S 6 R 1181/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 1181/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 05.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2012 wird aufgehoben, soweit die Beklagte Nachforderungen für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend macht. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4, die Beklagte zu 1/4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Anhörungs- und Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) streitig.

Die Klägerin ist ein Unternehmen mit dem Geschäftsgegenstand der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung und ist seit dem 00.00.1998 im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). In dem o. g. Zeitraum wandte die Klägerin bei der Arbeitsentgeltberechnung für die beschäftigten Leiharbeitnehmer die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP) vereinbarten Tarifverträge an und führte auf Grundlage der hiernach ermittelten Arbeitsentgelte Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab.

Im September 2011 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch.

Bereits zuvor hatte die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.2007 im Anschluss an eine "stichprobenweise Überprüfung von Abrechnungsfällen" betreffend den Zeitraum vom 01.04.2003 bis zum 30.06.2007 eine Nachforderung in Höhe von 889,00 Euro erhoben. Zugrunde hatte hierbei die Nachforderung von Beiträgen zur Krankenversicherung wegen der ursprünglichen Berechnung mit zu niedrigen Beitragssätzen für bestimmte Krankenkassen in bestimmten Zeiträumen gelegen. Darüber hinaus hatte die Beklagte das Ergebnis der Lohnsteuerprüfung des zuständigen Finanzamtes für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 30.09.2006 ausgewertet. Es war insoweit jedoch nicht zu Nachforderungen gekommen.

