L 10 R 5769/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 3252/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5769/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Die am 1955 geborene Klägerin absolvierte 1970 bis 1973 eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Zuletzt arbeitete sie seit November 2001 als Stationsassistentin im Rheumazentrum Bad K. im Umfang von 25 Wochenstunden bis zum Eintritt dauerhafter Arbeitsunfähigkeit am 08.01.2008.

Ihren Rentenantrag vom 14.08.2007 begründete die Klägerin mit dem Vorliegen einer Fibromyalgie und einer chronischen Polyarthritis. Die von der Beklagten mit der Erstellung eines Gutachtens (Bl. 47 ff. VerwA) beauftragte Orthopädin Dr. P. diagnostizierte - nach Untersuchung im Oktober 2007 - ein degeneratives Cervikalsyndrom mit Osteochondrosen C 5/C 6 und C 6/C 7 mit Spondylosis deformans ohne neurologische Ausfallserscheinungen, ein degeneratives Lumbalsyndrom bei Hyperlordose und muskulären Insuffizienzen mit Bindegewebsschwäche und ohne neurologische Ausfallserscheinungen, eine medial betonte Gonarthrose mit Retropatellararthrose beidseits, eine initiale Rhizarthrose links, eine mögliche rheumatoide Arthritis ohne Aktivitätszeichen, Senk-Spreizfüße mit Großzehengrundgelenksarthrose beidseits sowie eine mäßige Varikosis beidseits ohne Stauungszeichen. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sah die Gutachterin insoweit eingeschränkt, als diese als Stationsassistentin nur mehr drei bis unter sechs Stunden täglich tätig sein könne; auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin nur mehr drei bis unter sechs Stunden täglich zuzumuten. Sie empfahl eine zusätzliche nervenärztliche Begutachtung.

Daraufhin erstattete der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. nach Untersuchung der Klägerin im November 2007 ein weiteres Gutachten (Bl. 85 ff. VerwA). Dr. G. stellte auf psychiatrisch-psychotherapeutisch-psycho¬analytischem Fachgebiet keine Diagnosen fest, er bezeichnete die Gesundheitsstörungen der Klägerin als Befindlichkeitsstörung im Rahmen der internistisch-orthopädischen bzw. rheumatologischen Vorerkrankung ohne eigenständige Krankheitswertigkeit (Bl. 92 VerwA). Der Gutachter hielt die Klägerin für in der Lage, die Tätigkeit als Stationshilfe als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Auf der Grundlage dieser Ermittlungen und einer beratungsärztlichen Stellungnahme, wonach die Beurteilung von Dr. P. nicht schlüssig sei (Bl. 96 VerwA), lehnte die Beklagte die beantragte Rente mit Bescheid vom 07.12.2007 ab. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2008 und der Begründung zurück, es liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor (Bl. 175 VerwA). Zwar könne die Klägerin ihren bisherigen Beruf als Stationsassistentin nur mehr drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben, allerdings zähle der Beruf als Stationsassistentin zu den einfachen Anlernberufen bzw. zu den ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, so dass im Falle der Klägerin die Verweisung auf einen besonderen Beruf nicht erforderlich sei.

Das hiergegen am 01.07.2008 angerufene Sozialgericht Freiburg hat sachverständige Zeugenauskünfte des Orthopäden Dr. R. (Bl. 45 SG-Akte), des Internisten und Rheumatologen Dr. B. (Bl. 47 SG-Akte) sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. (Bl. 48 SG-Akte) eingeholt. Alle behandelnden Ärzte haben die Klägerin für erwerbsgemindert gehalten, da ihr leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit Blick auf die vorliegenden Schmerzen allenfalls noch drei Stunden täglich zuzumuten seien.

Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. O. veranlasst (Bl. 67 ff. SG-Akte). Dieser hat die Klägerin im April 2009 untersucht und ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium Gerbershagen III mit psychischen und somatischen Komponenten diagnostiziert, differentialdiagnostisch sei an eine Fibromyalgie zu denken. Zudem - so Dr. O. - liege eine laborchemisch gesicherte seropositive chronische Polyarthritis mit außerordentlich blandem Verlauf ohne klinische Krankheitsaktivitäten vor, ein degeneratives Halswirbelsäulen-Syndrom, ein degeneratives Lumbovertebral-Syndrom und eine beidseitige Rhiz¬arthrose. Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei die Klägerin jedoch noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Noch möglich seien Anheben und Tragen von Lasten bis 10 kg; die Tätigkeit könne ständig im Sitzen sowie zeitweise im Stehen ausgeübt werden. Nicht mehr möglich seien dauerndes oder überwiegendes Stehen und Gehen sowie häufiges Bücken. Vermieden werden sollten Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit. Ungünstig seien auch Arbeiten in Kälte und Nässe sowie mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art, mit Verantwortung für Menschen oder Maschinen, mit Publikumsverkehr oder unter besonderer nervlicher Beanspruchung (Bl. 73 SG-Akte).

Nach Vorlage des Entlassungsberichts des Rheumazentrums Schlangenbad über einen Aufenthalt der Klägerin im September/Oktober 2010 (Bl. 95 ff. SG-Akte), in dem aus rheumatolo¬gischer Sicht ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestätigt worden ist, sowie - unter anderem - eines Arztbriefs des Schmerztherapeuten Dr. W. (Bl. 130 ff. SG-Akte), der eine Berentung der Klägerin befürwortet hat, hat der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. Dr. N. ein weiteres Gutachten erstattet (Bl. 137 ff. SG-Akte). Der Sachverständige hat ein chronisches Schmerzsyndrom vom Typ der Fibromyalgie sowie eine leichte depressive Störung diagnostiziert. Die Klägerin sei nach seiner Einschätzung jedoch noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Position unter Beachtung der bereits vom Sachverständigen Dr. O. weitestgehend erfassten qualitativen Leistungsbeeinträchtigungen (Bl. 155 SG-Akte: zusätzlich "ggf." seien kürzere Pausen sinnvoll) noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Ein von der Klägerin im Anschluss an die letzte Begutachtung vorgelegtes Schreiben des Schmerztherapeuten Dr. W. hat die Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. Dr. N. im Wesentlichen bestätigt und darauf hingewiesen, die Beschwerden der Klägerin seien unter der laufenden Behandlung deutlich besser geworden (Bl. 175 SG-Akte).

Auf der Grundlage dieser Ermittlungen, insbesondere der aus Sicht des Sozialgerichts widerspruchsfreien und wohlbegründenden Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. und Dr. Dr. N. , hat das Sozialgericht Freiburg die Klage mit Urteil vom 16.11.2011 abgewiesen.

Gegen das am 22.11.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.12.2011 - unter Hinweis auf häufig wiederkehrende Gelenk- und Muskelschmerzen, akut auftretende Schmerzen an der Wirbelsäule und phasenhaft plötzlich auftretende Schwellungen an diversen Gelenken - Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16.11.2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2008 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat sachverständige Zeugenauskünfte bei dem Schmerztherapeuten Dr. W. (Bl. 21 LSG-Akte: schwere rheumatoide Erkrankung), der Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. B. (Bl. 25 f. LSG-Akte: seropositive rheumatoide Arthritis; kein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten) sowie der Internistin und Rheumatologin Dr. S. (Bl. 99 ff. LSG-Akte: rheumatoide Arthritis und Fibromyalgie; nur bis vierstündige Leistungsfähigkeit) eingeholt.

