Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 3007/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Hilfe für die Betreuung eines behinderten jungen Menschen einschließlich der Hilfe zur Erziehung in einer Pflegefamilie ist seit dem Inkrafttreten von § 54 Abs. 3 SGB XII am 05.08.2009 auch als Leistung der Eingliederungshilfe i.S.d SGB XII möglich. Für die Erbringung der Leistung ist der Sozialhilfeträger der zuständige Leistungsträger, weil die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII und der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII kongruent sind.
2. In Fällen einer allein seelischen Behinderung des Kindes/Jugendlichen ordnet § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII den Vorrang von Leistungen nach diesem Gesetzbuch gegenüber solchen nach dem SGB XII an. Dagegen besteht gem. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ein Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Fällen einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder eines mehrfach behinderten jungen Menschen neben einer seelischen Behinderung. Im Fall einer Mehrfachbehinderung kommt es für die Abgrenzung der Zuständigkeit überdies nicht auf den Schwerpunkt des Bedarfs der Hilfeleistung an (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 04.12.2012 - L 8 SO 20/09 - ).
2. In Fällen einer allein seelischen Behinderung des Kindes/Jugendlichen ordnet § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII den Vorrang von Leistungen nach diesem Gesetzbuch gegenüber solchen nach dem SGB XII an. Dagegen besteht gem. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ein Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Fällen einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder eines mehrfach behinderten jungen Menschen neben einer seelischen Behinderung. Im Fall einer Mehrfachbehinderung kommt es für die Abgrenzung der Zuständigkeit überdies nicht auf den Schwerpunkt des Bedarfs der Hilfeleistung an (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 04.12.2012 - L 8 SO 20/09 - ).
Es wird festgestellt, dass die Beklagte seit dem 05. August 2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte spätestens seit dem 05.08.2009 der für den Hilfeempfänger örtlich zuständige Sozialhilfeträger nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) ist.
Der am 02.07.2001 geborene Beigeladene leidet infolge einer perinatalen Sauerstoffunterversorgung u.a. an einem cerebralen Anfallsleiden, einer psychomotorischen Retardierung und einer Hyperaktivität bei Intelligenzminderung (vgl. Arztbrief des Kinderzentrums M. vom 12.02.2008). Er ist körperlich, geistig und seelisch behindert (vgl. Stellungnahme der Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin W., Gesundheitsamt des Landratsamts K., vom 28.07.2008). Die leiblichen Eltern des Beigeladenen leben im "Haus X", K., einer Einrichtung für psychisch und/oder suchtkranke Menschen und Familien in schwierigen Lebenslagen. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der leiblichen Mutter des Beigeladenen vor Aufnahme in dieser Einrichtung bestand in H.; die Beklagte übernimmt deshalb die für ihre Unterbringung anfallenden Kosten aus Sozialhilfemitteln.
Der Beigeladene selbst befand sich unmittelbar nach seiner Geburt für rund sechs Wochen in stationärer Behandlung in der Kinderklinik K ... Von dort wechselte er am 13.08.2001 zunächst in eine Pflegefamilie zur Bereitschaftspflege. Seit dem 04.09.2001 lebt er bei seiner jetzigen Pflegefamilie. Die Klägerin erbringt für den Beigeladenen seit dem 13.08.2001 Hilfeleistungen zur Erziehung nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII).
Das Staatliche Schulamt für die Stadt K. stellte fest, der Beigeladene sei am besten in einer Sonderschule für Geistigbehinderte zu fördern; zugleich gestattete es zur Erfüllung der Schulpflicht den Besuch der P.-Schule für seelenpflegebedürftige Kinder und Jugendliche, K. (Bescheid vom 15.07.2008). Seit dem 08.09.2008 nimmt der Beigeladene am Unterricht dieser Schule, einer Privatschule nach den Grundsätzen der Walldorfpädagogik, teil. Die Klägerin übernahm entsprechend der Empfehlung des Kinderzentrums M. bis September 2009 im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die Kosten für einen Schulbegleiter. Als - weiteren - "Erziehungszuschlag" übernimmt sie außerdem im Rahmen der Leistungen nach dem SGB VIII - anstelle von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII - seit September 2008 ein monatliches Schulgeld von 198,00 EUR (vgl. u.a. Aktenvermerk vom 19.05.2009 und Bescheide vom 10.03.2010 und vom 10.11.2010).
Mit Schreiben vom 17.06.2010 bat die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die Mehrfachbehinderung um Übernahme der Zuständigkeit für den Beigeladenen. Bei den Aufwendungen für den Schulbesuch handele es sich tatsächlich um Leistungen der Eingliederungshilfe. Zwischen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und der Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII bestehe eine Kongruenz. In diesem Fall sei die Beklagte insgesamt der zuständige Hilfeträger. Zugleich machte die Klägerin die Erstattung ihrer Aufwendungen ab dem 28.07.2008 dem Grunde nach geltend. Die Beklagte anerkannte ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit für die Übernahme der Schulkosten im Rahmen der Eingliederungshilfe, zuletzt ab dem 17.06.2009, lehnte im Übrigen aber die Erstattung von Aufwendungen der Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII und die Übernahme der Fallbearbeitung in eigener Zuständigkeit ab (vgl. Schreiben vom 06.07.2010 und vom 09.12.2010). Auf weitere Schreiben der Klägerin vom 28.02.2011, 19.10.2011 und vom 13.03.2012 reagierte die Beklagte nicht.
Mit Schriftsatz vom 20.06.2012 rief die Klägerin deshalb die beim Landkreistag Baden-Württemberg eingerichtete Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten S. an mit dem Begehren, die Beklagte zur Erstattung ihrer Aufwendungen seit dem 17.06.2009 zu verpflichten.
