Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 255/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 09.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine sachlich-rechnerische Berichtigung.
Der Kläger ist als Zahnarzt in M niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Am Sonntag, dem 13.02.2011, gegen 18:00 Uhr erschien die Patientin N T1, geb. 00.00.1994, in Begleitung ihrer Mutter T2 E-T1 im Notdienst in der Praxis des Klägers. Die Patientin war am Vormittag dieses Tages im Ruhrgebiet auf das Gesicht gefallen; dabei waren u.a. die Schneidezähne 11, 21 und 22 abgebrochen. Die Mutter der Patientin unterzeichnete eine Mehrkostenvereinbarung "MKV Füllungen § 28.2", nach welcher sie eine Versorgung in Form von Kunststofffüllungen als dentinadhäsive Rekonstruktion analog 215, 216, 217 GOZ (handschriftlicher Zusatz: dentinadhäsive Mehrschichtrekonstruktion, z.T. mit Fragmenten an 11, 12, 22) wünsche. Für seine Leistungen stellte der Kläger Zahnarzthonorar in Höhe von 465,60 EUR in Rechnung (je Zahn 11, 21, 22 Pos. 217 GOZ (Dentin-adhäsiv verankerte Kompositfüllung im Mehrschicht- und Umhärtungsverfahren), Steigerungssatz 2,3 = 155,20 EUR), abzüglich Kassenzuschuss für Füllungen (174 Punkte x Punktwert 0,9456 ct. = 164,52 EUR) sowie abzüglich eines "Rabatts lt. T3" in Höhe von 91,08 EUR. Hieraus ergaben sich von den Patienteneltern zu zahlende Gesamtkosten von 210,- EUR.
Mit Schreiben vom 27.07.2011 beschwerte sich die Mutter der Patientin über die mangelnde Aufklärung des Klägers vor Abschluss der Mehrkostenvereinbarung und sein Bestreben, die weitere Behandlung ihrer Tochter bei ihm und nicht beim Stammbehandler H durchführen zu lassen. Nach einem Beratungstermin bei dem Kläger am 08.03.2011 hätten die Eltern beschlossen, mit ihrer Tochter bei H zu bleiben. Dieser habe dann das funktionell und ästhetisch unbefriedigende Provisorium des Klägers entfernt und ohne Zuzahlung drei sehr schöne Vorderzähne für ihre Tochter wiederhergestellt.
Mit Bescheid vom 09.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 forderte die Beklagte die im Behandlungsfall der bei der DAK versicherten Patientin N T1 über die Krankenversichertenkarte abgerechneten Leistungen nach den BEMA-Positionen 12, 13d und 25 in Höhe von 191,01 EUR zurück:
Das Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes mittels Dentin-Adhäsiv-Technik sei im BEMA nicht beschrieben und könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet werden. Da es sich bei dem Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes aus vertragszahnärztlicher Sicht auch nicht um eine Füllung oder zwei Eckenaufbauten handele, könne die Mehrkostenregelung gemäß § 28 Abs. 2 SGB V keine Anwendung finden. Es handele sich bei dem Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes vielmehr um eine rein außervertragliche Leistung, die - wie im vorliegenden Fall auch geschehen - privat zu liquidieren sei.
Zudem hätten die von dem Kläger durchgeführten Maßnahmen lediglich provisorischen Charakter gehabt, so dass auch aus diesem Grund eine Mehrkostenvereinbarung nach § 28 Abs. 2 SGB V respektive die Abrechnung der BEMA-Positionen 12, 13d und 25 nicht möglich gewesen sei. Erst durch den Nachbehandler seien die Zähne endgültig versorgt worden.
Ungeachtet dessen lasse sich dem Sachverhalt entnehmen, dass der Kläger die Weiterbehandlung der Patientin aus dem Notdienst heraus übernommen habe bzw. habe übernehmen wollen, obwohl ihm der Stammbehandler bekannt gewesen sei. Nach § 6 Abs. 2 der Berufsordnung dürfe der Zahnarzt jedoch eine Notfallbehandlung über die notwendigen Maßnahmen hinaus nicht ausdehnen.
Hiergegen richtet sich die am 08.05.2012 erhobene Klage.
