Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 234/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 278/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung in Höhe von 2.154,75 EUR für eine Kataraktoperation.
Sie ist 1937 geboren und bei der Beklagten versichert. Im Jahre 2004 ließ sie sich im rechten Auge im Rahmen einer Kataraktoperation eine Multifokallinse einsetzen (Linse für Nah- und Fernbereich). Die Kosten der damaligen Operation übernahm – nach ihren Angaben – die AOK, lediglich die Differenz des Preises einer Multifokallinse zu dem einer normalen Linse (Monofokallinse) trug sie selbst. In den Jahren 2009 und 2010 verschlechterte sich der Zustand des linken Auges der Klägerin. Sie beantragte im April 2010 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Kataraktoperation ihres linken Auges. Aufgrund der vorhandenen Multifokallinse am rechten Auge benötige sie dabei auch für das linke eine solche Linse. Die Operation solle bereits am 4. Mai 2010 erfolgen.
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme mit Bescheid vom 29. April 2010 ab: Bei der Versorgung bei einer Multifokallinse handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, über die der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) noch keine Entscheidung getroffen habe. Die gesetzlichen Krankenkassen dürften daher für diese Methode keine Kosten übernehmen.
Die Operation wurde am 4. Mai 2010 durchgeführt. Die P klinik stellte der Klägerin unter dem 18. Mai 2010 1.799,52 EUR in Rechnung, ferner 85,23 EUR für die Voruntersuchung am 14. April 2010 und 110,-EUR für eine Nachuntersuchung. Die Anästhesisten liquidierten mit Rechnungsdatum 4. Mai 2010 160,00 EUR.
Die Klägerin erhob durch ihren Bevollmächtigten am 25. Mai 2010 Widerspruch: Sie habe nicht die Übernahme der Kosten einer Multifokallinse beantragt, sondern die Kostenübernahme für eine Augenoperation. Dass die Kosten speziell für die Speziallinse selbst nicht erstattungsfähig seien, sei ihr bekannt. Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit Schreiben vom 22. Juni 2010 mit, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung (nur) eine Kataraktoperation als Austausch der getrübten Linse gegen eine (künstliche) Monofokallinse eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Diese sei im Rahmen des Sachleistungsprinzips über die Krankenversicherungskarte abrechenbar. Eine Zuzahlung sei nicht zu entrichten. Die Klägerin habe jedoch eine Multifokallinse gewählt, die keine Vertragsleistung darstelle. Eine Trennung von Kassen- und Privatleistung, welche eine Zuzahlung legalisieren könnte, sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und widerspreche aktueller Rechtsprechung.
Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2011 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Juli 2011 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben: Sie habe einen Rechtsanspruch auf vollständige Übernahme der Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Operation am 4. Mai 2011 entstanden seien. Sie leide an Altersfehlsichtigkeit (Presbyopie). Sie benötige multifokale Intraokularlinsen, um den Alltag ohne Brille meistern zu können. Eine alternative Versorgung durch eine Therapie ohne Implantation einer Multifokallinse sei aus medizinischer Sicht unmöglich gewesen, weil das rechte Auge mit einer Multifokallinse versorgt sei. Die Unterschriften unter den Kostenvoranschlägen habe sie leisten müssen, um überhaupt ohne zuvor erklärte Kostenübernahme operiert zu werden.
Die Augenärztin der Klägerin Dr. S hat im Befundbericht vom 10. Januar 2012 unter anderem mitgeteilt, dass die Operation des grauen Stars mit Implantation einer Multifokalleistung als "individuelle Gesundheitsleistung" erfolgt sei. Die Implantation einer herkömmlichen monofokalen Intraokularlinse wäre ausreichend gewesen. Die Klägerin habe die modernen Möglichkeiten der Sonder-Intraokularlinsen-Implantation wahrnehmen wollen. Die Operation habe der Widerherstellung der früheren Sehfähigkeit dienen sollen, verbunden mit dem Wunsch nach anstrengungsfreiem komfortablem Sehen ohne Brille. Auch die augenärztliche Nachbetreuung sei als individuelle Gesundheitsleistung vorgenommen worden.
