Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 29 AS 953/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Auszahlung einer Stornorücklage (sog. Stornoreserve) ist als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II zu berücksichtigen.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt ¼ der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009. Streitig ist insbesondere, ob die an die Klägerin ausgezahlte Stornorücklage als Einkommen anzurechnen ist.
Die ... 1952 geborene, erwerbsfähige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und war bis Februar 2007 als Handelsvertreterin für die D. Versicherungen tätig. Wie vertraglich vereinbart, behielt die D. Versicherungen einen Teil der von der Klägerin erzielten Provisionen als vertraglich vereinbarte Stornorücklage ein. Diese Stornorücklage wurde auf ein Konto der D. Versicherungen übernommen und während der vereinbarten Haftungszeit zum Ausgleich von Provisionsstorni verwendet.
Ab September 2008 bezog die Klägerin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Ab November 2008 nahm die Klägerin erneut eine selbständige Tätigkeit als Versicherungsverkäuferin auf.
Die Klägerin lebte zum streitgegenständlichen Zeitraum in einer 59,54 qm großen 2,5-Zimmer-Wohnung in der Th.-A. in Z., für die sie monatlich eine Grundmiete in Höhe von 270,60 Euro zzgl. Betriebskosten in Höhe von 71,69 Euro, und Heizkosten in Höhe von 52 Euro entrichtete. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral.
Für den Bewilligungszeitraum vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 bewilligte der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von jeweils 666,50 Euro monatlich; ab Juli 2009 monatlich 674,50 Euro (Bescheide vom 11. Februar 2009 und vom 6. Juni 2009). Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich vorläufig, weil im Hinblick auf das noch nicht feststehende Einkommen der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne.
Die Klägerin erzielte im streitigen Zeitraum Einnahmen aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Versicherungsverkäuferin in Höhe von 1064,19 Euro. Gleichzeitig leistete sie in diesem Zeitraum von ihren Einnahmen Beiträge als IHK-Mitglied in Höhe von 259,71 Euro, daneben bestritt sie Kosten für Porto und Büromaterial in Höhe von 123,90 Euro, für Präsente in Höhe von 79,34 Euro, für Telefon (auch private Nutzung) in Höhe von 304,58 Euro sowie für Kontoführungsgebühren für das Geschäftskonto bei der ...bank in Höhe von 17,92 Euro. Hinzu kamen die Kosten für die Nutzung des überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs in Höhe von insgesamt 175,67 Euro (Versicherung und Sprit). Im streitigen Zeitraum legte die Klägerin mit diesem Fahrzeug 138 km für per Fahrtenbuch nachgewiesene private Fahrten zurück. Hinsichtlich der Betriebsausgaben wird auf die Blätter 173 bis 257 der Verwaltungsakte des Beklagten Band I verwiesen.
Darüber hinaus zahlten die D. Versicherungen am 28. Mai 2009 den Restbetrag aus der Stornorücklage in Höhe von 2831,80 Euro an die Klägerin aus. Im Juni 2009 erzielte die Klägerin Zinseinnahmen in Höhe von 110,25 Euro. Am 14. Juli 2009 beglich die Klägerin ihre Einkommensteuerschuld aus dem Jahr 2007 durch Zahlung von 4609,11 Euro an das Finanzamt Z ...
Mit Bescheid vom 11. Februar 2010 setze der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 endgültig fest. In Ansehung des endgültig festgestellten Einkommens aus selbständiger Tätigkeit bestehe ein geringerer Leistungsanspruch. Mit Bescheid vom gleichen Tag machte er gegenüber der Klägerin eine Erstattungsforderung von insgesamt 2381,55 Euro geltend. Die Klägerin erhob gegen beide Bescheide Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens änderte der Beklagte die endgültige Leistungsbewilligung mit Änderungsbescheid vom 13. Januar 2011 nochmals ab und verminderte mit gesondertem Bescheid vom gleichen Tag den Erstattungsbetrag auf 2240,79 Euro. Den Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid wies er im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011, zugegangen am 31. Januar 2011, als unbegründet zurück. Den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid wies der Beklagte im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011, zugegangen am 5. August 2013, als unbegründet zurück.