Der Kläger trägt vor, nach einem Frontzahntrauma sei die Patientin in seiner Praxis erschienen. Nach ausreichender Aufklärung sei mit der Patientin bzw. der Mutter vereinbart worden, eine dentin-adhäsive Rekonstruktion der traumatisch geschädigten Frontzähne mit gleichzeitiger Schienung/Verblockung vorzunehmen. Dabei seien Fragmente - soweit vorhanden - in die umfangreichen Eckenaufbauten integriert worden. Fehlende Anteile seien mittels üblicher Kunststofffüllungsmaterialien ergänzt worden, außerdem sei mit den Kunststofffüllungsmaterialien eine Schienung vorgenommen worden. Die Therapie habe gutem klinischen Standard entsprochen. In der Ausgabe 4/2001 des Rheinischen Zahnärzteblattes sei die Wiederbefestigung von Zahnfragmenten als klinische Empfehlung beschrieben worden.
Die Leistung sei weder im BEMA noch in der GOZ beschrieben. Er habe keine Analogabrechnung vorgenommen, sondern eine Abrechnung im Rahmen einer Mehrkostenregelung nach § 28.2 SGB V. Hierbei habe die Patientin Anspruch auf die zu Grunde liegende Kassenleistung, d.h. einen Eckenaufbau nach BEMA-Nr. 13d. Dies werde auch sogar ohne die hier erfolgte zusätzliche Anwendung von Füllungskunststoffen von zahlreichen KZVen so praktiziert. Die Verwendung von Teilen abgebrochener Zähne sei abrechnungstechnisch einer Kompositrestauration gleichzustellen.
Keine korrekte Versorgung wäre eine "provisorische Füllung" im Rahmen der Frakturbehandlung. Vielmehr sei als einziger medizinischer Standard die adhäsive Schienung und Versorgung in SÄT, früher auch Drahtkunststoff-Schienung, anerkannt. Auch eine "Aufbaufüllung" sei nur im Zusammenhang mit einer geplanten Krone abrechenbar, deren Indizierung er aber gerade auf Grund seiner hochwertigen Versorgung und im Hinblick auf das Alter der Patientin durch seine Versorgung vermieden habe.
Auch die Beklagte bestätige, dass als Kassenversorgung eine definitive Kunststoff-Füllung im Rahmen der Mehrkostenvereinbarung (auf Grund der Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik mit Farbgestaltung) abrechenbar gewesen wäre. Nichts anderes habe er gemacht.
Eine Gewährleistung hinsichtlich der Versorgung sehe das SGB V nicht vor. Laut Beschluss des Bundesschiedsamtes für die vertragszahnärztliche Versorgung vom 13.12.1993 könnten Wiederholungsfüllungen innerhalb von zwei Jahren zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden u.a. bei mehr als dreiflächigen Füllungen sowie Fällen, in denen besondere Umstände ( ...) vorlägen ( ). Vorliegend seien sowohl der Ausnahmetatbestand "mehr als dreiflächige Füllung" als auch die "besonderen Umstände" (Trauma) erfüllt. Die Frage der tatsächlichen Überlebenszeit der von ihm durchgeführten Maßnahme sei daher irrelevant. Soweit er vorgesehen habe, die zusätzlichen Schienungsanteile nach Stabilisierung der Zähne zu entfernen, entspreche dies üblicher Praxis.
Die Beklagte begründe nicht, weshalb sie den Ansatz der üblichen Füllungspositionen, die er abgerechnet habe, der Patientin verweigern wolle. Die Beklagte habe auch weder die pV noch die F2ZE zzgl. SÄT-Schienung als Kassenleistung gewährt. Durch den Ausschluss der Kassenleistungen wäre die Patientin aber faktisch von der Versorgung in Gänze ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid vom 03.04.2012 gegen den Rückforderungsbescheid vom 09.02.2012 aufzuheben, 2. die Kürzung der Honorare um 191,01 EUR aufzuheben, 3. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die von dem Kläger verwendete Technik sei im BEMA nicht abgebildet. Der Kläger habe nicht die dem Kassenpatienten zustehende mögliche Versorgung durchgeführt.
Zum einen hätte der Kläger eine provisorische Füllung bei der Patientin an den betroffenen Zähnen vornehmen und nach Maßgabe des BEMA-Z abrechnen können. Zum anderen wäre auch eine definitive Kunststoff-Aufbaufüllung zulässig und nach BEMA-Z abrechnungsfähig gewesen. Bei Erbringung einer definitiven Aufbaufüllung wäre insofern auch nach Auffassung der Beklagten eine Mehrkostenvereinbarung zulässig, soweit zusätzliche Maßnahmen (z. B. Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Technik mit Farbgestaltung) er- bracht würden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte einseitig mündlich verhandeln und entscheiden, da der nicht erschienene Kläger ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt worden ist.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger ist beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig erweisen.
