L 3 U 5224/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 2869/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 5224/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Schultererkrankung des Klägers als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) streitig.

Der 1958 geborene Kläger war vom 01.01.1975 bis 31.12.1978, 19.02.1979 bis 31.12.1980 und vom 01.01.1981 bis 15.02.1981 als Maler und Bodenleger versicherungspflichtig beschäftigt. Ab Juni 1981 war er als Maler, Lackierer und Bodenleger selbstständig tätig. Nach seinen Angaben ist er seit Oktober 2010 berufsunfähig.

Im Dezember 2010 erstattete er bei der Beklagten eine Meldung wegen des Verdachts einer Berufskrankheit. Darin gab er an, bei ihm bestünden seit Ende 2007 Beschwerden im linken und rechten Schultergelenk, die er auf die von ihm verrichteten Maler- und Bodenlegerarbeiten zurückführe. Beigefügt war u.a. ein Schreiben des Orthopäden Dr. A. vom 10.06.2010 mit den Diagnosen eines chronischen Impingement-Syndroms beider Schultern, links mehr als rechts sowie ein Bericht von Dr. B., Radiologie Zentrum C., vom 19.08.2010 über eine am 18.08.2010 durchgeführte Kernspintomographie des linken und rechten Schultergelenks. Danach bestand links eine aktivierte AC-Gelenksarthrose, eine degenerative Tendinopathie der ansatznahen Subscapularissehne mit Partialruptur sowie rechts eine aktivierte AC-Gelenksarthrose, eine deutliche degenerative Tendinopathie der Supra- und Infraspinatussehne sowie der Subscapularissehne mit Verdacht auf Partialruptur der Subscapularissehne.

Die staatliche Gewerbeärztin Dr. D. schlug in ihrer Stellungnahme gemäß § 4 Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 13.04.2011 vor, eine Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII nicht anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 26.04.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung des Klägers im Bereich der Schultern als Berufskrankheit ab. Die Schultererkrankung (AC-Gelenksarthrose mit partieller Ruptur/Impingement-Syndrom) sei keine Berufskrankheit (§ 9 Abs. 1 SGB VII) und auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen (§ 9 Abs. 2 SGB VII).

Hiergegen erhob der Kläger am 12.05.2011 Widerspruch mit der Begründung, ursächlich für die Erkrankung seiner Schultern sei maßgeblich die berufliche Tätigkeit. Die Malertätigkeit mit ständigen Überkopfarbeiten sei mit einer erheblichen Belastung der Schultern verbunden. Durch die Veröffentlichungen zahlreicher Kliniken lägen auch wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis darüber vor, dass Maler- und Bodenleger wegen ihrer Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an einer AC-Gelenksarthrose und einem Impingement-Syndrom der Schulter erkrankten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es liege keine listentypische Erkrankung vor. Einer Anerkennung als Wie-BK stehe entgegen, dass keine neuen, wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, dass Maler/Bodenleger durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung der Gefahr ausgesetzt seien, Schultererkrankungen zu erleiden.

Gegen den am 05.07.2011 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 04.08.2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, die er mit Schriftsatz vom 07.08.2012 auf die Feststellung einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII beschränkt hat. Zur Begründung hat er vorgetragen, bei einer Internet-Recherche lasse sich eine Vielzahl von Aufsätzen und Hinweisen dazu finden, dass Erkrankungen der Schulter im Wesentlichen Patienten in Berufen mit häufiger Überkopftätigkeit treffe. Als Beispiel werde insbesondere das Berufsbild des Malers genannt. Auf die vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Bl. 25 bis 42 der SG-Akten) wird insoweit Bezug genommen. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, den vorgelegten ärztlichen Artikeln lasse sich nicht entnehmen, dass sich eine überwiegende Meinung in der wissenschaftlichen Diskussion gebildet habe. Das SG hat den behandelnden Orthopäden Dr. E. als sachverständigen Zeugen gehört. In der sachverständigen Zeugenaussage vom 10.07.2012 hat dieser mitgeteilt, bei der letzten Konsultation am 04.06.2012 habe er eine Rotatorenmanschetten-partialläsion links sowie eine ACG-Arthritis rechts diagnostiziert.

