S 8 KR 193/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 193/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.680,15 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Pro¬zentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 15. August 2009 sowie vor¬gerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 192,90 EUR zu zahlen. Die Verfahrenskosten werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine weitere Vergütung einer von der Klägerin erbrachten Krankenhausbehandlung mit der Frage einer sog. Fallzusammenführung.

Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Plankrankenhaus und hat den 1935 gebore¬nen und bei der Beklagten versicherten H S (Versicherter) im Januar und Februar 2007 stationär behandelt. Zunächst erfolgte eine vollstationäre Behand¬lungsmaßnahme in der Klinik für Pneumologie mit einer Gewebeentnahme zur Klä¬rung der Verdachtsdiagnose Bronchialkarzinom in der Zeit vom 15. Januar bis zum 19. Januar 2007. Diese Behandlungsmaßnahme wurde von der Klägerin unter der DRG-Ziffer E71B ("Neubildungen der Atmungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC und ohne starre Bronchoskopie") mit einem Betrag von 1.687,92 EUR abgerechnet. Nach einigen Tagen wurde der Versicherte aufgrund der während des ersten Aufent¬haltes gesicherten Diagnose eines Bronchialkarzinoms für den medizinisch notwen¬digen operativen Eingriff erneut aufgenommen und vom 24. Januar bis zum 6. Feb¬ruar 2007 behandelt. Diese Behandlung wurde der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG-Ziffer E01A ("Revisionseingriff, beidseitige Lobektomie, erweiterte Lungenresektionen und andere komplexe Eingriffe am Thorax mit Revisionseingriff, beidseitiger Lobektomie, erweiterter Lungenresektionen oder Endarteriektomie der A. pulmonalis") mit 11.565,11 EUR in Rechnung gestellt.

Die Beklagte beglich die beiden Rechnungen. Nach einer Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verlangte sie gegenüber der Klägerin die Rückzahlung von 1.680,15 EUR. Die Krankenhausbehandlung hätte in ei¬nem durchgehenden Aufenthalt erfolgen könne. Die Abrechnung der ersten Be¬handlung mit der DRG E71B sei zu Unrecht erfolgt. Nachdem die Klägerin auf das Rückforderungsbegehren nicht einging, verrechnete die Beklagte unter dem 27. Januar 2009 die geltend gemachte Rückforderung mit einem später entstandenen Vergütungsanspruch.

Die Klägerin hat Klage erhoben, mit der sie die Auszahlung der Vergütung für den ersten Krankenhausaufenthalt geltend macht. Die Krankenhausaufenthalte seien durch die jeweilige medizinische Notwendigkeit geprägt gewesen. In der Zeit vom 19. Januar bis zum 24. Januar 2007 habe eine medizinische Notwendigkeit für eine stationäre Behandlung bestanden. Die Aufnahme am 24. Januar zur operativen Maßnahme sei un¬ter Berücksichtigung der Kapazität der Klinik für Thoraxchirurgie einschließlich inten¬sivmedizinischer Überwachungsmöglichkeit erfolgt. Darüber hinaus habe beim Versi¬cherten eine ausgeprägte Angststörung mit der Notwendigkeit einer perioperativen medikamentösen Behandlung bestanden. Nach den einschlägigen Gesetzesvorschriften und Verträgen bestände kein Anlass für eine sog. Fallzusammenführung. Es habe kein Fall der Beurlaubung oder der Wiederaufnahme vorgelegen. Zur Stützung des Klagebegehrens verweist die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Juli 2010 – L 5 KR 252/09 -.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.680,15 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über den Basiszinssatz der EZB seit dem 15. August 2009 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 192,90 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin habe vorliegend den Krankenhausaufenthalt des Versicherten allein aus wirtschaft¬lichen Gründen in zwei Behandlungsphasen aufgeteilt. Es handele sich um ein unzu-lässiges Fallsplitting, da ein einziger Behandlungsfall vorgelegen habe. Es läge keine Wiederaufnahme im Sinne des § 2 Fallpauschalenvereinbarung 2007 - FPV 2007 - vor. Viel-mehr habe vorliegend eine Beurlaubung stattgefunden. Die angegebenen Gründe sprächen jedenfalls für eine Beurlaubung. Eine Beurlaubung müsse sich nicht nur über einige Stunden erstrecken. Insgesamt müsse unter der Prämisse der überge¬ordneten, bundesgesetzlichen Regelung aus § 17 b Abs.1 Satz 3 des Krankenhausfinanzierungsge¬setzes (KHG), wonach die DRG-Fallpauschale sämtliche Krankenhausleistungen für einen Be¬handlungsfall abbilden sollen. Die im streitbefangenen Behandlungsfall stattgehabte, planmäßige Unterbrechung der noch nicht abgeschlossenen Behandlung müsse als Beur¬laubung i.S.d. § 1 Abs. 7 Satz 4 FPV 2007 bewertet werden. Gemäß § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2007 läge bei einer Fortsetzung der Krankenhausbehandlung nach einer Beurlau-bung ausdrücklich keine Wiederaufnahme i.S.v. § 2 FPV 2007 vor.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schrift¬sätze der Beteiligten und die eingeholten Stellungnahmen des Verbandes der Priva¬ten Krankenversicherung e.V. vom 16. August 2011, des GKV-Spitzenverbandes der Krankenkassen vom 29. August 2011 und der Deutschen Krankenhausgesell¬schaft vom 15. September 2011 nebst beigefügter Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu. Die von der Beklagten durchgeführte Verrechnung ist rechtswidrig. Grundsätzlich ist die Beklagte nach der vertraglichen Vereinbarung der Beteiligten vom 11. November 2003 zwar zu Verrechnungen befugt. Vorliegend war die Verrechnung jedoch rechtswidrig, da der Beklagten der geltend gemachte Rückforderungsanspruch aus der Behandlung des Versicherten nicht zustand.