Die Beklagte ist nach § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragszahnärzte festzustellen. Dabei ist zu überprüfen, ob die Leistungen rechtmäßig, d.h. im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen und satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertrags(zahn)arztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht und abgerechnet worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2012 - B 6 KA 37/11 R - m.w.N.). Festzustellen ist insbesondere, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben der Gebührenordnungen übereinstimmen oder ob zu Unrecht Honorare angefordert wurden (vgl. BT-Drucksache 15/1525 S. 117 zu § 106a SGB V). Daneben obliegt der Beklagten auch aus § 17 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte/Ersatzkassen (EKV-Z) die Prüfung und ggf. Berichtigung der von den Vertragszahnärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragszahnärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (vgl. BSG, Urteile vom 05.11.2008 - B 6 KA 1/08 R -; vom 19.10.2011 - B 6 KA 30/10 R -).
Auf dieser Grundlage war die Beklagte befugt, die von dem Kläger zur Abrechnung gestellten Ansätze der Nrn. 13d, 12 und 25 BEMA im Behandlungsfall N T1 a zu prüfen und ggf. richtigzustellen. Die geltend gemachten Gebührenansätze des Klägers waren aber zutreffend; eine Honorarrückforderung scheidet damit aus.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von dem Kläger erbrachten Leistungen nicht im BEMA abgebildet sind. Der Kläger hat eine dentin-adhäsive Rekonstruktion der traumatisch geschädigten Frontzähne 11, 21 und 22 mit gleichzeitiger Schienung/Verblockung vorgenommen, vorhandene Zahnfragmente in die Eckenaufbauten integriert und fehlende Anteile mittels Kunststofffüllungsmaterialien ergänzt. Das entspricht nicht dem Wortlaut der Nr. 13d BEMA (zur Auslegung der Leistungslegenden des BEMA vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R -).
Der Kläger hat jedoch in rechtlich zulässiger Weise mit der Mutter der Patientin eine Mehrkostenvereinbarung getroffen, die den Anspruch auf Kassenleistung nach den Nrn. 13d, 12 und 25 BEMA nicht ausschließt.
Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben Versicherte die Mehrkosten selbst zu tragen, wenn sie bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung wählen. "Darüber hinausgehend" ist die Versorgung, wenn sie über die den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende "ausreichende und zweckmäßige" Leistung nach Satz 1 hinausgeht. Aus Satz 3 ergibt sich, dass als ausreichend und zweckmäßig nur die preisgünstigste plastische Füllung anzusehen ist (vgl. die amtl. Begründung zum Entwurf des 8. SGB V-ÄndG, BT-Drs. 13/3695, S.4).
Überobligatorisch sind alle darüber hinausgehenden aufwändigeren Füllungen, z.B. eine Inlay-Versorgung aus Gold oder Keramik. Auch die vorliegende Versorgung, die inzwischen in der Kommentarliteratur (Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA + GOZ, 101. Lfg., Dezember 2012, Nr. 13 BEMA, Anm. 2.1.1.4 "Verwendung frakturierter Zahnteile") beschrieben wird, gehört dazu:
"Ebenfalls durch die Weiterentwicklung der Dentinadhäsivtechnik ist es möglich geworden, fraktionierte Zahnteile dentinadhäsiv am frakturierten Zahn wiederzubefestigen. Eine derartige Versorgung mit einem "abgeschlagenen" Zahnteil ist z.B. nach einem Unfall eines Frontzahnes, bei dem das frakturierte Zahnteil sichergestellt, sachgemäß gelagert und in die Sprechstunde mitgebracht worden ist, möglich.