Am 06.07.2012 hat die Klägerin außerdem Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart (7 K 2222/12) erhoben, mit der sie die Feststellung ersterbt, die Beklagte sei spätestens seit dem 05.08.2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen (Beschluss vom 19.07.2012).
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, aufgrund der Mehrfachbehinderung des Beigeladenen sei die Beklagte der für die Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen örtlich zuständige Sozialhilfeträger. Die von ihr - der Klägerin - gewährte Hilfe zur Erziehung in einer Pflegefamilie sei in dieser Form auch als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche möglich. Damit bestehe eine Kongruenz von Leistungen nach dem SGB VIII und dem SGB XII. Für diesen Fall ordne das Gesetz den Vorrang von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII an. Zu Unrecht wende die Beklagte dagegen ein, die Möglichkeit von Hilfeleistungen zur Erziehung als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII habe keine Auswirkungen auf die Jugendhilfe. Dies widerspräche dem Ergebnis der Arbeitsgruppe SGB VIII/SGB XII wie auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Für den gesetzlich angeordneten Vorrang von Leistungen nach dem SGB XII komme es auch nicht darauf an, ob der Hilfeaufwand allein oder zumindest überwiegend auf der geistigen oder körperlichen Behinderung des Beigeladenen beruhe oder andere Gründe hierfür maßgebend seien.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte seit spätestens 05. August 2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die Klage wegen des zuvor seitens der Klägerin bereits eingeleiteten Spruchstellenverfahrens für unzulässig. Im Übrigen habe die Möglichkeit, Hilfe für die Betreuung in einer Familie auch als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zu erbringen, keine Auswirkungen auf die Jugendhilfe. Dies habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einem Schreiben vom 12.07.2011 und der Landkreistag Baden-Württemberg in seinem Rundschreiben vom 05.10.2010 bestätigt.
Der durch Beschluss vom 17.12.2013 zum Verfahren Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) ist zulässig. Ihr steht der Umstand, dass sie bereits zuvor mit Schriftsatz vom 20.06.2012 bei der Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten Stuttgart ein Spruchstellenverfahren eingeleitet hat, nicht entgegen (§ 202 SGG i.V.m. § 1032 Abs. 1 der Zivilprozessordnung). Soweit das erkennende Gericht in seiner Verfügung vom 23.01.2013 insoweit Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin geäußert hatte, hält es an dieser Rechtsauffassung nicht länger fest. Dies hatte der Vorsitzende den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2014 auch mitgeteilt.
a) Die Kammer geht - mangels gegenteiligen Vortrags der Beteiligten und anderer Anhaltspunkte - davon aus, dass sowohl die Klägerin als Trägerin der Jugendhilfe als auch die Beklagte als Trägerin der Sozialhilfe Vertragspartner der Fürsorgerechtsvereinbarung (FRV) vom 26.05.1965 sind. Diese Vereinbarung war auch im Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 06.07.2012 weiterhin gültig, denn in ihrem gemeinsamen Rundschreiben vom 21.12.2000 hatten der Landkreistag Baden-Württemberg und der Städtetag Baden-Württemberg die zeitlich unbeschränkte Gültigkeit der FRV festgestellt. Nach § 4 FRV in der seit dem 01.01.1998 geltenden Fassung werden durch Spruchstellen im schiedsgerichtlichen Verfahren Streitigkeiten zwischen Partnern dieser Vereinbarung entschieden, die sich ergeben aus der Gewährung
a) von Sozialhilfe und Leistungen nach dem früheren Fürsorgerecht oder b) von Hilfen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) oder c) von anderen Leistungen, wenn das Erstattungsrecht des BSHG anzuwenden ist.
Der mit der Klage geltend gemachte Feststellungsanspruch fällt danach bereits nach seinem Wortlaut nicht in den Anwendungsbereich der FRV (vgl. insoweit VGH Baden-Württemberg vom 08.11.1989 - 11 S 320/89 - (Juris)). Denn das schiedsgerichtliche Verfahren bezieht sich nach dem Willen der Vertragsschließenden ausschließlich auf Erstattungsstreitigkeiten zwischen verschiedenen Sozialleistungsträgern (vgl. Bay. VGH vom 05.04.1990 - 12 B 88.1195 - m.w.N. (Juris)). Die Klägerin begehrt vorliegend indes nicht die Erstattung von ihr aufgewendeter Kosten, sondern die Feststellung, dass die Beklagte seit spätestens 05.08.2009 der für die Hilfeleistung an den Beigeladenen zuständige Sozialhilfeträger ist. Mit diesem Anspruch verfolgt sie - im Ergebnis - in gesetzlicher Prozessstandschaft (§ 97 Satz 1 SGB VIII) den Leistungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte.
b) Auch das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 a.E. SGG geforderte berechtigte Interesse der Klägerin ist hier gegeben. Für dieses berechtigte Interesse an einer alsbaldigen Feststellung genügt, dass sich ein erstattungsberechtigter Träger darauf beruft, er sei berechtigt, nach gesetzlichen Bestimmungen - hier: §§ 102 ff. des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X) - von einem anderen Leistungsträger Erstattung zu verlangen. Da im Erstattungsverfahren vor den Spruchstellen nach der FRV die materiellen Leistungsvoraussetzungen wie auch die Frage, welche Träger als vorrangiger, nachrangiger oder gar unzuständiger Träger gehandelt hat, nur als Vorfragen und damit nicht verbindlich geklärt werden, erreicht die Klägerin mit dem Feststellungsurteil eine über den Schiedsspruch hinausgehende Klärung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe an den Beigeladenen. Ihr Feststellungsinteresse bezieht sich auf das bei der Spruchstelle noch anhängige Erstattungsverfahren, für das das Feststellungsurteil erwirkt wird.