Gegen den Festsetzungsbescheid hat die Klägerin am 24. Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 29 AS 953/11 erhoben. Gegen den Erstattungsbescheid hat die Klägerin am 22. August 2013 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 29 AS 3756/13 erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die an sie gezahlte Stornorücklage nicht als Einkommen auf den Leistungsanspruch anzurechnen sei. Es handele sich hierbei um Vermögen. Zudem sei die Begleichung ihrer Einkommensteuerschuld als Betriebsausgabe im Rahmen der Einkommensermittlung mindernd zu berücksichtigen.
Mit Beschluss vom 3. Februar 2014 hat die Kammer die Verfahren S 29 AS 953/11 und S 29 AS 3756/13 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
In der Mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2014 hat der Beklagte folgendes Teilanerkenntnis abgegeben:
"Der Beklagte erkennt an, unter Abänderung des Festsetzungsbescheides vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für März bis Mai 2009 in Höhe von jeweils 395 Euro monatlich, für Juni 2009 in Höhe von 285 Euro und für Juli bis August 2009 in Höhe von jeweils 403 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte erkennt an, unter Abänderung des Erstattungsbescheides vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 gegenüber der Klägerin die Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum März bis August 2009 auf 1739 Euro zu begrenzen."
Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt nunmehr,
den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 zu gewähren und
den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig und verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Da die Klägerin während der sogenannten Haftungszeit über die Stornorücklage nicht verfügen konnte, konnte diese nicht dem Vermögensaufbau diesen. Bei Auszahlung im Mai 2009 sei diese als Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu berücksichtigen. Die Einkommensteuerschuld sei keine Betriebsausgabe für die selbständige Tätigkeit der Klägerin. Darüber hinaus können von der Klägerin getätigte Präsente nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt werden, da diese für die Tätigkeit nicht notwendig waren.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage in Form der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit § 56 SGG) ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht nach § 87 SGG erhoben. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten hinsichtlich des Erstattungsbescheides vom 26. Januar 2011 ist der Klägerin erst am 5. August 2013 mittels Zustellung an ihre Prozessbevollmächtigte zugegangen. Einen früheren Zugang konnte der Beklagte nicht nachweisen. Daher erfolgte die Klageerhebung in dem Verfahren S 29 AS 3756/13 innerhalb der Klagefrist.
Die angegriffenen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten 11. Februar 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. Januar 2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Januar 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
1.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a) SGB II (in der Fassung vom 21. Dezember 2008) in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III).
2.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung der Klägerin nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) bedurfte es nicht (vgl. Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 328 Rn. 19).
3.
Die Bescheide sind nach Auffassung der Kammer nach Abgabe des Teilanerkenntnisses des Beklagten auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 328 Absatz 3 Satz 2 SGB III sind auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringer Höhe zuerkannt wird. Die Einkommenserzielung der Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum zur Minderung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II geführt. Der Beklagte hat die Höhe des Leistungsanspruchs sowie des zu erstattenden Betrages fehlerfrei ermittelt.
a) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Klägerin gehört ihrem Alter nach grundsätzlich zum Kreis der Leistungsberechtigten und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Kammer hat keinen Grund, anhand der vorliegenden Unterlagen an der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu zweifeln.
Der maßgebliche Bedarf ist anhand der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) zu bestimmen. Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Zu Recht ist der Beklagte bei der Bedarfsberechnung der Klägerin von einer Regelleistung von monatlich 351 Euro, ab Juli 2009 monatlich 359 Euro ausgegangen. Die Kosten der Unterkunft und Heizung betragen für die Klägerin insgesamt 387,96 Euro (ab Juli 2009 387,82 Euro) und setzen sich aus einer Grundmiete von 270,60 Euro zzgl. Betriebskosten in Höhe von 71,69 Euro und Heizkosten in Höhe von 52 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasseraufbereitung (6,33 Euro, ab Juli 2009 6,47 Euro) zusammen. Dies ist zwischen den Beteiligten nach Abgabe eines entsprechenden Teilanerkenntnisses des Beklagten in der Öffentlichen Sitzung vom 11. Februar 2014 unstreitig.
