L 11 R 5639/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 249/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5639/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.10.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Auferlegung von Kosten wegen missbräuchlicher Rechtsverfolgung wird aufgehoben.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit von der Beklagten.

Der Kläger ist am 02.09.1955 geboren, hat von 1970 bis 1973 bei der Deutschen Post den Beruf des Fernmeldehandwerkers erlernt und war anschließend durchgehend bei der Deutschen Post bzw Deutsche Telekom beschäftigt. Bis 1995 war er als Fernmeldehandwerker tätig, dann erfolgte ein Wechsel in den Innendienst. Der Kläger war zunächst im Rechnungswesen und danach in einem Callcenter in H. beschäftigt. Seit 07.11.2007 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig.

In den Jahren 2007/2008 fanden insgesamt drei stationäre Heilverfahren statt. Vom 03.09. bis 24.09.2007 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Herz-Kreislauf-Klinik M., R ... Im Entlassungsbericht vom 01.10.2007 wird eine coronare Drei-Gefäßerkrankung und ein Zustand nach Hinterwandinfarkt (12.08.2007) beschrieben. Für die letzte berufliche Tätigkeit im Callcenter sowie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei der Kläger sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig. Nach einer Fünffach-Stent-Implantation, zuletzt am 01.04.2008, befand sich der Kläger vom 16.04. bis 14.05.2008 im Reha-Zentrum S ... Im Entlassungsbericht vom 19.05.2008 werden ebenfalls die coronare Drei-Gefäß-Erkrankung sowie rezidivierende Angstzustände beschrieben. Die letzte berufliche Tätigkeit sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Vom 08.07. bis 19.08.2008 befand sich der Kläger in der Fachklinik für Psychosomatische Medizin B.-K ... Im Entlassungsbericht vom 28.08.2008 werden folgende Diagnosen genannt: Panikstörung, posttraumatische Belastungsstörung, coronare Herzerkrankung III mit Zustand nach multiplen Interventionen. Die letzte berufliche Tätigkeit sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden.

Am 24.11.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung bei dem Internisten und Lungenfacharzt Dr. S., H ... Im Gutachten vom 05.02.2009 (Bl 46 Verwaltungsakte), erstellt nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 30.01.2009, beschrieb der Sachverständige eine coronare Herzkrankheit mit wiederholten Infarkten und multiplen Interventionen (PTCA und Stents), eine arterielle Hypertonie (gut eingestellt), eine Panikstörung seit einer Reanimation 2007 und Adipositas. Auf internistischem Gebiet stehe die coronare Herzerkrankung im Vordergrund, derzeit sei das Krankheitsbild weitgehend beschwerdefrei gut kompensiert. Die körperliche Belastbarkeit sei bis 175 Watt im Belastungs-EKG zufriedenstellend und ohne Nachweis von Ischämiezeichen im EKG verlaufen. Auch der Blutdruckanstieg liege unter Belastung noch im Normbereich. Im Vordergrund von Seiten der Leistungsfähigkeit stehe die Panikstörung, die psychotherapeutisch und psychosomatisch behandelt werde. Aus internistischer Sicht könne der Kläger leichte bis kurzfristig auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig verrichten. Die Schwere der coronaren Herzerkrankung lasse keine eindeutige Prognose hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung zu.

Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. d. L., H ... Im Gutachten vom 12.02.2009 (Bl 66 Verwaltungsakte), erstellt nach ambulanter Untersuchung am 11.02.2009, beschrieb die Sachverständige eine Anpassungsstörung mit vorwiegenden Beeinträchtigungen von anderen Gefühlen (F 43.2) sowie eine Panikstörung (F 41.0). Die letzte berufliche Tätigkeit als Callcenter-Mitarbeiter sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch sechs Stunden täglich zumutbar. Die regelmäßige psychotherapeutische Behandlung in Kombination mit der medikamentösen Behandlung führe zu einer langsamen Stabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes. Eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell sei empfehlenswert.

Mit Bescheid vom 18.03.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab, da weder volle noch teilweise Erwerbsminderung bestehe. Der Kläger könne sowohl die letzte berufliche Tätigkeit als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich verrichten.

