Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 96/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5472/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 13.11.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der vom Sozialgericht Freiburg (SG) bestellte gerichtliche Sachverständige Dr B., Facharzt für Neurologie, Psychotherapie, Chirotherapie, Sozialmedizin, Suchtmedizin hat unter dem 21.06.2013 ein neurologisches Gutachten über den Kläger aufgrund einer Untersuchung vom 11.06.2013 erstellt. Mit Schreiben vom 02.08.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu dem Gutachten Stellung genommen und ua moniert, dass das Gutachten unzutreffend sei bzw wesentliche Teile andere Personen beträfen. Der Kläger sei weder eine Klägerin noch eine Probandin, er habe auch nicht 15 Kilo abgenommen und wiege jetzt nur noch 72 kg. Da es sich um ein neurologisches Gutachten handeln solle, sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige den Gutachterauftrag auf die psychische und psychologische Seite ausweite, hierfür bestehe auf Seiten des Sachverständigen keine Kompetenz. Mit einer vom SG angeforderten Stellungnahme hat Dr B. mit Schreiben vom 14.08.2013 hierzu erwidert, dass zwar teilweise der Begriff Klägerin bzw Probandin verwendet worden sei, es sich hierbei aber wohl über einen Übermittlungsfehler zwischen Diktat und Schreibausführung handele. Überwiegend sei die männliche Form verwendet worden. Die Angabe, dass der Kläger 15 kg abgenommen habe, stamme aus der Anamnese, allerdings betrage das Gewicht 102 kg, hierbei handele es sich wohl auch um einen Schreibfehler. Lobend müsse man Rechtsanwalt H. erwähnen, der diese kleinen Fehler als Fachanwalt für Verkehrsrecht gefunden habe. Das Gutachten betreffe sicherlich nicht andere Personen, an der Beurteilung und Einschätzung der Erwerbsfähigkeit ändere dies nichts. Als neurologischer Gutachter müsse er auch auf psychische Störungen eingehen, er sei Psychotherapeut, Sozialmediziner und Suchtmediziner.
Mit Schreiben vom 20.09.2013 hat der Bevollmächtigte des Klägers den Gutachter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit der ergänzenden Stellungnahme habe sich der Sachverständige disqualifiziert. Er setze sich nicht mit dem berechtigten Vorbringen des Klägers auseinander, sondern mache sich mehr oder weniger lustig "Hätte der Fachanwalt für Verkehrsrecht statt den Begriffen Proband/Probandin und Kläger/Klägerin die Beweisfragen genauer betrachtet ". Eine fachliche Ernsthaftigkeit könne weder dem Ausgangsgutachten noch der Ergänzung unterstellt werden.
Mit Beschluss vom 13.11.2013 hat das SG das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass vom Standpunkt der Partei aus gesehen objektive und vernünftige Gründe, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen begründen könnten, nicht vorlägen. Der Umstand, dass sich der Sachverständige nach Auffassung der Klägerseite nicht ausreichend mit deren Vorbringen auseinandersetze, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Es sei Sache des Gerichts, den Sachverhalt zu ermitteln und ggf auf ergänzende Ausführungen des Sachverständigen hinzuwirken. Die Reaktion auf die Stellungnahme des Bevollmächtigten ergebe ebenfalls keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen. Eine Entgleisung des Sachverständigen, die über eine zulässige offensiv kritische Auseinandersetzung mit dem Schriftsatz des Bevollmächtigen hinausgehe, liege nicht vor. Bereits das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 02.08.2013 habe Schärfen enthalten, da das Gutachten für "unbrauchbar" gehalten und an der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen gezweifelt worden sei. Insoweit sei auch die Schärfe im Schreiben des Sachverständigen vom 14.08.2013 nachvollziehbar und nicht ersichtlich unangemessen.