Der Gesamtbedarf der Klägerin beläuft sich demnach im streitgegenständlichen Zeitraum auf monatlich 738,96 Euro bzw. ab Juli 746,82 Euro.
b) Von dem Bedarf ist das zu berücksichtigende Einkommen in Abzug zu bringen. Als Einkommen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 5. Dezember 2006; im Folgenden aF) Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II und bestimmter weiterer, hier nicht einschlägiger Leistungen zu berücksichtigen.
aa)
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Einnahmen aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Versicherungsverkäuferin in Höhe von 1064,19 Euro.
Von dem Einkommen Selbständiger (hier ausgedrückt durch die Betriebseinnahmen) sind in einem ersten Schritt die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II aF abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Die Beiträge, die sich aus § 11 Abs. 2 SGB II aF ergeben, werden (im Grundsatz) erst in einem abschließenden Schritt auf das nach § 3 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (in der Fassung vom 18. Dezember 2008 – im Folgenden Alg II-VO) monatsweise verteilte Einkommen abgezogen.
Zunächst sind von den Betriebseinnahmen der Klägerin in Höhe von 1064,19 Euro die notwendigen Betriebsausgaben im Sinne des § 3 Abs. 2 Alg II-VO abzusetzen. Von den zugeflossenen Betriebseinnahmen sind die von dem Beklagten anerkannten Ausgaben (Mitgliedsbeiträge I., Kosten für die Porto und Büromaterial, die tatsächlichen Kosten für die Nutzung eines überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs abzüglich der Kosten für private Fahrten in Höhe von 0,10 Euro pro gefahrenem und per Fahrtenbuch nachgewiesenem km, Kontoführungsgebühren für das Geschäftskonto der Klägerin sowie die Telefonkosten für die privat und geschäftlich genutzten Telefone der Klägerin zur Hälfte) in Höhe von 715,69 Euro abzusetzen. Keine Berücksichtigung als Betriebsausgabe konnten nach Auffassung der Kammer die von der Klägerin für Geburtstage, Geburt, Einschulung und Goldene Hochzeit von Kunden getätigten Präsente im Wert von 79,34 Euro finden. Diese Kosten waren vermeidbar im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 Alg II-VO. Dies ist zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig. Insgesamt sind Betriebsausgaben in Höhe von 715,69 Euro als notwendig anzusehen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Zahlung einer Forderung des Finanzamtes wegen Einkommensteuerschuld aus dem Jahr 2007 in Höhe von 4609,11 Euro nicht als einkommensmindernd berücksichtigt werden. Es handelt sich nicht um eine Betriebsausgabe. Auch sind im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R, juris). Abgesehen davon, dass § 3 Alg II-VO in Verbindung mit § 11 Abs. 2 SGB II aF abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 4 AS 27/07 R, juris).
Die um die notwendigen Ausgaben bereinigten Einnahmen sind nach § 3 Abs. 4 Alg II-VO – abweichend von ihrem tatsächlichen Zufluss – gleichmäßig monatlich aufzuteilen. Damit werden Einnahmen fiktiv einem Monat zugeordnet, ohne dass zu überprüfen ist, ob sie in diesem Monat tatsächlich zur Bedarfsdeckung zur Verfügung standen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R, juris). Nach Verteilung der um die notwendigen Betriebsausgaben bereinigten Betriebseinnahmen steht monatlich ein Einkommen in Höhe von 58,08 Euro aus der selbständigen Tätigkeit der Klägerin zur Verfügung.
bb)
Hinzu kommen monatlich 471,97 Euro aus einer früheren selbständigen Tätigkeit der Klägerin. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die ihr am 25. Mai 2009 ausgezahlte Stornorücklage in Höhe von 2831,80 Euro als Einnahme anzusehen und nicht als Vermögen. Zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist von Folgendem auszugehen: Einkommen im Sinne des § 11 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie: BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R; Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R; Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R; Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R; juris).