Außerdem hat Prof. Dr. S. , Leiter der Gutachtenambulanz und Schmerztherapie des Universitätsklinikums H. , Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, physikalische und rehabilitative Medizin, Rheumatologie - Schmerztherapie - Psycho¬thera¬pie, ein interdisziplinäres Sachverständi¬gengutachten mit psychologischer Evaluation durch die Dipl.-Psych. G. erstattet (Bl. 135 ff. LSG-Akte). Prof. Dr. S. hat bei der Klägerin eine rheumatoide Arthritis mit nur geringer Entzündungsaktivität und ohne Sekundärschädigung von Gelenken (unter Cortisonbehandlung), ein Fibromyalgie-Syndrom mit chronisch weit verbreiteten Schmerzen, nicht erholsamem Schlaf und beschleunigter Erschöpfbarkeit bei ansonsten guten körperlichen Funktionen, eine Polyarthrose mit Gelenkaufbrauch der beiden Daumensattelgelenke sowie der Fingerendgelenke der Zeige- und Mittelfinger beidseits ohne wesentliche Beeinträchtigung der Handfunktion, einen Bandscheibenaufbrauch mit Anpassungsreaktionen der unteren Halswirbelsäule ohne Einschränkung der freien Beweglichkeit und ohne neurologische Ausfall- oder Reizzeichen, einen Bandscheibenaufbrauch L 4/L 5 sowie L 5/S 1 mit begleitendem Gelenkaufbrauch dieser Segmente ohne Einschränkung der freien Beweglichkeit und ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen, eine Kniegelenksarthrose innenseitig betont beidseitig ohne Einschränkung der freien Funktion und ohne Reizzeichen sowie ein Raynaud-Syndrom mit Engstellung von Fingerendarterien unter Kälteeinfluss diagnostiziert. Trotz der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei die Klägerin nach Einschätzung des Sachverständigen in der Lage, noch leichte, bisweilen mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien schwere manuelle und dauerhaft feine manuelle Tätigkeiten, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Körperzwangshaltungen, Tätigkeiten mit erhöhtem Arbeitstempo und erhöhter Verantwortung sowie Tätigkeiten mit Kälte- und Nässeexpositionen (Bl. 165 LSG-Akte).

Die Klägerin hat im Rahmen ergänzender Stellungnahmen zahlreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der Bescheid vom 07.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erwerbsgemindert im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Das Sozialgericht hat sich dabei mit zutreffender Argumentation den Gutachten der Sachverständigen Dr. O. und Dr. Dr. N. angeschlossen. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die weiteren medizinischen Ermittlungen im Rahmen des Berufungsverfahrens, insbesondere das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. , bestätigen die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Im Vordergrund der die Leistungsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigenden Beschwerden stehen über den gesamten Körper verteilte Schmerzen, von deren tatsächlichem Bestehen auch der Senat ausgeht; weniger klar ist allerdings das Ausmaß der bestehenden Schmerzen und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin. Als Ursache der Schmerzen hat Prof. Dr. S. eine rheumatoide Arthritis, ein Fibromyalgie-Syndrom, eine Polyarthrose im Bereich einzelner Finger, degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und eine beidseitige Kniegelenksarthrose diagnostiziert (Bl. 164 f. LSG-Akte). Allerdings weist auch Prof. Dr. S. ausdrücklich darauf hin, dass sich die Schmerzklagen der Klägerin durch den klinischen Befund nicht ausreichend erklären lassen (Bl. 162 LSG-Akte).

So hätten sich bei sämtlichen Bewegungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule weder neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen noch wesentliche Funktionseinschränkungen gezeigt (Bl. 154 LSG-Akte). Auch hat der Sachverständige keine wesentlichen Beeinträchtigungen der oberen bzw. unteren Extremitäten beobachtet (Bl. 155 f. LSG-Akte). In der zusammenfassenden Beurteilung hat Prof. Dr. S. darauf hingewiesen, dass der klinische Untersuchungsbefund trotz der radiologischen Hinweise auf eine Polyarthrose mit Gelenksaufbrauch beider Daumensattelgelenke (links mehr als rechts) und der Fingerendgelenke der Zeige- und Mittelfinger beidseitig, des Aufbrauchs der unteren Lendenwirbelsäule sowie der unteren Halswirbelsäule unauffällig gewesen sei. Insbesondere die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei sogar eher überdurchschnittlich gewesen; schließlich hätten auch die psychophysischen Belastungstests eher ein überdurchschnittliches Leistungsvermögen im Bein-Hebeversuch und im Rumpf-Hebeversuch gezeigt (Bl. 162 LSG-Akte).

