Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 6 KR 2605/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 158/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. November 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten streitig, der Klägerin eine beidseitige operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die 1949 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Juni 2007 beantragte sie die Zustimmung zur Durchführung einer beidseitigen Mammareduktionsplastik. Sie gab an, dass sie bedingt durch ihre sehr großen Brüste unter starken psychischen und körperlichen Beschwerden leide. Sie legte Arztberichte der behandelnden Orthopädin Dr. K., der Gynäkologin Dr. T., des Psychiaters Dipl.-Med. H. sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. Z. vor. Diese Ärzte empfahlen sämtlich die Durchführung einer Mammareduktionsplastik. Dr. K. stellte bei der Klägerin chronische Schulter-Nacken-Verspannungen sowie eine leichte den Brustraum betreffende (thorakale) Beschwerdesymptomatik fest. Dr. T. diagnostizierte Rücken- und Schulterschmerzen mit schmerzhaften Druckstellen der BH-Träger. Dr. Z. beschrieb chronische Rückenschmerzen mit Cephalgien (Kopfschmerzen).
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung T. e.V. (MDK) zur medizinischen Notwendigkeit der beantragten Operation ein. In dem Gutachten vom 5. Juli 2007 wird ausgeführt, dass es keine wissenschaftlichen Studien gebe, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und des Auftretens von Wirbelsäulenbeschwerden belegten. Bei der Klägerin bestünde eine Adipositas corporis 2. Grades (Body-Maß-Index (BMI) 39 kg/m²), weswegen primär das Körpergewicht reduziert werden sollte. Durch eine Gewichtsreduktion sei mit einer Besserung der statischen Beschwerden zu rechnen. Rezidivierende Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sollten konsequent durch physikalische Behandlungsmaßnahmen (intensive tägliche Krankengymnastik in Eigenregie -Rückenschule-) behandelt werden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Juli 2007 die Übernahme der Kosten für eine Mammareduktionsplastik ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und wies darauf hin, dass auf die psychische Belastung bisher nicht eingegangen worden sei. Die Beklagte zog einen Befund des Dr. J. (Mammachirurgische Ambulanz des E. Klinikums) vom 6. August 2007 bei, der die Ansicht äußerte, dass infolge von zu groß angelegten Brüsten (Makromastie) erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten. Ob diese auch bei der Klägerin vorliegen, gibt er nicht an. Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung eines weiteren sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 6. September 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2007 zurück. Es sollte zunächst eine orthopädische bzw. physikalische Behandlung mit Kräftigung der Rückenmuskulatur durchgeführt werden. Auch sollte eine Gewichtsreduktion erfolgen. Bezüglich der geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen müssten diese mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht verschiedene Befundberichte eingeholt und die Ärztin für Orthopädie W. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Rahmen der Untersuchung hat die Klägerin angegeben, dass sie seit 1979 zunehmend unter Beschwerden im Schulter/Nackenbereich sowie ebenbürtig im Bereich der oberen und mittleren Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung bis in beide Oberarme leide. Die Sachverständige W. hat über eine Gigantomastie (extrem zu große Brüste) sowie eine Adipositas bei einem BMI von 36 kg/m² berichtet. Es bestünden leichte Schnürfurchenbildungen der Schulterweichteile ohne Druckstellen, keine auffälligen muskulären Veränderungen in den Schulterrandpartien mit Verhärtungen, ebenso keine Hinweise auf druckbedingte Störungen der Funktion des Armnervenplexus. Allerdings liege eine Vermehrung der Brustwirbelsäulenkyphose vor, weswegen für Mammareduktionsplastik eine relative Indikation bestehe. Eine zwingende Notwendigkeit gäbe es nicht. Auch sei festzustellen, dass in Bezug auf die Reduktion des Körpergewichts die Möglichkeiten konservativer Therapiemaßnahmen noch nicht voll ausgeschöpft seien.