Die Stornorücklage wird aus einbehaltenen Provisionen gebildet und wird nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem Versicherungsunternehmen und nach Ablauf der (nachlaufenden) Stornohaftungszeiten ausgezahlt, soweit es in dieser Zeit nicht zu Stornierungen von zuvor vermittelten Versicherungsverträgen kommt. Während dieser Haftungszeit wird sie von dem Versicherungsunternehmen einem für die Stornorücklage gebildeten Konto zugeführt. Ausgehend von dieser zwangsweisen Einbehaltung eines Teils der Provisionen und die mangelnde Verfügungsmacht über die Stornorücklage vor ihrer Auszahlung ist von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen nicht abzuweichen (ebenso zum nach Auffassung der Kammer insoweit vergleichbaren Überbrückungsgeld BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 78/12 R; Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 11a Rn. 20). Das Stornorücklage-Konto ist nicht einem Sparbuch vergleichbar, auf dem mit bereits erlangten Einkünften von der Klägerin oder aber dem Versicherungsunternehmen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wird. Vielmehr stand dieser Teil ihrer Provision der Klägerin während der gesamten Haftungszeit bis zum Auszahlungszeitpunkt nie zur Verfügung. Dieser Berücksichtigung widerspricht auch nicht, dass die Stornorücklage vom Versicherungsunternehmen zum Teil verzinslich angelegt wird. Sie diente gleichwohl primär der Haftung für stornierte Versicherungsverträge und wurde nicht freiwillig "angespart".
Die Stornorücklage ist nach § 3 Abs. 4 Alg II-VO abweichend von ihrem tatsächlichen Zufluss ebenfalls monatlich gleichmäßig auf den streitigen Zeitraum aufzuteilen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R, juris). Eine abweichende Berücksichtigung als einmalige Einnahme ist nicht angezeigt, da § 2 Abs. 4 Alg II-VO lediglich bei Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit anzuwenden ist.
Von dem Gesamteinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 530,05 Euro sind keine über § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II aF hinausgehenden Beträge abzusetzen. Dieser Betrag in Höhe von 100 Euro ("pauschale Werbungskosten") ist für den erwerbstätigen Hilfebedürftigen einmal abzusetzen; nur auf entsprechenden Nachweis hin können höhere Kosten Berücksichtigung finden. Solche Kosten sind hier nicht behauptet und nicht ersichtlich.
Es errechnet sich also aus 430,05 Euro (Gesamteinkommen abzüglich Grundfreibetrag) abzüglich des ersten Freibetrags nach § 30 SGB II aF in Höhe von 86,01 Euro ein zu berücksichtigendes Einkommen von 344,04 Euro monatlich, das die Regelbedarfe mindert.
cc)
Im Monat Juni 2009 sind weitere 110,25 Euro bedarfsminderndes Einkommen aus Kapitalerträgen anzurechnen.
Hieraus errechnen sich folgende monatliche Leistungsansprüche bzw. die Erstattungssumme.
Monat Anspruch bewilligt Differenz 03/2009 395 Euro 666,50 Euro 271,50 Euro 04/2009 395 Euro 666,50 Euro 271,50 Euro 05/2009 395 Euro 666,50 Euro 271,50 Euro 06/2009 285 Euro 666,50 Euro 381,50 Euro 07/2009 403 Euro 674,50 Euro 271,50 Euro 08/2009 403 Euro 674,50 Euro 271,50 Euro gesamt 1739,00 Euro
c) Die Erstattungsforderung gegen die Klägerin ist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a) SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III begründet.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses des Beklagten.
III.
Der Streitwert beträgt mehr als 750 Euro, so dass die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist.
Der Beklagte trägt ¼ der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009. Streitig ist insbesondere, ob die an die Klägerin ausgezahlte Stornorücklage als Einkommen anzurechnen ist.
Die ... 1952 geborene, erwerbsfähige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und war bis Februar 2007 als Handelsvertreterin für die D. Versicherungen tätig. Wie vertraglich vereinbart, behielt die D. Versicherungen einen Teil der von der Klägerin erzielten Provisionen als vertraglich vereinbarte Stornorücklage ein. Diese Stornorücklage wurde auf ein Konto der D. Versicherungen übernommen und während der vereinbarten Haftungszeit zum Ausgleich von Provisionsstorni verwendet.
Ab September 2008 bezog die Klägerin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Ab November 2008 nahm die Klägerin erneut eine selbständige Tätigkeit als Versicherungsverkäuferin auf.
Die Klägerin lebte zum streitgegenständlichen Zeitraum in einer 59,54 qm großen 2,5-Zimmer-Wohnung in der Th.-A. in Z., für die sie monatlich eine Grundmiete in Höhe von 270,60 Euro zzgl. Betriebskosten in Höhe von 71,69 Euro, und Heizkosten in Höhe von 52 Euro entrichtete. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral.
Für den Bewilligungszeitraum vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 bewilligte der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von jeweils 666,50 Euro monatlich; ab Juli 2009 monatlich 674,50 Euro (Bescheide vom 11. Februar 2009 und vom 6. Juni 2009). Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich vorläufig, weil im Hinblick auf das noch nicht feststehende Einkommen der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne.
Die Klägerin erzielte im streitigen Zeitraum Einnahmen aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Versicherungsverkäuferin in Höhe von 1064,19 Euro. Gleichzeitig leistete sie in diesem Zeitraum von ihren Einnahmen Beiträge als IHK-Mitglied in Höhe von 259,71 Euro, daneben bestritt sie Kosten für Porto und Büromaterial in Höhe von 123,90 Euro, für Präsente in Höhe von 79,34 Euro, für Telefon (auch private Nutzung) in Höhe von 304,58 Euro sowie für Kontoführungsgebühren für das Geschäftskonto bei der ...bank in Höhe von 17,92 Euro. Hinzu kamen die Kosten für die Nutzung des überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs in Höhe von insgesamt 175,67 Euro (Versicherung und Sprit). Im streitigen Zeitraum legte die Klägerin mit diesem Fahrzeug 138 km für per Fahrtenbuch nachgewiesene private Fahrten zurück. Hinsichtlich der Betriebsausgaben wird auf die Blätter 173 bis 257 der Verwaltungsakte des Beklagten Band I verwiesen.
Darüber hinaus zahlten die D. Versicherungen am 28. Mai 2009 den Restbetrag aus der Stornorücklage in Höhe von 2831,80 Euro an die Klägerin aus. Im Juni 2009 erzielte die Klägerin Zinseinnahmen in Höhe von 110,25 Euro. Am 14. Juli 2009 beglich die Klägerin ihre Einkommensteuerschuld aus dem Jahr 2007 durch Zahlung von 4609,11 Euro an das Finanzamt Z ...
Mit Bescheid vom 11. Februar 2010 setze der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 endgültig fest. In Ansehung des endgültig festgestellten Einkommens aus selbständiger Tätigkeit bestehe ein geringerer Leistungsanspruch. Mit Bescheid vom gleichen Tag machte er gegenüber der Klägerin eine Erstattungsforderung von insgesamt 2381,55 Euro geltend. Die Klägerin erhob gegen beide Bescheide Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens änderte der Beklagte die endgültige Leistungsbewilligung mit Änderungsbescheid vom 13. Januar 2011 nochmals ab und verminderte mit gesondertem Bescheid vom gleichen Tag den Erstattungsbetrag auf 2240,79 Euro. Den Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid wies er im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011, zugegangen am 31. Januar 2011, als unbegründet zurück. Den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid wies der Beklagte im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011, zugegangen am 5. August 2013, als unbegründet zurück.