Eine solche Maßnahme ist nicht im Leistungsumfang der BEMA-Nr. 13 (und auch sonst nirgendwo im BEMA) enthalten, da es sich hierbei nicht um ein Füllen mit plastischem Füllmaterial gemäß der Leistungslegende der BEMA-Nr. 13 handelt. Wünscht der Patient eine derartige Versorgung, so geht diese über das Maß des Ausreichenden und Zweckmäßigen hinaus. Als neue Behandlungsmethode gilt, dass dann, wenn der Patient die Wiederbefestigung frakturierter Zahnteile wünscht, dies als (reine) Privatbehandlung zu erfolgen hat (analoge Berechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ). Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass hier die Möglichkeit einer Mehrkostenberechnung nach § 28 Abs. 2 SGB V bestünde, da der Patient Anspruch auf z.B. einen Eckenaufbau nach BEMA-Nr. 13d habe. Gemäß § 28 Abs. 2 SGB V hätte er die anfallenden Mehrkosten für diese Versorgungsform selbst zu tragen und die preisgünstigste plastische Füllung wäre dann als Sachleistung (BEMA-Nr. 13d) abzurechnen."
Der letztgenannten Auffassung ist auch die Kammer. Wählt der Versicherte eine überobligatorische Füllung, hat er als Rechtsfolge die Mehrkosten selbst zu tragen. Mehrkosten sind die Kosten, die über die nach § 28 Abs. 2 Satz 3 SGB V von den Kassen abzurechnende preisgünstigste plastische Füllung hinausgehen. In der vorliegenden Versorgungssituation hatte die Patientin Anspruch auf einen Eckenaufbau gemäß Nr. 13d BEMA und dahingehende Leistungsinhalte sind nach dem Vortrag des Klägers auch erbracht worden. Im Rahmen der Rekonstruktion der traumatisch geschädigten Frontzähne seien Fragmente - soweit vorhanden - in die umfangreichen Eckenaufbauten integriert und fehlende Anteile mittels üblicher Kunststofffüllungsmaterialien ergänzt worden. In dieser Arbeit sind somit die preisgünstigsten plastischen Füllungen enthalten.
§ 28 Abs. 2 Satz 3 SGB V bestimmt in abrechnungstechnischer Hinsicht, dass die preisgünstigste plastische Füllung von den Kassen als Sachleistung abzurechnen ist. Diese Kosten werden vom Zahnarzt als Sachleistung über die Kassenzahnärztliche Vereinigung abgerechnet. Sie sind Bestandteil der Gesamtvergütung nach § 85 SGB V (vgl. amtl. Gesetzesbegründung, a.a.O.; zum Gesamtkomplex vgl. ferner Fahlbusch, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 28 Rdnr. 55 ff.).
Nach Ansicht der Kammer hat es daher bei dem Sachleistungsanspruch der (Familien-)Versicherten bezüglich der Nr. 13d BEMA (F4) sowie der zusätzlich abrechnungsfähigen Nr. 12 BEMA (bMF) und 25 (Cp) (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 13 BEMA, Schnellübersicht, zusätzlich abrechenbar) zu verbleiben. Unerheblich ist hierbei, ob die Restauration nur provisorischen Charakter hatte, wie die Beklagte einschätzt, oder ob es sich um eine endgültige Versorgung hatte handeln sollen, wie der Kläger meint. Eine provisorische Füllung im Sinne der Nr. 11 BEMA (pV) (Exkavieren und provisorischer Verschluss einer Kavität als alleinige Leistung, auch unvollendete Füllung) wäre zahnmedizinsch nicht lege artis gewesen, weil die Pulpa nicht ausreichend geschützt worden wäre und eine Indikation für eine solche Leistung auch nicht vorgelegen hatte (Beispiele zu entsprechenden Indikationen in Liebold/Raff/Wissing, a.a.O, Nr. 11 BEMA Anm. 1.2).
Auch spricht die Relation der Nr. 11 BEMA im Verhältnis zur Nr. 25 BEMA grundsätzlich dafür, dass die Versorgung hatte definitiv erfolgen sollen. Durch die Abwertung der BEMA-Nr. 25 und die Aufwertung der BEMA-Nr. 11 im Rahmen der BEMA-Neurelationierung zum 01.01.2004 hat sich ergeben, dass das Exkavieren und der provisorische Verschluss mit 19 Punkten mehr als dreimal so hoch bewertet ist als die indirekte Überkappung ggf. mit temporärem Verschluss mit 6 Punkten. Die Logik, die hinter dieser Umrelationierung steht, kann nur so interpretiert werden, dass es sich bei einer Cp-Behandlung um eine Maßnahme handelt, die in aller Regel mit einer gleichzeitigen definitiven Füllung einhergeht und die Bewertung des Mehraufwandes für die indirekte Überkappung als Zuschlagsleistung zu dieser definitiven Füllung verstanden wird (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 11 BEMA Anm. 2.1.1).
