S 19 AS 1036/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 1036/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2012 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 01.02.2012 bis 31.07.2012 Leistungen zur Bildung und Teilhabe in Form von außerschulischer Lernförderung nach dem SGB II in Höhe von 78,00 Euro monatlich zu gewähren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Leistungen für Bildung und Teilhabe nach dem SGB II für den Zeitraum Februar 2012 bis Juli 2012 in Form von Übernahme der Aufwendungen für Nachhilfeunterricht in Mathematik.

Die am 10.11.1995 geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer Bedarfsgemeinschaft, deren Mitgliedern mit Bescheid vom 05.10.2011 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.11.2011 bis 30.04.2012 und mit Bescheid des Beklagten für den Zeitraum 01.05.2012 bis 31.10.2012 bewilligt wurden.

Im streitgegenständlichen Zeitraum besuchte die Klägerin die 9. Klasse der XXX. Außerschulische Lernförderung oder Hausaufgabenbetreuung wurde seitens der von der Klägerin besuchten Schule nicht angeboten. Die Klägerin erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum Gruppen-Nachhilfeunterricht in Mathematik für wöchentlich 90 Minuten bei dem Anbieter XXX in XXX - wo die Mutter der Klägerin sie angemeldet hatte - und wofür ein Mitgliedsbeitrag in Höhe von 78,00 EUR monatlich anfiel, welchen die Mutter der Klägerin selbst aufbrachte.

Die Leistungen der Klägerin im Fach Mathematik wurden im Zeugnis für das erste Halbjahr der Klasse 7 mit der Note ungenügend und im Zeugnis für das zweite Halbjahr der Klasse 7 mit der Note mangelhaft bewertet. Die Klägerin erhielt im 8. Schuljahr durchgängig sowie im ersten Halbjahr des 9. Schuljahres teilweise außerschulische Nachhilfe in Mathematik, wofür ihr am Ende des 8. Schuljahres für zwei Monate Leistungen für Bildung und Teilhabe von dem Beklagten bewilligt wurden. Die Leistungen der Klägerin im Fach Mathematik wurden im Zeugnis für das erste Halbjahr der Klasse 8 mit der Note befriedigend und im Zeugnis für das zweite Halbjahr der Klasse 8 sowie im Zeugnis für das erste Halbjahr der Klasse 9 mit der Note ausreichend bewertet.

Am 27.01.2012 beantragte die Mutter der Klägerin für diese außerschulische Lernförderung für das zweite Halbjahr der 9. Klasse. Die Klägerin benötige außerschulische Lernförderung, da die schulischen Angebote nicht für die notwendige Förderung ausreichten. Dem Antrag fügte sie eine Stellungnahme der Klassenlehrerin sowie des Mathematiklehrers der Klägerin bei, wonach die Klägerin im Fach Mathematik das Lernziel der Klasse 9 voraussichtlich nicht erreichen werde und die Leistungen nicht ausreichend seien. Ferner seien die Versetzung in die nächste Klasse sowie der angestrebte Schulabschluss (Fachoberschulreife) gefährdet. Nach ihrer fachlichen Einschätzung bestehe die Wahrscheinlichkeit, die festgestellten Defizite der Klägerin durch außerschulische Lernförderung insoweit zu beheben, dass das Lernziel in absehbarer Zeit noch erreicht werden könne. Eine außerschulische Nachhilfe und individuelle Förderung der Klägerin in Mathematik sei äußerst notwendig und sinnvoll, da die bestehenden Defizite ohne außerschulische Lernförderung nicht zu beheben seien. Der Schulbesuch der Klägerin sei regelmäßig und es bestünden keine unentschuldigten Fehlzeiten.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.02.2012 ab. Zur Begründung führte er aus, die außerschulische Lernförderung könne nicht bewilligt werden, da die Klägerin eine längerfristige Förderung benötige. Leistungen für Lernförderung zielten jedoch auf eine kurzfristige Lernförderung maximal für die Dauer von zwei Monaten und im Umfang von durchschnittlich 20 Unterrichtseinheiten ab. Die Leistungen zur Bildung und Teilhabe in Form von außerschulischer Lernförderung nach dem SGB II seien daher nicht geeignet, die bei der Klägerin vorhandenen Lerndefizite zu beseitigen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, am 24.02.2012 Widerspruch, mit welchem sie geltend machte, die Nachhilfe sei lediglich "in der Regel" nur kurzzeitig nötig, es könne jedoch auch eine weitergehende Lernförderung gewährt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Darin führte der Beklagte aus, außerschulische Lernförderung sei als Sonderbedarf nur im Ausnahmefall zu erbringen, um eine vorübergehende Lernschwäche zu beheben und wenn die außerschulische Lernförderung damit nur kurzzeitig notwendig sei. Dies sei hinsichtlich der Klägerin ausweislich der Stellungnahmen ihrer Lehrer sowie deswegen nicht der Fall, weil die Klägerin bereits im 8. Schuljahr durchgängig Nachhilfe in Mathematik erhalten habe.