Gerade dann, wenn - wie hier - den von der Klägerin reklamierten somatischen Beschwerden kein ausschlaggebendes bzw. entsprechendes organisches Korrelat zu Grunde liegt, kommt es für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit entscheidend auf Konsistenz, Plausibilität, Authentizität und gegebenenfalls "Gewichtung" der Beschwerden an. Davon geht auch Prof. Dr. S. aus, indem er für seine Leistungseinschätzung auch die Beobachtung des Verhaltens der Klägerin in der Untersuchungssituation einbezogen und versucht hat, ihr soziales Verhalten am Beispiel des - von ihr selbst geschilderten - regelmäßigen Tageslaufs mit Blick auf ihr tatsächliches Leistungsvermögen zu bewerten.

So bestätigt insbesondere die ausführliche Beschreibung des Tagesablaufs durch die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen, dass ihr Leistungsvermögen weniger eingeschränkt ist, als sie selbst vorgibt. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Klägerin ihren eigenen Schilderungen zufolge im Haushalt wenig beeinträchtigt ist. Sie erledige vollständig die Wäsche und vorwiegend das Kochen und Backen. Kleinigkeiten kaufe die Klägerin selbst ein, lediglich für schwere Sachen erhalte sie Hilfe durch ihren Ehemann. Bei den Putztätigkeiten werde sie lediglich bei der Toilettenreinigung von ihrem Ehemann unterstützt, Staubwischen, Staubsaugen, Fensterputzen, Saubermachen von Badewanne und Waschbecken mache sie selbst (Bl. 144 LSG-Akte). Dies ist umso bemerkenswerter, als sich ihr Ehemann seit 01.07.2012 in Altersteilzeit befindet und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung im November 2012 nicht mehr berufstätig gewesen ist. Je nach Tagesform - so die Angaben gegenüber Prof. Dr. S. - unternehme die Klägerin auch Spaziergänge, fahre kleinere Strecken mit dem Rad, treffe sich unregelmäßig mit vier Freundinnen und unterhalte einen guten Austausch mit der Nachbarschaft. Nach dem Abendessen, das wechselweise von ihrem Ehemann oder von ihr vorbereitet werde, nehme sie manchmal an Vorträgen teil und mache manchmal abends Erledigungen (Bl. 145 LSG-Akte). Auch erledige sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Gartenarbeit in einem 200 m2 großen Garten um das bewohnte Haus (Bl. 147 LSG-Akte). Zu Recht vermag Prof. Dr. S. aus diesen Schilderungen keine quantitativen Leistungseinschränkungen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes abzuleiten.

Bestätigt wird diese Einschätzung durch eigene Beobachtungen, die der Sachverständige Prof. Dr. S. während der gutachtlichen Untersuchung gemacht hat. So habe die Klägerin während der gesamten Befragung keine entlastenden Körperbewegungen vorgenommen (Bl. 146 LSG-Akte), es hätten keine Ausweichbewegungen bei der Befunderhebung stattgefunden (Bl. 153 LSG-Akte), außerdem seien ihm keine Schonungszeichen im Bereich der Stütz- und Bewegungsorgane aufgefallen (Bl. 153 LSG-Akte). Insgesamt sei die Klägerin unbeeinträchtigt für zweimal etwa eine Stunde gesessen; es habe lediglich eine einmalige Unterbrechung gegeben, da der Klägerin die Sitzfläche zu kalt gewesen sei (Bl. 153 LSG-Akte). Auch im Rahmen der psychologischen Evaluation durch die Dipl.-Psych. G. ist es der Klägerin über zwei Stunden möglich gewesen zu sitzen und dem Gespräch konzentriert zu folgen. Eingeräumte Pausen habe die Klägerin sogar abgelehnt (Bl. 179 LSG-Akte).