Hiergegen richtet sich die am 13.12.2013 beim SG eingelegt Beschwerde des Klägers. Die Stellungnahme vom 02.08.2013 sei sachlich und neutral gehalten, insbesondere könne nicht in Abrede gestellt werden, dass die Beanstandungen zutreffend seien. Mit Schreiben vom 14.08.2013 habe der Sachverständige die Besorgnis der Befangenheit begründet, denn er setze sich mit dem Vorbringen des Klägers nicht ernsthaft auseinander, sondern mache sich mehr oder weniger lustig. Die Stellungnahme vom 14.08.2013 enthalte erstmals unsachliche Formulierungen, da sich der Kläger und sein Bevollmächtigter offenbar erdreistet hätten, die Kompetenz dieses Arztes anzuzweifeln. Ein Ablehnungsgrund sei dadurch nicht provoziert worden. Aufgrund der unsachlichen Äußerungen des Sachverständigen könne der Kläger nicht davon ausgehen, dass die berechtigten Einwendungen objektiv beurteilt würden.
II.
Die Beschwerde ist statthaft. § 172 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nimmt lediglich Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen, also von Berufsrichtern, ehrenamtlichen Richtern und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, von der Anfechtbarkeit mit der Beschwerde aus. Dagegen findet nach §§ 172 Abs 1, 118 SGG iVm § 406 Abs 5 Zivilprozessordnung (ZPO) gegen den Beschluss, der ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen für unbegründet erklärt hat, die Beschwerde statt (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 18.07.2012, L 10 R 2296/12 B, juris mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 118 RdNr 12o mwN). Die rechtzeitig erhobene und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist allerdings unbegründet. Der Kläger hat keine Gründe glaubhaft gemacht, die seinem Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr B. zum Erfolg verhelfen könnten.
Ein Sachverständiger kann als Richtergehilfe nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 1 Satz 1 ZPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgesuch ist danach ua begründet, wenn ein Beteiligter einen Grund im Sinne von § 406 Abs 3 ZPO glaubhaft macht, der von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen geeignet ist, iSv § 42 Abs 2 ZPO Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl, § 42 RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 118, RdNr 12k).
Der Ablehnungsantrag ist nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 2 Satz 1 ZPO bei dem Gericht, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach seiner Ernennung. Nach Satz 2 der Regelung ist die Ablehnung zu einem späteren Zeitpunkt nur zulässig, wenn der Kläger glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In diesem Fall muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden. Dies ist hier der Fall. Der vom Kläger geltend gemachte Ablehnungsgrund ergibt sich erst aus dem Schreiben des Sachverständigen vom 14.08.2013. Dieses ist am 19.08.2013 an den Bevollmächtigten des Klägers abgesandt worden mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats. Liegt der Ablehnungsgrund im schriftlichen Gutachten oder einer ergänzenden Stellungnahme, so ist er - soweit erst aus dem Inhalt erkennbar - im Allgemeinen innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme geltend zu machen (Bundesgerichtshof (BGH) 15.03.2005, VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869). Diese Frist hat der Bevollmächtigte des Klägers mit seinem am 20.09.2013 beim SG eingegangenen Ablehnungsgesuch gewahrt, so dass dieses rechtzeitig erhoben worden ist.
Die vom Bevollmächtigten an dem schriftlichen Gutachten selbst geübten Kritikpunkte wie Verwechslung der Parteibezeichnung (Kläger/Klägerin), sachliche Unrichtigkeit (Gewicht des Klägers 102 statt 72 kg), Überschreitung des Fachgebiets, mangelnde Kompetenz, widersprüchliche Ausführungen können eine Befangenheit des Sachverständigen nicht begründen. Die Beurteilung, ob ein Gutachten inhaltlich zutrifft oder fehlerhaft ist, obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 128 SGG. Das gleiche gilt auch für die Vorwürfe, der Sachverständige habe die vom Bevollmächtigten des Klägers genannten Kritikpunkte nicht vollständig beantwortet bzw teilweise übergangen. Insoweit hat bereits das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass es Sache des Gerichts ist, im Wege der Amtsermittlung den Sachverhalt aufzuklären (§ 103 SGG) und erforderlichenfalls den Sachverständigen weiter ergänzend zu befragen.
