L 6 KR 861/10

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 2942/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 861/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine stille Gesellschaft oder eine Generalvollmacht begründen bei einer entgeltlichen Beschäftigung aufgrund eines Arbeitsvertrags keine selbständige Tätigkeit.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 1. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin vom 1. Februar 2003 bis 30. November 2007 bei der Beigeladenen zu 1 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 1977 geborene Klägerin war in dem streitigen Zeitraum bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Beigeladene zu 1 - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - war mit Gesellschaftsvertrag vom 28. Dezember 1995 gegründet worden. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist der Vater der Klägerin. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Tischlerei sowie die damit üblicherweise verbundenen Handelsgeschäfte.

Die Klägerin verpflichtete sich mit dem "Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesell-schaft" vom 28. Februar 1996 zur Beteiligung an der Beigeladenen zu 1 als stiller Gesell-schafter mit einem Betrag von 50.000 DM. Laut § 2 des Vertrages ist die stille Beteiligung steuerlich als Mitunternehmerschaft zu behandeln. Zur Geschäftsführung und Vertretung ist nach § 5 Abs. 1 des Vertrages nur der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 berechtigt. Dem stillen Gesellschafter stehen die Kontrollrechte nach § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB) nach § 5 Abs. 2 des Vertrages in vollem Umfange zu. Am Gewinn und Verlust und an den stillen Reserven ist der stille Gesellschafter nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages mit einem Anteil von 30 v.H. beteiligt.

Die Beigeladene zu 1 und die Klägerin schlossen am 1. Dezember 1997 einen schriftlichen "Arbeitsvertrag", wonach die Klägerin ab 1. Dezember 1997 als "vollbeschäftigter Arbeit-nehmer" als Finanzbuchhalter eingestellt wird. Der Bruttomonatsgehalt betrug zunächst 3.200 DM. Die Klägerin hatte Anspruch auf 24 Tage Erholungsurlaub, für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sollten die gesetzlichen Bestimmungen gelten. Nebenabreden wurden aus-drücklich nicht getroffen. Änderungen des Vertrages bedürfen nach § 12 des Vertrages der Schriftform. Zum 1. Dezember 1997 erfolgte eine Gehaltserhöhung um 200 DM (Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 1997 vom 1. Dezember 1997), zum 1. Januar 1999 um 300 DM (Nachtrag vom 14. Dezember 1998) und zum 1. Mai 2001 um 300 DM (Nachtrag vom 1. Mai 2001). Zum 1. September 2002 vereinbarten die Beteiligten die Erhöhung der am 1. Dezember 1997 vereinbarten Direktversicherung um 43 EUR monatlich (Nachtrag vom 6. Au-gust 2002).

Der Klägerin und ihrem Bruder wurde am 13. April 2006 durch die Eltern eine notarielle Ge-neralvollmacht erteilt. Die Vertretung sollte insbesondere in persönlichen Angelegenheiten wie der Entscheidung über die häusliche Pflege und die Einwilligung in ärztliche Behandlung erfolgen. Der Widerruf der Vollmacht wurde nicht ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 15. November 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Fest-stellung, dass sie als Beschäftigte der Beigeladenen zu 1 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Anlässlich einer Betriebsprüfung der Finanzverwaltung sei festgestellt worden, dass sie rückwirkend als Mitunternehmerin einzustufen sei. Sie sei bereits deshalb nicht in einem fremden Betrieb tätig, weil sie an dem Betrieb beteiligt sei. Auch wenn ein Arbeitsver-trag existiere, könne dieser kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne begründen. Überdies werde der Vertrag so nicht gelebt. Sie habe sich mit 50.000 DM an dem Betrieb der Beigeladenen zu 1 beteiligt und von Beginn an auf eine angemessene Vergütung verzichtet, wie auch auf Abgeltung von Überstunden oder Abgeltung regelmäßig nicht genommenen Urlaubs. Dies dokumentiere, dass sie die Familien-GmbH als ihr eigenes Unternehmen betrachte und gleichberechtigt neben ihrem Vater agiere. Sie habe die kauf-männische Leitung der Firma übernommen. Sie verfüge des Weiteren über eine notarielle Generalvollmacht nebst Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 des Bürgerli-chen Gesetzbuchs (BGB).

Nach Beteiligung der Beigeladenen zu 2 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2007 nach § 7 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Da sie über keine Gesellschaftsanteile ver-füge und laut Gesellschaftsvertrag eine einfache Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse erfor-derlich sei, könne sie keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft aus-üben. Die Merkmale einer nicht selbstständigen Tätigkeit überwögen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. November 2007).

Im Klageverfahren hat die Klägerin den Bericht des Finanzamts G. vom 27. November 2006 über die Außenprüfung bei der Beigeladenen zu 1 im April 2006 - Prüfzeitraum 2002 bis 2006 - vorgelegt. Danach stellt der an sie gezahlte Lohn eine steuerliche Vorwegvergütung an die Gesellschafter der atypischen stillen Gesellschaft dar. Der Lohn, der bisher laut Lohnsteu-erkarte bei der Einkommenssteuerveranlagung der Beteiligten als Einkunft aus nichtselbst-ständiger Arbeit berücksichtigt wurde, werde daher nicht mehr angesetzt. Dies werde dem Finanzamt mitgeteilt. Die Klägerin hat u.a. ihre Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 vorgelegt, wonach sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

Mit Urteil vom 1. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 könne im streitigen Zeit-raum nicht als selbstständige Tätigkeit angesehen werden. Die Klägerin selbst sei offensicht-lich bis zur Betriebsprüfung durch das Finanzamt davon ausgegangen, dass sie sozialversiche-rungspflichtig bei der Beigeladenen zu 1 beschäftigt ist. Sie sei entsprechend gemeldet gewe-sen und es seien Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden. Für ihre Arbeitnehmerei-genschaft spreche der am 1. Dezember 1997 geschlossene Arbeitsvertrag. Dass sie in ihrer Arbeitseinteilung im Wesentlichen frei war, sei bei Diensten höherer Art nichts Ungewöhnli-ches. Hieran ändere auch die Beteiligung der Klägerin an der Beigeladenen zu 1 als stille Ge-sellschafterin nichts. Sie sei zwar am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt, es fehle aber an einem für eine selbstständige Tätigkeit typischem Auftreten am Markt, dem Abschluss von Geschäften im eigenen Namen, dem Treiben eigener Werbung für eigene Zwecke und dem nach außen hin erkennbaren Einsatz eigener Betriebsmittel. Sie sei als stille Gesell-schafterin nicht in der Lage, ihre Bindungen aus dem Anstellungsvertrag zu lösen. Der steuer-rechtlichen Behandlung des Arbeitslohnes aufgrund der Betriebsprüfung des Finanzamtes Gera komme im vorliegenden Fall als Argument kein großes Gewicht zu, da die dortige Beur-teilung nicht nachvollziehbar sei. Der Vater der Klägerin sei Alleingesellschafter und Ge-schäftsführer der Beigeladenen zu 1, die Klägerin habe rechtlich keine Möglichkeit der Ein-flussnahme auf die Gesellschaft.

Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, sie sei Mitunternehmerin. Sie trage jegliches Geschäftsergebnis, also sowohl Gewinne wie Verluste, mit. Sie habe neben Unter-nehmerwillen auch das Unternehmerrisiko. Da sie am Gewinn und vor allem Verlust des Un-ternehmens unmittelbar teilnehme, handele es sich nicht um eine stille, sondern atypische stille Gesellschaft, also Mitunternehmerschaft nach § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nebst Mitsprache- und Kontrollrechten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 1. Juni 2010 sowie den Bescheid der Be-klagten vom 23. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2007 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. November 2007 nicht der Versiche-rungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unter-liegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Ver-waltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist. &8195;

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ent-scheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie ist im Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis 30. November 2007 versicherungspflichtig in der gesetzli-chen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversiche-rung.

Nach § 28h Abs. 2 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, nur im Rahmen der Betriebsprüfung entscheidet ausnahmsweise der Träger der Rentenversiche-rung (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, un-terliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V); § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI); § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), §§ 24 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt sie voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Be-trieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglich-keit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Ar-beitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen; maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleis-tung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - Az.: B 12 KR 13/07 R m.w.N., nach juris).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im streitigen Zeitraum von einer Beschäftigung auszugehen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Frage der Einstufung als Selbst-ständiger oder Beschäftigter zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewoll-te Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - form-lose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass sie tatsächli-chen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarung abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R m.w.N.). Die Klägerin war im streitigen Zeitraum nicht in ihrem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Alleinige Betriebsinhaberin war die Beigeladene zu 1, die als GmbH ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinter stehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandt-schaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss. Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1 im Rahmen einer Beschäfti-gung oder selbstständig ausgeübt wurde, sind der "Arbeitsvertrag" vom 1. Dezember 1997, und der "Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft" vom 28. Februar 1996. Dar-über hinaus ist die der Klägerin erteilte Generalvollmacht zu berücksichtigen.

Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 erlaubt unter Zu-grundelegung des "Arbeitsvertrages" vom 1. Dezember 1997 eine uneingeschränkte Zuord-nung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Der Vertrag wird als Arbeits-vertrag bezeichnet, die Klägerin sollte ausdrücklich als vollbeschäftigte Arbeitnehmerin - als Finanzbuchhalterin - tätig werden. Sie konnte Arbeitnehmerrechte wie Erholungsurlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wahrnehmen. Auch die für die Klägerin abgeschlossene und für Arbeitnehmer typische Direktversicherung spricht für eine abhängige Beschäftigung. An der Eigenschaft der Klägerin als abhängig Beschäftigte ändert sich auch nichts durch den "Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft" vom 28. Februar 1996. Anders als in der Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. November 2009 (Az.: L 1 KR 222/07) bestand nicht lediglich eine konkludent geschlossene Innengesellschaft, vielmehr wurde ausdrücklich eine gesondert geregelte stille Gesellschaft gegründet.