Gegen den Festsetzungsbescheid hat die Klägerin am 24. Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 29 AS 953/11 erhoben. Gegen den Erstattungsbescheid hat die Klägerin am 22. August 2013 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 29 AS 3756/13 erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die an sie gezahlte Stornorücklage nicht als Einkommen auf den Leistungsanspruch anzurechnen sei. Es handele sich hierbei um Vermögen. Zudem sei die Begleichung ihrer Einkommensteuerschuld als Betriebsausgabe im Rahmen der Einkommensermittlung mindernd zu berücksichtigen.
Mit Beschluss vom 3. Februar 2014 hat die Kammer die Verfahren S 29 AS 953/11 und S 29 AS 3756/13 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
In der Mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2014 hat der Beklagte folgendes Teilanerkenntnis abgegeben:
"Der Beklagte erkennt an, unter Abänderung des Festsetzungsbescheides vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für März bis Mai 2009 in Höhe von jeweils 395 Euro monatlich, für Juni 2009 in Höhe von 285 Euro und für Juli bis August 2009 in Höhe von jeweils 403 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte erkennt an, unter Abänderung des Erstattungsbescheides vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 gegenüber der Klägerin die Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum März bis August 2009 auf 1739 Euro zu begrenzen."
Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt nunmehr,
den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 zu gewähren und
den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig und verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Da die Klägerin während der sogenannten Haftungszeit über die Stornorücklage nicht verfügen konnte, konnte diese nicht dem Vermögensaufbau diesen. Bei Auszahlung im Mai 2009 sei diese als Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu berücksichtigen. Die Einkommensteuerschuld sei keine Betriebsausgabe für die selbständige Tätigkeit der Klägerin. Darüber hinaus können von der Klägerin getätigte Präsente nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt werden, da diese für die Tätigkeit nicht notwendig waren.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage in Form der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit § 56 SGG) ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht nach § 87 SGG erhoben. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten hinsichtlich des Erstattungsbescheides vom 26. Januar 2011 ist der Klägerin erst am 5. August 2013 mittels Zustellung an ihre Prozessbevollmächtigte zugegangen. Einen früheren Zugang konnte der Beklagte nicht nachweisen. Daher erfolgte die Klageerhebung in dem Verfahren S 29 AS 3756/13 innerhalb der Klagefrist.
Die angegriffenen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten 11. Februar 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. Januar 2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Januar 2011 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
1.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a) SGB II (in der Fassung vom 21. Dezember 2008) in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III).
2.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung der Klägerin nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) bedurfte es nicht (vgl. Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 328 Rn. 19).
3.
Die Bescheide sind nach Auffassung der Kammer nach Abgabe des Teilanerkenntnisses des Beklagten auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 328 Absatz 3 Satz 2 SGB III sind auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringer Höhe zuerkannt wird. Die Einkommenserzielung der Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum zur Minderung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II geführt. Der Beklagte hat die Höhe des Leistungsanspruchs sowie des zu erstattenden Betrages fehlerfrei ermittelt.
a) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Klägerin gehört ihrem Alter nach grundsätzlich zum Kreis der Leistungsberechtigten und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Kammer hat keinen Grund, anhand der vorliegenden Unterlagen an der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu zweifeln.
Der maßgebliche Bedarf ist anhand der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) zu bestimmen. Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Zu Recht ist der Beklagte bei der Bedarfsberechnung der Klägerin von einer Regelleistung von monatlich 351 Euro, ab Juli 2009 monatlich 359 Euro ausgegangen. Die Kosten der Unterkunft und Heizung betragen für die Klägerin insgesamt 387,96 Euro (ab Juli 2009 387,82 Euro) und setzen sich aus einer Grundmiete von 270,60 Euro zzgl. Betriebskosten in Höhe von 71,69 Euro und Heizkosten in Höhe von 52 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasseraufbereitung (6,33 Euro, ab Juli 2009 6,47 Euro) zusammen. Dies ist zwischen den Beteiligten nach Abgabe eines entsprechenden Teilanerkenntnisses des Beklagten in der Öffentlichen Sitzung vom 11. Februar 2014 unstreitig.