Nach Anhörung durch Schreiben vom 30.09.2011 forderte sie nunmehr von der Klägerin mit Bescheid vom 05.12.2011 für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 Sozial-versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 97.640,38 Euro nach. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Gesetzgeber seit dem 01.01.2004 für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz "equal pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) und das Gebot "equal treatment" (gleiche Arbeitsbedingungen) im Gesetz (§ 10 Abs. 4 AÜG) verankert habe. Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne gemäß § 9 Nr. 2 AÜG vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Dies gelte nicht nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden seien, sondern auch, wenn in Arbeitsverträgen die Geltung von Tarifverträgen vereinbart werde. Im Oktober 2008 sei von der Gewerkschaft Ver.di und dem Land Berlin ein Verfahren nach §§ 97 Abs. 1, 2a Abs. 1 Nr. 4 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zur Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP vor dem Arbeitsgericht Berlin eingeleitet worden. Mit Beschluss vom 01.04.2009 habe das Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 35 BV 17008/08 die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt. Dieser Beschluss sei auf die Beschwerde der dortigen Beklagten vom Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg am 07.12.2009 (Az. 23 TaBV 1016/09) bestätigt worden. Die zum Bundesarbeitsgericht (BAG) erhobene Rechtsbeschwerde sei am 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) als unbegründet zurückgewiesen worden. Zur Begründung sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach ihrem satzungsgemäßen Geltungsbereich nicht die Tariffähigkeit für die gesamte Zeitarbeitsbranche vermitteln würden. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 AÜG. Der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftigt sei oder gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV das Entstehungsprinzip. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Die Geltendmachung oder Durchsetzbarkeit des arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruchs durch den Arbeitnehmer sei unerheblich. Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeiters in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs. 4 AÜG. Ein Vertrauensschutz bestehe nicht, da durch die Entscheidung des BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP lediglich deklaratorisch festgestellt werde. Die Entscheidung beende die Tariffähigkeit der CGZP nicht erst. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung sei nach der Rechtsprechung des BAG nicht geschützt. Ferner mache das BAG in seinem Beschluss deutlich, dass sich die Satzungen aus dem Zeitraum vor 2009 nicht von dem streitgegenständlichen unterschieden. Aus den früheren Prüfungen könne kein Vertrauensschutz abgeleitet werden. Die Prüfung könne sich auf Stichproben beschränken. Auch habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass keine Verpflichtung zur vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten bestehe. Im Hinblick auf die Verjährung sei anzumerken, dass die Entscheidung des BAG erhebliche Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet habe. Daher habe die Klägerin Kenntnis von den Inhalten und Wirkungen dieser Entscheidung gehabt. Es liege zumindest bedingter Vorsatz vor. Hinsichtlich der Berechnung der Nachforderung legte die Beklagte die Angaben der Klägerin zugrunde, die sie aufgrund von Ermittlungen ab Anfang 2011 bei den Entleihern ermittelt hatte und ab März 2011 an die betroffenen Krankenkassen mitgeteilt hatte.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beklagte in ihrem Bescheid verkenne, dass nach derzeit überwiegender Auffassung der Landesarbeitsgerichte für die Zeiten vor dem 14.12.2010 eine nicht gegebene Tarifabschlussfähigkeit der CGZP nicht festgestellt sei. Die Nachfestsetzung verstoße gegen rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere den des Vertrauensschutzes, da die staatliche Aufsicht im Hinblick auf die Arbeitnehmerüberlassung die Anwendung der Tarifverträge nicht beanstandet habe. Die zu entrichtenden Entgelte unterfielen nicht dem sog. Entstehungsprinzip. Eine Nachentrichtung komme nur dann in Betracht, wenn die entsprechende Vergütung tatsächlich an die Leiharbeitnehmer gezahlt worden sei, was hier allerdings nicht der Fall sei. Ferner stehe der letzte Betriebsprüfungsbescheid vom 09.08.2007 über den Prüfzeitraum vom 01.04.2003 bis zum 30.06.2007 der Nachfestsetzung entgegen. Im Übrigen seien die Ansprüche für 2005 und 2006 verjährt, da die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten worden seien. Im Nachgang zu der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 sei kein Hinweis der Beklagten ergangen, dass diese Entscheidung zu einer Nachforderung führen könne. Es sei nach dem Beschluss des BAG auch faktisch unmöglich gewesen, mutmaßliche Ansprüche nach Equal Pay zu ermitteln und entsprechende Sozialversicherungsbeiträge nachzumelden und zu entrichten, da die verbliebenen Arbeitstage in 2010 hierzu nicht ausgereicht hätten. Die Klägerin nahm auf den Beschluss des SG Hamburg vom 18.11.2011, Az.: S 51 R 1149/11 ER, Bezug.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten die Aussetzung der Vollziehung und stellte am 04.01.2012 beim SG Detmold einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das Verfahren wurde unter dem Az. S 6 R 8/12 ER geführt. Zur Begründung verwies die Klägerin im Wesentlichen auf ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Die Beklagte verwies auf ihre ablehnende Entscheidung über den bei ihr gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Zwischenzeitlich habe das LAG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 09.01.2012 (Az.: 24 TaBV 1285/11) festgestellt, dass die CGZP auch in den Zeiträumen, die von der Feststellung des BAG in dem zuvor genannten Beschluss nicht umfasst waren, beispielsweise am 29.11.2004, 19.06.2006 und am 09.07.2008 nicht tariffähig gewesen sei. Eine Rechtsbeschwerde dagegen habe das LAG nicht zugelassen. Selbst wenn das BAG die Rechtsbeschwerde nachträglich zulassen würde, sei nicht anzunehmen, dass es die Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit feststellen würde. Der Gegenwartsbezug des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 habe ausschließlich prozessrechtliche Gründe. Nach den Ausführungen des BAG zur historischen Entwicklung der CGZP sei auszuschließen, dass es in einem späteren Beschluss die Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit feststellen werde.

Mit Beschluss vom 25.01.2012 zum Az. S 6 R 8/12 ER ordnete das SG Detmold die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.12.2011 an. Es führte im Wesentlichen zur Begründung aus, dass derzeit noch keine gerichtliche Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP für den streitigen Zeitraum vorliege. Die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 sei gegenwartsbezogen.