Mit Urteil vom 29.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, wissenschaftliche Erkenntnisse über eine berufliche Verursachung durch eine Tätigkeit als Maler und Bodenleger lägen weder hinsichtlich eines Impingement-Syndroms noch hinsichtlich einer Arthrose des AC-Gelenks noch bezüglich einer Partialruptur der Subscapularissehne vor. In der gängigen medizinischen Literatur werde zum Vorkommen einer Arthrose des Acromioclaviculargelenks (AC-Gelenk = Schultereckgelenk) eine idiopathische oder sekundär nach Luxation auftretende Verursachung genannt (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch). Da - abgesehen von der hier im Rahmen einer Wie-BK unerheblichen sekundären Folge nach AC-Luxation - eine Ursache nicht bekannt sei, könne keine BK-Reife festgestellt werden. Bei dem Impingement- bzw. Engpasssyndrom (Störung der Gleitbewegung zwischen Oberarmkopf einschließlich der Rotatorenmanschette und dem Schulterdach) würden in der einschlägigen Literatur zwar auch mechanische Ursachen - u.a. subacromiale Einengung bei Überkopfarbeit, Mikroläsionen durch Sport und Schwerarbeit, langdauernder Umgang mit sehr schweren Lasten über Schulterniveau - genannt, zugleich jedoch darauf hingewiesen, dass gesicherte Erkenntnisse zur Verursachung nicht vorlägen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, S. 522 m. w. N.). Auch eine Partialruptur der Subscapularissehne sei nicht als Wie-BK anzuerkennen. Zwar kämen aus biomechanischer Sicht mechanisch bedingte degenerative Defektbildungen der Rotatorenmanschette in Betracht, vor allem in den Berufen mit regelmäßiger Überkopfarbeit wie Dekorateur, Stuckateur, Elektriker, Einschaler, Verpacker oder Maler (vgl. Schönberger, S. 419). Ein gesichertes epidemiologisches Wissen über den Zusammenhang der Erkrankungen mit einer beruflichen Tätigkeit und damit neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII lägen jedoch nicht vor. Das SG hat sich hierbei auf die Urteile des Bayerischen LSG vom 21.06.2006 - L 2 U 390/04 - und des LSG Hamburg vom 14.02.2012 - L 3 U 8/10 - bezogen.

Gegen das am 16.11.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 17.12.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, die Mehrzahl der fachwissenschaftlichen Stellungnahmen gehe davon aus, dass insbesondere das Impingement-Syndrom durch Überkopfarbeit als wesentliche Ursache entstehe und wegen der ständig erforderlichen Überkopfarbeiten hiervon wesentlich die Berufe des Malers und Lackierers/Bodenlegers betroffen seien. Er hat hierzu das Ergebnis seiner Internet-Recherche vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Insbesondere hat er Bezug genommen auf eine von Dr. Ochs im September 2008 vorgelegte Dissertation "Die Rotatorenmanschettenruptur - eine Berufserkrankung? eine epidemiologische Studie", auf die Bezug genommen wird. Weiter vorgelegt wurde der Arztbrief des Dr. E. vom 14.12.2012 mit den Diagnosen einer Rotatorenman-schettenpartialruptur der SSP-Sehne rechts sowie einer seropositiven rheumatoiden Arthritis.