Hiergegen erhob der Kläger am 26.03.2009 Widerspruch. Er sei immer noch arbeitsunfähig geschrieben. Nach zwei Herzinfarkten und andauernden Panikattacken sei ihm eine Tätigkeit im Callcenter nicht mehr zumutbar. Er wies darauf hin, dass seit 01.12.2007 ein GdB von 50 bestehe.

Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie eine Auskunft des Facharztes für Arbeitsmedizin R., H., bei, welcher für die Deutsche Telekom AG eine Dienstunfähigkeitsuntersuchung durchgeführt und den Kläger für dienstunfähig befunden hatte; eine Wiederaufnahme der Tätigkeit für die Deutsche Telekom sei auf absehbare Zeit nicht möglich. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger hinsichtlich seiner Tätigkeiten im Callcenter aus gesundheitlichen Gründen auch halb- oder untervollschichtig nicht einsetzbar sei (vgl Bl 216 f Verwaltungsakte).

In einer abschließenden beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 30.09.2009 vertrat die Ärztin E. die Auffassung, dass der Kläger die letzte berufliche Tätigkeit sowie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.01.2010 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass jedenfalls teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege. Unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs der Ausbildung, des bisherigen Berufes und seiner bisher ausgeübten Tätigkeiten sei Berufsschutz anzuerkennen. Aus einem Anforderungsprofil seiner Stelle in seiner Tätigkeit als Kundenberater im Callcenter ergebe sich, dass er nicht nur Daten pflege und die Durchführungen von einfachen Telefonaten zu erbringen habe. Er sei darüber hinaus für die Durchführung von Telesalesaktionen sowie Telemarketingrecherchen zuständig gewesen. Er habe hierzu umfangreiche Beratungs- und Verkaufsgespräche führen müssen, die eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit verlangen würden. Dies sei ihm aufgrund der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr möglich. Aufgrund der ungeklärten Situation hätten sich auch die Beschwerden im psychischen Bereich verschlechtert und es seien weitere Einschränkungen im Sinne einer Depression aufgetreten. Daneben bestehe mittlerweile ein Dauerschmerz im Bereich der Hände. Der Schmerz in den Händen und Armen würde bis zum Bereich der Schulter ausstrahlen, was eine Bewegungseinschränkung zur Folge habe. Außerdem leide er unter Schlafstörungen.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte.

Der Internist und Kardiologe Dr. Ö. teilte mit Schreiben vom 21.04.2010 mit, dass die Pumpfunktion des Herzens trotz Hinterwandnarbe nur geringgradig kompromittiert sei und in den letzten ergometrischen Kontrollen bis 150 Watt kein Ischämienachweis vorgelegen habe. Es sei von einem vollschichtigen Leistungsvermögen bei leichter bis mittelschwerer Tätigkeit auszugehen. Der Orthopäde Dr. S. teilte mit Schreiben vom 22.04.2010 mit, dass ein Rotatorenmanschettensyndrom, Schulterbeschwerden sowie rezidivierende HWS-Beschwerden vorliegen würden. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (reine Bürotätigkeit) sechs Stunden täglich leistungsfähig. Der Allgemeinmediziner und Psychotherapeut Dr. B. teilte mit Schreiben vom 04.05.2010 mit, dass aufgrund der somatischen und psychischen Ausgangslage der Kläger nicht in der Lage sei, die Arbeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber wieder auszuüben, da dies zu einer Reaktivierung psychischer Selbstüberforderungsmechanismen führen würde. Leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien vorstellbar, es sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht möglich, das zeitliche Ausmaß einzuschätzen. Es müsse in jedem Fall sichergestellt sein, dass der Kläger ohne zeitlichen Druck arbeiten könne, und dass das Ausmaß der körperlichen Belastung insbesondere der Herzerkrankung angepasst wäre. Der Internist und Pneumologe Dr. S. teilte mit Schreiben vom 11.05.2010 mit, dass ein Schlafapnoesyndrom bestehe, welches aktuell mit einer Atemwegsüberdrucktherapie gut eingestellt sei. Aus pneumologischer Sicht könne der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sowie die letzte berufliche Tätigkeit sechs Stunden täglich verrichten.