Auf die Beschwerde der Beklagten änderte das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) mit Beschluss vom 27.06.2012 (Az. L 8 R 163/12 B ER) den Beschluss des SG Detmold ab und lehnte den Antrag der Klägerin ab, soweit die Beklagte Nachforderungen für die Zeit ab dem 01.01.2007 geltend macht. Im Übrigen wies es die Beschwerde zurück. Im Wesentlichen führte es zur Begründung aus, dass mit dem - aufgrund des Beschlusses des BAG vom 22.05.2012 (Az. 1 ABN 27/12) inzwischen rechtskräftigem - Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 (Az. 24 TaBV 1285/11) feststehe, dass die CGZP auch im zeitlichen Geltungsbereich ihrer Satzungen vom 11.12.2005 und 05.12.2005 nicht tariffähig gewesen sei. Hierzu verwies das LSG NRW auf den Beschluss des BAG vom 23.05.2012 zum Az. 1 AZB 58/11. Im vorliegenden Fall handele es sich zudem um Ansprüche auf laufendes Arbeitsentgelt, für die das Entstehungsprinzip gelte, und nicht um nachträglich rückwirkende Lohnerhöhungen, die wie Einmalzahlungen zu behandeln seien, da die Entscheidung des BAG die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch feststelle. Die Bindungswirkung des Bescheides vom 09.08.2007 stehe der Nachforderung von Beiträgen nicht entgegen, da lediglich eine stichprobenartige Prüfung stattgefunden habe und aus Sinn und Zweck des Betriebsprüfungsverfahrens auch keine dahingehende Bindungswirkung herzuleiten sei. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden der Beitragsnachforderung nicht entgegen. Der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages werde nicht geschützt. Allerdings seien die Ansprüche auf Beiträge für die Zeit vor dem 01.01.2007 nach gegenwärtigem Sachstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verjährt, da ernsthafte Zweifel bestünden, dass die Beiträge durch die Klägerin vorsätzlich vorenthalten worden seien. Allein die Verkündung des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 reiche für die Annahme eines vorsätzlichen Verhaltens nicht aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Inzwischen habe das LAG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 09.01.2012 (Az. 24 TaBV 1285/11) festgestellt, dass die CGZP auch im zeitlichen Geltungsbereich ihrer früheren Satzungen vom 11.12.2002 und vom 05.12.2005 tarifunfähig gewesen sei. Die hiergegen gerichtete Zulassungsbeschwerde habe das BAG mit Beschluss vom 22.05.2012 (Az. 1 ABN 27/12) zurückgewiesen. In zwei weiteren Entscheidungen vom 23.05.2012 habe das BAG entschieden, dass durch seinen Beschluss vom 22.05.2012 die fehlende Tariffähigkeit der CGZP seit ihrer Gründung rechtskräftig festgestellt sei. Die Rechtsfrage der Tarifunfähigkeit der CGZP in der Vergangenheit sei damit arbeitsgerichtlich geklärt. Vertrauensschutz ergebe sich auch nicht aus einem Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung des BAG, da die Frage der Ableitung der Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation von der Tariffähigkeit ihrer Mitgliedsverbände zuvor noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen sei. Im Übrigen vertieft die Beklagte ihre Begründung aus dem Ausgangsbescheid und verweist auf den Beschluss des LSG NRW vom 27.06.2012 (Az. L 8 R 163/12 B ER).