Auf Anfrage des Senats hat der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter dem 28.05.2013 mitgeteilt, das BMAS, beraten durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", habe die Fragestellung der Verursachung von beruflich verursachten Schultererkrankungen bisher nicht geprüft. Eine Prüfung sei auch nicht beabsichtigt. Insbesondere lägen dort keine entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII vor. Darüber, ob in der gesamten nationalen oder internationalen Wissenschaft derartige Erkenntnisse vorlägen, sei ihnen eine Aussage nicht möglich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 26. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2011 zu verurteilen, ein Impingement-Syndrom beider Schultern, eine Arthrose der Gelenke beider Schultern sowie die Partialruptur der Subscapularissehne der rechten und der linken Schulter als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Zur Darstellung des Sachverhalts wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 Abs. 2 SGG). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein das Vorliegen einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII, nachdem die auf Feststellung des Vorliegens einer Listen-BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII gerichtete Klage bereits im Klageverfahren nicht weiter verfolgt worden ist.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) bezeichnet oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK bei einem Versicherten sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall beim konkreten Versicherten (BSG, Urteil v. 13.02.2013 - B 2 U 33/11 R - juris Rn. 17 m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des BSG enthält diese Vorschrift auch keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-BK anzuerkennen wäre (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 3/12 R). Die "Öffnungsklausel" des § 9 Abs. 2 SGB VII soll vielmehr nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den jeweiligen Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist keine allgemeine Härteklausel für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (BSG a.a.O. - juris Rn. 31). Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Anerkennung einer Wie-BK vielmehr nur dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks 13/2204, S. 77 f.). In der Begründung des Gesetzesentwurfs hat der Gesetzgeber zu den Motiven der gesetzlichen Regelung ausgeführt, Voraussetzung für die Entschädigung einer Krankheit wie eine BK sei zusätzlich zu den sonstigen Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII das Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über den Ursachenzusammenhang zwischen schädigender Einwirkung infolge einer versicherten Tätigkeit und der Erkrankung. Wie bei der Entscheidung des Verordnungsgebers im Rahmen des Absatzes 1 müsse bei der Anwendung des Absatz 2 hinreichend gesichert sein, dass die schädigende Einwirkung generell geeignet sei, die Entstehung oder Verschlimmerung einer bestimmten Erkrankung hervorzurufen. Nach herrschender Auffassung gelte eine solche medizinisch-wissenschaftlich Erkenntnis nicht erst dann als gesichert, wenn alle Fachmediziner eine bestimmte Lehrmeinung einhellig verträten; es genüge vielmehr, wenn es sich um die überwiegende Meinung der entsprechenden medizinischen Fachleute handle, die auf dem jeweiligen Gebiet über entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse verfügten. Vereinzelte Meinungen - auch von Sachverständigen - reichten dagegen nicht aus. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass sich der Gesetzgeber des SGB VII für ein System der Entschädigung von Berufskrankheiten entschieden hat, das wesentlich auf generelle wissenschaftliche Erkenntnisse abstellt (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 3/12 R und B 2 U 6/12 R).

Dieser Prüfungsmaßstab begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zu der inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeführt, es sei im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz grundsätzlich zur Vermeidung von nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung (Versagung des Versicherungsschutzes bei Unfällen einer Personengruppe, weil der Verordnungsgeber bei Erlass der Berufskrankheitenverordnung vorliegende Erkenntnisse noch nicht geprüft und gewürdigt habe) notwendig, § 551 Abs. 2 RVO verfassungskonform auszulegen. Im Zuge dieser Auslegung erscheine es aber nicht geboten, eine über das gesetzliche Maß hinausgehende Lückenlosigkeit des Schutzes für alle Versicherten, die an einer durch Berufstätigkeit verursachten Krankheit litten, zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1127/90 - juris).

Das SG hat zutreffend entschieden, dass die nach diesem Maßstab geforderten neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse über die berufliche Verursachung einer Arthrose des Acromioclaviculargelenks, eines Impingement-Syndroms bzw. einer Partialruptur der Subscapularissehne durch eine Tätigkeit als Maler und Fliesenleger nicht vorliegen.

Entsprechende wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erkenntnisse und Erfahrungen verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Hierbei genügt es nicht, dass einzelne Mediziner diese berufliche Verursachung für wahrscheinlich halten. Vielmehr muss sich eine herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben. Hierfür ist es notwendig, epidemiologische Studien auf breit angelegter, statistisch relevanter Basis vorzunehmen (BSG, Urteile vom 18.06.2013 - B 2 U 3/12 R und B 2 U 6/12 R).

Zwar ist darüber hinaus anerkannt, dass die Ursächlichkeit im Sinne der Gruppentypik auch durch arbeitsmedizinische Untersuchungen, die Auswertung betriebsbezogener oder betriebsübergreifender Daten der Unfallversicherungsträger sowie andere medizinische Erkenntnisse nachgewiesen werden kann (vgl. Koch/Lauterbach, Unfallversicherung, Band 1, § 9 Rn. 263 und Schmid, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 Rn. 13). Derartige subsidiäre Nachweise liegen jedoch nicht vor und sollen zudem nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie jedenfalls nicht in Widerspruch zu den bisher vorliegenden epidemiologischen Erkenntnissen stehen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2012 - L 2 U 232/10 - juris Rn. 33).