Gegen den Bescheid des Beklagten 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2012 hat die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, am 09.03.2012 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II für eine außerschulische Lernförderung seien erfüllt. Die Nachhilfe in Mathematik sei geeignet und erforderlich für die Klägerin, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen; dies ergebe sich aus der Stellungnahme der Lehrer der Klägerin. Eine Begrenzung der Förderung auf einen Zeitraum von zwei Monaten sei dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2012 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 01.02.2012 bis 31.07.2012 Leistungen zur Bildung und Teilhabe in Form von außerschulischer Lernförderung nach dem SGB II in Höhe von 78,00 Euro monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge sowie des angefochtenen Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der getätigten Aufwendungen in Höhe von 78,00 Euro monatlich im Zeitraum 01.02.2012 bis 31.07.2012 für den Nachhilfeunterricht in Mathematik. Insoweit ist auch der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2012 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin ist prozessfähig. Sie ist im Verlauf des Verfahrens volljährig geworden und konnte mit Erreichen der Volljährigkeit am 10.11.2013 das Verfahren selbst weiterführen.

Streitgegenstand ist allein der von dem Beklagten durch Bescheid 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2012 abgelehnte Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Bildung und Teilhabe in Form von außerschulischer Lernförderung gemäß §§ 19 Abs. 2 i.V.m. 28 Abs. 1, Abs. 5 SGB II. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden kann (BSG, Urt. v. 10.09.2013 – B 4 AS 12/13 R; Urt. v. 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R [zu § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954] jeweils m.w.N.). Bei dem Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe gemäß § 28 Abs. 5 SGB II handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht (BSG, a.a.O.).

Die Klägerin verfolgt den Anspruch auf Leistungen für den Nachhilfeunterricht in Mathematik - nachdem sie für diese Kosten in Vorleistung getreten ist - im streitgegenständlichen Zeitraum auch in zulässiger Weise als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG, a.a.O., siehe zum Erstattungsanspruch auch BSG, Urt. v. 23.05.2013 – B 4 AS 79/12 R).

In zeitlicher Hinsicht ist über den Anspruch der Klägerin - entsprechend ihres Begehrens – für das zweite Schulhalbjahr des Schuljahres 2011/2012 zu entscheiden. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II gesondert zu beantragen. Dahinstehen kann, ob § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden sollen, auch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen Anwendung findet und ob diese kongruent zu dem Bewilligungsabschnitt der Regelleistungen und Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II erbracht und beantragt werden müssen (vgl. hierzu Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 28 Rn 70; SG Braunschweig, Urt. v. 08.08.2013 – S 17 AS 4125/12). Denn im Fall der Leistungsablehnung ist im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich über den geltend gemachten Anspruch ab Antragstellung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden (BSG, Urt. v. 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R). Vorliegend wurde der Antrag auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, welcher durch den Beklagten vollständig abgelehnt wurde, am 27.01.2012 für die Zeit ab 01.02.2012 gestellt. Die Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Zeit bis zum 31.07.2012 ergibt sich aus dem ausdrücklichen Begehren der Klägerin, der in diesem Zeitraum Aufwendungen für Nachhilfeunterricht in Mathematik entstanden sind.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch gegen den Beklagten auf Leistungen zur Bildung und Teilhabe in Form von außerschulischer Lernförderung (hier: Nachhilfeunterricht in Mathematik) gemäß §§ 19 Abs. 2 i.V.m. 28 Abs. 1, Abs. 5 SGB II.

Leistungsberechtigte haben nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB II unter den Voraussetzungen des § 28 SGB II Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben. Nach § 28 Abs. 5 SGB II wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II werden Bedarfe für Bildung nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

Die Klägerin war leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund bestandskräftiger Bescheide des Beklagten bezog. Ferner hatte sie im streitgegenständlichen Zeitraum das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und besuchte eine allgemeinbildende Schule (Realschule).

Der Nachhilfeunterricht der Klägerin stellt eine schulische Angebote ergänzende Lernförderung dar. Mit diesem Kriterium soll sichergestellt werden, dass zunächst schulische Angebote wahrgenommen und ausgeschöpft werden, um die bei dem/der Schüler/in vorhandenen Defizite auszugleichen, bevor außerschulische Lernförderung in Anspruch genommen wird (BT-Drs. 17/3404 S. 105). An der von der Klägerin besuchten Realschule in XXX wurde jedoch weder eine Hausaufgabenbetreuung noch eine zusätzliche Lernförderung angeboten.

Der Nachhilfeunterricht in Mathematik war auch geeignet und zusätzlich erforderlich für die Klägerin, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.

Wesentliches Lernziel ist dasjenige, welches sich im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergibt (BT-Drs. 17/3404 S. 105). Wesentliches Lernziel nach den nordrhein-westfälischen Bestimmungen zur neunten Klasse der Realschule ist zunächst das Erreichen der Versetzung. Ein weiteres überprüfbares Lernziel lässt sich den im maßgeblichen Zeitraum geltenden nordrhein-westfälischen schulrechtlichen Bestimmungen nicht entnehmen. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Schulgesetz NRW i.V.m. der Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I – APO-S I) vom 29.04.2005 wird nach § 21 Abs. 1 APO-S I (Allgemeine Versetzungsbestimmungen) eine Schülerin oder ein Schüler versetzt, wenn die Leistungen in allen Fächern und Lernbereichen ausreichend oder besser sind oder nicht ausreichende Leistungen gemäß §§ 24 bis 27 ausgeglichen werden können oder unberücksichtigt bleiben. § 25 APO-S I (Besondere Versetzungsbestimmungen für die Realschule) bestimmt, in welchen Fällen in der Realschule ein Ausgleich mangelhafter Noten - u.a. auch in Mathematik - möglich ist. Erforderlich für die Versetzung ist damit ein im Durchschnitt ausreichendes Leistungsniveau, womit auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus ein wesentliches Lernziel darstellt (BT-Drs. 17/3404 S. 105, LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 28.02.2012 – L 7 AS 43/12 B ER; SG Marburg, Beschl. v. 01.11.2012 – S 5 AS 213/12 ER; SG Bremen, Beschl. v. 14.04.2011 – S 23 AS 357/11 ER; SG Halle, Beschl. v. 19.03.2010 – S 7 AS 1072/10 ER).

Hierfür war der Nachhilfeunterricht in Mathematik geeignet und erforderlich. Geeignetheit und Erforderlichkeit sind bezogen auf das jeweilige Lernziel anhand einer auf das Schuljahresende bezogenen prognostischen Einschätzung zu bestimmen (BT-Drs. 17/3404 S. 105).

An der Eignung fehlt es insbesondere dann, wenn das Lernziel objektiv nicht mehr erreicht werden kann. Die Erforderlichkeit kann entfallen, wenn die Ursache für die Lernschwäche in unentschuldigtem Fehlen oder Vergleichbarem begründet ist. Für beides bestehen jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte. Zur Beurteilung von Geeignetheit und Erforderlichkeit kann im Wesentlichen auf die Empfehlungen der besuchten Schule zurückgegriffen werden, da Lernförderbedarfe ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404 S. 105) im Rahmen der pädagogisch ohnehin gebotenen Diagnoseaufgaben der Lehrkräfte an Schulen festgestellt werden können. Insoweit verweist die Kammer auf die fachkundigen Stellungnahme der Klassenlehrerin und des Mathematiklehrers der Klägerin, an welcher die Kammer keinen Anlass sieht zu zweifeln. Die Stellungnahme ist in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Diese führt aus, dass die Klägerin im Fach Mathematik das Lernziel voraussichtlich nicht erreichen werde, jedoch die Wahrscheinlichkeit bestehe, die festgestellten Defizite der Klägerin durch außerschulische Lernförderung insoweit zu beheben, dass das Lernziel in absehbarer Zeit noch erreicht werden könne und die bestehenden Defizite ohne außerschulische Lernförderung nicht zu beheben seien. Auch der Beklagte hat diese fachkompetenten Einschätzungen weder in Frage gestellt noch sonst inhaltlich Einwände vorgebracht. Sollten insoweit Zweifel seitens des Beklagten bestanden haben, wäre es geboten gewesen, im Rahmen der Amtsermittlung tätig zu werden (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 28 Rn 44).

Dem Anspruch steht nach Auffassung der Kammer auch weder entgegen, dass die Lernförderung für sechs Monate begehrt wird, noch, dass die Klägerin auch bereits das gesamte Schuljahr zuvor (2010/11) sowie den Großteil des ersten Schulhalbjahres der neunten Klasse Nachhilfeunterricht in Mathematik erhalten hat.

Nach Auffassung der Kammer kann zum Erreichen des Lernziels eines ausreichenden Leistungsniveaus auch eine Lernförderung erforderlich sein, um ausreichende Leistungen beizubehalten und nicht allein eine Lernförderung zur Verbesserung mangelhafter oder ungenügender zu ausreichenden Leistungen (SG Braunschweig, Urt. v. 08.08.2013 – S 17 AS 4125/12). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Notwendigkeit der Lernförderung deswegen nicht gegeben ist, weil ein Wechsel der Schulform oder eine Wiederholung der Klasse angezeigt gewesen wäre. Zwar sollen die Leistungen zur außerschulischen Lernförderung nicht dazu dienen, einen Schüler in einer Schulform zu halten, die ihrem Leistungsniveau nicht angemessen ist. Dies ist jedoch hinsichtlich der Klägerin auch nicht der Fall. Vielmehr hat die Klägerin in anderen Fächern durchaus auch stabil befriedigende Leistungen erreicht, vornehmlich in Mathematik bedurfte sie jedoch einer zusätzlichen Förderung.