Hiergegen hat die Klägerin am 13.11.2012 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt - wie bereits im Beschwerdeverfahren - ergänzend vor, dass die Rechtskraft des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 mit Einführung des § 3a AÜG mit Wirkung ab 30.04.2011 wiederum entfallen sei. Anerkannt sei, dass die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in zeitlicher Hinsicht ende, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gegenüber demjenigen Sachverhalt, der Grundlage der rechtskräftigen Entscheidung gewesen sei, erheblich verändert hätten. Diese gesetzgeberische Vorgabe sei zu Unrecht durch das BAG in den Entscheidungen vom 22.05.2012 und vom 23.05.2012 nicht berücksichtigt worden. Die Entscheidungen des BAG zum fehlenden Vertrauensschutz im Hinblick auf den guten Glauben an die Tariffähigkeit einer Vereinigung stehe vorliegend einem Vertrauensschutz nicht entgegen, da es vorliegend um den guten Glauben an die Tarifabschlussfähigkeit einer Spitzenorganisation gehe. Vertrauensschutz ergebe sich auch aus dem Umstand, dass auch das BAG selbst Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP nicht habe erkennen lassen, als es den Entgelttarifvertrag-Ost vom 22.07.2003 als Beurteilungsmaßstab herangezogen habe. Auch habe es das Vertrauen in die Tariffähigkeit der CGZP dadurch bestärkt, dass es mit seiner Entscheidung vom 28.03.2006 zum Az. 1 ABR 58/04 die Tariffähigkeit der CGM festgestellt habe. Gleiches gelte für die Sozialversicherungsträger und sogar die Bundesregierung, die die Verträge mit der CGZP bei ihren Prüfungen der Verleiher bzw. bei ihren Beschäftigungsverhältnissen zugrunde gelegt hätten. Ferner rügt die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der §§ 20 ff, 28 ff SGB IV, insbesondere der §§ 28e, 23, 28d SGB IV. Durch die Vorschriften würden Grundrechte der Klägerin verletzt, insbesondere die Rechte aus Art. 12, 14 Grundgesetz (GG). Im Übrigen vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 05.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2012 aufzuheben und 2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Anhörungs- und Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend weist sie darauf hin, dass sie die Ausführungen der Klägerin zu § 3a AÜG nicht nachvollziehen könne, da die Einführung von Lohnuntergrenzen für die Zukunft Wirkung entfalte und nicht die Tariffähigkeit der CGZP und die Wirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge im streitigen Zeitraum betreffe. Die vom BAG getroffene Aussage zum Vertrauensschutz sei sehr wohl auf den vorliegenden Fall übertragbar, da es eine Einschränkung auf Gewerkschaften nicht vorgenommen habe, sondern allgemein von "Vereinigung" gesprochen habe. Sie verweist auf Urteile des Fünften Senats des BAG vom 13.03.2013. Danach sei etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP nicht geschützt und werde der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt - unabhängig von der Durchsetzbarkeit - zu dem arbeitsvertraglich für die Vergütung vereinbarten Termin fällig.

Mit Beschluss vom 18.04.2013, den Beteiligten selbst per Empfangsbekenntnis zugestellt und - jeweils überregional - in der Süddeutschen Zeitung und der FAZ sowie im elektronischen Bundesanzeiger am 18.05.2013, 21.05.2013 bzw. am 31.05.2013 veröffentlicht, hat das Sozialgericht die von den streitigen Beitragsnachforderungen betroffenen, mehr als 20 Leiharbeitnehmer/innen der Klägerin und Sozialversicherungsträger unter Hinweis auf § 75 Abs. 2a SGG aufgefordert, bis zum 30.08.2013 ihre Beiladung zu beantragen, ohne dass ein solcher Antrag bis zur mündlichen Verhandlung gestellt worden wäre, so dass das Gericht insoweit dann auch von einer solchen Beiladung abgesehen hat.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 29.01.2014 gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet.

Der Bescheid vom 05.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2012 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte damit Nachforderungen für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend macht. Im Übrigen ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Ansprüche der Beklagten auf Beiträge sind für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 jedenfalls verjährt. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2006 (BGBl. I, S. 86) wurden im Jahr 2006 Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen waren, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wurde, ausgeübt worden ist. Damit sind alle im Jahr 2006 fällig gewordenen Beitragsansprüche mit Ablauf des 31.12.2010 nach der Regelverjährungsfrist verjährt.

Die Regelung des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV greift vorliegend nicht ein. Danach verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für das Eingreifen der 30-jährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründet dann keinen Vertrauensschutz mehr, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt. Auch in diesem Fall gilt die lange Verjährungsfrist. Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit noch keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30-jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird (BSG, Urteil vom 30.03.2000, Az. B 12 KR 14/99 R).

Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten. Weder ergeben sich aus den Schilderungen des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung noch aus dem Akteninhalt eindeutige Anhaltspunkte für das Vorliegen von (bedingtem) Vorsatz. So hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er von der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 Kenntnis genommen hat. Bei juristischen Personen ist in erster Linie auf die Kenntnis der für sie handelnden vertretungsberechtigten Organwalter abzustellen. Handelt es sich - wie hier - um eine GmbH, ist die Kenntnis zumindest eines der Geschäftsführer maßgebend. Nach Ansicht der Kammer genügt allerdings die Kenntnis von der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 allein nicht schon für die Annahme eines bedingten Vorsatzes im Hinblick auf die Vorenthaltung von Beiträgen. Zwar hat die Entscheidung ein großes Interesse in der Öffentlichkeit und in den Medien gefunden (vgl. dazu SG Kassel, Urteil vom 04.09.2013, Az. S 12 KR 246/12). Allerdings müssen für die einzelnen betroffenen Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG die Inhalte und Wirkungen der Entscheidung noch nicht in vollem Ausmaß bekannt bzw. absehbar gewesen sein. So wurde insbesondere auch immer wieder der Gegenwartsbezug der Entscheidung betont, sogar noch nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe im Februar 2011. Auch betont das BAG in seinen Entscheidungsgründen selbst den Gegenwartsbezug seiner Entscheidung (BAG, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10). Letztlich ist die endgültige Klärung der Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit erst durch den Beschluss des BAG vom 23.05.2012 (Az. 1 AZB 58/11) erfolgt (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.02.2013, Az. L 1 KR 441/12 B ER). Dass die Klägerin abweichend von diesen Ausführungen doch Kenntnis gehabt hat, die die Annahme eines (bedingten) Vorsatzes rechtfertigen würden, ergibt sich für die Kammer nicht. So schildert der Geschäftsführer der Klägerin, dass er vom Gegenwartsbezug der Entscheidung des BAG überzeugt gewesen sei. Anderweitige Informationen, beispielsweise durch die Beklagte selbst, die CGZP, den AMP oder den Rechtsbeistand, lagen der Klägerin nicht vor. Frühestens ab Anfang Januar 2011 - nach entsprechender (vorsorglicher) Beratung durch den Rechtsbeistand - ist aus dem Verhalten der Klägerin, insbesondere den angestellten Ermittlungen bei den Entleihern und den entsprechenden (vorsorglichen) Nachmeldungen bei den Krankenkassen zu schließen, dass sie möglicherweise mit Beitragsnachzahlungen rechnete. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche in dem o. g. Zeitraum allerdings bereits verjährt.

Im Hinblick auf die Nachforderung der Beklagten für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 ist die Klage unbegründet.

Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheids ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV erfolgt mindestens alle vier Jahre - bei Vorliegen besonderer Gründe auch außerhalb dieses Turnus - eine Prüfung, ob die Arbeitgeber ihre Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Bei kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten wird der Beitragsbemessung in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung insbesondere das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 57 Abs. 1 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 162 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)). Arbeitsentgelt sind nach § 14 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Zu Recht hat die Beklagte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 beschäftigten Leiharbeitnehmer dementsprechend jeweils nach dem Arbeitsentgelt bemessen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde bzw. gezahlt worden wäre. Nach der Regelung des § 10 Abs. 4 AÜG in der bis zum 29. April 2011 geltenden Fassung des Art. 6 Nr. 5 Buchst. b) des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607) kann der Leiharbeitnehmer im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 AÜG von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Unwirksam im Sinne des § 9 Nr. 2 AÜG sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, es sei denn, der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat; Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben Verleiher bereits ein Leiharbeitsverhältnis bestanden hat; ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

