungnahme der seiner¬zeit diensthabenden Mitarbeiterin aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, dass ihr dies aufgrund der unkonkreten Angaben der Klägerin nicht möglich sei. Im Übrigen käme es hierauf aus rechtlichen Gründen nicht an. Rein vorsorglich werde aber ausdrücklich bestritten, dass die Beklagte eine telefonische Zusage erteilt habe.

Schließlich hat das LSG die Beklagte aufgefordert, die Kosten zu berechnen, die im Falle einer Operation der Klägerin in Deutschland entstanden wären. Der MDK hat daraufhin im Gutachten vom 23.08.2013 ausgeführt, dass auf Grundlage der im Operationsbericht genannten Daten die DRG I09C (G-DRG Version 2009) ermittelt worden sei. Für das St. J. ergebe sich damit ein Betrag von 7.370,31 EUR und für das Uniklinikum F. ein Betrag von 7.245,85 EUR. Weiter hat der MDK ausgeführt, dass aufgrund der genannten Operationen und der durchgeführten Operation an zwei Segmenten im Bereich der Halswirbelsäule die stationäre Verweildauer im gesamten Umfang nachvollziehbar gewesen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und frist-gerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung wei-terer Kosten in tenoriertem Umfang. Der Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 21.02.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit nicht weitere Kosten der stationären Behandlung in Höhe von 5.639,23 EUR erstattet wer-den. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf volle Kostenerstattung hat.

Streitgegenständlich ist die Entscheidung der Beklagten über die Erstattungshöhe im Bescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2011. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 28.07.2009 die Kostenübernahme in Höhe von kalendertäglich 284,00 CHF zugesagt hat, ist diese Verfügung durch die Entscheidung über die Kostenerstattung in Höhe von kalendertäglich 405,00 CHF im Bescheid vom 22.10.2009 gegenstandslos geworden.

Rechtsgrundlage für den begehrten Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der ab dem 01.01.2007 geltenden Fassung. Danach sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten, in denen die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Ar-beitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. EG Nr. L 149 S 2), in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist, anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlun-gen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrags zu erstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedin-gungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäi-schen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind (Satz 2).

Die Sch. ist ein Staat, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 Anwendung findet. Im "Abkommen zwischen der Sch. Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügig¬keit" vom 21.06.1999 ((Freizügigkeitsabkommen); in Kraft getreten am 01.06.2002) wird die EWG-Verordnung in Bezug genommen. Damit unterliegen Krankenbehandlungen in der Sch. grundsätzlich dem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V.

Weitere Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V ist, dass die Klägerin einen entsprechenden Sachleistungsanspruch im Inland hatte. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbe-schwerden zu lindern. Zu den Krankenbehandlungen gehören Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Die Klägerin hatte Anspruch auf eine stationäre Krankenhausbehandlung, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglied der beklagten Krankenkasse war und an einem Bandscheibenprolaps im Halswirbelsäulenbereich mit Spinalkanalstenose und progressiver Myelopathie und Tetraspastik litt, weshalb eine stationäre Kran¬kenhausbehandlung im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V notwendig war. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der MDK bestätigt vielmehr im Gutachten vom 23.08.2013, dass die stationäre Verweildauer im gesamten Umfang medizinisch begründet war.

Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V sind ebenfalls gegeben. Bei der Universitätsklinik B. handelt es sich um einen qua-lifizierten Leistungsträger. Anhaltspunkte dafür, dass der Klinik die Berechtigung nach Sch. Recht fehlt, solche Leistungen zu erbringen, liegen nicht vor. Auch gehörte die Kläge¬rin nicht zu dem Personenkreis des § 13 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 SGB V.

Für Behandlungen im Krankenhaus gilt nach § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB V zusätzlich, dass diese nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden kön-nen. Nach Satz 2 der Vorschrift darf die Zustimmung nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann. Ob die Voraussetzungen des Satz 2 erfüllt waren, kann hier dahingestellt bleiben. Denn entgegen der Annahme der Beklagten liegt eine wirksame Zustimmung vor, weshalb es auf die Prüfung der Voraussetzungen nicht mehr an-kommt. Die Beklagte hat mit der im Schreiben vom 28.07.2009 abgegebenen Erklärung, Kosten zu übernehmen, jedenfalls konkludent die Zustimmung zur Inanspruchnahme von Sch. Krankenhausleistungen erteilt. Zwar ist das Schreiben insoweit widersprüchlich, als einerseits das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zustimmung verneint und andererseits die Übernahme (anteiliger) Kosten "im Rahmen einer Sonderentscheidung (ohne Präjudiz für zukünftige Fälle)" zugesagt wird. Im Ergebnis stimmt sie damit aber der Auslandsbehandlung zu. Die Motive der Beklagten sind dabei unerheblich. Sie hat sich mit der Behandlung in der Sch. einverstanden erklärt, was zusätzlich durch die Ankündigung, mit der Sch. Klinik direkt abzurechen, verdeutlicht wird. An diese Zustimmung muss sich die Beklagte festhalten lassen. Auf die hypothetische Frage, ob die Beklagte die Zustimmung hätte ablehnen dürfen/müssen, kommt es nicht an.