Die Befangenheit eines gerichtlichen Sachverständigen kann sich allerdings auch daraus ergeben, dass der Sachverständige auf gegen sein Gutachten gerichtete Einwendungen und Vorhaltungen einer anwaltlich vertretenden Partei mit abwertenden Äußerungen über den Prozessbevollmächtigten unangemessen reagiert (Oberlandesgericht (OLG) Hamm 20.01.2010, 1 W 85/09, MDR 2010, 653; OLG Köln 03.12.2012, 17 W 141/12, juris). Der Sachverständige hat - ebenso wie ein Richter - die Pflicht zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten und muss sich an das Gebot der Sachlichkeit halten (OLG Karlsruhe 15.08.2008, 9 W 39/08, juris). Andererseits kann ein Ablehnungsantrag als unbegründet zurückzuweisen sein, wenn ein Sachverständiger auf heftige Angriffe einer Partei scharf reagiert, da ein Ablehnungsantrag nicht provoziert werden darf (Reichold in Thomas/Putzo, aaO, § 406 RdNr 3). Maßgeblich sind die Verhältnisse im Einzelfall.
Vorliegend sind die vom Kläger vorgebrachten Gründe weder im Einzelnen noch in ihrer Gesamtheit geeignet, Misstrauen hinsichtlich der Unbefangenheit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Aus der Sicht des Klägers ist bei Anlegung eines objektiven Maßstabs der Eindruck der Befangenheit des Sachverständigen auch aufgrund der in der ergänzenden Stellungnahme vom 14.08.2013 enthaltenen sarkastischen Äußerungen nicht gerechtfertigt. Neben rein sachlichen Ausführungen enthält die ergänzende Stellungnahme folgende Äußerungen: &61485; "Lobend muss man hier Rechtsanwalt H. erwähnen, der diese kleinen Fehler als Fachanwalt für Verkehrsrecht gefunden hat." &61485; "Hätte der Fachanwalt für Verkehrsrecht statt den Begriffen Proband/Probandin und Kläger/Klägerin die Beweisfragen genauer betrachtet, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass nur für die psychische Störung (welche ich ja aus seiner Sicht gar nicht erwähnen sollte), nämlich die anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit beginnender möglicher dissoziativer Bewegungsstörung der Begriff der zumutbaren Willensanspannung verwendet wurde." Im Rahmen der hier in der Sache durchaus hart geführten Auseinandersetzung, bei der sich der Sachverständige nach Erstattung seines Gutachtens neben offensichtlich berechtigter Kritik aus seiner Sicht auch unberechtigten Anwürfen gegen seine fachliche Kompetenz ausgesetzt sah, überschreiten die oben verwendeten Formulierungen das in objektiver Hinsicht von Parteien hinnehmbare Maß tolerierbarer Äußerungen nicht. Die Hervorhebung der Spezialisierung des Bevollmächtigten des Klägers als Fachanwalt für Verkehrsrecht ist vor dem Hintergrund der Vorwürfe des Bevollmächtigten zu sehen, der Sachverständige habe als Facharzt für Neurologie (allerdings mit den Zusatzbezeichnungen ua Psychotherapie, Sozialmedizin, Suchtmedizin) psychische Erkrankungen des Klägers nicht beurteilen können. Die Ausführungen des Gutachters lassen noch keine unangemessene persönliche Betroffenheit über die Kritik des Klägers erkennen, die in den Augen des Klägers die Befürchtung einer ihm gegenüber gegebenen Befangenheit rechtfertigen könnte. Insbesondere sind die Äußerungen des Sachverständigen nicht in einer Weise gehalten, die als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber dem Kläger gedeutet werden könnten.