In seinem psychiatrisch-psychosomatischen Fachgutachten vom 9. Juli 2010 hat Dr. B. die Ansicht vertreten, dem Wunsch der Klägerin könne noch nicht entsprochen werden. Die Brustverkleinerung diene als Abwehr des Erfordernisses, sich mit schicksalhaften Begebenheiten aus ihrem Leben zu stellen. Es sollte zunächst eine ambulante, besser noch eine stationäre psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werden. Nicht Makro- und Gigantomastie seien zu beseitigen, sondern die ungeheure Menge an unverarbeiteten Gefühlen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. November 2010 abgewiesen und ausgeführt, dass die vorhandenen psychischen Probleme mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln seien. Im Hinblick auf die orthopädischen Probleme müsse zunächst eine Gewichtsreduktion und regelmäßige krankengymnastische und physiotherapeutische Maßnahmen ausgeführt werden. Da nicht alle in Betracht kommenden konservativen Maßnahmen ausgeschöpft seien, scheide ein operativer Eingriff in das gesunde Organ aus.
Im Berufungsverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In ihrem speziellen Fall handele es sich um einen medizinisch gut indizierten Eingriff. Eine psychotherapeutische Behandlung bringe nichts. Sie sei bei Dipl.-Med. H. in psychotherapeutischer Behandlung gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2007 zu verurteilen, ihr eine beidseitige Mammareduktionsplastik als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Studien eine Kostenübernahme nicht in Betracht komme.
Der Senat hat versucht, aktuelle Befundberichte beizuziehen. Es stellte sich heraus, dass die Klägerin bei Dipl.-Med. H. lediglich einmal 2007 in Behandlung war und Dr. K. sie letztmalig 2008 behandelt hatte. Am 14. Mai 2012 hat er durch seinen Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 203 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Nachgang zum Erörterungstermin hat der Senat bei Dr. T. aktuelle Unterlagen zu einer am 10. April 2012 durchgeführten Brustoperation beigezogen. Dies geschah aufgrund des Verdachts eines Mammakarzinoms, was sich im pathologischen Befund nicht bestätigt hat. Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten des MDK vom 10. Dezember 2012 eingereicht, nach dem die beantragte Mammareduktionsplastik weder eine therapeutische Option bei einem Mammakarzinom ist noch zur Reduzierung eines Karzinomrisikos eingesetzt werden kann. Sie werde mit dem Ziel der Verkleinerung der Brüste durchgeführt und es müsse eine angemessene Menge Brustgewebe verbleiben. In diesem Gewebe könne sich ein Karzinom weiter entwickeln.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte die beidseitige Mammareduktionsplastik als Sachleistung zur Verfügung stellt, weil diese Behandlung für die Klägerin gegenwärtig nicht zur Krankenbehandlung zweckmäßig und notwendig ist.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V), wobei § 12 Abs. 1 SGB V voraussetzt, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Für die einzelnen Leistungsarten bestimmt § 27 Abs. 1 SGB V, dass ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 1 SGB V).
Die Voraussetzungen einer Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer beidseitigen Mammareduktionsplastik liegen bei der Klägerin nicht vor, weil es sich bei ihrer vergrößerten Brust nicht um eine Krankheit im Sinne des Gesetzes handelt.
Krankheit in diesem Sinne ist ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004 - Az.: B 1 KR 9/04 R sowie zuletzt vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, jeweils nach juris).
Bei der Klägerin liegt, allein bezogen auf den Zustand ihrer Brust, keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt ihre Brustgröße und -form keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten ist. Den vorliegenden medizinischen Befunden der behandelnden Ärzte und den Ausführungen in den Gutachten des MDK, der Sachverständigen W. und Dr. B. lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe Funktionseinschränkungen der Brust mit Krankheitswert bedingen.
Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht daraus, dass ihre Brust wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen, wie etwa Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris Rn. 13). Eine solche äußerliche Entstellung liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Schließlich folgt auch aus den von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten psychischen und orthopädischen Beschwerden sowie unter dem Gesichtspunkt der Krebsvorsorge nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brust. Allerdings kann die Leistungspflicht der Beklagten für einen chirurgischen Eingriff nicht schon mit der Erwägung verneint werden, dass es sich nur um eine mittelbare Therapie handelt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 2011 - Az.: L 6 KR 1006/06, nach juris Rn. 26). Eine solche mittelbare Therapie wird nämlich vom Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich mit umfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz allerdings eingeschränkt: Wird durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei einer Mammareduktionsplastik geschieht, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – Az.: B 1 KR 1/02 R, nach juris). Eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung darf nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt daher nur dann in Betracht, wenn alle konservativen Behandlungsmethoden vollständig ausgeschöpft worden sind (vgl. Landesssozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. April 2004 - Az: L 11 KR 1886/03, nach juris Rn. 27).