Auf Antrag und Kostenrisikos des Klägers wurde gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. H., Klinikum am W., W. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 03.08.2010, erstellt nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20.07.2010, beschrieb der Sachverständige eine Panikstörung (ICD-10 F41.0), deren wesentliches Kennzeichen wiederkehrende schwere Angstattacken seien, die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken würde. Eine depressive Erkrankung oder somatoforme Störung bestehe nicht. Auch kognitive Leistungseinschränkungen hätten sich nicht feststellen lassen. Auffassung, Konzentration und Durchhaltevermögen seien in Takt gewesen. Sowohl die Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als auch eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sollte vermieden werden. Dies gelte gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung, Konzentration, hohe Verantwortung und besondere geistige Beanspruchung.

Der Kläger hat hierauf vorgetragen, dass er dem Sachverständigen weitere Beeinträchtigungen geschildert habe, die im Gutachten keine Erwähnung finden würden (Antriebsschwäche, andauernde Müdigkeit, Beschwerden im Bereich der Finger und Hände, Erschöpfungszustände) und hat beantragt, eine ergänzende Stellungnahme beim Sachverständigen einzuholen.

Mit Urteil vom 20.10.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger wegen missbräuchlicher Rechtsverfolgung Kosten iHv 400 EUR auferlegt. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Es liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor; auch die letzte berufliche Tätigkeit in einem Callcenter könne mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Nachdem auch der Sachverständige des Vertrauens, Dr. H., ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestiert habe, sei ein Festhalten an der Klage rechtmissbräuchlich.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 03.12.2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 09.12.2010 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG hätte beim Sachverständigen Dr. H. eine ergänzende Stellungnahme einholen müssen. Er legte ein Schreiben des Internisten und Rheumatologen Dr. D. vom 26.10.2010 vor (Bl 28 Senatsakte), in welchem der Verdacht auf eine rheumafaktorpositive chronische Polyarthritis beschrieben wird. Er legte außerdem ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K.-F. vom 12.05.2011 vor, in welchem eine mittelgradige depressive Episode, eine Panikstörung sowie eine Schlafstörung beschrieben werden.

Der Kläger beantragt

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.10.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.11.2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K.-F ... Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Bl 43 Senatsakte) teilte die Ärztin mit, dass eine Zunahme der depressiven Symptomatik erfolgt sei.

Die Beklagte regte hierauf die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens an.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. S., Psychiatrisches Zentrum N., W ... Im Gutachten vom 22.12.2011 beschrieb der Sachverständige eine Panikstörung (ICD-10: F 41.0), eine depressive Episode, gegenwärtig weitgehend remittiert (ICD-10: F32.8), ein Schlafapnoesyndrom (ICD-10: G47.3) sowie dringenden Verdacht auf rheumafaktorpositive, Anti-CCP-positive chronische Polyarthritis (ICD-10: M05.8). Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen würden zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit führen. Berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, zB durch erhöhten Zeitdruck könnten nicht mehr verrichtet werden. Es seien auch solche Tätigkeiten zu vermeiden, die mit dauerhaften erhöhten Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration einhergehen würden, etwa auch Tätigkeiten an gefährlichen, laufenden Maschinen mit der Notwendigkeit unmittelbaren Eingreifens. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könnten Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich an fünf Tagen die Woche ausgeübt werden.

Der Senat hat weitere Ermittlungen zum beruflichen Werdegang des Klägers durchgeführt.

Der Kläger legte die Anlage 1 ERTV DTKS zum Tarifvertrag vom 25.06.2007 mit einem Entgeltgruppenverzeichnis vor (Bl 52 ff Senatsakte).