c) Schließlich steht die zwar nicht im Wortlaut des § 55 Abs. 1 SGG zum Ausdruck kommende, jedoch auch für das sozialgerichtliche Verfahren allgemein anerkannte (vgl. hierzu u.a. BSG SozR 3-2500 § 124 Nr. 1 und BSGE 90, 215, 220; ferner Castendiek in Hk-SGG, 4. Auflage 2012, § 55, Rand-Nr. 13 m.w.N.) Subsidiarität der Feststellungsklage deren Zulässigkeit hier nicht entgegen. Denn diese Subsidiarität greift dann nicht ein, wenn sich die Feststellungsklage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft richtet, weil von ihr wegen der in der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) verankerten Bindung an Recht und Gesetz die Respektierung eines Gerichtsurteils auch ohne dahinterstehenden Vollstreckungsdruck zu erwarten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 55, Rand-Nr. 19 m.w.N. sowie Castendiek, a.a.O., Rand-Nr. 21).
2. Die sonach zulässige Feststellungsklage ist auch begründet. Denn die Beklagte ist seit dem 05.08.2009, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 54 Abs. 3 SGB XII durch das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.07.2009 (BGBl. I Seite 2495), der für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe an den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
a) Rechtsgrundlagen des Feststellungsanspruchs sind in formeller Hinsicht § 98 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 und § 107 SGB XII. Danach ist für Leistungen, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie untergebracht ist als bei seinen Eltern oder einem Elternteil, für die Leistungen nach dem SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in der Familie hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatte. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten - entsprechendes gilt gem. § 107 SGB XII für die Unterbringung in einer anderen Familie - oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Wird - wie vorliegend - ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt nach § 98 Abs. 2 Satz 4 SGB XII an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthaltes der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter. Einrichtung in diesem Sinne ist auch ein Krankenhaus (§ 13 Abs. 2 SGB XII).
Orientiert daran ergibt sich vorliegend für Leistungen nach dem SGB XII an den Beigeladenen die örtliche Zuständigkeit der Beklagten, was diese in ihren Schreiben vom 06.07.2010 und vom 09.12.2010 gegenüber der Klägerin auch anerkannt hat, zuletzt für die Zeit ab dem 17.06.2009. Denn zum Zeitpunkt der Geburt des Beigeladenen hatte seine leibliche Mutter - zwischen den Beteiligten nicht umstritten und im Übrigen unzweifelhaft - ihren gewöhnlichen Aufenthalt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Der Wechsel des Beigeladenen aus dem Krankenhaus (M- und anschließend K-Klinik K.) zunächst in eine Pflegefamilie im Rahmen der Bereitschaftspflege (am 13.08.2001) und der weitere Wechsel in die Vollpflege seiner jetzigen Pflegefamilie (seit dem 04.09.2001) erfolgte jeweils zeitlich nahtlos (zu diesem Erfordernis vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 98, Rand-Nr. 27 sowie Schoch in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 98, Rand-Nrn. 33 und 34).
b) Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte als der für ihn zuständige Sozialhilfeträger sind §§ 53, 54 SGB XII. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehört neben solchen u.a. zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII), gem. § 54 Abs. 3 SGB XII auch die Hilfe für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in einer Pflegefamilie. Die Zuständigkeit der Beklagten für Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des Sechsten Kapitels SGB XII umfasst damit auch die Hilfe zur Erziehung des Beigeladenen. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, wie sich aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 09.12.2010 ergibt.
Die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, auch soweit sie die Hilfe zur Erziehung betrifft, geht indes - entgegen der Ansicht der Beklagten - der Hilfe zur Erziehung nach den Bestimmungen des SGB VIII vor.
aa) Gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII in der seit dem 01.01.2007 geltenden und insoweit des seither unverändert gebliebenen Fassung gehen Leistungen nach diesem Buch Leistungen nach dem SGB XII vor. Dahinter steckt der Gedanke, dass Jugendhilfeleistungen für nicht behinderte Kinder und Jugendliche und für behinderte Kinder und Jugendliche möglichst in einer Hand zusammenzufassen und so auf den spezifischen erzieherischen Bedarf von behinderten Kindern und Jugendlichen besser Rücksicht zu nehmen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 58, 406 ff.). Allerdings ist in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wieder eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthalten: Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, gehen den Leistungen nach dem SGB VIII vor. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass es bei dem in § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII angeordneten gesetzlichen Vorrang der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII nur dann verbleibt, wenn allein eine seelische Behinderung im Sinne des § 35 a Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 3 der Eigliederungshilfeverordnung vorliegt. Für diejenigen jungen Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, greifen dagegen die Vorschriften der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII wieder unmittelbar ein (vgl. SG Karlsruhe vom 18.09.2007 - S 4 SO 4036/07 ER - und vom 26.07.2012 - S 1 SO 5162/11 - (unveröffentlicht)). Auch bei sogenannten mehrfach behinderten jungen Menschen, d.h. körperlich, geistig und seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen, besteht der Vorrang von Leistungen nach dem SGB XII vor Leistungen des SGB VIII (vgl. BVerwGE 109, 325 ff; BVerwG, ZFSH/SGB 2012, 33 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.03.2011 - 12 A 840/09 -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.12.2011 - L 12 SO 482/10 - und VG Bayreuth vom 28.11.2011 - B 3 10.1060 - (jeweils Juris)). Im Fall einer Mehrfachbehinderung kommt es für die Abgrenzung der Zuständigkeit auch nicht auf den Schwerpunkt des Bedarfs der Hilfeleistungen an, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 04.12.2012 - L 8 SO 20/09 - m.w.N. (Juris)). Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, bei vermeintlichen Abgrenzungsschwierigkeiten im Fall der Mehrfachbehinderung auf § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII als Grundsatzregelung zurückzugreifen. Denn der "Schwerpunkt" der Behinderung ist kein für § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB VIII taugliches Abgrenzungskriterium (vgl. BVerwGE 109, 325). Nicht entscheidend ist auch, ob der Hilfebedarf ausschließlich durch die geistige Behinderung des hilfesuchenden jungen Menschen bedingt ist oder ob auch andere Umstände für den Umfang des Hilfebedarfs, etwa der Ausfall elterlicher Betreuungsleistungen, ursächlich sind (vgl. BVerwG, ZFSH/SGB 2012, 33). Die Konkurrenzregeln setzen allerdings eine grundsätzlich doppelte Leistungspflicht voraus. Dabei müssen die Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (vgl. BVerwGE 125, 95 und BSG SozR 4-2800 § 10 Nr. 1 m.w.N.)