Der Gesamtbedarf der Klägerin beläuft sich demnach im streitgegenständlichen Zeitraum auf monatlich 738,96 Euro bzw. ab Juli 746,82 Euro.
b) Von dem Bedarf ist das zu berücksichtigende Einkommen in Abzug zu bringen. Als Einkommen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 5. Dezember 2006; im Folgenden aF) Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II und bestimmter weiterer, hier nicht einschlägiger Leistungen zu berücksichtigen.
aa)
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Einnahmen aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Versicherungsverkäuferin in Höhe von 1064,19 Euro.
Von dem Einkommen Selbständiger (hier ausgedrückt durch die Betriebseinnahmen) sind in einem ersten Schritt die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II aF abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Die Beiträge, die sich aus § 11 Abs. 2 SGB II aF ergeben, werden (im Grundsatz) erst in einem abschließenden Schritt auf das nach § 3 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (in der Fassung vom 18. Dezember 2008 – im Folgenden Alg II-VO) monatsweise verteilte Einkommen abgezogen.
Zunächst sind von den Betriebseinnahmen der Klägerin in Höhe von 1064,19 Euro die notwendigen Betriebsausgaben im Sinne des § 3 Abs. 2 Alg II-VO abzusetzen. Von den zugeflossenen Betriebseinnahmen sind die von dem Beklagten anerkannten Ausgaben (Mitgliedsbeiträge I., Kosten für die Porto und Büromaterial, die tatsächlichen Kosten für die Nutzung eines überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs abzüglich der Kosten für private Fahrten in Höhe von 0,10 Euro pro gefahrenem und per Fahrtenbuch nachgewiesenem km, Kontoführungsgebühren für das Geschäftskonto der Klägerin sowie die Telefonkosten für die privat und geschäftlich genutzten Telefone der Klägerin zur Hälfte) in Höhe von 715,69 Euro abzusetzen. Keine Berücksichtigung als Betriebsausgabe konnten nach Auffassung der Kammer die von der Klägerin für Geburtstage, Geburt, Einschulung und Goldene Hochzeit von Kunden getätigten Präsente im Wert von 79,34 Euro finden. Diese Kosten waren vermeidbar im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 Alg II-VO. Dies ist zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig. Insgesamt sind Betriebsausgaben in Höhe von 715,69 Euro als notwendig anzusehen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Zahlung einer Forderung des Finanzamtes wegen Einkommensteuerschuld aus dem Jahr 2007 in Höhe von 4609,11 Euro nicht als einkommensmindernd berücksichtigt werden. Es handelt sich nicht um eine Betriebsausgabe. Auch sind im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R, juris). Abgesehen davon, dass § 3 Alg II-VO in Verbindung mit § 11 Abs. 2 SGB II aF abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 4 AS 27/07 R, juris).
Die um die notwendigen Ausgaben bereinigten Einnahmen sind nach § 3 Abs. 4 Alg II-VO – abweichend von ihrem tatsächlichen Zufluss – gleichmäßig monatlich aufzuteilen. Damit werden Einnahmen fiktiv einem Monat zugeordnet, ohne dass zu überprüfen ist, ob sie in diesem Monat tatsächlich zur Bedarfsdeckung zur Verfügung standen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R, juris). Nach Verteilung der um die notwendigen Betriebsausgaben bereinigten Betriebseinnahmen steht monatlich ein Einkommen in Höhe von 58,08 Euro aus der selbständigen Tätigkeit der Klägerin zur Verfügung.
bb)
Hinzu kommen monatlich 471,97 Euro aus einer früheren selbständigen Tätigkeit der Klägerin. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die ihr am 25. Mai 2009 ausgezahlte Stornorücklage in Höhe von 2831,80 Euro als Einnahme anzusehen und nicht als Vermögen. Zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist von Folgendem auszugehen: Einkommen im Sinne des § 11 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie: BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R; Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R; Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R; Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R; juris).