Die von der Klägerin angegeben psychischen Beschwerden rechtfertigen eine beidseitige Mammareduktionsplastik nicht. Diese begründen lediglich einen Anspruch auf Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris Rn. 16 ff.). Dass eine solche Behandlung hier indiziert ist, hat der Sachverständige Dr. B. nachvollziehbar bestätigt. Die Klägerin muss zunächst die schicksalhaften Begebenheiten aus ihrem Leben verarbeiten lernen im Rahmen einer ambulanten oder stationären psychotherapeutische Behandlung. Dies hat sie bisher nicht getan, sie war lediglich einmal im Jahr 2007 bei Dipl.-Med. H., wobei hier wohl nicht die Behandlung sondern die Erstellung des Befunds für die Antragstellung bei der Beklagten im Vordergrund stand. Eine echte Heilbehandlung hat ersichtlich nicht stattgefunden.
Auch die von der Klägerin angegebenen und von den behandelnden Ärzten bestätigten orthopädischen Beschwerden begründen keinen Anspruch auf eine beidseitige Mammareduktionsplastik. Die Angabe des Dr. J., dass infolge einer Makromastie erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten, ist nicht verwertbar. Er bezieht sich nicht auf die besondere Gesundheitssituation der Klägerin sondern äußert lediglich seine Ansicht ohne Begründung. Im Übrigen haben zwar Dr. K., Dr. T. und Dr. Z. Rücken- und Schulterschmerzen beschrieben, teilweise mit schmerzhaften Druckstellen der BH-Träger und Kopfschmerzen. Auch hat die Sachverständige Wurm eine Vermehrung der Brustwirbelsäulenkyphose festgestellt. Diese Erkrankungen sind aber nicht von solcher Art und Schwere, dass sie unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien des BSG eine operative Mammareduktionsplastik rechtfertigen. Die Sachverständige Wurm konnte lediglich eine leichte Schnürfurchenbildungen der Schulterweichteile ohne Druckstellen finden. Es bestanden keine auffälligen muskulären Veränderungen in den Schulterrandpartien, ebenso keine Hinweise auf druckbedingte Störungen der Funktion des Armnervenplexus. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits seit 1979 unter Rückenbeschwerden litt, ohne dass dies zu einer nachweisbaren besonderen Behandlungsbedürftigkeit geführt hat. Es gibt keine Hinweise, dass sich diese schon seit Jahrzehnten bestehenden Beschwerden richtungsweisend verschlimmert haben. Dies zeigt letztlich auch der Umstand, dass die Klägerin seit 2008 nicht mehr in spezieller orthopädischer Behandlung ist. Zudem ist nicht zu erkennen, dass tatsächlich keine alternative Behandlungsmöglichkeit mehr besteht. Selbst die Sachverständige Wurm, die eine Mammareduktionsplastik im Ergebnis befürwortet, gibt an, dass noch nicht alle in Bezug auf die Reduktion des Körpergewichts bestehenden Möglichkeiten konservativer Therapiemaßnahmen ausgeschöpft wurden. Auch sie kann eine zwingende Notwendigkeit für eine Mammareduktionsplastik im Übrigen nicht feststellen. Dies wäre aber erforderlich, die von ihr gesehene sog. relative Indikation genügt nicht.