bb) Hier liegt eine solche Konstellation im Verhältnis der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII in Vollzeitpflege einerseits und der denkbaren Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII vor. Denn bei dem Beigeladenen besteht nach der Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landratsamts K. vom 28.07.2008 neben einer seelischen auch eine körperliche und geistige Behinderung im Sinne der §§ 53, 54 SGB XII. Ausdrücklich bestätigt die Ärztin W. in dieser Stellungnahme eine Mehrfachbehinderung des Beigeladenen. Die Vollzeitpflege als solche kann, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, sowohl eine Maßnahme der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII als auch der Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Mit § 54 Abs. 3 SGB XII, der am 05.08.2009 in Kraft getreten ist (Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 BGBI I, S. 2495), ist vom Gesetzgeber geregelt worden, dass eine Leistung der Eingliederungshilfe auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ist, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. In der Gesetzesbegründung wird daran angeknüpft, dass das SGB XII, anders als das SGB VIII, keine Regelung über die Vollzeitpflege in Pflegefamilien enthalte und dies in der Praxis dazu führe, dass seelisch behinderte Kinder oftmals in Pflegefamilien aufgenommen würden, während körperlich und geistig behinderte Kinder in der Regel in vollstationären Einrichtungen betreut würden. Es sei zu Zuständigkeitsschwierigkeiten zu Lasten des behinderten Kindes gekommen. § 54 Abs. 3 SGB XII erweitert seit dem 05.08.2009 den Leistungsumfang der Eingliederungshilfe für behinderte Kinder und Jugendliche auf deren - wie hier - Unterbringung in einer Pflegefamilie. Mit dieser Leistung soll gewährleistet werden, dass behinderte Kinder und Jugendliche mit Funktions- und Fähigkeitsbeeinträchtigungen körperlicher oder kognitiver Art in Pflegefamilien betreut werden können, ohne dass es zu einer geteilten Zuständigkeit zwischen Sozial- und Jugendhilfeträger kommt (vgl. BT-Drucks 16/13417, Seite 6). Durch die vorgenannten Formulierungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber keine Klarstellung, sondern eine Neuregelung vornehmen wollte (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 04.12.2012 - L 8 SO 20/09 - (Juris)). Für die Gewährung von Eingliederungshilfe ist deshalb, auch soweit es um Hilfe zur Erziehung geht, der Sozialhilfeträger insgesamt zuständig (vgl. Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 54, Rand-Nr. 68). § 54 Abs. 3 SGB XII begründet bei - wie hier - Betreuung in einer Pflegefamilie die alleinige und ausschließliche Pflicht zur Bewilligung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger. § 35a SGB VIII i.V.m. § 39 Abs. 1 S 2 SGB VIII, der die Eingliederungshilfe in Form der Kosten für den Sachaufwand für die Pflege und Erziehung im Jugendhilferecht regelt, wird von § 54 Abs. 3 SGB 12 als lex specialis verdrängt (vgl. SG Düsseldorf vom 29.08.2013 - S 30 SO 179/12 - (Juris)). Aufgrund des § 54 Abs. 3 SGB XII ist damit ab dem 05.08.2009 die Beklagte der für die Hilfe zur Erziehung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
Die zunächst bis zum 31.12.2013 befristet gewesene Gültigkeit von § 54 Abs. 3 SGB XII hat der Gesetzgeber durch Art. 2 des Gesetzes zur Verwaltungsvereinbarung der Kinder- und Jugendhilfe vom 29.08.2013 (BGBl. I Seite 3464) mit Wirkung vom 03.12.2013 bis zum 31.12.2018 verlängert.
cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 12.07.2010 und das Rundschreiben des Landkreistages Baden-Württemberg vom 05.10.2010. Soweit darin jeweils ausgeführt wird, § 54 Abs. 3 SGB XII habe keine Auswirkungen auf das geltende Recht nach dem SGB VIII, und sei die Hilfe zur Erziehung allein nach dessen Regelungen zu erbringen, wird der Vorrang der Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII, den § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ausdrücklich anordnet, nicht beachtet. Im Übrigen widerspricht die Rechtsauffassung des Landkreistages Baden-Württemberg auch dem Ergebnis der Arbeitsgruppe Jugendhilfe-Sozialhilfe vom 13.12.2010. Denn dort ist unter Ziff. 5.1 "Leistungsgrundsätze" ausdrücklich ausgeführt, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe bei einer wesentlichen körperlichen und/oder geistigen Behinderung und der Notwendigkeit einer Leistung in einer Pflegefamilie auch den erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen in dieser Familie umfasst und dieser Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 53 ff. SGB XII abgedeckt wird. Entsprechendes haben auch der Landkreistag Baden-Württemberg, der Städtetag Baden-Württemberg sowie der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg in ihrer "Orientierungshilfe" zu Leistungen nach dem SGB XII und SGB VIII für jungen Menschen mit seelischer, körperlicher und geistiger Behinderung vom 22.07.2011, dort Ziff. 2.4.1, zutreffend ausgeführt.