Nicht zu folgen ist dem Gutachten der Orthopädin Dr. P ... Diesbezüglich wies bereits die beratungsärztliche Stellungnahme der Beklagten zu Recht auf die Unschlüssigkeit der Leistungseinschätzung hin (Bl. 96 VerwA). Vor dem Hintergrund, dass die Gutachterin weder wesentliche Funktionseinschränkungen (Bl. 60 f. VerwA: endgradige Funktionsminderung aller Wirbelsäulenabschnitte; Hüft- und Kniegelenke ohne Funktionsminderungen, grob neurologisch keine Ausfallserscheinungen) noch eine floride rheumatoide Arthritis (Bl. 61 VerwA) feststellte, ist die Annahme einer auf unter sechs Stunden abgesunkenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - worauf auch Prof. Dr. S. hingewiesen hat (Bl. 168 LSG-Akte) - nicht nachvollziehbar.

Damit sind der Klägerin jedenfalls noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Haltungswechsel mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zuzumuten. Ausgehend von der Leistungsbeurteilung Dr. O. (Bl. 73 SG-Akte) sind noch Anheben und Tragen von Lasten bis 10 kg möglich; die Tätigkeit kann ständig im Sitzen sowie zeitweise im Stehen ausgeübt werden. Nicht mehr möglich sind dauerndes oder überwiegendes Stehen und Gehen sowie häufiges Bücken. Vermieden werden sollten Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit. Ungünstig sind auch Arbeiten in Kälte und Nässe sowie mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art, mit Verantwortung für Menschen oder Maschinen, mit Publikumsverkehr oder unter besonderer nervlicher Beanspruchung. Mit Blick auf die degenerativ und rheumatisch beeinträchtigten Fingergelenke sind zudem nach Prof. Dr. S. (Bl. 165 LSG-Akte) schwere manuelle Tätigkeiten und dauerhaft feine manuelle Tätigkeiten.

Besondere betriebsunübliche Pausen benötigt die Klägerin nicht. Auch Dr. Dr. N. hat insoweit keine Notwendigkeit gesehen, sondern kürzere Pausen lediglich "ggf." für "sinnvoll" erachtet und darauf hingewiesen, dass hierzu aus dem Verhalten der Klägerin keine verlässlichen Angaben abgeleitet werden können (Bl. 155 SG-Akte). Entsprechend hat auch Prof. Dr. S. keine zusätzlichen Pausen für erforderlich gehalten. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin bei Prof. Dr. S. und der Dipl.-Psych. G. jeweils eine zweistündige Untersuchung ohne wesentliche Pausen toleriert hat, ist dies überzeugend. Die Klägerin benötigt somit über die betriebsüblichen Pausen und Verteilzeiten hinaus keine zusätzlichen Pausen.

Die Klägerin ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

An dieser Einschätzung vermögen auch die im Berufungsverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. S. nichts zu ändern. Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Betriebsärztin Dr. B., die die Klägerin nach 2007 einmal im Februar 2012 untersucht hat, hat zwar bemerkt, die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei - bei freier Beweglichkeit der Extremitäten¬gelenke und Zunahme der Entzündungsparameter - auf unter sechs Stunden arbeitstäglich gesunken, allerdings hat sie auch angegeben, das maßgebliche Leiden liege auf internistisch-rheumatologischem Fachgebiet und diesbezüglich auf die behandelnde Rheumatologin verwiesen (Bl. 25 f. LSG-Akte). Die Internistin und Rheumatologin Dr. S. hat in ihrer Auskunft mitgeteilt, die seropositive rheumatoide Arthritis führe rezidivierend zu Schwellungen einzelner Gelenke, so dass es immer wieder zu schmerzhaften Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit der betroffenen Gelenke kommen könne (Bl. 101 LSG-Akte). Eine dauerhafte Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ist dieser Auskunft jedenfalls nicht abzuleiten, zumal die behandelnde Rheumatologin auch andeutet, die Behandlungsoptionen seien noch nicht ausgeschöpft (Bl. 100 LSG-Akte). Auf letzteres weist auch ein von der Klägerin vorgelegter Ambulanzbericht des Universitätsklinikums Freiburg, Abt. Innere Medizin IV - Rheumatologie und klinische Immunologie, vom Februar 2013 hin, wenn es dort heißt, dass die aktive rheumatoide Arthritis "mit einer Streroid-Monotherapie sicherlich nicht optimal behandelt" ist (Bl. 238 LSG-Akte). Soweit der Schmerztherapeut Dr. W. im März 2012 auf eine schwerwiegende rheumatische Erkrankung hingewiesen hat, die durch ihren verzögerten Verlauf vollkommen verkannt worden sei, hat er dennoch - infolge der zwischenzeitlich stattfindenden fachärztlich-rheumatologischen Behandlung - keine Auswirkungen mit Blick auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit geschildert (Bl. 21 LSG-Akte). Diese Aussage Dr. W. ist im Übrigen auch im Zusammenhang mit seinem Schreiben im August 2011 an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu sehen, in dem er sich im Wesentlichen der Befunderhebung und den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. Dr. N. angeschlossen hat (Bl. 175 SG-Akte), der damals keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin erkannt hat.