Letztlich begründet auch der Verdacht auf das Vorliegen eines Mammakarzinoms keinen Anspruch auf eine beidseitige Mammareduktionsplastik. Zum einen hat dieser sich ausweislich des pathologischen Befunds nicht bestätigt. Zum andern hat - worauf der MDK zu Recht hinweist - die beantragte Mammareduktionsplastik keinen therapeutische Nutzen, da immer eine angemessene Menge Brustgewebe verbleiben muss und sich in diesem Gewebe ein Karzinom entwickeln kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten streitig, der Klägerin eine beidseitige operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die 1949 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Juni 2007 beantragte sie die Zustimmung zur Durchführung einer beidseitigen Mammareduktionsplastik. Sie gab an, dass sie bedingt durch ihre sehr großen Brüste unter starken psychischen und körperlichen Beschwerden leide. Sie legte Arztberichte der behandelnden Orthopädin Dr. K., der Gynäkologin Dr. T., des Psychiaters Dipl.-Med. H. sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. Z. vor. Diese Ärzte empfahlen sämtlich die Durchführung einer Mammareduktionsplastik. Dr. K. stellte bei der Klägerin chronische Schulter-Nacken-Verspannungen sowie eine leichte den Brustraum betreffende (thorakale) Beschwerdesymptomatik fest. Dr. T. diagnostizierte Rücken- und Schulterschmerzen mit schmerzhaften Druckstellen der BH-Träger. Dr. Z. beschrieb chronische Rückenschmerzen mit Cephalgien (Kopfschmerzen).
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung T. e.V. (MDK) zur medizinischen Notwendigkeit der beantragten Operation ein. In dem Gutachten vom 5. Juli 2007 wird ausgeführt, dass es keine wissenschaftlichen Studien gebe, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und des Auftretens von Wirbelsäulenbeschwerden belegten. Bei der Klägerin bestünde eine Adipositas corporis 2. Grades (Body-Maß-Index (BMI) 39 kg/m²), weswegen primär das Körpergewicht reduziert werden sollte. Durch eine Gewichtsreduktion sei mit einer Besserung der statischen Beschwerden zu rechnen. Rezidivierende Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sollten konsequent durch physikalische Behandlungsmaßnahmen (intensive tägliche Krankengymnastik in Eigenregie -Rückenschule-) behandelt werden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Juli 2007 die Übernahme der Kosten für eine Mammareduktionsplastik ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und wies darauf hin, dass auf die psychische Belastung bisher nicht eingegangen worden sei. Die Beklagte zog einen Befund des Dr. J. (Mammachirurgische Ambulanz des E. Klinikums) vom 6. August 2007 bei, der die Ansicht äußerte, dass infolge von zu groß angelegten Brüsten (Makromastie) erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten. Ob diese auch bei der Klägerin vorliegen, gibt er nicht an. Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung eines weiteren sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 6. September 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2007 zurück. Es sollte zunächst eine orthopädische bzw. physikalische Behandlung mit Kräftigung der Rückenmuskulatur durchgeführt werden. Auch sollte eine Gewichtsreduktion erfolgen. Bezüglich der geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen müssten diese mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht verschiedene Befundberichte eingeholt und die Ärztin für Orthopädie W. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Rahmen der Untersuchung hat die Klägerin angegeben, dass sie seit 1979 zunehmend unter Beschwerden im Schulter/Nackenbereich sowie ebenbürtig im Bereich der oberen und mittleren Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung bis in beide Oberarme leide. Die Sachverständige W. hat über eine Gigantomastie (extrem zu große Brüste) sowie eine Adipositas bei einem BMI von 36 kg/m² berichtet. Es bestünden leichte Schnürfurchenbildungen der Schulterweichteile ohne Druckstellen, keine auffälligen muskulären Veränderungen in den Schulterrandpartien mit Verhärtungen, ebenso keine Hinweise auf druckbedingte Störungen der Funktion des Armnervenplexus. Allerdings liege eine Vermehrung der Brustwirbelsäulenkyphose vor, weswegen für Mammareduktionsplastik eine relative Indikation bestehe. Eine zwingende Notwendigkeit gäbe es nicht. Auch sei festzustellen, dass in Bezug auf die Reduktion des Körpergewichts die Möglichkeiten konservativer Therapiemaßnahmen noch nicht voll ausgeschöpft seien.