3. Damit ist festzustellen, dass die Beklagte seit dem 05.08.2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Der Rechtsstreit ist für die Beteiligten kostenfrei (§ 64 Abs. 3 Satz 2, erster Halbsatz des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren -), denn er betrifft keine Erstattungsstreitigkeit i.S.d. § 197a Abs. 3 SGG. Dem Beigeladenen, der keinen Sachantrag gestellt hat, sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte spätestens seit dem 05.08.2009 der für den Hilfeempfänger örtlich zuständige Sozialhilfeträger nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) ist.
Der am 02.07.2001 geborene Beigeladene leidet infolge einer perinatalen Sauerstoffunterversorgung u.a. an einem cerebralen Anfallsleiden, einer psychomotorischen Retardierung und einer Hyperaktivität bei Intelligenzminderung (vgl. Arztbrief des Kinderzentrums M. vom 12.02.2008). Er ist körperlich, geistig und seelisch behindert (vgl. Stellungnahme der Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin W., Gesundheitsamt des Landratsamts K., vom 28.07.2008). Die leiblichen Eltern des Beigeladenen leben im "Haus X", K., einer Einrichtung für psychisch und/oder suchtkranke Menschen und Familien in schwierigen Lebenslagen. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der leiblichen Mutter des Beigeladenen vor Aufnahme in dieser Einrichtung bestand in H.; die Beklagte übernimmt deshalb die für ihre Unterbringung anfallenden Kosten aus Sozialhilfemitteln.
Der Beigeladene selbst befand sich unmittelbar nach seiner Geburt für rund sechs Wochen in stationärer Behandlung in der Kinderklinik K ... Von dort wechselte er am 13.08.2001 zunächst in eine Pflegefamilie zur Bereitschaftspflege. Seit dem 04.09.2001 lebt er bei seiner jetzigen Pflegefamilie. Die Klägerin erbringt für den Beigeladenen seit dem 13.08.2001 Hilfeleistungen zur Erziehung nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII).
Das Staatliche Schulamt für die Stadt K. stellte fest, der Beigeladene sei am besten in einer Sonderschule für Geistigbehinderte zu fördern; zugleich gestattete es zur Erfüllung der Schulpflicht den Besuch der P.-Schule für seelenpflegebedürftige Kinder und Jugendliche, K. (Bescheid vom 15.07.2008). Seit dem 08.09.2008 nimmt der Beigeladene am Unterricht dieser Schule, einer Privatschule nach den Grundsätzen der Walldorfpädagogik, teil. Die Klägerin übernahm entsprechend der Empfehlung des Kinderzentrums M. bis September 2009 im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die Kosten für einen Schulbegleiter. Als - weiteren - "Erziehungszuschlag" übernimmt sie außerdem im Rahmen der Leistungen nach dem SGB VIII - anstelle von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII - seit September 2008 ein monatliches Schulgeld von 198,00 EUR (vgl. u.a. Aktenvermerk vom 19.05.2009 und Bescheide vom 10.03.2010 und vom 10.11.2010).
Mit Schreiben vom 17.06.2010 bat die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die Mehrfachbehinderung um Übernahme der Zuständigkeit für den Beigeladenen. Bei den Aufwendungen für den Schulbesuch handele es sich tatsächlich um Leistungen der Eingliederungshilfe. Zwischen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und der Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII bestehe eine Kongruenz. In diesem Fall sei die Beklagte insgesamt der zuständige Hilfeträger. Zugleich machte die Klägerin die Erstattung ihrer Aufwendungen ab dem 28.07.2008 dem Grunde nach geltend. Die Beklagte anerkannte ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit für die Übernahme der Schulkosten im Rahmen der Eingliederungshilfe, zuletzt ab dem 17.06.2009, lehnte im Übrigen aber die Erstattung von Aufwendungen der Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII und die Übernahme der Fallbearbeitung in eigener Zuständigkeit ab (vgl. Schreiben vom 06.07.2010 und vom 09.12.2010). Auf weitere Schreiben der Klägerin vom 28.02.2011, 19.10.2011 und vom 13.03.2012 reagierte die Beklagte nicht.
Mit Schriftsatz vom 20.06.2012 rief die Klägerin deshalb die beim Landkreistag Baden-Württemberg eingerichtete Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten S. an mit dem Begehren, die Beklagte zur Erstattung ihrer Aufwendungen seit dem 17.06.2009 zu verpflichten.
Am 06.07.2012 hat die Klägerin außerdem Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart (7 K 2222/12) erhoben, mit der sie die Feststellung ersterbt, die Beklagte sei spätestens seit dem 05.08.2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen (Beschluss vom 19.07.2012).