Die Deutsche Telekom teilte mit Schreiben vom 02.02.2012 mit, dass der Kläger in der Lohngruppe Kundenberater IIa eingestuft gewesen sei. Diese Tätigkeit wird wie folgt beschrieben (Bl 118 Senatsakte): Telefonische und/oder schriftliche Bearbeitung administrativer bzw technischer Standard-Kundenanfragen im zugeordneten Segment unter Zuhilfenahme der im Kundenservice eingesetzten Systeme; abschließende Klärung auch schwieriger, komplexerer Kundenanliegen; Beratung der Kunden zu Services, Rechnungen und Endgeräten nach Systemvorgabe; Datenpflege; Durchführung einfacher Telesalesaktionen; Telemarketingrecherchen.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers wurde gemäß § 109 SGG der Nervenarzt und Psychotherapeut Prof. Dr. R., W. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 06.09.2012, erstellt nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 02.08.2012, beschrieb der Sachverständige eine Panikstörung (F41.0), eine Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt (F43.22), eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, Missempfindungen und Schmerzen in den Extremitäten (F45.1), akzentuierte Persönlichkeit mit anankastischen Zügen (F60.5), obstruktive Schlafapnoe mit Tagesschläfrigkeit (G47.31). Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Herzpathologie und der Angstsymptomatik. Seit der Herzerkrankung im August 2007 bestehe auch eine psychiatrische Co-Morbidität. Nicht zumutbar seien dem Kläger Tätigkeiten, die mit andauernder und angestrengter Konzentration einhergingen, die flexiblen und häufigen Entscheidungseinsatz und Verantwortungsannahme einforderten, anspruchsvolle Publikumskontakte sowie Stress- und Konfliktsituationen, Akkordarbeit, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck und Nachtarbeit seien nicht mehr möglich. Aktivitäten, die zu schneller psychischer und physischer Ermüdung führten und auch solche, die innere Unruhe und psychische Erregung auslösen könnten, sollten unterlassen werden. Zurzeit sei der Kläger nicht in der Lage, eine über vier Stunden dauerende ununterbrochene Tätigkeit zu verrichten. Aus psychiatrischer Sicht sei eine Halbtagsarbeit zu empfehlen.

Die Beklagte legte eine beratungsfachärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. S. vom 03.12.2012 vor (Bl 158 Senatsakte). Aus den beiden vorliegenden Sachverständigengutachten von Dr. S. und Prof. Dr. R. sei erkennbar, dass der Kläger zwar einer relativ regen Freizeittätigkeit nachgehe, allerdings nur Tätigkeiten, die unbelastet seien. Die Furcht und Sorge, erneut eine Herzschädigung davonzutragen, die sich in mindestens dreimal pro Woche auftretenden Panikattacken zu Wort melde, sei verständlich, wenn schon die erster Herzschädigung (Herzinfarkt) bei einer völlig stressfreien Tätigkeit (Duschen) aufgetreten sei. Dr. S. spreche sich zwar letztlich für ein vollschichtiges Leistungsvermögen aus, müsse jedoch als qualitative Einschränkung formulieren, dass bereits berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, zB durch erhöhten Zeitdruck nicht abgeleistet werden könnten. Aus Sicht des berufskundlichen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung Bund seien völlig stressfreie Tätigkeiten als Verweisungstätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vorhanden.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013 führte Dr. S. aus, dass dem Kläger nicht jede Stressbelastung abgesprochen worden sei. Es sei das erhöhte Maß von Zeitdruck, Stress, Verantwortung etc, das sowohl im Gutachten von Prof. R. als auch in seinem Gutachten als krankheitsbedingt nicht mehr zumutbar bewertet werde. Im Rahmen der Exploration habe der Kläger von bestehender körperlicher Aktivität berichtet, er fahre täglich eine halbe bis dreiviertel Stunde auf dem Ergometer, gehe regelmäßig einkaufen, fahre selbständig PKW und koche für sich, seine Ehefrau und manchmal auch für den Sohn. Insofern habe nicht festgestellt werden können, dass er sorgfältig alle Anstrengungen meide. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht besteht keine Notwendigkeit, das Feld möglicher Tätigkeiten auf solche "stressfreier" Natur einzuengen.

Im Erörterungstermin am 19.07.2013 machte der Kläger Angaben zur zuletzt verrichteten Tätigkeit (Bl 181 Senatsakte). Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Kläger sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als Bürohilfskraft bzw Registrator verwiesen werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbrings der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte (zwei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegten (§ 151 Abs 1 SGG) und statthaften (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw auf Rente auf teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.

Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und ist deshalb nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI). Diese Überzeugung schöpft der Senat aus dem nachvollziehbaren und plausiblen Sachverständigengutachten von Dr. S ... Der Sachverständige hat im Gutachten vom 22.12.2011 und in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013 folgende Diagnosen gestellt, die zu berücksichtigen waren: eine Panikstörung (ICD-10: F 41.0), eine depressive Episode, gegenwärtig weitgehend remittiert (ICD-10: F32.8), ein Schlafapnoesyndrom (ICD-10: G47.3) sowie dringenden Verdacht auf rheumafaktorpositive, Anti-CCP-positive chronische Polyarthritis (ICD-10: M05.8). Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit führen. Berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, zB durch erhöhten Zeitdruck, kann der Kläger danach nicht mehr verrichten. Es sind auch solche Tätigkeiten zu vermeiden, die mit dauerhaften erhöhten Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration einhergehen, etwa auch Tätigkeiten an gefährlichen, laufenden Maschinen mit der Notwendigkeit unmittelbaren Eingreifens.

Auch Dr. H. hat in seinem vor dem SG erstellten Gutachten darauf hingewiesen, dass wegen der Panikstörung eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden solle, ebenso besonders hohe Ansprüche an Auffassung, Konzentration, hohe Verantwortung und besondere geistige Beanspruchung. Ebenso hat Dr. R. im Gutachten vom 06.09.2012 Tätigkeiten, die mit andauernder und angestrengter Konzentration einhergehen, flexiblen und häufigen Entscheidungseinsatz und Verantwortungsannahme erfordern, anspruchsvolle Publikumskontakte sowie Stress- und Konfliktsituationen, Akkordarbeit, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck und Nachtarbeit als nicht mehr zumutbar bezeichnet.

Dr. S. hat aber auch für den Senat nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass dem Kläger nicht jede Stressbelastung unmöglich sei. Es ist das erhöhte Maß von Zeitdruck, Stress, Verantwortung etc, das sowohl im Gutachten von Prof. R. als auch Gutachten von Dr. S. als krankheitsbedingt nicht mehr zumutbar bewertet wurde. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht besteht aber nach den plausiblen Darlegungen Dr. S. keine Notwendigkeit, das Feld möglicher Tätigkeiten auf solche "stressfreier" Natur einzuengen. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger im Rahmen der Exploration von bestehender körperlicher Aktivität berichtet habe, er fahre täglich eine halbe bis dreiviertel Stunde auf dem Ergometer, gehe regelmäßig einkaufen, fahre selbständig PKW und koche für sich, seine Ehefrau und manchmal auch für den Sohn. Insofern habe gerade nicht festgestellt werden können, dass er sorgfältig alle Anstrengungen meide. Die Einschätzung von Dr. S., dass der Kläger unter Beachtung der oben genannten Einschränkungen leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich an fünf Tagen die Woche ausüben kann, ist daher für den Senat überzeugend.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1955 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).