Die - gesetzlich nicht definierte und nur rudimentär geregelte - stille Gesellschaft ist (Perso-nen-)Gesellschaft im Sinne von § 705 BGB und bildet als klassischer Fall einer Innengesell-schaft als solche weder ein Gesellschaftsvermögen noch ist sie rechtsfähig/parteifähig noch kann sie vertreten werden (vgl. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 3, München 2007, § 230 Rn. 7, 8). In rechtlicher Hinsicht tritt allein der Geschäftsinha-ber als Träger des Unternehmens in Erscheinung, sodass eine Außenhaftung der stillen Ge-sellschafter ausgeschlossen ist (vgl. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetz-buch, a.a.O., § 230 Rn. 13). Als Innengesellschaft ist die (typische) stille Gesellschaft in erster Linie Schuldverhältnis mit dem Einlageverhältnis als zentralen vermögensrechtlichen Aspekt. Die Gesellschaft kann aber auch als "GmbH & Still" nach dem Modell der Kommanditgesell-schaft (KG) ausgestaltet sein, wobei vielfältige "atypische" gesellschaftsrechtliche Gestaltun-gen denkbar sind. Diese können - jeweils unter Wahrung der Mindestvoraussetzungen der stillen Gesellschaft - im Innenverhältnis zu einer den Handelsgesellschaften angenäherten Organisation führen und insofern sogar die Rollenverteilung zwischen dem "Stillen" und dem Geschäftsinhaber umkehren (vgl. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, aaO, § 230 Rn. 73, 77). In diesem Fall erscheint es zumindest denkbar, den "Stillen" als Selbständigen anzusehen. Eine so geregelte atypische stille Gesellschaft liegt hier aber gerade nicht vor. Die Klägerin hat keine Geschäftsführungsbefugnisse, weder bei der Beigeladenen zu 1 noch im Innenverhältnis der GmbH & Still. Der Vertrag weist in § 5 Abs. 1 ausschließlich dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. die Geschäftsführung zu. Die Klägerin hat keine interne Rechtsmacht, sie kann weder an Stelle der Beigeladenen zu 1. tätig werden, noch kann sie deren Entscheidungen verhindern. Es bleibt allein dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 - dem Vater der Klägerin - vorbehalten, Art und Umfang der Tätigkeit zu bestimmen. Daran ändert auch die der Klägerin erteilte Generalvollmacht nichts, da diese jederzeit widerrufen werden kann. Auch die vereinbarte Gewinn- und Verlustbeteiligung gibt keinen Anlass, deshalb eine aufgrund des Gesamtbildes unzweifelhafte Beschäftigung in Zweifel zu ziehen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - Az.: B 12 KR 31/06 R, nach juris).

Der Annahme von Sozialversicherungspflicht bei der Klägerin steht die einkommenssteuer-rechtliche Betrachtungsweise nicht entgegen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind Ein-künfte aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG), ei-ner KG und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) ist eine andere Gesell-schaft im Sinne dieser Vorschrift auch die atypisch stille Gesellschaft, d.h. eine stille Gesell-schaft, bei der der stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist (vgl. BFH, Urteil vom 15. Dezember 1998 - Az.: VIII R 62/97, nach juris). Selbst wenn - wovon das Finanzamt Gera wohl ausgeht - die Einnahmen des Klägers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesehen werden müssen, ergeben sich hieraus für das Sozialversicherungsrecht keine weiter gehenden Schlussfolgerungen. Abgesehen davon, dass die sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich unabhängig von der Entscheidung der Fi-nanzbehörden zu treffen ist, handelt es sich nämlich bei § 15 Nr. 2 EStG um eine allein durch Besonderheiten des dortigen Regelungsgegenstandes bedingte und auf sonstige Rechtsgebiete nicht übertragbare Sonderregelung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - Az.: B 12 KR 31/06 R, nach juris). Hierbei kann es - wie im Fall der Klägerin - steuerrechtlich zu einer an-deren Bewertung kommen als in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht. Diese "Durchbre-chung der Einheit der Rechtsordnung" verstößt aber nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - Az.: B 12 KR 31/06 R, nach juris unter Hinweis auf den Be-schluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Juli 1969 - Az.: 1 BvR 457/66).

Die Vereinbarungen weichen letztlich auch nicht von den tatsächlichen Verhältnissen mit der Folge ab, dass letzteren der Vorrang einzuräumen wäre.

Eine andere Bewertung ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Rechtsprechung einiger Senate des BSG - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfall-versicherungsrechts -, wonach auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffe-nen für möglich erachtet wurde, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R m.w.N., nach juris). Insbesondere der 11. Senat des BSG hat eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall eines - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1990 - Az.: 11 RAr 47/88, nach juris). So liegt der Fall hier aber nicht, die Klägerin war nur für Teilbereiche zu-ständig und konnte im Übrigen die Geschäfte nicht wie eine Alleininhaberin nach eigenem Gutdünken führen. Im Übrigen ist der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entsprin-genden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse größere Bedeutung beizumessen. Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung ist auch im Zusammenhang mit Familienge-sellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtig-ten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehen-de Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbe-stände schwerlich hinnehmbar (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R, nach juris; Senatsurteil vom 29. Oktober 2013 - Az.: L 6 KR 862/10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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