Über die Kosten der erfolglosen Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1 SGG zu entscheiden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der vom Sozialgericht Freiburg (SG) bestellte gerichtliche Sachverständige Dr B., Facharzt für Neurologie, Psychotherapie, Chirotherapie, Sozialmedizin, Suchtmedizin hat unter dem 21.06.2013 ein neurologisches Gutachten über den Kläger aufgrund einer Untersuchung vom 11.06.2013 erstellt. Mit Schreiben vom 02.08.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu dem Gutachten Stellung genommen und ua moniert, dass das Gutachten unzutreffend sei bzw wesentliche Teile andere Personen beträfen. Der Kläger sei weder eine Klägerin noch eine Probandin, er habe auch nicht 15 Kilo abgenommen und wiege jetzt nur noch 72 kg. Da es sich um ein neurologisches Gutachten handeln solle, sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige den Gutachterauftrag auf die psychische und psychologische Seite ausweite, hierfür bestehe auf Seiten des Sachverständigen keine Kompetenz. Mit einer vom SG angeforderten Stellungnahme hat Dr B. mit Schreiben vom 14.08.2013 hierzu erwidert, dass zwar teilweise der Begriff Klägerin bzw Probandin verwendet worden sei, es sich hierbei aber wohl über einen Übermittlungsfehler zwischen Diktat und Schreibausführung handele. Überwiegend sei die männliche Form verwendet worden. Die Angabe, dass der Kläger 15 kg abgenommen habe, stamme aus der Anamnese, allerdings betrage das Gewicht 102 kg, hierbei handele es sich wohl auch um einen Schreibfehler. Lobend müsse man Rechtsanwalt H. erwähnen, der diese kleinen Fehler als Fachanwalt für Verkehrsrecht gefunden habe. Das Gutachten betreffe sicherlich nicht andere Personen, an der Beurteilung und Einschätzung der Erwerbsfähigkeit ändere dies nichts. Als neurologischer Gutachter müsse er auch auf psychische Störungen eingehen, er sei Psychotherapeut, Sozialmediziner und Suchtmediziner.
Mit Schreiben vom 20.09.2013 hat der Bevollmächtigte des Klägers den Gutachter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit der ergänzenden Stellungnahme habe sich der Sachverständige disqualifiziert. Er setze sich nicht mit dem berechtigten Vorbringen des Klägers auseinander, sondern mache sich mehr oder weniger lustig "Hätte der Fachanwalt für Verkehrsrecht statt den Begriffen Proband/Probandin und Kläger/Klägerin die Beweisfragen genauer betrachtet ". Eine fachliche Ernsthaftigkeit könne weder dem Ausgangsgutachten noch der Ergänzung unterstellt werden.
Mit Beschluss vom 13.11.2013 hat das SG das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass vom Standpunkt der Partei aus gesehen objektive und vernünftige Gründe, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen begründen könnten, nicht vorlägen. Der Umstand, dass sich der Sachverständige nach Auffassung der Klägerseite nicht ausreichend mit deren Vorbringen auseinandersetze, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Es sei Sache des Gerichts, den Sachverhalt zu ermitteln und ggf auf ergänzende Ausführungen des Sachverständigen hinzuwirken. Die Reaktion auf die Stellungnahme des Bevollmächtigten ergebe ebenfalls keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen. Eine Entgleisung des Sachverständigen, die über eine zulässige offensiv kritische Auseinandersetzung mit dem Schriftsatz des Bevollmächtigen hinausgehe, liege nicht vor. Bereits das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 02.08.2013 habe Schärfen enthalten, da das Gutachten für "unbrauchbar" gehalten und an der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen gezweifelt worden sei. Insoweit sei auch die Schärfe im Schreiben des Sachverständigen vom 14.08.2013 nachvollziehbar und nicht ersichtlich unangemessen.