Auch aus den von der Klägerin im Rahmen ihrer ergänzenden Stellungnahme vorgelegten weiteren medizinischen Unterlagen resultiert keine abweichende Einschätzung ihres Leistungsvermögens. Dies betrifft zum einen das orthopädisch-neurologische Fachgebiet: So hat ein radiologischer Bericht vom Juli 2013 keine signifikante Befundänderung der degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Vergleich zu einer früheren Computertomographie im März 2009 ergeben (Bl. 232 LSG-Akte). Der Orthopäde Dr. R. hat im Februar 2013 sogar rückläufige Beschwerden im Bereich der Hände und der Halswirbelsäule beobachtet (Bl. 240 LSG-Akte). Auch das wenig ausgeprägte Carpaltunnelsyndrom rechts, das der der Neurologe Dr. W. im Dezember 2012 diagnostiziert hat (Bl. 241 LSG-Akte), führt nicht zu einer wesentlichen Leistungseinschränkung mit Blick auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Soweit die Klägerin in Bezug auf andere medizinische Fachgebiete wiederholt auf Beeinträchtigungen durch das sogenannte Raynaud-Syndrom hingewiesen hat, hat ein angiologischer Krankenhausbericht vom April 2013 lediglich eine gering- bis mittelgradige Minderperfusion der Finger und eine mittelgradige Minderperfusion aller Zehen ohne eindeutigen Nachweis von Megakapillaren ergeben. Wegen - dort festgestellter - geringer Auffälligkeiten ist eine Kontrolluntersuchung - erst wieder - in einem Jahr empfohlen worden (Bl. 233 LSG-Akte). Wie bereits vorher angedeutet, können auch die mit Bericht vom Februar 2013 im Ambulanzbericht des Universitätsklinikums F., Abt. Innere Medizin IV - Rheumatologie und klinische Immunologie, mitgeteilten und auf die seropositive rheumatoide Arthritis zurückzuführenden leichten Schwellungen beider Handgelenke und des Handrücken zu keiner anderen Beurteilung der Leistungsfähigkeit führen, denn dieser Bericht weist gleichzeitig darauf hin, die rheumatische Erkrankung sei sicherlich nicht optimal behandelt (Bl. 238 LSG-Akte). Darauf ist bereits früher im Rahmen des stationären Aufenthalts im Rheumazentrum Schlangenbad im September/Oktober 2010 hingewiesen worden (Bl. 105 SG-Akte). Die bei der Klägerin bestehenden Beeinträchtigungen insbesondere der Hand- und Fingergelenke werden im Übrigen dadurch berücksichtigt, dass der Klägerin schwere manuelle und dauerhaft feine manuelle Tätigkeiten sicherlich nicht mehr zuzumuten sind. Soweit der Facharzt für Allgemeinmedizin im ärztlichen Attest von November 2012 eine Berentung der Klägerin vorgeschlagen hat (Bl. 242 LSG-Akte), beruht diese Empfehlung auf allenfalls vagen Diagnosen und kann sich auf keine ausdifferenzierte Befunderhebung stützen. Jedenfalls hat sich seine Einschätzung durch das Gutachten von Prof. Dr. S. nicht bestätigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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