Nach den bisherigen Feststellungen der Sachverständigen sind zwar die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Fernmeldehandwerker bzw Mitarbeiter im Call-Center nicht mehr zumutbar. Der Kläger kann jedoch zur Überzeugung des Senats auf die Tätigkeit eines Registrators verwiesen werden. Derartige Tätigkeiten existieren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichendem Umfang. Der Senat nimmt diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl Senatsurteil vom 13.11.2012, L 11 R 5240/10, juris sowie Urteil des 13. Senats, 25.09.2012, L 13 R 6087/09, juris) Bezug. Danach existiert allein im süddeutschen Raum im Bereich des öffentlichen Dienstes, der gesetzlichen Krankenkassen sowie der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen eine signifikante Anzahl an entsprechenden Beschäftigungsverhältnissen jenseits der 500, die keine (spezifische) abgeschlossene Berufsausbildung und eine Anlernzeit von maximal drei Monaten erfordern. Das Vorhandensein einer nennenswerten Zahl entsprechender Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt belegt im Übrigen auch die tarifvertragliche Erfassung dieser Tätigkeit im Änderungstarifvertrag Nr 4 vom 02.01.2012 zum TV-L. Gegenstand dieses Änderungstarifvertrages ist die Entgeltordnung zum TV-L, über welche sich die Tarifvertragsparteien am 10.03.2012 geeinigt haben. Diese sieht in ihrem Teil II "Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigtengruppen" Ziff 16 detaillierte Eingruppierungsregelungen für Beschäftigte in Registraturen vor, die sich über 8 Entgeltgruppen erstrecken. Vor dem Hintergrund der Einschätzungsprärogative, die den Tarifvertragsparteien bezüglich der Arbeitswirklichkeit zuzuerkennen ist (vgl BSG 12.09.1991, 5 RJ 34/90, SozR 3-2200 § 1246 Nr 17, juris Rn 22) dokumentiert bereits diese tarifvertragliche Erfassung die Existenz einer ausreichenden Anzahl an entsprechenden Arbeitsplätzen. Die Tätigkeit der Registratoren nach Entgeltgruppe 3 umfasst das Vergeben von Aktenzeichen entsprechend geltenden Aktenplänen und -nummern, das Anlegen von Neuakten, das Beachten von Aktenordnungen sowie das Aussondern von Altakten. Dabei achten sie auf die Einhaltung von Aufbewahrungsfristen. Um elektronische Informationen zu archivieren, verwenden Registratoren elektronische Archivsysteme, in denen Dokumente schnell wiedergefunden werden können. Sie speichern und verwalten digitale Dokumente mit spezieller Software. Im Bereich der Aktenhaltung und Registratur sind sie außerdem für die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten verantwortlich (vgl dazu www.berufenet.de). Die hierzu erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse kann der Kläger innerhalb von drei Monaten erwerben, auch wenn er eine verwaltungsnahe bzw kaufmännische Ausbildung nicht absolviert hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger bereits über Kenntnisse im Umgang mit Computern verfügt. Denn von einem Facharbeiter kann jedenfalls erwartet werden, die Grundkompetenz zum Einsatz des PC innerhalb des genannten Zeitraums zu erwerben (Bayerisches LSG 08.02.2012, L 1 R 1005/09, juris Rn 50; LSG Niedersachsen-Bremen, 25.11.2009, L 10 R 269/08, juris Rn 24). Für die Erlernung der Tätigkeit eines Registrators bedarf es keiner besonderen Voraussetzungen, insbesondere keiner Fachkenntnisse, um innerhalb einer Anlernzeit von vier bis sechs Wochen bis maximal drei Monaten die erforderlichen Kenntnisse, darunter einfache PC-Kenntnisse, zu erwerben (vgl LSG Baden-Württemberg 25.09.2012, L 13 R 6087/09, juris Rn 33.).

Desgleichen stehen der Ausübung einer Tätigkeit als Registrator keine gesundheitlichen Umstände entgegen. Die Tätigkeit eines Registrators in der Entgeltgruppe 3 ist geprägt durch Arbeiten im Sitzen (vgl. www.berufenet.de), aber auch im Wechselrhythmus von Sitzen, Gehen und Stehen. In körperlicher Hinsicht sind überwiegend leichte Tätigkeiten zu verrichten. Schweres Heben und Tragen ist nicht notwendig; ggf muss mit Aktenstücken bis 10 kg Gewicht umgegangen werden. Besondere psychische Belastungen kommen nicht vor (vgl zu den körperlichen Anforderungen insgesamt: Bayerisches LSG 08.02.2012 aaO, juris Rn 48 und Urteil des 13. Senats aaO). Diesen Anforderungen kann der Kläger genügen. Es liegen nach den Gutachten von Dr. H., Dr. S. und Dr. R. keine schwerwiegenden orthopädischen Einschränkungen oder Einschränkungen, die die Gebrauchsfähigkeit der Hände betreffen, vor. Der behandelnde Orthopäde Dr. S. hat den Kläger für eine Bürotätigkeit für sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet. Auch eine erhebliche Einschränkung des Sehfähigkeit ist nicht gegeben. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger noch eine Registratorentätigkeit mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.