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, aufgrund der Mehrfachbehinderung des Beigeladenen sei die Beklagte der für die Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen örtlich zuständige Sozialhilfeträger. Die von ihr - der Klägerin - gewährte Hilfe zur Erziehung in einer Pflegefamilie sei in dieser Form auch als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche möglich. Damit bestehe eine Kongruenz von Leistungen nach dem SGB VIII und dem SGB XII. Für diesen Fall ordne das Gesetz den Vorrang von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII an. Zu Unrecht wende die Beklagte dagegen ein, die Möglichkeit von Hilfeleistungen zur Erziehung als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII habe keine Auswirkungen auf die Jugendhilfe. Dies widerspräche dem Ergebnis der Arbeitsgruppe SGB VIII/SGB XII wie auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Für den gesetzlich angeordneten Vorrang von Leistungen nach dem SGB XII komme es auch nicht darauf an, ob der Hilfeaufwand allein oder zumindest überwiegend auf der geistigen oder körperlichen Behinderung des Beigeladenen beruhe oder andere Gründe hierfür maßgebend seien.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte seit spätestens 05. August 2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die Klage wegen des zuvor seitens der Klägerin bereits eingeleiteten Spruchstellenverfahrens für unzulässig. Im Übrigen habe die Möglichkeit, Hilfe für die Betreuung in einer Familie auch als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zu erbringen, keine Auswirkungen auf die Jugendhilfe. Dies habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einem Schreiben vom 12.07.2011 und der Landkreistag Baden-Württemberg in seinem Rundschreiben vom 05.10.2010 bestätigt.
Der durch Beschluss vom 17.12.2013 zum Verfahren Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) ist zulässig. Ihr steht der Umstand, dass sie bereits zuvor mit Schriftsatz vom 20.06.2012 bei der Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten Stuttgart ein Spruchstellenverfahren eingeleitet hat, nicht entgegen (§ 202 SGG i.V.m. § 1032 Abs. 1 der Zivilprozessordnung). Soweit das erkennende Gericht in seiner Verfügung vom 23.01.2013 insoweit Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin geäußert hatte, hält es an dieser Rechtsauffassung nicht länger fest. Dies hatte der Vorsitzende den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2014 auch mitgeteilt.
a) Die Kammer geht - mangels gegenteiligen Vortrags der Beteiligten und anderer Anhaltspunkte - davon aus, dass sowohl die Klägerin als Trägerin der Jugendhilfe als auch die Beklagte als Trägerin der Sozialhilfe Vertragspartner der Fürsorgerechtsvereinbarung (FRV) vom 26.05.1965 sind. Diese Vereinbarung war auch im Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 06.07.2012 weiterhin gültig, denn in ihrem gemeinsamen Rundschreiben vom 21.12.2000 hatten der Landkreistag Baden-Württemberg und der Städtetag Baden-Württemberg die zeitlich unbeschränkte Gültigkeit der FRV festgestellt. Nach § 4 FRV in der seit dem 01.01.1998 geltenden Fassung werden durch Spruchstellen im schiedsgerichtlichen Verfahren Streitigkeiten zwischen Partnern dieser Vereinbarung entschieden, die sich ergeben aus der Gewährung
a) von Sozialhilfe und Leistungen nach dem früheren Fürsorgerecht oder b) von Hilfen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) oder c) von anderen Leistungen, wenn das Erstattungsrecht des BSHG anzuwenden ist.
Der mit der Klage geltend gemachte Feststellungsanspruch fällt danach bereits nach seinem Wortlaut nicht in den Anwendungsbereich der FRV (vgl. insoweit VGH Baden-Württemberg vom 08.11.1989 - 11 S 320/89 - (Juris)). Denn das schiedsgerichtliche Verfahren bezieht sich nach dem Willen der Vertragsschließenden ausschließlich auf Erstattungsstreitigkeiten zwischen verschiedenen Sozialleistungsträgern (vgl. Bay. VGH vom 05.04.1990 - 12 B 88.1195 - m.w.N. (Juris)). Die Klägerin begehrt vorliegend indes nicht die Erstattung von ihr aufgewendeter Kosten, sondern die Feststellung, dass die Beklagte seit spätestens 05.08.2009 der für die Hilfeleistung an den Beigeladenen zuständige Sozialhilfeträger ist. Mit diesem Anspruch verfolgt sie - im Ergebnis - in gesetzlicher Prozessstandschaft (§ 97 Satz 1 SGB VIII) den Leistungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte.
b) Auch das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 a.E. SGG geforderte berechtigte Interesse der Klägerin ist hier gegeben. Für dieses berechtigte Interesse an einer alsbaldigen Feststellung genügt, dass sich ein erstattungsberechtigter Träger darauf beruft, er sei berechtigt, nach gesetzlichen Bestimmungen - hier: §§ 102 ff. des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X) - von einem anderen Leistungsträger Erstattung zu verlangen. Da im Erstattungsverfahren vor den Spruchstellen nach der FRV die materiellen Leistungsvoraussetzungen wie auch die Frage, welche Träger als vorrangiger, nachrangiger oder gar unzuständiger Träger gehandelt hat, nur als Vorfragen und damit nicht verbindlich geklärt werden, erreicht die Klägerin mit dem Feststellungsurteil eine über den Schiedsspruch hinausgehende Klärung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe an den Beigeladenen. Ihr Feststellungsinteresse bezieht sich auf das bei der Spruchstelle noch anhängige Erstattungsverfahren, für das das Feststellungsurteil erwirkt wird.
c) Schließlich steht die zwar nicht im Wortlaut des § 55 Abs. 1 SGG zum Ausdruck kommende, jedoch auch für das sozialgerichtliche Verfahren allgemein anerkannte (vgl. hierzu u.a. BSG SozR 3-2500 § 124 Nr. 1 und BSGE 90, 215, 220; ferner Castendiek in Hk-SGG, 4. Auflage 2012, § 55, Rand-Nr. 13 m.w.N.) Subsidiarität der Feststellungsklage deren Zulässigkeit hier nicht entgegen. Denn diese Subsidiarität greift dann nicht ein, wenn sich die Feststellungsklage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft richtet, weil von ihr wegen der in der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) verankerten Bindung an Recht und Gesetz die Respektierung eines Gerichtsurteils auch ohne dahinterstehenden Vollstreckungsdruck zu erwarten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 55, Rand-Nr. 19 m.w.N. sowie Castendiek, a.a.O., Rand-Nr. 21).