Hiergegen richtet sich die am 13.12.2013 beim SG eingelegt Beschwerde des Klägers. Die Stellungnahme vom 02.08.2013 sei sachlich und neutral gehalten, insbesondere könne nicht in Abrede gestellt werden, dass die Beanstandungen zutreffend seien. Mit Schreiben vom 14.08.2013 habe der Sachverständige die Besorgnis der Befangenheit begründet, denn er setze sich mit dem Vorbringen des Klägers nicht ernsthaft auseinander, sondern mache sich mehr oder weniger lustig. Die Stellungnahme vom 14.08.2013 enthalte erstmals unsachliche Formulierungen, da sich der Kläger und sein Bevollmächtigter offenbar erdreistet hätten, die Kompetenz dieses Arztes anzuzweifeln. Ein Ablehnungsgrund sei dadurch nicht provoziert worden. Aufgrund der unsachlichen Äußerungen des Sachverständigen könne der Kläger nicht davon ausgehen, dass die berechtigten Einwendungen objektiv beurteilt würden.
II.
Die Beschwerde ist statthaft. § 172 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nimmt lediglich Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen, also von Berufsrichtern, ehrenamtlichen Richtern und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, von der Anfechtbarkeit mit der Beschwerde aus. Dagegen findet nach §§ 172 Abs 1, 118 SGG iVm § 406 Abs 5 Zivilprozessordnung (ZPO) gegen den Beschluss, der ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen für unbegründet erklärt hat, die Beschwerde statt (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 18.07.2012, L 10 R 2296/12 B, juris mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 118 RdNr 12o mwN). Die rechtzeitig erhobene und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist allerdings unbegründet. Der Kläger hat keine Gründe glaubhaft gemacht, die seinem Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr B. zum Erfolg verhelfen könnten.
Ein Sachverständiger kann als Richtergehilfe nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 1 Satz 1 ZPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgesuch ist danach ua begründet, wenn ein Beteiligter einen Grund im Sinne von § 406 Abs 3 ZPO glaubhaft macht, der von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen geeignet ist, iSv § 42 Abs 2 ZPO Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl, § 42 RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 118, RdNr 12k).
Der Ablehnungsantrag ist nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 2 Satz 1 ZPO bei dem Gericht, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach seiner Ernennung. Nach Satz 2 der Regelung ist die Ablehnung zu einem späteren Zeitpunkt nur zulässig, wenn der Kläger glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In diesem Fall muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden. Dies ist hier der Fall. Der vom Kläger geltend gemachte Ablehnungsgrund ergibt sich erst aus dem Schreiben des Sachverständigen vom 14.08.2013. Dieses ist am 19.08.2013 an den Bevollmächtigten des Klägers abgesandt worden mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats. Liegt der Ablehnungsgrund im schriftlichen Gutachten oder einer ergänzenden Stellungnahme, so ist er - soweit erst aus dem Inhalt erkennbar - im Allgemeinen innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme geltend zu machen (Bundesgerichtshof (BGH) 15.03.2005, VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869). Diese Frist hat der Bevollmächtigte des Klägers mit seinem am 20.09.2013 beim SG eingegangenen Ablehnungsgesuch gewahrt, so dass dieses rechtzeitig erhoben worden ist.
Die vom Bevollmächtigten an dem schriftlichen Gutachten selbst geübten Kritikpunkte wie Verwechslung der Parteibezeichnung (Kläger/Klägerin), sachliche Unrichtigkeit (Gewicht des Klägers 102 statt 72 kg), Überschreitung des Fachgebiets, mangelnde Kompetenz, widersprüchliche Ausführungen können eine Befangenheit des Sachverständigen nicht begründen. Die Beurteilung, ob ein Gutachten inhaltlich zutrifft oder fehlerhaft ist, obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 128 SGG. Das gleiche gilt auch für die Vorwürfe, der Sachverständige habe die vom Bevollmächtigten des Klägers genannten Kritikpunkte nicht vollständig beantwortet bzw teilweise übergangen. Insoweit hat bereits das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass es Sache des Gerichts ist, im Wege der Amtsermittlung den Sachverhalt aufzuklären (§ 103 SGG) und erforderlichenfalls den Sachverständigen weiter ergänzend zu befragen.