Die Tätigkeit eines Registrators nach Entgeltgruppe 3 ist dem Kläger auch subjektiv zuzumuten. Geht man zugunsten des Klägers von einem Facharbeiterstatus aus, darf der Kläger grundsätzlich auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zu den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern. Diesen objektiv zumutbaren Verweisungstätigkeiten sind solche Berufe qualitativ gleichwertig, die von den Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag durch ihre tarifliche Einstufung in ihrem qualitativen Wert den Leitberufen gleichgestellt sind (BSG 12.09.1991 aaO juris Rn 22 mwN). Die tarifvertragliche Einstufung einer Tätigkeit ist deshalb in der Regel maßgebend für den qualitativen Wert dieser Tätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas, soweit die Einstufung nicht auf qualitätsfremden Merkmalen beruht (BSG aaO). Dies gilt nicht nur für die frühere Einstufung der Registratorentätigkeit in Tätigkeiten die Vergütungsgruppe VIII zum BAT, die als Verweisungstätigkeit grundsätzlich auch einem Facharbeiter zumutbar war (BSG aaO, juris Rn 23; BSG 27.11.1991, 5 RJ 91/89, juris Rn 15). Dies gilt vielmehr auch im Bereich des zum 01.10.2005 bzw 01.11.2006 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD bzw TV-L). Der entsprechenden Rechtsprechung des 13. Senats (aaO) und des 10. Senats des LSG Baden-Württemberg (19.07.2012, L 10 R 1780/11, nicht veröffentlicht) schließt sich der Senat an (ebenso Bayerisches LSG 17.04.2012, L 20 R 19/08, juris Rn 75).

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten von Dr. S. hat dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Das Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Der schriftsätzlich gestellte Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers, Dr. S. und Dr. R. in die mündliche Verhandlung zu laden, damit eine "Gegenüberstellung" erfolgen könne, war abzulehnen. Das Gericht kann gemäß § 202 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO das Erscheinen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Die Beteiligten haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen (§ 202 SGG iVm § 411 Abs 4 ZPO). Jedem Beteiligten steht das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (§ 116 Satz 2 SGG); dies soll es dem Antragsteller ermöglichen, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können (vgl BSG 17.4.2012, B 13 R 355/11 B mwN). Im Rahmen des Fragerechts nach § 116 Satz 2 SGG bzw § 411 Abs 4 ZPO müssen zwar keine Fragen formuliert werden, aber die erläuterungsbedürftigen Punkte müssen konkret bezeichnet werden, indem etwa bestimmte Lücken oder Widersprüche bezeichnet oder herausgearbeitet werden (vgl BSG 12.04.2000, B 9 VS 2/99 R, SozR 3-1750 § 411 Nr 1). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich auch nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann (BSG 09.12.2010, B 13 R 170/10 B juris Rn 11). Konkrete sachdienliche Fragen oder konkrete erläuterungsbedürftige Punkte sind von der Klägerseite weder gestellt noch benannt worden, der allgemeine Hinweis auf die unterschiedlichen Schlussfolgerungen/Auffassungen der Sachverständigen genügt nicht (vgl BSG 17.04.2012, B 13 R 355/11 B). In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2014 ist der Antrag auch nicht weiter verfolgt worden.

Die berufliche Leistungsfähigkeit einer Person als solche kann ohnehin nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises sein. Sachverständige Zeugen (§ 414 ZPO) können nur zu einzelnen Anknüpfungstatsachen befragt werden, die für eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein können. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist keine Bekundung wahrgenommener Tatsachen (BSG 25.04.2013, B 13 R 29/12 B).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Auferlegung von Mutwillenskosten durch das SG ist rechtswidrig gewesen und war daher aufzuheben. Die Voraussetzungen des § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG haben nicht vorgelegen. Danach kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.

Für die Auferlegung von Mutwillenskosten reicht es nicht aus, dass die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist, wofür wiederum ein ungünstiges Beweisergebnis allein nicht ausreicht (BSG 27.04.1994, 10 RAr 10/93, ZIP 1994, 1544 mwN; LSG Baden-Württemberg 18.11.2005, L 8 SB 3940/05 AK-A, NZS 2006, 558). Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung kann im vorliegenden Fall, in dem es auch um Fragen des Berufsschutzes und der Verweisbarkeit auf andere Tätigkeiten geht, nicht angenommen werden

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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