2. Die sonach zulässige Feststellungsklage ist auch begründet. Denn die Beklagte ist seit dem 05.08.2009, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 54 Abs. 3 SGB XII durch das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.07.2009 (BGBl. I Seite 2495), der für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe an den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
a) Rechtsgrundlagen des Feststellungsanspruchs sind in formeller Hinsicht § 98 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 und § 107 SGB XII. Danach ist für Leistungen, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie untergebracht ist als bei seinen Eltern oder einem Elternteil, für die Leistungen nach dem SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in der Familie hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatte. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten - entsprechendes gilt gem. § 107 SGB XII für die Unterbringung in einer anderen Familie - oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Wird - wie vorliegend - ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt nach § 98 Abs. 2 Satz 4 SGB XII an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthaltes der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter. Einrichtung in diesem Sinne ist auch ein Krankenhaus (§ 13 Abs. 2 SGB XII).
Orientiert daran ergibt sich vorliegend für Leistungen nach dem SGB XII an den Beigeladenen die örtliche Zuständigkeit der Beklagten, was diese in ihren Schreiben vom 06.07.2010 und vom 09.12.2010 gegenüber der Klägerin auch anerkannt hat, zuletzt für die Zeit ab dem 17.06.2009. Denn zum Zeitpunkt der Geburt des Beigeladenen hatte seine leibliche Mutter - zwischen den Beteiligten nicht umstritten und im Übrigen unzweifelhaft - ihren gewöhnlichen Aufenthalt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Der Wechsel des Beigeladenen aus dem Krankenhaus (M- und anschließend K-Klinik K.) zunächst in eine Pflegefamilie im Rahmen der Bereitschaftspflege (am 13.08.2001) und der weitere Wechsel in die Vollpflege seiner jetzigen Pflegefamilie (seit dem 04.09.2001) erfolgte jeweils zeitlich nahtlos (zu diesem Erfordernis vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 98, Rand-Nr. 27 sowie Schoch in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 98, Rand-Nrn. 33 und 34).
b) Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte als der für ihn zuständige Sozialhilfeträger sind §§ 53, 54 SGB XII. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehört neben solchen u.a. zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII), gem. § 54 Abs. 3 SGB XII auch die Hilfe für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in einer Pflegefamilie. Die Zuständigkeit der Beklagten für Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des Sechsten Kapitels SGB XII umfasst damit auch die Hilfe zur Erziehung des Beigeladenen. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, wie sich aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 09.12.2010 ergibt.
Die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, auch soweit sie die Hilfe zur Erziehung betrifft, geht indes - entgegen der Ansicht der Beklagten - der Hilfe zur Erziehung nach den Bestimmungen des SGB VIII vor.
aa) Gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII in der seit dem 01.01.2007 geltenden und insoweit des seither unverändert gebliebenen Fassung gehen Leistungen nach diesem Buch Leistungen nach dem SGB XII vor. Dahinter steckt der Gedanke, dass Jugendhilfeleistungen für nicht behinderte Kinder und Jugendliche und für behinderte Kinder und Jugendliche möglichst in einer Hand zusammenzufassen und so auf den spezifischen erzieherischen Bedarf von behinderten Kindern und Jugendlichen besser Rücksicht zu nehmen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 58, 406 ff.). Allerdings ist in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wieder eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthalten: Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, gehen den Leistungen nach dem SGB VIII vor. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass es bei dem in § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII angeordneten gesetzlichen Vorrang der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII nur dann verbleibt, wenn allein eine seelische Behinderung im Sinne des § 35 a Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 3 der Eigliederungshilfeverordnung vorliegt. Für diejenigen jungen Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, greifen dagegen die Vorschriften der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII wieder unmittelbar ein (vgl. SG Karlsruhe vom 18.09.2007 - S 4 SO 4036/07 ER - und vom 26.07.2012 - S 1 SO 5162/11 - (unveröffentlicht)). Auch bei sogenannten mehrfach behinderten jungen Menschen, d.h. körperlich, geistig und seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen, besteht der Vorrang von Leistungen nach dem SGB XII vor Leistungen des SGB VIII (vgl. BVerwGE 109, 325 ff; BVerwG, ZFSH/SGB 2012, 33 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.03.2011 - 12 A 840/09 -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.12.2011 - L 12 SO 482/10 - und VG Bayreuth vom 28.11.2011 - B 3 10.1060 - (jeweils Juris)). Im Fall einer Mehrfachbehinderung kommt es für die Abgrenzung der Zuständigkeit auch nicht auf den Schwerpunkt des Bedarfs der Hilfeleistungen an, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 04.12.2012 - L 8 SO 20/09 - m.w.N. (Juris)). Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, bei vermeintlichen Abgrenzungsschwierigkeiten im Fall der Mehrfachbehinderung auf § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII als Grundsatzregelung zurückzugreifen. Denn der "Schwerpunkt" der Behinderung ist kein für § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB VIII taugliches Abgrenzungskriterium (vgl. BVerwGE 109, 325). Nicht entscheidend ist auch, ob der Hilfebedarf ausschließlich durch die geistige Behinderung des hilfesuchenden jungen Menschen bedingt ist oder ob auch andere Umstände für den Umfang des Hilfebedarfs, etwa der Ausfall elterlicher Betreuungsleistungen, ursächlich sind (vgl. BVerwG, ZFSH/SGB 2012, 33). Die Konkurrenzregeln setzen allerdings eine grundsätzlich doppelte Leistungspflicht voraus. Dabei müssen die Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein (vgl. BVerwGE 125, 95 und BSG SozR 4-2800 § 10 Nr. 1 m.w.N.)
