Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 176 R 4543/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 302/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die rückwirkende Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung weiterer Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bereits zum 1. Januar 1997 statt, wie zwischenzeitlich anerkannt, zum 1. Januar 2005.
Der 1927 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger und Verfolgter im Sinne des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - Bundesentschädigungsgesetz (BEG) -.
Er bezieht aufgrund Bescheides der Beklagten vom 13. November 1992 eine Regelaltersrente seit dem 1. November 1992. Mit Bescheid vom 12. Februar 2002 stellte die Beklagte die Rente wegen Hinzutretens einer Ersatzzeit vom 1. Januar 1947 bis zum 31. Dezember 1949 neu fest.
Mit Antrag vom 26. März 2010 machte der Kläger unter Berücksichtigung weiterer Zeiten auf der Grundlage des ZRBG die Neufeststellung seiner Rente geltend und trug vor, dass er in der Zeit ab dem 15. April 1944 in U in einem Ghetto gearbeitet habe.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 stellte die Beklagte die Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto mit der Gewährung eines höheren Zahlbetrages ab dem 1. Januar 2005 neu fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 18. Januar 2011, mit dem er die Gewährung einer höheren Rente bereits ab dem 1. Januar 1997 unter Verweis auf das ZRBG geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2012 zurück. Mit Blick auf § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) komme eine rückwirkende Feststellung längstens für einen Zeitraum von 4 Jahren in Betracht. Als Zeitpunkt der Stellung eines Überprüfungsantrages gelte hier der Tag der Verkündung der Entscheidung des Bundessozialgerichts, mit der eine erweiternde Auslegung des ZRBG erfolgt sei, mithin der 4. Juni 2009. Die Rente sei daher ab dem 1. Januar 2005 neu festzustellen gewesen. Eine mögliche Rückwirkung der Neufeststellung auf den 1. Juni 1997 sei nur in den Fällen möglich, in denen ein Rentenantrag noch nicht bestandskräftig geworden sei.
Die hiergegen am 17. September 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2013 unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides abgewiesen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X bestünden nicht. Aus diesem Grund sei auch kein Raum für ein Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens.
Gegen den ihm am 9. April 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. April 2013 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Zur Begründung trägt er vor, dass gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts, mit denen die Begrenzung einer Rückwirkung auf den Zeitraum von 4 Jahren für rechtmäßig erachtet worden sei, Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig seien. Auch gäbe es gesetzgeberische Bestrebungen die Rechtslage abzuändern, so dass das Verfahren ruhend gestellt werden sollte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2012 zu verurteilen, die Rentenbescheide vom 13. November 1992 und vom 12. Februar 2002 zu ändern und dem Kläger eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Ghetto-Beschäftigungszeiten auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezognene Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger weder zum Termin zur mündlichen Verhandlung selbst erschienen noch vertreten war. Denn der Kläger ist ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Denn der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Ghetto-Beschäftigungszeiten auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2004.
Dem Anspruch des Klägers steht die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Danach werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor Beginn des Jahres der erfolgten Rücknahme des Verwaltungsaktes erbracht. Dies zu Grunde gelegt, kann der Kläger nicht erfolgreich die Berücksichtigung der festgestellten Ghetto-Beschäftigungszeiten für die Zeit der Rentengewährung vor dem 1. Januar 2005 verlangen.
Bei dem Antrag des Klägers vom 26. März 2010 handelt es sich um einen Überprüfungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Denn der Kläger begehrt mit ihm die Überprüfung bestandskräftiger Rentenbescheide des Beklagten für die Vergangenheit, weil rechtsfehlerhaft Ghetto-Beitragszeiten auf der Grundlage des ZRBG nicht berücksichtigt und deswegen Sozialleistungen – hier in Form einer höheren Regelaltersrente – nicht erbracht worden seien. Soweit die Beklagte diesem Antrag mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einer erweiternden Auslegung des ZRBG im Sinne der betroffenen Opfer des Nationalsozialismus (vgl. Urteile des BSG u. a. vom 2. Juni 2009 - B 13 R 81/08 R - und vom 3. Juni 2009 - B 5 R 26/08 R -) entsprochen hat, ist die rückwirkende Neuberechnung der dem Kläger zustehende Rente unter Berücksichtigung der Ghettozeiten zu Recht aufgrund des § 44 Abs. 4 SGB X zeitlich befristet worden. Da die Beklagte von einem mit Verkündung vorgenannter Entscheidungen eingeleiteten Überprüfungsverfahrens von Amts wegen bereits im Jahre 2009 ausgeht - und nicht erst aufgrund des von dem Kläger selbst gestellten Antrages im Jahre 2010 -, scheidet die Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten jedenfalls für die Zeit vor dem 1.Januar 2005 aus.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in Überprüfungsfällen auch der vorliegenden Art geltende Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X bestehen nicht. Insbesondere liegt keine gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Ungleichbehandlung mit der Personengruppe vor, deren Rentenverfahren im Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 2./3. Juni 2009 noch nicht abgeschlossen waren und die mit Blick auf eine Antragstellung bis zum 30. Juni 2003 nach § 3 ZRBG eine rückwirkende Berücksichtigung der Ghetto-Beitragszeiten im Falle einer Rentengewährung bereits mit Inkrafttreten des ZRBG am 1. Juli 1997 erfolgreich geltend machen kann. Die Ungleichbehandlung mit der Personengruppe des Klägers, deren Rentenverfahren vor dem 2./3. Juni 2009 bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossen war, rechtfertigt sich durch das Vorliegen einer bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 8. Februar 2012 - B 5 R 38/11 R - und vom 7. Februar 2012 - B 13 R 40/11 R -). Soweit der Kläger darauf verweist, dass gegen die vorgenannte Auffassung bestätigende, gleichgelagerte Entscheidungen des Bundessozialgerichts Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgerichts anhängig seien, sieht der Senat keine Veranlassung das Verfahren auszusetzen oder ruhend zustellen. Denn mit Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2013 - 1 BvR 1008/12 - und vom 2. Juli 2013 - 1 BvR 1444/12 – sind Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts in gleichgelagerten Fällen nicht zur Entscheidung angenommen worden.