Soweit die Beklagte einwendet, das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 17.02.2010 (B 1 KR 14/09 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 24) ausgeführt, ein Verwaltungshandeln, das als "Einzelfallentscheidung ohne präjudizierender Wirkung" untechnisch als Vergleichsangebot zu werten sei, könne sich nicht im Nachhinein zum Nachteil der Krankenkasse auswirken, wird übersehen, dass sich die nachteilige Wirkung allein auf die Entscheidung nach § 13 Abs. 4 S. 6 SGB V, die tatsächlich entstandenen Kosten in voller Höhe zu übernehmen, bezog und nicht auf die Zustimmung zur Auslandsbehandlung nach § 13 Abs. 5 SGB V. Das BSG hat in dieser Entscheidung vielmehr das Vorliegen der Zustimmung nach § 13 Abs. 5 SGB V bejaht (vgl. juris-Rn. 21). Die Krankenkasse hatte dort dem Versicherten mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht die Voraussetzungen für die Zustimmung nicht vorlägen, aber trotzdem Kosten "anteilig im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung" übernommen würden. Dies wertete das BSG als Zustimmung nach § 13 Abs. 5 SGB V und lehnte es lediglich ab, hieraus auf das Vorliegen der (gleichlautenden) Voraussetzungen des § 13 Abs. 4 S. 6 SGB V zu schließen.

Die Zustimmung ist auch nicht beschränkt auf den ausgewiese¬nen Erstattungsbetrag. Denn die Zustimmung betrifft nicht die Frage, in welcher Höhe ein Kos¬tenerstattungsanspruch bei stationärer Behandlung besteht. Gegenstand der Erklärung ist allein die Zustimmung zur Inanspruchnahme der Auslandsbehandlung. Wie das BSG in der Entscheidung vom 17.02.2010 (B 1 KR 14/09 R, a.a.O.) ebenfalls entschieden hat, enthält § 13 Abs. 5 SGB V zur Erstattungshöhe keine Rechtsfolge. Der Inhalt der Regelung ist darauf beschränkt, über § 13 Abs. 4 SGB V hinausge¬hend das zusätzliche Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Krankenkasse zur Auslandsbe¬handlung aufzustellen. Die übrigen Voraussetzungen nach § 13 Abs. 4 SGB V, also auch zur Höhe der Erstattungsforderung, bleiben unberührt.

Die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs richtet sich nach § 13 Abs. 4 Satz 3 bis 6 SGB V und steht grundsätzlich nicht im Ermessen der Beklagten. Der Anspruch auf Erstattung richtet sich nach der Höhe der Vergütung, die die Krankenkas¬se bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (vgl. Satz 3). Wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist, kann nach § 13 Abs. 4 S. 6 SGB V die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen. Die Satzung der Krankenkasse hat das Ver¬fahren der Kostenerstattung zu regeln; sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Er-stattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen (§ 13 Abs. 4 S. 4 und 5 SGB V).

Diese Regelungen beinhalten zwingende Vorgaben für die von der Krankenkasse zu gewährende Zahlung. Aus der Begrenzung auf den Höchstbetrag nach § 13 Abs. 4 S. 3 SGB V folgt kein Ermessensspielraum. Der Krankenkasse wird Ermessen nur eingeräumt, soweit die tatsächlichen Kosten über die Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte, hinausgehen und eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 13 Abs. 4 Satz 6 SGB V: "kann"). Im Übrigen ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Die zu erstattenden Kosten sind vielmehr ausgehend von den einschlägigen DRGs zu errechnen (BSG Urt. v. 17.02.2010 -B 1 KR 14/09 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 24). Die Begrenzung der Kostenerstattung unter Zugrundelegung der Kosten, die in Deutschland für eine entsprechende Versorgung anfallen würden, ist rechtmäßig (BSG Urt. v. 30.06.2009 - B 1 KR 22/08 R, BSGE 104, 1).