Grundlage des Zahlungsanspruchs der Klägerin aus der Behandlung des Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und § 17 b des Krankenhaus¬finanzierungsgesetzes (KHG) und der danach zwischen den Bundesverbänden der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen Verein¬barung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007 (Fallpauschalenvereinbarung 2007 - FPV 2007 -). Die Klägerin hatte die beiden stationären Behandlungen zulässigerweise mit jeweils einer DRG (E71B und E01A) abgerechnet. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten handelte es sich vorliegend nicht um ein unzulässiges Splitting eines Behandlungsfalles. Denn die Zulässigkeit der von der Klägerin durchgeführten Behandlungsweise ergibt sich aus der Fallpauschalenvereinbarung 2007.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten lag vorliegend ein Wiederaufnahmefall im Sinne des § 2 FPV 2007 vor, und zwar des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FPV 2007. Denn in¬nerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe E war die erste, zuvor abrechen¬bare Fallpauschale "E71B" in die Gruppe "medizinische Partition" (60-99, hier: 71) und die zweite, anschließende Fallpauschale "E01A" in die Gruppe "operative/chirurgische Partition" (01–39, hier: 01) einzugruppieren. Des Weiteren ergibt sich aus der FVP 2007 ebenso deutlich, dass in diesem Fall eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fall¬pauschale nicht vorzunehmen war. Denn vorliegend konnte der erste Krankenhausauf¬enthalt mit der Fallpauschale E71B abgerechnet werden, die in Spalte 13 der Anlage zur FPV 2007 als "Ausnahme von Wiederauf¬nahme 4)" gekennzeichnet war.

Unter Berücksichtigung dieser verbandsvertraglichen Bewertung von Behandlungs¬fällen besteht nach Auffassung des Gerichts kein Anlass, von einem unzulässigen Fallsplitting auszugehen. Zu dieser Einschätzung kommen zutreffend auch der Ver¬band der privaten Krankenversicherung e. V. und die Krankenhausgesellschaft. Der GKV-Spitzenverband hat keine ausdrückliche Stellungnahme abgegeben.

Eine von der Beklagten geltend gemachte Beurteilung der vorliegenden Fallkonstellation als Beurlaubung bleibt unter Be¬rücksichtigung des gegebenen Sachverhalts und der oben dargelegten Bewertung der FPV 2007 außer Betracht. Denn es ist jedenfalls nicht auf Anhieb und eindeutig vom Sachverhalt einer Beurlau¬bung auszugehen. Unter Berücksichtigung der Wertung des § 2 Abs. 2 Satz 2 FPV 2007 besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung, von einer sinngemäßen Anwendung der Beurlaubungsregelung auszugehen bzw. allgemein zu erörtern, wie weit ein Beurlaubungsfall im Sinne des § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2007 gefasst werden kann. Insoweit bliebe jedoch zu berücksichtigen, dass eine Beurlaubung einen noch nicht abgeschlossenen stationären Behandlungsfall voraussetzt, von dem das Gericht im vorliegenden Fall bei einer definitionsgemäßen Wiederaufnahme nicht aus¬gegangen ist. Dagegen spricht auch, dass die Vertragsparteien der FPV 2007 nach den Aus¬künften der angehörten Vertragsbeteiligten und den von diesen zitierten Anlagen und Notizen gerade einen onkologischen Fall wie den vorliegenden mit einer diagno¬sestellenden Behandlung einerseits und einer operativen Behandlungsmaßnahme andererseits nicht zwangsläufig bzw. eher nicht als einen Behandlungsfall bewerten.

Es bestand kein Anlass für eine weitergehende Überprüfung der von der Klägerin zugrundegelegten DRG-Ziffern bzw. gab keine Anhaltspunkte dafür, dass diese falsch ermittelt worden seien. Diesbezüglich wurden auch von der Beklagten keine Einwände erho-ben.

Der geltend gemachte Zinsanspruch und die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungs¬kosten sind als Verzugsschaden plausibel dargelegt. Auch diesbezüglich erfolgten keine Einwände seitens der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 54 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Rechtskraft
Aus
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