Ist es mithin allein Sache des Gesetzgebers, die Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X im hier maßgeblichen Zusammenhang nachträglich anordnen zu können, liegen dem Senat keinerlei Erkenntnisse vor, dass der Gesetzgeber gegenwärtig oder zumindest in absehbarer Zeit beabsichtigt, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Anlass, das Verfahren auszusetzen oder ruhend zustellen, besteht daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs.2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht Graf-Bernadotte-Platz 5 34119 Kassel,
einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (ERVVOBSG) vom 18. Dezember 2006 (BGBl I 3219) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de/) unter "Downloads" lizenzfrei heruntergeladen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind zugelassen:
1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten, nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss • die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder • die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder • ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 I Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) unter "Das Gericht" - "Zugang zur Revisionsinstanz" - "Prozesskostenhilfe" heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein. Soll der Vordruck beim Bundessozialgericht in elektronischer Form eingereicht werden, ist ein Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen und mittels Einscannen in eine Datei umzuwandeln, die qualifiziert signiert ist und nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (s.o.) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die rückwirkende Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung weiterer Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bereits zum 1. Januar 1997 statt, wie zwischenzeitlich anerkannt, zum 1. Januar 2005.
Der 1927 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger und Verfolgter im Sinne des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - Bundesentschädigungsgesetz (BEG) -.
Er bezieht aufgrund Bescheides der Beklagten vom 13. November 1992 eine Regelaltersrente seit dem 1. November 1992. Mit Bescheid vom 12. Februar 2002 stellte die Beklagte die Rente wegen Hinzutretens einer Ersatzzeit vom 1. Januar 1947 bis zum 31. Dezember 1949 neu fest.
Mit Antrag vom 26. März 2010 machte der Kläger unter Berücksichtigung weiterer Zeiten auf der Grundlage des ZRBG die Neufeststellung seiner Rente geltend und trug vor, dass er in der Zeit ab dem 15. April 1944 in U in einem Ghetto gearbeitet habe.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 stellte die Beklagte die Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto mit der Gewährung eines höheren Zahlbetrages ab dem 1. Januar 2005 neu fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 18. Januar 2011, mit dem er die Gewährung einer höheren Rente bereits ab dem 1. Januar 1997 unter Verweis auf das ZRBG geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2012 zurück. Mit Blick auf § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) komme eine rückwirkende Feststellung längstens für einen Zeitraum von 4 Jahren in Betracht. Als Zeitpunkt der Stellung eines Überprüfungsantrages gelte hier der Tag der Verkündung der Entscheidung des Bundessozialgerichts, mit der eine erweiternde Auslegung des ZRBG erfolgt sei, mithin der 4. Juni 2009. Die Rente sei daher ab dem 1. Januar 2005 neu festzustellen gewesen. Eine mögliche Rückwirkung der Neufeststellung auf den 1. Juni 1997 sei nur in den Fällen möglich, in denen ein Rentenantrag noch nicht bestandskräftig geworden sei.
Die hiergegen am 17. September 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2013 unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides abgewiesen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X bestünden nicht. Aus diesem Grund sei auch kein Raum für ein Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens.