Der Operateur Dr. R der P klinik hat auf die Frage, ob bei der Klägerin nur die Implantation einer Multifokallinse medizinisch möglich gewesen sei, geantwortet, die Implantation einer Multifokallinse sei der Wunsch der Klägerin gewesen (Befundbericht vom 11. Januar 2012). Sie sei vor der Operation über die eventuelle Selbsttragung der Kosten und die Höhe der entstanden Kosten belehrt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Mai 2012 abgewiesen. Diese sei zulässig. Zwar stamme der Widerspruchsbescheid vom 17. März 2011, das entsprechende Schreiben sei jedoch aufgrund einer neuen Anschrift des Klägerbevollmächtigten nicht zugegangen und erneut (per Fax) am 14. Juni 2011 abgesandt worden. Die am 14. Juli 2011 eingegangene Klage sei deshalb fristgemäß. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die einzig mögliche Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) scheide aus. Ein Kostenerstattungsanspruch komme nur in Betracht, wenn die in Frage stehende Leistung von der Krankenkasse als Sachleistung hätte gewährt werden müssen und damit zu Unrecht abgelehnt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall. Es habe sich weder um eine Notfallbehandlung gehandelt, noch habe die Beklagte im Bescheid vom 29. April 2010 eine Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt. Nach § 27 Abs. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Kataraktoperation mit Implantation einer Multifokallinse zähle jedoch nicht zu den von der gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen, weil diese Methode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehöre. Für die Abrechnungsfähigkeit einer neuen Behandlungsmethode sei nach § 135 Abs. 1 SGB V eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V notwendig, die jedoch nicht vorliege. Vielmehr habe der Vorgänger des G-BA, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, am 11. Mai 1993 entschieden, die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie aus der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen. Unter diesem Oberbegriff fielen unter anderem das hier einschlägige Verfahren der Implantation intraokularer Linsen zur Korrektur der hohen Myopie bzw. der hohen Hyperopie. Dieser Beschluss sei am 10. Dezember 1999 erneut bestätigt worden. Damit gehöre die Versorgung mit einer Multifokallinse nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alleine eine Kataraktoperation mit einer monofokalen Linse sei die von der Beklagten zu erbringende Sachleistung gewesen. Die Klägerin habe sich jedoch ausdrücklich für die Implantation einer Multifokallinse entschieden. Dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr der Operateur mündlich gesagt habe, aufgrund der bereits bestehenden Multifokallinse am rechten Auge auch am linken Auge medizinisch nur eine Multifokallinse möglich, sei nicht zu folgen. Dem stehe sowohl die von der Klägerin unterzeichnete Erklärung gegenüber der P klinik als auch die Aussage des Dr. R im Befundbericht dem Gericht gegenüber entgegen. Die Kammer sehe keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben des Operateurs gegenüber dem Gericht zu zweifeln. Dass es dieser in dem Vorgespräch als sinnvoll angesehen haben könnte, dass neben der bereits bestehenden Multifokallinse auch am anderen Auge eine derartige Linse implantiert werde, stehe für die Kammer außer Frage. Dies bedeute jedoch nicht, dass eine solche Vorgehensweise deshalb medizinisch zwingend notwendig gewesen wäre. Mit der Versorgung mit nur einer Multifokallinse wäre die Klägerin gegebenenfalls auf eine Sehhilfe angewiesen gewesen. Bereits die im Jahr 2004 erbrachte Leistung sei außerhalb des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht worden. Alleine aus diesem Umstand folge kein Anspruch auf erneute Gewährung einer außervertraglichen Leistung.
Gegen dieses ihr am 5. Juni 2012 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 5. Juli 2012: Sie habe sich nicht ausdrücklich für die Implantation einer Multifokallinse entschieden, stattdessen für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Sehfähigkeit ihres linken Auges. Dazu sei ihr von Seiten der behandelnden Ärzte keine andere Alternative als die Versorgung mit einer Multifokallinse mitgeteilt worden. Es sei rechtsmissbräuchlich, ihr vorzuwerfen, dass sie die Erklärung zur "privatärztlichen" Operation unterschrieben habe. Der Druck, in welchem die Klägerin in diesem Augenblick gestanden habe, sei schwerlich in Worte zu fassen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Mai 2012 und den Bescheid vom 29. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin entstandenen Kosten für die Versorgung mit einer Multifokallinse am linken Auge in Höhe von 2.154,75 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die eingereichten Schriftsätze und die im Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Unterlagen, insbesondere das Antragsschreiben der Klägerin samt Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im Beschlusswege nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 11. November 2013 hingewiesen worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Klägerin von Anfang an die Übernahme der Kosten für eine privatärztliche Behandlung begehrt hat und nicht etwa nur den Wunsch geäußert hat, anlässlich einer Kataraktoperation auf eigene Kosten statt einer monofokalen Linse eine multifokale Linse eingesetzt zu erhalten.