An diese zwingenden Vorgaben zur Erstattungshöhe hat sich die Beklagte nicht gehalten. Sie hat vielmehr die Kostenerstattung gesetzeswidrig auf einen Bruchteil der Kosten, die in Deutschland für eine entsprechende Versorgung anfallen würden, begrenzt. Im Inland wären vorliegend für eine entsprechende Krankenhausbehandlung Kosten in Höhe von 7.370,31 EUR entstanden. Dies entnimmt der Senat den unbestrittenen Ausführungen und Berechnungen des MDK im Gutachten vom 23.08.2013. Unter Abzug des Verwaltungskostenabschlags nach § 24a Abs. 3 der Satzung der Beklagten in Höhe von 55,00 EUR und der Zuzahlungsbeträge nach § 39 Abs. 4 i.V.m. § 61 S. 2 SGB V in Höhe von 70 EUR (10 EUR pro Kalendertag) ergibt sich ein Betrag von 7.245,31 EUR. In dieser Höhe hat die Beklagte der Klägerin die Kosten zu erstatten. Abzüglich der bereits geleisteten 1.606,08 EUR ergibt sich damit ein noch offener Betrag in Höhe von 5.639,23 EUR.

Über diesen Betrag hinaus hat die Klägerin dagegen keinen Erstattungsanspruch. Die Vorausset-zungen des § 13 Abs. 4 S. 6 SGB V sind nicht erfüllt. Zur Überzeugung des Senats wäre eine entsprechende Behandlung der Klägerin auch im Inland möglich gewesen. Von einem Systemversagen ist nicht auszugehen.

Die Klägerin hat weder eine seltene Erkrankung behandeln lassen noch eine besondere Behand-lungsmethode in Anspruch genommen. Die operative Behandlung des Bandscheibenprolabs kann ebenso in deutschen Krankenhäusern durchgeführt werden. Anderes behauptet auch die Klägerin nicht. Aus dem Befundbericht von Dr. M. vom 17.07.2009 ergibt sich, dass die Kläge¬rin lediglich eine Zweitmeinung hinsichtlich der Operationsindikation eingeholt hat.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass es der Klägerin ohne Beeinträchtigung ihrer Gesund-heit oder der Behandlung möglich gewesen wäre, die gleiche bzw. ebenso wirksame Behandlung in Deutschland zu erlangen. Nach Einschätzung der Ärzte der Klägerin bestand zwar eine drin-gende Operationsindikation. Nachdem aber – nach dem eigenen Vortrag der Klägerin – offen-sichtlich ausreichend Zeit bestand, trotz der damals seit drei Monaten progredienten Beschwer-den eine Facharztpraxis in S. und das Krankenhaus in V.-Sch. aufzusuchen sowie eine Zweitmeinung in der Sch. einzuholen, wäre es zur Überzeugung des Senats auch möglich gewesen, in der Zwischenzeit in Deutschland einen Operationstermin zu erlangen. Auch der MDK bestätigte in seiner Stellungnahme vom 30.05.2012 auf die Frage, ob eine entspre¬chende Behandlung rechtzeitig in Deutschland möglich gewesen wäre, dass die Operation alter¬nativ beispielsweise in der Neurochirurgischen Universitätsklinik in Freiburg oder im St. Josefskrankenhaus in Freiburg hätte durchgeführt werden können. Die genannten Kliniken waren erreichbar und lagen in zumutbarer Entfernung vom Wohnort der Klägerin. Überdies wäre jedes Krankenhaus in Deutschland zur Aufnahme verpflichtet gewesen, hätte die Klägerin notfallmä-ßig operiert werden müssen.

Einen Anspruch auf volle Kostenerstattung kann die Klägerin auch nicht aus der – behaupteten – mündlichen Zusage der Beklagten, die vollen Kosten zu erstatten, herleiten. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bedarf eine von der Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Auch unter dem von der Klägerin angeführten Aspekt der Ermessensreduzierung ergibt sich kein Anspruch, da der Beklagten – wie dargelegt – bei der Entscheidung über die Erstattungshöhe kein Ermessen zustand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das anteilige Obsiegen und Unterliegen der Klägerin ausgehend von den beantragten 15.150,00 CHF (nach damaligem Kurs = 10.013,22 EUR).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von einer Entscheidung des BSG ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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