Gegen den ihm am 9. April 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. April 2013 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Zur Begründung trägt er vor, dass gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts, mit denen die Begrenzung einer Rückwirkung auf den Zeitraum von 4 Jahren für rechtmäßig erachtet worden sei, Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig seien. Auch gäbe es gesetzgeberische Bestrebungen die Rechtslage abzuändern, so dass das Verfahren ruhend gestellt werden sollte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2012 zu verurteilen, die Rentenbescheide vom 13. November 1992 und vom 12. Februar 2002 zu ändern und dem Kläger eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Ghetto-Beschäftigungszeiten auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezognene Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger weder zum Termin zur mündlichen Verhandlung selbst erschienen noch vertreten war. Denn der Kläger ist ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Denn der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Ghetto-Beschäftigungszeiten auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2004.
Dem Anspruch des Klägers steht die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Danach werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor Beginn des Jahres der erfolgten Rücknahme des Verwaltungsaktes erbracht. Dies zu Grunde gelegt, kann der Kläger nicht erfolgreich die Berücksichtigung der festgestellten Ghetto-Beschäftigungszeiten für die Zeit der Rentengewährung vor dem 1. Januar 2005 verlangen.
Bei dem Antrag des Klägers vom 26. März 2010 handelt es sich um einen Überprüfungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Denn der Kläger begehrt mit ihm die Überprüfung bestandskräftiger Rentenbescheide des Beklagten für die Vergangenheit, weil rechtsfehlerhaft Ghetto-Beitragszeiten auf der Grundlage des ZRBG nicht berücksichtigt und deswegen Sozialleistungen – hier in Form einer höheren Regelaltersrente – nicht erbracht worden seien. Soweit die Beklagte diesem Antrag mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einer erweiternden Auslegung des ZRBG im Sinne der betroffenen Opfer des Nationalsozialismus (vgl. Urteile des BSG u. a. vom 2. Juni 2009 - B 13 R 81/08 R - und vom 3. Juni 2009 - B 5 R 26/08 R -) entsprochen hat, ist die rückwirkende Neuberechnung der dem Kläger zustehende Rente unter Berücksichtigung der Ghettozeiten zu Recht aufgrund des § 44 Abs. 4 SGB X zeitlich befristet worden. Da die Beklagte von einem mit Verkündung vorgenannter Entscheidungen eingeleiteten Überprüfungsverfahrens von Amts wegen bereits im Jahre 2009 ausgeht - und nicht erst aufgrund des von dem Kläger selbst gestellten Antrages im Jahre 2010 -, scheidet die Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten jedenfalls für die Zeit vor dem 1.Januar 2005 aus.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in Überprüfungsfällen auch der vorliegenden Art geltende Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X bestehen nicht. Insbesondere liegt keine gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Ungleichbehandlung mit der Personengruppe vor, deren Rentenverfahren im Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 2./3. Juni 2009 noch nicht abgeschlossen waren und die mit Blick auf eine Antragstellung bis zum 30. Juni 2003 nach § 3 ZRBG eine rückwirkende Berücksichtigung der Ghetto-Beitragszeiten im Falle einer Rentengewährung bereits mit Inkrafttreten des ZRBG am 1. Juli 1997 erfolgreich geltend machen kann. Die Ungleichbehandlung mit der Personengruppe des Klägers, deren Rentenverfahren vor dem 2./3. Juni 2009 bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossen war, rechtfertigt sich durch das Vorliegen einer bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 8. Februar 2012 - B 5 R 38/11 R - und vom 7. Februar 2012 - B 13 R 40/11 R -). Soweit der Kläger darauf verweist, dass gegen die vorgenannte Auffassung bestätigende, gleichgelagerte Entscheidungen des Bundessozialgerichts Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgerichts anhängig seien, sieht der Senat keine Veranlassung das Verfahren auszusetzen oder ruhend zustellen. Denn mit Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2013 - 1 BvR 1008/12 - und vom 2. Juli 2013 - 1 BvR 1444/12 – sind Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts in gleichgelagerten Fällen nicht zur Entscheidung angenommen worden.
Ist es mithin allein Sache des Gesetzgebers, die Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X im hier maßgeblichen Zusammenhang nachträglich anordnen zu können, liegen dem Senat keinerlei Erkenntnisse vor, dass der Gesetzgeber gegenwärtig oder zumindest in absehbarer Zeit beabsichtigt, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Anlass, das Verfahren auszusetzen oder ruhend zustellen, besteht daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs.2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht Graf-Bernadotte-Platz 5 34119 Kassel,
einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (ERVVOBSG) vom 18. Dezember 2006 (BGBl I 3219) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de/) unter "Downloads" lizenzfrei heruntergeladen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind zugelassen:
1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten, nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss • die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder • die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder • ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 I Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) unter "Das Gericht" - "Zugang zur Revisionsinstanz" - "Prozesskostenhilfe" heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein. Soll der Vordruck beim Bundessozialgericht in elektronischer Form eingereicht werden, ist ein Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen und mittels Einscannen in eine Datei umzuwandeln, die qualifiziert signiert ist und nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (s.o.) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
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