In seinem psychiatrisch-psychosomatischen Fachgutachten vom 9. Juli 2010 hat Dr. B. die Ansicht vertreten, dem Wunsch der Klägerin könne noch nicht entsprochen werden. Die Brustverkleinerung diene als Abwehr des Erfordernisses, sich mit schicksalhaften Begebenheiten aus ihrem Leben zu stellen. Es sollte zunächst eine ambulante, besser noch eine stationäre psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werden. Nicht Makro- und Gigantomastie seien zu beseitigen, sondern die ungeheure Menge an unverarbeiteten Gefühlen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. November 2010 abgewiesen und ausgeführt, dass die vorhandenen psychischen Probleme mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln seien. Im Hinblick auf die orthopädischen Probleme müsse zunächst eine Gewichtsreduktion und regelmäßige krankengymnastische und physiotherapeutische Maßnahmen ausgeführt werden. Da nicht alle in Betracht kommenden konservativen Maßnahmen ausgeschöpft seien, scheide ein operativer Eingriff in das gesunde Organ aus.
Im Berufungsverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In ihrem speziellen Fall handele es sich um einen medizinisch gut indizierten Eingriff. Eine psychotherapeutische Behandlung bringe nichts. Sie sei bei Dipl.-Med. H. in psychotherapeutischer Behandlung gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2007 zu verurteilen, ihr eine beidseitige Mammareduktionsplastik als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Studien eine Kostenübernahme nicht in Betracht komme.
Der Senat hat versucht, aktuelle Befundberichte beizuziehen. Es stellte sich heraus, dass die Klägerin bei Dipl.-Med. H. lediglich einmal 2007 in Behandlung war und Dr. K. sie letztmalig 2008 behandelt hatte. Am 14. Mai 2012 hat er durch seinen Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 203 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Nachgang zum Erörterungstermin hat der Senat bei Dr. T. aktuelle Unterlagen zu einer am 10. April 2012 durchgeführten Brustoperation beigezogen. Dies geschah aufgrund des Verdachts eines Mammakarzinoms, was sich im pathologischen Befund nicht bestätigt hat. Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten des MDK vom 10. Dezember 2012 eingereicht, nach dem die beantragte Mammareduktionsplastik weder eine therapeutische Option bei einem Mammakarzinom ist noch zur Reduzierung eines Karzinomrisikos eingesetzt werden kann. Sie werde mit dem Ziel der Verkleinerung der Brüste durchgeführt und es müsse eine angemessene Menge Brustgewebe verbleiben. In diesem Gewebe könne sich ein Karzinom weiter entwickeln.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte die beidseitige Mammareduktionsplastik als Sachleistung zur Verfügung stellt, weil diese Behandlung für die Klägerin gegenwärtig nicht zur Krankenbehandlung zweckmäßig und notwendig ist.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V), wobei § 12 Abs. 1 SGB V voraussetzt, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Für die einzelnen Leistungsarten bestimmt § 27 Abs. 1 SGB V, dass ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 1 SGB V).
Die Voraussetzungen einer Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer beidseitigen Mammareduktionsplastik liegen bei der Klägerin nicht vor, weil es sich bei ihrer vergrößerten Brust nicht um eine Krankheit im Sinne des Gesetzes handelt.
Krankheit in diesem Sinne ist ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004 - Az.: B 1 KR 9/04 R sowie zuletzt vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, jeweils nach juris).
Bei der Klägerin liegt, allein bezogen auf den Zustand ihrer Brust, keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt ihre Brustgröße und -form keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten ist. Den vorliegenden medizinischen Befunden der behandelnden Ärzte und den Ausführungen in den Gutachten des MDK, der Sachverständigen W. und Dr. B. lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe Funktionseinschränkungen der Brust mit Krankheitswert bedingen.
Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht daraus, dass ihre Brust wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen, wie etwa Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris Rn. 13). Eine solche äußerliche Entstellung liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Schließlich folgt auch aus den von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten psychischen und orthopädischen Beschwerden sowie unter dem Gesichtspunkt der Krebsvorsorge nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brust. Allerdings kann die Leistungspflicht der Beklagten für einen chirurgischen Eingriff nicht schon mit der Erwägung verneint werden, dass es sich nur um eine mittelbare Therapie handelt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 2011 - Az.: L 6 KR 1006/06, nach juris Rn. 26). Eine solche mittelbare Therapie wird nämlich vom Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich mit umfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz allerdings eingeschränkt: Wird durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei einer Mammareduktionsplastik geschieht, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – Az.: B 1 KR 1/02 R, nach juris). Eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung darf nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt daher nur dann in Betracht, wenn alle konservativen Behandlungsmethoden vollständig ausgeschöpft worden sind (vgl. Landesssozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. April 2004 - Az: L 11 KR 1886/03, nach juris Rn. 27).