Den Anforderungen an einen epidemiologischen Nachweis genügen die Unterlagen, auf die sich der Kläger stützt, nicht. In diesen wird zwar angegeben, AC-Gelenksarthrosen bzw. ein Impingement-Syndrom der Schulter bzw. Verletzungen der Subscapularissehne seien häufig bei Malern anzutreffen. Eine berufliche Verursachung mag danach auch wahrscheinlich sein, da ein Impingement-Syndrom oft mit Überkopfarbeiten verbunden ist. So wird z.B. in der Information der Schultersprechstunde des Klinikums Dortmund "Das Impingement - subacromiale Impingementsyndrom der Schulter" ausgeführt (Bl. 31 SG-Akten), das Impingement-Syndrom treffe man regelmäßig bei einem Personenkreis an, der viel in und über Schulterhöhe tätig sei. Im Alltag treffe es Berufe wie Maler und Lackierer, Trockenbauer, Monteure etc. Eine langjährige Überkopftätigkeit im Beruf, Freizeit, Sport sei nicht die zwingende Voraussetzung für ein Impingement, sie disponiere aber dazu. Keiner der vorgelegten Unterlagen kann jedoch entnommen werden, dass die dort getroffenen Aussagen auf epidemiologischen Studien basieren.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der im September 2008 vorgelegten Dissertation "Die Rotatorenmanschettenruptur - eine Berufserkrankung? - eine epidemiologische Studie" von Dr. Ochs, auf welche sich der Kläger bezieht. Darin wird ausgeführt, in der aktuellen Literatur werde die Insistenz und Prävalenz von Schulterschmerzen in einer Vielzahl arbeitsmedizinischer Studien, insbesondere aus Skandinavien, England und den USA, für Berufsgruppen mit spezifischer Schulterbelastung wie z. B. einer häufigen Überkopftätigkeit beschrieben. Allerdings wird weiter ausgeführt, einschränkend müsse man festhalten, dass für subacromiale Schmerzsyndrome mit strukturellen Defekten (v.A. Rotatorenmanschetten-Defekte) ohne traumatische Genese nahezu keine gesicherten Daten vorlägen, die einen beweisbaren Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit ergäben. Nahezu alle ausgewerteten Feldstudien seien ohne die Verwendung bildgebender Verfahren durchgeführt worden, so dass nur indirekt auf das Vorliegen struktureller Läsionen geschlossen werden könne. Insgesamt gelangt diese Studie zu der Beurteilung, die wissenschaftliche Diskussion über die Ursache und Entstehung der Rotatorenmanschettenruptur (zu der auch die Ruptur der Subscapularissehne zählt), sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen und es herrsche noch keine Einigkeit darüber. Es existiere zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Einigkeit über die Ursachen eines subacromialen Schmerzsyndroms bzw. einer Rotatorenmanschettenruptur. Diskutiert würden viele verschiedene Faktoren wie Überkopfarbeiten, Vibrationen, repetitive bzw. gleichförmige Tätigkeiten z. B. am Fließband sowie fehlende Ruhepausen. Unter Zugrundelegung des von Dr. Ochs dargestellten Standes der Forschung liegen gerade keine epidemiologisch gesicherten Studien über einen Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankungen des Schultergelenks vor.

Dies entspricht auch der vom Senat eingeholten Auskunft des Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS, zu dessen Aufgaben die Sichtung und Bewertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands im Hinblick auf die Aktualisierung bestehender oder die Bezeichnung neuer Berufskrankheiten in der Berufskrankheiten-Verordnung gehört (vgl. Antwort der Bundesregierung BT-Drucks. 16/3550 vom 23.11.2006, S. 3) und der das Bundesministerium bei der Entscheidungsfindung in medizinisch-wissenschaftlichen Fragen des Berufskrankheiten-rechts berät. In seiner Auskunft vom 28.05.2013 hat er mitgeteilt, es lägen keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Verursachung von beruflich verursachten Schultererkrankungen vor.

Damit ist eine hinreichende Kausalbeziehung zwischen beruflichen Einwirkungen und den beim Kläger vorliegenden Erkrankungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved