L 6 SF 1048/13 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1048/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 22. April 2013 wird auf 1.277,39 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

In dem Berufungsverfahren Kreiskrankenhaus R .../. Deutsche Rentenversicherung (L 6 KR 827/09) beauftragte die Berichterstatterin des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 20. Juli 2012 Prof. Dr. St.-Th. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu folgenden Beweisfragen: 1. Welche Erkrankungen lagen bei dem Versicherten H. L. im Zeitraum der stationären geriatrischen Komplexbehandlung im Zeitraum vom 24. Oktober bis 17. November 2005 vor? 2. War aufgrund der vorliegenden Erkrankungen eine geriatrische frührehabilitive Komplexbehandlung des Versicherten H. L. unter stationären Krankenhausbedingungen aus medizinischen Gründen notwendig oder wäre eine orthopädische Rehabilitationsmaßnahme in Form einer Abschlussbehandlung ausreichend gewesen? 3. Sind Zusatzgutachten erforderlich? Wenn ja, auf welchem Fachgebiet?" Mit Beweisanordnung vom 6. September 2012 änderte sie diese Beweisanordnung ab, entband Prof. Dr. St.-Th. von der Gutachtenserstellung und ernannte den Erinnerungsführer, Facharzt für Innere Medizin, Sportmedizin, Klinische Geriatrie zum Sachverständigen. Unter dem 22. April 2013 erstellte er sein Aktengutachten auf insgesamt 18 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er eine Vergütung von insgesamt 1.884,29 Euro geltend (18 Stunden Zeitaufwand (5 Stunden Aktenstudium, 8 Stunden Abfassung der schriftlichen Beurteilung, 5 Stunden Diktat und Korrektur) x 85,00 Euro, Porto 10,00 Euro, Schreibgebühren/Kopien 43,44 Euro, MWSt 300,85 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 7 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 13. Mai 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 884,69 Euro und legte einen notwendigen Zeitaufwand von 11,14 Stunden (5 Stunden Aktenstudium, 3,3 Stunden Beurteilung, 2,83 Stunden Diktat und Korrektur), aufgerundet 11,5 Stunden und einen Stundensatz von 60,00 Euro (M2) zugrunde.

Am 3. Juli 2013 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt und vorgetragen, er könne die Kürzung nicht hinnehmen. Mit anderen Gerichten habe er Sondervereinbarungen mit festgelegtem Honorar.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 22. April 2013 auf 1.884,29 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung auf 884,69 Euro festzusetzen.

Nach seiner Ansicht ist dem Zeitansatz und der Zuordnung der Honorargruppe M2 in der Festsetzung der Urkundsbeamtin zu folgen.

Diese hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 3. Juli 2013) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG)) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.

Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E m.w.N.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. Oktober 2005 – 1 B 97.1352, nach juris). Bei der Festsetzung ist der Senat weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch die Urkundsbeamtin oder den Antrag der Beteiligten gebunden; er kann lediglich nicht mehr festsetzen als beantragt wurde.

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Mai 2012 - L 15 SF 104/11, nach juris).

Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" grundsätzlich in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.

Für das Gutachten vom 22. April 2013 war angesichts der übersandten Unterlagen und Angaben sowie unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte ein Zeitaufwand von 17 Stunden erforderlich

Der beantragte Ansatz von 5 Stunden für die Aktendurchsicht von 402 Blatt (342 Blatt Gerichtsakten, 21 Blatt Dokumentationsbogen und 39 Blatt Patientenakte) ist plausibel; auch der Erinnerungsgegner hat hiergegen keine Bedenken vorgebracht. Der Senat unterstellt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten ohne Doppelheftungen einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa 80 Blatt mit ca. ¼ medizinischem Inhalt benötigt (vgl. u. a. Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - L 6 B 172/07 SF und 11. Februar 2003 - L 6 B 6/03 SF).

Für die Vorgeschichte und die Beurteilung können angesichts der Schreibweise die beantragten 8 Stunden voll berücksichtigt werden. Anhaltspunkte für einen zu hohen Ansatz bestehen nicht. Zwar hat der Erinnerungsführer in seiner Kostenrechnung die Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese) nicht ausdrücklich aufgeführt, sie jedoch auf Blatt 4 bis 12 geschildert. Bei Gutachten nach Untersuchung wird die Vorgeschichte vor allem anhand der Befragung des Probanden (Exploration) erstellt. Bei Gutachten nach Aktenlage - wie hier - ist dies nicht möglich; sie kann allein nach Aktenlage erfolgen. Insofern hatte der Erinnerungsführer die medizinischen Dokumentationen der Klägerin auszuwerten und den Krankheitsverlauf sowie die Umstände der stationären Behandlung in der Klinik der Klägerin detailliert geschildert. Der hierfür notwendige Zeitaufwand ist bei der Liquidation zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2012 - L 6 SF 197/12 B). Die Beurteilung umfasst die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, d.h. die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 3. April 2012 - L 6 SF 306/12 B) geht der Senat davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die gedankliche Erarbeitung durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 ½ Blatt (hier 5 ½ Blatt) benötigt. Angesichts der Qualität des Gutachtens ist mangels entgegenstehender Anhalte davon auszugehen, dass der Ansatz des Erinnerungsführers seinem Arbeitsaufwand entspricht.

Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens werden unter Berücksichtigung der Schreibweise und Komplexität der Ausführungen 4 Stunden berücksichtigt. Angesichts der ständigen Senatsrechtsprechung, dass hierfür im Normalfall ca. 5 bis 6 Blatt stündlich angesetzt werden können, kommt ein höherer Ansatz nicht in Betracht.

Die Vergütung erfolgt in der Honorargruppe M2 (60,00 Euro). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, z.B. Gutachten in Verfahren nach dem SchwbG oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 erfordert Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad. Als Beispiel werden Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differentialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen genannt und 16 Beispielsfälle aufgeführt. In den Beispielen beider Honorargruppen sind Gutachten zur Überprüfung der Notwendigkeit stationärer Behandlungen auf dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu finden. Deshalb muss die Zuordnung nach billigem Ermessen erfolgen (§ 9 Abs. 1 S. 3 2. Halbs. JVEG). In der Honorargruppe M2 werden die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit vergütet (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 872). Nach dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 (L 12 RJ 3686/04 KO-A; nach juris), dem sich der Senat angeschlossen hat, erfordern Gutachten der Gruppe M 3 umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen; die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen (Senatsbeschluss vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF). Auch andere Gründe sind denkbar, z.B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben. Es genügt nicht, wenn - wie in den meisten Gutachten erforderlich - differentialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, sie müssen einen hohen Schwierigkeitsgrad haben. Nachdem der Erinnerungsführer auf Nachfrage des Senats die vorgetragene hohe Schwierigkeit nicht begründet hat, kommt ein höherer Ansatz nicht in Betracht. Dass der Erinnerungsführer mit anderen Gerichten Sondervereinbarungen geschlossen hat ist für die Festsetzung ohne Bedeutung.

Die Schreibauslagen werden nach § 12 Abs. 1 S. 2 JVEG ersetzt.

Die Vergütung des Erinnerungsführers errechnet sich damit wie folgt: 17 Stunden x 60,00 Euro (Honorargruppe M2) 1.020,00 Euro Schreibauslagen 43,44 Euro Porto 10,00 Euro Aufwendungen 1.073,44 Euro MWSt. 203,95 Euro 1.277,39 Euro

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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