Die Stornorücklage wird aus einbehaltenen Provisionen gebildet und wird nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem Versicherungsunternehmen und nach Ablauf der (nachlaufenden) Stornohaftungszeiten ausgezahlt, soweit es in dieser Zeit nicht zu Stornierungen von zuvor vermittelten Versicherungsverträgen kommt. Während dieser Haftungszeit wird sie von dem Versicherungsunternehmen einem für die Stornorücklage gebildeten Konto zugeführt. Ausgehend von dieser zwangsweisen Einbehaltung eines Teils der Provisionen und die mangelnde Verfügungsmacht über die Stornorücklage vor ihrer Auszahlung ist von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen nicht abzuweichen (ebenso zum nach Auffassung der Kammer insoweit vergleichbaren Überbrückungsgeld BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 78/12 R; Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 11a Rn. 20). Das Stornorücklage-Konto ist nicht einem Sparbuch vergleichbar, auf dem mit bereits erlangten Einkünften von der Klägerin oder aber dem Versicherungsunternehmen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wird. Vielmehr stand dieser Teil ihrer Provision der Klägerin während der gesamten Haftungszeit bis zum Auszahlungszeitpunkt nie zur Verfügung. Dieser Berücksichtigung widerspricht auch nicht, dass die Stornorücklage vom Versicherungsunternehmen zum Teil verzinslich angelegt wird. Sie diente gleichwohl primär der Haftung für stornierte Versicherungsverträge und wurde nicht freiwillig "angespart".
Die Stornorücklage ist nach § 3 Abs. 4 Alg II-VO abweichend von ihrem tatsächlichen Zufluss ebenfalls monatlich gleichmäßig auf den streitigen Zeitraum aufzuteilen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R, juris). Eine abweichende Berücksichtigung als einmalige Einnahme ist nicht angezeigt, da § 2 Abs. 4 Alg II-VO lediglich bei Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit anzuwenden ist.
Von dem Gesamteinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 530,05 Euro sind keine über § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II aF hinausgehenden Beträge abzusetzen. Dieser Betrag in Höhe von 100 Euro ("pauschale Werbungskosten") ist für den erwerbstätigen Hilfebedürftigen einmal abzusetzen; nur auf entsprechenden Nachweis hin können höhere Kosten Berücksichtigung finden. Solche Kosten sind hier nicht behauptet und nicht ersichtlich.
Es errechnet sich also aus 430,05 Euro (Gesamteinkommen abzüglich Grundfreibetrag) abzüglich des ersten Freibetrags nach § 30 SGB II aF in Höhe von 86,01 Euro ein zu berücksichtigendes Einkommen von 344,04 Euro monatlich, das die Regelbedarfe mindert.
cc)
Im Monat Juni 2009 sind weitere 110,25 Euro bedarfsminderndes Einkommen aus Kapitalerträgen anzurechnen.
Hieraus errechnen sich folgende monatliche Leistungsansprüche bzw. die Erstattungssumme.
Monat Anspruch bewilligt Differenz 03/2009 395 Euro 666,50 Euro 271,50 Euro 04/2009 395 Euro 666,50 Euro 271,50 Euro 05/2009 395 Euro 666,50 Euro 271,50 Euro 06/2009 285 Euro 666,50 Euro 381,50 Euro 07/2009 403 Euro 674,50 Euro 271,50 Euro 08/2009 403 Euro 674,50 Euro 271,50 Euro gesamt 1739,00 Euro
c) Die Erstattungsforderung gegen die Klägerin ist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a) SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III begründet.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses des Beklagten.
III.
Der Streitwert beträgt mehr als 750 Euro, so dass die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist.
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