Die von der Klägerin angegeben psychischen Beschwerden rechtfertigen eine beidseitige Mammareduktionsplastik nicht. Diese begründen lediglich einen Anspruch auf Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris Rn. 16 ff.). Dass eine solche Behandlung hier indiziert ist, hat der Sachverständige Dr. B. nachvollziehbar bestätigt. Die Klägerin muss zunächst die schicksalhaften Begebenheiten aus ihrem Leben verarbeiten lernen im Rahmen einer ambulanten oder stationären psychotherapeutische Behandlung. Dies hat sie bisher nicht getan, sie war lediglich einmal im Jahr 2007 bei Dipl.-Med. H., wobei hier wohl nicht die Behandlung sondern die Erstellung des Befunds für die Antragstellung bei der Beklagten im Vordergrund stand. Eine echte Heilbehandlung hat ersichtlich nicht stattgefunden.
Auch die von der Klägerin angegebenen und von den behandelnden Ärzten bestätigten orthopädischen Beschwerden begründen keinen Anspruch auf eine beidseitige Mammareduktionsplastik. Die Angabe des Dr. J., dass infolge einer Makromastie erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten, ist nicht verwertbar. Er bezieht sich nicht auf die besondere Gesundheitssituation der Klägerin sondern äußert lediglich seine Ansicht ohne Begründung. Im Übrigen haben zwar Dr. K., Dr. T. und Dr. Z. Rücken- und Schulterschmerzen beschrieben, teilweise mit schmerzhaften Druckstellen der BH-Träger und Kopfschmerzen. Auch hat die Sachverständige Wurm eine Vermehrung der Brustwirbelsäulenkyphose festgestellt. Diese Erkrankungen sind aber nicht von solcher Art und Schwere, dass sie unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien des BSG eine operative Mammareduktionsplastik rechtfertigen. Die Sachverständige Wurm konnte lediglich eine leichte Schnürfurchenbildungen der Schulterweichteile ohne Druckstellen finden. Es bestanden keine auffälligen muskulären Veränderungen in den Schulterrandpartien, ebenso keine Hinweise auf druckbedingte Störungen der Funktion des Armnervenplexus. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits seit 1979 unter Rückenbeschwerden litt, ohne dass dies zu einer nachweisbaren besonderen Behandlungsbedürftigkeit geführt hat. Es gibt keine Hinweise, dass sich diese schon seit Jahrzehnten bestehenden Beschwerden richtungsweisend verschlimmert haben. Dies zeigt letztlich auch der Umstand, dass die Klägerin seit 2008 nicht mehr in spezieller orthopädischer Behandlung ist. Zudem ist nicht zu erkennen, dass tatsächlich keine alternative Behandlungsmöglichkeit mehr besteht. Selbst die Sachverständige Wurm, die eine Mammareduktionsplastik im Ergebnis befürwortet, gibt an, dass noch nicht alle in Bezug auf die Reduktion des Körpergewichts bestehenden Möglichkeiten konservativer Therapiemaßnahmen ausgeschöpft wurden. Auch sie kann eine zwingende Notwendigkeit für eine Mammareduktionsplastik im Übrigen nicht feststellen. Dies wäre aber erforderlich, die von ihr gesehene sog. relative Indikation genügt nicht.
Letztlich begründet auch der Verdacht auf das Vorliegen eines Mammakarzinoms keinen Anspruch auf eine beidseitige Mammareduktionsplastik. Zum einen hat dieser sich ausweislich des pathologischen Befunds nicht bestätigt. Zum andern hat - worauf der MDK zu Recht hinweist - die beantragte Mammareduktionsplastik keinen therapeutische Nutzen, da immer eine angemessene Menge Brustgewebe verbleiben muss und sich in diesem Gewebe ein Karzinom entwickeln kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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