Im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 lag eine wirksame, vom Grundsatz des "equal pay" zulasten der Leiharbeitnehmer abweichende Vereinbarung im Sinne von § 9 Nr. 2 AÜG nicht vor. Vorliegend haben die Klägerin und ihre Arbeitnehmer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Tarifverträge der CGZP mit dem AMP auf die Arbeitsverträge anzuwenden, die eine Abweichung vom Grundsatz des "equal pay" ermöglichten. Diese Tarifverträge waren allerdings unwirksam. Die Unwirksamkeit der Tarifverträge folgt daraus, dass die CGZP im Streitzeitraum weder eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) noch eine tariffähige Spitzenorganisation im Sinne von § 2 Abs. 2 und 3 TVG war (BAG, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10). Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen im Sinne des § 1 TVG ist die Tariffähigkeit der Tarifvertragsparteien. Schließt eine Vereinigung ohne Tariffähigkeit einen Tarifvertrag ab, ist dieser Tarifvertrag unwirksam und damit nichtig (BAG, Beschluss vom 14.12. 2010, Az. 1 ABR 19/10). Die Tarifunfähigkeit der CGZP gilt im zeitlichen Geltungsbereich ihrer Satzungen vom 11.12.2002, 05.12.2005 sowie vom 08.10.2009 (BAG, Beschluss vom 23.05.2012, Az. 1 AZB 58/11). Die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG begründet oder beendet nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stellt die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur fest (BAG, Beschluss vom 15.11.2006, Az. 10 AZR 665/05). Die Klägerin war daher für den genannten Zeitraum verpflichtet, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die betroffenen Leiharbeitnehmer jeweils nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde bzw. worden wäre.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, mit Einführung des § 3a AÜG mit Wirkung ab 30.04.2011 sei die Rechtskraft des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 entfallen. Die materielle Rechtskraft der im Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG getroffenen Entscheidung wirkt bis zu einer wesentlichen Änderung der entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BAG, Beschluss vom 06.06.2000, Az. 1 ABR 21/99; BAG, Beschluss vom 23.05.2012, Az. 1 AZB 58/11). Selbst wenn es sich bei der Einführung des § 3a AÜG um eine solche wesentliche Änderung handeln sollte, so kann dies - auch nach eigenem Vortrag der Klägerin - jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum keine Auswirkungen haben, da die Regelung erst zum 30.04.2011 Wirkung entfaltet, vorliegend jedoch ein Zeitraum bis zum 31.12.2009 im Streit steht.

Die Beitragsansprüche sind gegebenenfalls unabhängig davon entstanden, ob die nach dem equal-pay-Prinzip geschuldeten Arbeitsentgelte den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen sind. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht dabei, wenn der Arbeitsgeltanspruch entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder erst später gezahlt hat. Insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht nicht dem Zufluss-, sondern dem sog. Entstehungsprinzip (BSG, Urteil vom 03.06.2009, Az. B 12 R 12/07 R). Auch entsteht der Anspruch unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es rechtlich noch verlangen könnte (BSG, Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 7/04 R). Auch im vorliegenden Fall ist die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV anzuwenden. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB IV nicht zur Anwendung, wonach bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt der Beitragsanspruch erst mit Zufluss entsteht. In der Literatur wird insoweit zwar die Auffassung vertreten, dass der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 konstitutiv wirke mit der Folge, dass Arbeitsentgelt- und Beitragsansprüche erst ab diesem Zeitpunkt entstehen könnten. Es handele sich somit nicht um Ansprüche auf laufendes Arbeitsentgelt, für die nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV das Entstehungsprinzip gelte, sondern um nachträglich rückwirkende Lohnerhöhungen, die wie Einmalzahlungen zu behandeln seien. Die konstitutive Wirkung folge aus § 97 Abs. 5 ArbGG (vgl. Plagemann/Brand, NJW 2011, 1488, 1490f.). Allerdings folgt aus § 97 Abs. 5 ArbGG gerade, dass die Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG die Tarifunfähigkeit lediglich deklaratorisch feststellt. Die Regelung wäre im Wesentlichen sinnlos, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit nur für die Zeit nach der Verkündung der Entscheidung von Bedeutung wäre (BAG, Beschluss vom 15.11.2006, Az. 10 AZR 665/05). Insoweit hat das BAG ferner mit Urteil vom 13.03.2013 (Az. 5 AZR 954/11) festgestellt, dass der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch ist, der mit der Überlassung entsteht und zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Eine fehlende Vergleichbarkeit der nicht gegebenen Durchsetzbarkeit wegen § 97 Abs. 5 ArbGG mit den Fällen der Verjährung, Verzicht o. ä. vermag die Kammer vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen.