Wie die Beklagte und das SG zutreffend ausgeführt haben, ist die Implantation einer Multifokallinse eine Maßnahme der refraktiven Augenchirurgie, weil die implantierte Linse nicht nur die beim Grauen Star eingetrübte Linse ersetzen, sondern auch die Gesamtbrechkraft des Auges verbessern soll. Solche Maßnahmen waren nach der Richtlinie des G-BA "Methoden vertragsärztliche Versorgung" in der am Operationstag gültigen Fassung vom 17. Januar 2006 (veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006; Nr. 48 [S. 1523], in Kraft getreten am 1. April 2006 zuletzt geändert am 17. Dezember 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010, Nr. 34 [S. 870] in Kraft getreten am 4. März 2010) ausgeschlossen -und sind dies übrigens bis heute.
Die Klägerin hat ausdrücklich eine Behandlung auf eigene Rechnung gewünscht, wie sich aus der Beifügung des privatärztlichen Kostenvoranschlags der Pklinik ergibt. Auch gegenüber dem Anästhesisten hat die Klägerin im Kostenvoranschlag ausdrücklich erklärt, die privatärztliche Behandlung zu wünschen.
Beweis war nicht zu erheben. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die Implantation der monofokalen Linse zur Behandlung des Grauen Stars medizinisch ausreichend gewesen wäre. Die Klägerin selbst hat vorgebracht, die Notwendigkeit in der Vermeidung einer Brille zu sehen. Auf die Frage, ob die behandelnden Ärzte der Klägerin anderes vermittelt haben könnten, kommt es nicht an. Die medizinische Notwendigkeit ergibt sich nämlich nicht aus dem, was die behandelnden Ärzte der Klägerin als ihrer Patientin gegenüber erklärt haben. Gegebenenfalls stünden ihr bei fehlerhafter Beratung Ansprüche gegen ihre Behandler zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung in Höhe von 2.154,75 EUR für eine Kataraktoperation.
Sie ist 1937 geboren und bei der Beklagten versichert. Im Jahre 2004 ließ sie sich im rechten Auge im Rahmen einer Kataraktoperation eine Multifokallinse einsetzen (Linse für Nah- und Fernbereich). Die Kosten der damaligen Operation übernahm – nach ihren Angaben – die AOK, lediglich die Differenz des Preises einer Multifokallinse zu dem einer normalen Linse (Monofokallinse) trug sie selbst. In den Jahren 2009 und 2010 verschlechterte sich der Zustand des linken Auges der Klägerin. Sie beantragte im April 2010 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Kataraktoperation ihres linken Auges. Aufgrund der vorhandenen Multifokallinse am rechten Auge benötige sie dabei auch für das linke eine solche Linse. Die Operation solle bereits am 4. Mai 2010 erfolgen.
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme mit Bescheid vom 29. April 2010 ab: Bei der Versorgung bei einer Multifokallinse handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, über die der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) noch keine Entscheidung getroffen habe. Die gesetzlichen Krankenkassen dürften daher für diese Methode keine Kosten übernehmen.
Die Operation wurde am 4. Mai 2010 durchgeführt. Die P klinik stellte der Klägerin unter dem 18. Mai 2010 1.799,52 EUR in Rechnung, ferner 85,23 EUR für die Voruntersuchung am 14. April 2010 und 110,-EUR für eine Nachuntersuchung. Die Anästhesisten liquidierten mit Rechnungsdatum 4. Mai 2010 160,00 EUR.
Die Klägerin erhob durch ihren Bevollmächtigten am 25. Mai 2010 Widerspruch: Sie habe nicht die Übernahme der Kosten einer Multifokallinse beantragt, sondern die Kostenübernahme für eine Augenoperation. Dass die Kosten speziell für die Speziallinse selbst nicht erstattungsfähig seien, sei ihr bekannt. Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit Schreiben vom 22. Juni 2010 mit, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung (nur) eine Kataraktoperation als Austausch der getrübten Linse gegen eine (künstliche) Monofokallinse eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Diese sei im Rahmen des Sachleistungsprinzips über die Krankenversicherungskarte abrechenbar. Eine Zuzahlung sei nicht zu entrichten. Die Klägerin habe jedoch eine Multifokallinse gewählt, die keine Vertragsleistung darstelle. Eine Trennung von Kassen- und Privatleistung, welche eine Zuzahlung legalisieren könnte, sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und widerspreche aktueller Rechtsprechung.
Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2011 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Juli 2011 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben: Sie habe einen Rechtsanspruch auf vollständige Übernahme der Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Operation am 4. Mai 2011 entstanden seien. Sie leide an Altersfehlsichtigkeit (Presbyopie). Sie benötige multifokale Intraokularlinsen, um den Alltag ohne Brille meistern zu können. Eine alternative Versorgung durch eine Therapie ohne Implantation einer Multifokallinse sei aus medizinischer Sicht unmöglich gewesen, weil das rechte Auge mit einer Multifokallinse versorgt sei. Die Unterschriften unter den Kostenvoranschlägen habe sie leisten müssen, um überhaupt ohne zuvor erklärte Kostenübernahme operiert zu werden.
Die Augenärztin der Klägerin Dr. S hat im Befundbericht vom 10. Januar 2012 unter anderem mitgeteilt, dass die Operation des grauen Stars mit Implantation einer Multifokalleistung als "individuelle Gesundheitsleistung" erfolgt sei. Die Implantation einer herkömmlichen monofokalen Intraokularlinse wäre ausreichend gewesen. Die Klägerin habe die modernen Möglichkeiten der Sonder-Intraokularlinsen-Implantation wahrnehmen wollen. Die Operation habe der Widerherstellung der früheren Sehfähigkeit dienen sollen, verbunden mit dem Wunsch nach anstrengungsfreiem komfortablem Sehen ohne Brille. Auch die augenärztliche Nachbetreuung sei als individuelle Gesundheitsleistung vorgenommen worden.
Der Operateur Dr. R der P klinik hat auf die Frage, ob bei der Klägerin nur die Implantation einer Multifokallinse medizinisch möglich gewesen sei, geantwortet, die Implantation einer Multifokallinse sei der Wunsch der Klägerin gewesen (Befundbericht vom 11. Januar 2012). Sie sei vor der Operation über die eventuelle Selbsttragung der Kosten und die Höhe der entstanden Kosten belehrt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Mai 2012 abgewiesen. Diese sei zulässig. Zwar stamme der Widerspruchsbescheid vom 17. März 2011, das entsprechende Schreiben sei jedoch aufgrund einer neuen Anschrift des Klägerbevollmächtigten nicht zugegangen und erneut (per Fax) am 14. Juni 2011 abgesandt worden. Die am 14. Juli 2011 eingegangene Klage sei deshalb fristgemäß. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die einzig mögliche Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) scheide aus. Ein Kostenerstattungsanspruch komme nur in Betracht, wenn die in Frage stehende Leistung von der Krankenkasse als Sachleistung hätte gewährt werden müssen und damit zu Unrecht abgelehnt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall. Es habe sich weder um eine Notfallbehandlung gehandelt, noch habe die Beklagte im Bescheid vom 29. April 2010 eine Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt. Nach § 27 Abs. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Kataraktoperation mit Implantation einer Multifokallinse zähle jedoch nicht zu den von der gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen, weil diese Methode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehöre. Für die Abrechnungsfähigkeit einer neuen Behandlungsmethode sei nach § 135 Abs. 1 SGB V eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V notwendig, die jedoch nicht vorliege. Vielmehr habe der Vorgänger des G-BA, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, am 11. Mai 1993 entschieden, die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie aus der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen. Unter diesem Oberbegriff fielen unter anderem das hier einschlägige Verfahren der Implantation intraokularer Linsen zur Korrektur der hohen Myopie bzw. der hohen Hyperopie. Dieser Beschluss sei am 10. Dezember 1999 erneut bestätigt worden. Damit gehöre die Versorgung mit einer Multifokallinse nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alleine eine Kataraktoperation mit einer monofokalen Linse sei die von der Beklagten zu erbringende Sachleistung gewesen. Die Klägerin habe sich jedoch ausdrücklich für die Implantation einer Multifokallinse entschieden. Dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr der Operateur mündlich gesagt habe, aufgrund der bereits bestehenden Multifokallinse am rechten Auge auch am linken Auge medizinisch nur eine Multifokallinse möglich, sei nicht zu folgen. Dem stehe sowohl die von der Klägerin unterzeichnete Erklärung gegenüber der P klinik als auch die Aussage des Dr. R im Befundbericht dem Gericht gegenüber entgegen. Die Kammer sehe keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben des Operateurs gegenüber dem Gericht zu zweifeln. Dass es dieser in dem Vorgespräch als sinnvoll angesehen haben könnte, dass neben der bereits bestehenden Multifokallinse auch am anderen Auge eine derartige Linse implantiert werde, stehe für die Kammer außer Frage. Dies bedeute jedoch nicht, dass eine solche Vorgehensweise deshalb medizinisch zwingend notwendig gewesen wäre. Mit der Versorgung mit nur einer Multifokallinse wäre die Klägerin gegebenenfalls auf eine Sehhilfe angewiesen gewesen. Bereits die im Jahr 2004 erbrachte Leistung sei außerhalb des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht worden. Alleine aus diesem Umstand folge kein Anspruch auf erneute Gewährung einer außervertraglichen Leistung.