Die Befangenheit eines gerichtlichen Sachverständigen kann sich allerdings auch daraus ergeben, dass der Sachverständige auf gegen sein Gutachten gerichtete Einwendungen und Vorhaltungen einer anwaltlich vertretenden Partei mit abwertenden Äußerungen über den Prozessbevollmächtigten unangemessen reagiert (Oberlandesgericht (OLG) Hamm 20.01.2010, 1 W 85/09, MDR 2010, 653; OLG Köln 03.12.2012, 17 W 141/12, juris). Der Sachverständige hat - ebenso wie ein Richter - die Pflicht zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten und muss sich an das Gebot der Sachlichkeit halten (OLG Karlsruhe 15.08.2008, 9 W 39/08, juris). Andererseits kann ein Ablehnungsantrag als unbegründet zurückzuweisen sein, wenn ein Sachverständiger auf heftige Angriffe einer Partei scharf reagiert, da ein Ablehnungsantrag nicht provoziert werden darf (Reichold in Thomas/Putzo, aaO, § 406 RdNr 3). Maßgeblich sind die Verhältnisse im Einzelfall.
Vorliegend sind die vom Kläger vorgebrachten Gründe weder im Einzelnen noch in ihrer Gesamtheit geeignet, Misstrauen hinsichtlich der Unbefangenheit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Aus der Sicht des Klägers ist bei Anlegung eines objektiven Maßstabs der Eindruck der Befangenheit des Sachverständigen auch aufgrund der in der ergänzenden Stellungnahme vom 14.08.2013 enthaltenen sarkastischen Äußerungen nicht gerechtfertigt. Neben rein sachlichen Ausführungen enthält die ergänzende Stellungnahme folgende Äußerungen: &61485; "Lobend muss man hier Rechtsanwalt H. erwähnen, der diese kleinen Fehler als Fachanwalt für Verkehrsrecht gefunden hat." &61485; "Hätte der Fachanwalt für Verkehrsrecht statt den Begriffen Proband/Probandin und Kläger/Klägerin die Beweisfragen genauer betrachtet, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass nur für die psychische Störung (welche ich ja aus seiner Sicht gar nicht erwähnen sollte), nämlich die anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit beginnender möglicher dissoziativer Bewegungsstörung der Begriff der zumutbaren Willensanspannung verwendet wurde." Im Rahmen der hier in der Sache durchaus hart geführten Auseinandersetzung, bei der sich der Sachverständige nach Erstattung seines Gutachtens neben offensichtlich berechtigter Kritik aus seiner Sicht auch unberechtigten Anwürfen gegen seine fachliche Kompetenz ausgesetzt sah, überschreiten die oben verwendeten Formulierungen das in objektiver Hinsicht von Parteien hinnehmbare Maß tolerierbarer Äußerungen nicht. Die Hervorhebung der Spezialisierung des Bevollmächtigten des Klägers als Fachanwalt für Verkehrsrecht ist vor dem Hintergrund der Vorwürfe des Bevollmächtigten zu sehen, der Sachverständige habe als Facharzt für Neurologie (allerdings mit den Zusatzbezeichnungen ua Psychotherapie, Sozialmedizin, Suchtmedizin) psychische Erkrankungen des Klägers nicht beurteilen können. Die Ausführungen des Gutachters lassen noch keine unangemessene persönliche Betroffenheit über die Kritik des Klägers erkennen, die in den Augen des Klägers die Befürchtung einer ihm gegenüber gegebenen Befangenheit rechtfertigen könnte. Insbesondere sind die Äußerungen des Sachverständigen nicht in einer Weise gehalten, die als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber dem Kläger gedeutet werden könnten.
Über die Kosten der erfolglosen Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1 SGG zu entscheiden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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