Der Beitragsbescheid der Beklagte vom 05.12.2011 ist auch hinsichtlich der Höhe der festgestellten Beitragsnachforderung nicht zu beanstanden. Die Berechnung der Beklagten erfolgte auf Grundlage der von der Klägerin selber ermittelten Vergleichslöhne, also aufgrund eigener Ermittlungen und Angaben der Klägerin, die sich nicht gegen die Höhe der Beitragsnachforderung durch die Beklagte wendet. Eine Schätzung im Sinne von § 28f Abs. 2 SGB IV ist demnach durch die Beklagte nicht durchgeführt worden. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund keine Zweifel daran, dass das der Berechnung zugrundegelegte Arbeitsentgelt dem Arbeitsentgelt entspricht, das einem vergleichbaren Arbeitnehmer in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde bzw. gezahlt worden wäre.

Der Beitragsnachforderung der Beklagten stehen keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Ein schützenswertes Vertrauen lässt sich insbesondere weder aus einem Vertrauen in eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Tariffähigkeit der CGZP bzw. allgemein von Gewerkschaften und Spitzenverbänden, einem Vertrauen in die Wirksamkeit von Tarifverträgen noch aus einem Vertrauen in vorangegangene Betriebsprüfungen und die Bestandskraft hierbei erlassener Bescheide herleiten.

Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Spitzenorganisationen liegt durch den Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ABR 19/10) nicht vor. Weder hatte das BAG zuvor eine Entscheidung über die Tariffähigkeit der CGZP getroffen noch hat es mit dem genannten Beschluss seine Rechtsprechung zur Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Spitzenorganisationen geändert (vgl. BAG, Beschluss vom 22.05.2012, Az. 1 ABN 27/12; BAG, Urteil vom 13.03.2013, Az. 5 AZR 242/12). Auch lag bislang keine sozialgerichtliche Rechtsprechung vor, wonach die CGZP als tariffähig angesehen wurde.

Überdies wird der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, namentlich an die Tariffähigkeit einer Vereinigung, nicht geschützt (BAG, Urteil vom 15.11.2006, Az. 10 AZR 665/05). Dies gilt nach dem Urteil des BAG vom 13.03.2013 zum Az. 5 AZR 242/12 aus-drücklich auch für die CGZP.

Ein Vertrauensschutz ergibt sich für die Klägerin auch nicht aus vorangegangenen Prüfungen nach § 28p SGB IV, insbesondere nicht aus der den streitigen Prüfzeitraum bis zum 30.06.2007 mit umfassenden Betriebsprüfung von August 2007 durch Bescheid vom 09.08.2007. Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht ver-sicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen einschließlich der Protokolle über die Schlussbesprechung nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSG, Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 7/04 R).

Die Bindungswirkung eines Bescheides erfasst grundsätzlich nur dessen Verfügungssatz bzw. -sätze, nicht hingegen die Gründe, die zu der Regelung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 20.96.1984, Az. 7 RAr 91/83). Auch wenn man die Gründe des Bescheides vom 09.08.2007 zur Auslegung des Verfügungssatzes heranzieht, ergibt sich hieraus lediglich, dass eine Prüfung zu den im Bescheid näher beschriebenen Beanstandungen - Berechnung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung bei einzelnen Krankenkassen z. T. aufgrund von zu niedrigen Beitragssätzen - sowie den daraus resultierenden Nachforderungen geführt hat und dass sich aus einer Auswertung des Berichts über die Lohnsteueraußenprüfung des zuständigen Finanzamtes keine weiteren Beitragsnachforderungen ergeben haben. Damit kann die im vorliegenden Fall gegenständliche Frage der Zahlung von equal-pay-Ansprüchen nicht Gegenstand des Bescheides vom 09.08.2007 gewesen sein. Der Bescheid enthält ausdrücklich den Hinweis, dass die Prüfung stichprobenartig durchgeführt worden sei. Ein der Bestandskraft fähiger Verfügungssatz in dem Sinne, dass die Klägerin im Prüfzeitraum sämtliche nicht gesondert erwähnten Meldepflichten und sonstigen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt habe (vgl. § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV), lässt sich dem Bescheid ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) vor diesem Hintergrund nicht entnehmen (vgl. dazu insgesamt LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2012, Az. L 8 R 163/12 B ER).