Gegen dieses ihr am 5. Juni 2012 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 5. Juli 2012: Sie habe sich nicht ausdrücklich für die Implantation einer Multifokallinse entschieden, stattdessen für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Sehfähigkeit ihres linken Auges. Dazu sei ihr von Seiten der behandelnden Ärzte keine andere Alternative als die Versorgung mit einer Multifokallinse mitgeteilt worden. Es sei rechtsmissbräuchlich, ihr vorzuwerfen, dass sie die Erklärung zur "privatärztlichen" Operation unterschrieben habe. Der Druck, in welchem die Klägerin in diesem Augenblick gestanden habe, sei schwerlich in Worte zu fassen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Mai 2012 und den Bescheid vom 29. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin entstandenen Kosten für die Versorgung mit einer Multifokallinse am linken Auge in Höhe von 2.154,75 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die eingereichten Schriftsätze und die im Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Unterlagen, insbesondere das Antragsschreiben der Klägerin samt Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im Beschlusswege nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 11. November 2013 hingewiesen worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Klägerin von Anfang an die Übernahme der Kosten für eine privatärztliche Behandlung begehrt hat und nicht etwa nur den Wunsch geäußert hat, anlässlich einer Kataraktoperation auf eigene Kosten statt einer monofokalen Linse eine multifokale Linse eingesetzt zu erhalten.
Wie die Beklagte und das SG zutreffend ausgeführt haben, ist die Implantation einer Multifokallinse eine Maßnahme der refraktiven Augenchirurgie, weil die implantierte Linse nicht nur die beim Grauen Star eingetrübte Linse ersetzen, sondern auch die Gesamtbrechkraft des Auges verbessern soll. Solche Maßnahmen waren nach der Richtlinie des G-BA "Methoden vertragsärztliche Versorgung" in der am Operationstag gültigen Fassung vom 17. Januar 2006 (veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006; Nr. 48 [S. 1523], in Kraft getreten am 1. April 2006 zuletzt geändert am 17. Dezember 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010, Nr. 34 [S. 870] in Kraft getreten am 4. März 2010) ausgeschlossen -und sind dies übrigens bis heute.
Die Klägerin hat ausdrücklich eine Behandlung auf eigene Rechnung gewünscht, wie sich aus der Beifügung des privatärztlichen Kostenvoranschlags der Pklinik ergibt. Auch gegenüber dem Anästhesisten hat die Klägerin im Kostenvoranschlag ausdrücklich erklärt, die privatärztliche Behandlung zu wünschen.
Beweis war nicht zu erheben. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die Implantation der monofokalen Linse zur Behandlung des Grauen Stars medizinisch ausreichend gewesen wäre. Die Klägerin selbst hat vorgebracht, die Notwendigkeit in der Vermeidung einer Brille zu sehen. Auf die Frage, ob die behandelnden Ärzte der Klägerin anderes vermittelt haben könnten, kommt es nicht an. Die medizinische Notwendigkeit ergibt sich nämlich nicht aus dem, was die behandelnden Ärzte der Klägerin als ihrer Patientin gegenüber erklärt haben. Gegebenenfalls stünden ihr bei fehlerhafter Beratung Ansprüche gegen ihre Behandler zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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