bb) Hier liegt eine solche Konstellation im Verhältnis der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII in Vollzeitpflege einerseits und der denkbaren Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII vor. Denn bei dem Beigeladenen besteht nach der Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landratsamts K. vom 28.07.2008 neben einer seelischen auch eine körperliche und geistige Behinderung im Sinne der §§ 53, 54 SGB XII. Ausdrücklich bestätigt die Ärztin W. in dieser Stellungnahme eine Mehrfachbehinderung des Beigeladenen. Die Vollzeitpflege als solche kann, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, sowohl eine Maßnahme der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII als auch der Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Mit § 54 Abs. 3 SGB XII, der am 05.08.2009 in Kraft getreten ist (Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 BGBI I, S. 2495), ist vom Gesetzgeber geregelt worden, dass eine Leistung der Eingliederungshilfe auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ist, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. In der Gesetzesbegründung wird daran angeknüpft, dass das SGB XII, anders als das SGB VIII, keine Regelung über die Vollzeitpflege in Pflegefamilien enthalte und dies in der Praxis dazu führe, dass seelisch behinderte Kinder oftmals in Pflegefamilien aufgenommen würden, während körperlich und geistig behinderte Kinder in der Regel in vollstationären Einrichtungen betreut würden. Es sei zu Zuständigkeitsschwierigkeiten zu Lasten des behinderten Kindes gekommen. § 54 Abs. 3 SGB XII erweitert seit dem 05.08.2009 den Leistungsumfang der Eingliederungshilfe für behinderte Kinder und Jugendliche auf deren - wie hier - Unterbringung in einer Pflegefamilie. Mit dieser Leistung soll gewährleistet werden, dass behinderte Kinder und Jugendliche mit Funktions- und Fähigkeitsbeeinträchtigungen körperlicher oder kognitiver Art in Pflegefamilien betreut werden können, ohne dass es zu einer geteilten Zuständigkeit zwischen Sozial- und Jugendhilfeträger kommt (vgl. BT-Drucks 16/13417, Seite 6). Durch die vorgenannten Formulierungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber keine Klarstellung, sondern eine Neuregelung vornehmen wollte (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 04.12.2012 - L 8 SO 20/09 - (Juris)). Für die Gewährung von Eingliederungshilfe ist deshalb, auch soweit es um Hilfe zur Erziehung geht, der Sozialhilfeträger insgesamt zuständig (vgl. Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 54, Rand-Nr. 68). § 54 Abs. 3 SGB XII begründet bei - wie hier - Betreuung in einer Pflegefamilie die alleinige und ausschließliche Pflicht zur Bewilligung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger. § 35a SGB VIII i.V.m. § 39 Abs. 1 S 2 SGB VIII, der die Eingliederungshilfe in Form der Kosten für den Sachaufwand für die Pflege und Erziehung im Jugendhilferecht regelt, wird von § 54 Abs. 3 SGB 12 als lex specialis verdrängt (vgl. SG Düsseldorf vom 29.08.2013 - S 30 SO 179/12 - (Juris)). Aufgrund des § 54 Abs. 3 SGB XII ist damit ab dem 05.08.2009 die Beklagte der für die Hilfe zur Erziehung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
Die zunächst bis zum 31.12.2013 befristet gewesene Gültigkeit von § 54 Abs. 3 SGB XII hat der Gesetzgeber durch Art. 2 des Gesetzes zur Verwaltungsvereinbarung der Kinder- und Jugendhilfe vom 29.08.2013 (BGBl. I Seite 3464) mit Wirkung vom 03.12.2013 bis zum 31.12.2018 verlängert.
cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 12.07.2010 und das Rundschreiben des Landkreistages Baden-Württemberg vom 05.10.2010. Soweit darin jeweils ausgeführt wird, § 54 Abs. 3 SGB XII habe keine Auswirkungen auf das geltende Recht nach dem SGB VIII, und sei die Hilfe zur Erziehung allein nach dessen Regelungen zu erbringen, wird der Vorrang der Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII, den § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ausdrücklich anordnet, nicht beachtet. Im Übrigen widerspricht die Rechtsauffassung des Landkreistages Baden-Württemberg auch dem Ergebnis der Arbeitsgruppe Jugendhilfe-Sozialhilfe vom 13.12.2010. Denn dort ist unter Ziff. 5.1 "Leistungsgrundsätze" ausdrücklich ausgeführt, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe bei einer wesentlichen körperlichen und/oder geistigen Behinderung und der Notwendigkeit einer Leistung in einer Pflegefamilie auch den erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen in dieser Familie umfasst und dieser Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 53 ff. SGB XII abgedeckt wird. Entsprechendes haben auch der Landkreistag Baden-Württemberg, der Städtetag Baden-Württemberg sowie der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg in ihrer "Orientierungshilfe" zu Leistungen nach dem SGB XII und SGB VIII für jungen Menschen mit seelischer, körperlicher und geistiger Behinderung vom 22.07.2011, dort Ziff. 2.4.1, zutreffend ausgeführt.
3. Damit ist festzustellen, dass die Beklagte seit dem 05.08.2009 der für den Beigeladenen örtlich zuständige Sozialhilfeträger ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Der Rechtsstreit ist für die Beteiligten kostenfrei (§ 64 Abs. 3 Satz 2, erster Halbsatz des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren -), denn er betrifft keine Erstattungsstreitigkeit i.S.d. § 197a Abs. 3 SGG. Dem Beigeladenen, der keinen Sachantrag gestellt hat, sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Rechtskraft
Aus
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