Die Kammer hat ferner keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 20 ff, 28 ff SGB IV, insbesondere der §§ 28e, 23, 28d SGB IV. Eine Unvereinbarkeit der Regelungen mit Art. 12 und Art 14 GG erkennt die Kammer nicht.

Gemäß § 28e SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) zu zahlen. Der Beitrag besteht aus dem so. Arbeitgeberanteil und dem sog. Arbeitnehmeranteil. Auf letzteren hat der Arbeitgeber gemäß § 28g SGB IV einen Anspruch, den der Arbeitgeber nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen kann. Die Pflicht zur Zahlung und zur (zumindest) hälftigen Tragung der Pflichtbeiträge greift in eine privat-rechtliche vermögenswerte Rechtsposition des Arbeitgebers und damit in sein Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ein. Allerdings ist diese nach öffentlichem Recht gemeinsame Mit-telaufbringung durch Unternehmenseigner und Belegschaft an sich verfassungsgemäß ausgestaltet (BSG, Urteil vom 29.06.2000, Az. B 4 RA 57/98 R). Für die Kammer ist keine ungerechtfertigte Belastung dergestalt ersichtlich, dass die Klägerin mangels ggf. fehlender Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber den Leiharbeitnehmern belastet ist. Insofern dürfte hier zunächst zu beachten sein, dass im Hinblick auf die einzelnen Leiharbeitnehmer nicht lediglich der Abzug des sog. Arbeitnehmeranteils ausgehend vom jeweiligen Brutto-Lohn unterblieben ist, den die Klägerin ggf. im Wege eines "Rückgriffs" bei dem jeweiligen Leiharbeitnehmer gelten machen könnte. Die Klägerin hat vielmehr von vornherein einen geringeren als den tatsächlich zustehenden Brutto-Lohn ihren Gehaltsabrechnungen zugrunde gelegt. Der jetzt nachträglich (zusammen mit dem Arbeitgeberanteil) zu zahlende Arbeitnehmeranteil ist dem jeweiligen Leiharbeitnehmer nie zugeflossen, so dass er auch nicht in Anspruch zu nehmen wäre. Eine "Doppelbelastung" der Klägerin ist insofern nicht erkennbar. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, auf Grundlage eines "fiktiven" Lohnanspruchs des jeweiligen Leiharbeitnehmers Sozialversicherungsbeiträge abführen zu müssen, die der Leiharbeitnehmer tatsächlich nie erhalten hat, so stellt sich dies nach Auffassung der Kammer als verfassungsrechtlich unbedenklicher Ausfluss des im Sozialrecht geltenden Entstehungsprinzips dar. Das Entstehungsprinzip begegnet auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Nichtannahmebeschluss vom 11.09.2008, Az. 1 BvR 2007/05) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Durchführung des Anhörungs- und Widerspruchsverfahrens war für notwendig zu erklären. Die aus Gründen der Effizienz gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO dem Gericht vorbehaltene Entscheidung, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, gehört nicht zur Kostenfolge, über die nach § 161 Abs. 1 VwGO im Urteil zu entscheiden ist. Denn sie regelt nicht die Kostenerstattungspflicht der Beteiligten dem Grunde nach, sondern betrifft nur den Umfang der Kostenerstattungspflicht (BayVGH, Beschluss vom 25.03.2009, Az. 8 B 07.197; BVerwG, Beschluss vom 18.11.2002, Az. 4 C 5/01).

Die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren ist danach zu beurteilen, ob der Widerspruchsführer im Zeitpunkt der Beauftragung seines Bevollmächtigten es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden (sog. Ex-ante-Sicht, vgl. BSG, Beschluss vom 29.09.1999, Az. B 6 KA 30/99 B m. w. N.). Der vorliegende Fall, in dem schwierige Rechtsfragen zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragestellungen thematisiert wurden, bedurfte aus Sicht der Klägerin sinnvollerweise anwaltlicher Unterstützung.
Rechtskraft
Aus
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