Soweit nach der Gesetzesbegründung Lernförderung in der Regel nur kurzzeitig notwendig ist, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben, so hat dies im Gesetzeswortlaut keinen hinreichenden Ausdruck gefunden (SG Marburg, Beschl. v. 01.11.2012 – S 5 AS 213/12 ER; SG Itzehoe, Beschl. v. 22.08.2013 – S 10 AS 156/13 ER; Beschl. v. 03.04.2012 – S 11 AS 50/12 ER; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 28 Rn 45; Leopold in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 28 Rn 110). Insbesondere soweit der Beklagte hieraus den Schluss zieht, dass die Bewilligung von Leistungen für eine außerschulische Lernförderung regelmäßig nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Betracht komme, findet diese Auffassung im Gesetz keine Stütze. Der Wortlaut erfordert allein die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung, eine zeitliche Grenze lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Zwar ist bei der Auslegung von Gesetzen auch der Wille des Gesetzgebers maßgebend, nach den anerkannten Auslegungskriterien sind daneben jedoch auch der Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der Wortlaut (welcher zugleich die Grenze der möglichen Auslegung bildet) bei der Auslegung zu berücksichtigen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung war die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, wonach es für die vollständige Gewährleistung des Existenzminimums eines Schulkindes erforderlich ist, auch einen durch den Schulbesuch entstehenden zusätzlichen Bedarf hinreichend abzudecken, weil ohne die Deckung dieses Bedarfs der Ausschluss von Lebenschancen droht (BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Rn 192, 197). Ohne hinreichende staatliche Leistungen bestehe die Gefahr, dass Schulkinder aufgrund des Bezugs von Leistungen zur Grundsicherung in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können (BVerfG, a.a.O, Rn 192, 197). Durch eine pauschale Begrenzung des Anspruchs würde jedoch die Verwirklichung dieser Chancengerechtigkeit gerade nicht erreicht werden.

Nach alledem ist die Kammer der Überzeugung, dass bei jedem Schüler anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist, ob eine Eignung und Erforderlichkeit der Lernförderung gegeben sind. Hiervon ist die Kammer bezüglich der von der Klägerin begehrten Förderung nach den in dem Verfahren getroffenen Feststellungen überzeugt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Der Nachhilfeunterricht der Klägerin stellt auch eine angemessene Lernförderung dar. Die Lernförderung ist angemessen, wenn sie im Rahmen der örtlichen Angebotsstruktur auf kostengünstige Anbieter zurückgreift, wobei sich die Angemessenheit der Höhe der Vergütung nach der konkret benötigten Lernförderung und den ortsüblichen Sätzen richtet (BT-Drs. 17/3404 S. 105). Das von der Klägerin wahrgenommene Angebot des XXX in XXX in Höhe von 78,00 EUR monatlich für wöchentlich 90 Minuten Gruppennachhilfeunterricht in Mathematik erscheint der Kammer angemessen. Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit liegen nicht vor. Auch der Beklagte hat insoweit keine Bedenken geltend gemacht; dies zeigt sich auch in der Übernahme der Kosten für den Nachhilfeunterricht der Klägerin durch den Beklagten für zwei Monate während der 8. Klasse.

Unschädlich für den Anspruch der Klägerin ist auch, dass sie sich die Leistung bereits aus eigenen Mitteln selbst beschafft hat und ihr Bedarf somit schon gedeckt worden ist. Die Selbstbeschaffung sollte die fehlende Unterstützung des Beklagten lediglich ersetzen und kann der Klägerin aufgrund der Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegen gehalten werden. Die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (BSG, Urt. v. 23.05.2013 – B 4 AS 79/12 R; Urt. v. 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 29 Rn 19).

Nach alledem steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu. Insoweit ist auch der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2012 rechtswidrig, verletzt die Klägerin in ihren Rechten und war daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat die Berufung nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Zulassungsbedürftigkeit folgt aus den §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes (468,00 Euro, Leistungen in Höhe von 78,00 Euro monatlich für sechs Monate) beträgt für die Parteien nicht mehr als 750 Euro (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Gründe für die Zulassung der Berufung liegen indes nicht vor. Anhaltspunkte insbesondere für eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) oder dafür, dass das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG), bestehen jedoch nicht.
Rechtskraft
Aus
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