Im Übrigen schließt eine notfallmäßige Behandlung der Patientin den Anspruch auf einen Eckenaufbau gemäß Nr. 13d BEMA und eine Mehrkostenvereinbarung nicht aus. Nach § 6 Abs. 2 der Berufsordnung darf der Zahnarzt eine Notfallbehandlung über die notwendigen Maßnahmen hinaus nicht ausdehnen. Das führt aber nicht dazu, dass die Versorgung auf die Kassenleistung beschränkt wäre. Dem Gesetz ist insoweit nicht zu entnehmen, dass eine Mehrkostenvereinbarung bei Füllungen nur außerhalb einer Notfallbehandlung zulässig wäre. Unstatthaft ist allerdings, wenn ein Zahnarzt den Notfall zum Anlass nähme, die weitere Behandlung des Patienten selbst fortzuführen und dem Stammbehandler zu entziehen. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit bereits aus der Überschrift des § 6 der Berufsordnung: "Kollegialität". Gerade dies war aber offensichtlich Ziel des Klägers, wenn man dem Beschwerdeschreiben der Mutter der Patientin vom 27.07.2011 folgt. Diese schildert eindringlich, wie der Kläger seine Fachkompetenz in der Herbeiführung medizinisch und ästhetisch guter Lösungen hervorgehoben und die Qualifikation des Stammbehandlers H, der kein ausgewiesener Implantologe sei, zurückhaltend bewertet hatte. Unstreitig hatte der Kläger zudem weitere Behandlungstermine anberaumt und für das Nichterscheinen in den Terminen am 24.03.2011 und 31.03.2011 sogar Ausfallgebühren geltend gemacht. Das dürfte sicher nicht mit § 6 Abs. 2 der Berufsordnung vereinbar sein und berührt ggf. zudem § 6 Abs. 1 der Berufsordnung, nach dem herabsetzende Äußerungen über die Person, die Behandlungsweise oder das berufliche Wissen eines Kollegen berufsunwürdig sind. Berufsrechtliche Fragen waren jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Auch der Umstand, dass der Stammbehandler H die Versorgung des Klägers entfernt und am 29.03.2011 durch Leistungen nach F4 ohne Zuzahlung ersetzt hat, berechtigt nicht zur Rückforderung des Kassenteils. Nach dem Beschluss des Bundesschiedsamtes für die vertragszahnärztliche Versorgung vom 13.12.1993 können Wiederholungsfüllungen innerhalb von zwei Jahren zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden u.a. bei mehr als dreiflächigen Füllungen sowie Fällen, in denen besondere Umstände ( ...) vorliegen ( ). Das ist hier der Fall, denn die Ausnahmetatbestände "mehr als dreiflächige Füllung" und "besonderen Umstände" (Vorerkrankung infolge Unfalltrauma) sind erfüllt.
Soweit ein Zahnfragment im Rahmen einer traumatologischen Sofortversorgung verwendet werden soll, ist sicherlich die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Privatbehandlung oder von Mehrkosten im Hinblick auf die Entscheidungsmöglichkeiten des Versicherten in einer "Notsituation" als fraglich zu betrachten (so auch Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 13 BEMA Anm. 2.1.1.4). Das belegt die Beschwerdeschilderung der Mutter der Patientin hier mehr als deutlich. Gleichwohl kann dies im Ergebnis den Kassenanteil, über den vorliegend allein zu entscheiden war, nicht zu Fall bringen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist eine sachlich-rechnerische Berichtigung.
Der Kläger ist als Zahnarzt in M niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Am Sonntag, dem 13.02.2011, gegen 18:00 Uhr erschien die Patientin N T1, geb. 00.00.1994, in Begleitung ihrer Mutter T2 E-T1 im Notdienst in der Praxis des Klägers. Die Patientin war am Vormittag dieses Tages im Ruhrgebiet auf das Gesicht gefallen; dabei waren u.a. die Schneidezähne 11, 21 und 22 abgebrochen. Die Mutter der Patientin unterzeichnete eine Mehrkostenvereinbarung "MKV Füllungen § 28.2", nach welcher sie eine Versorgung in Form von Kunststofffüllungen als dentinadhäsive Rekonstruktion analog 215, 216, 217 GOZ (handschriftlicher Zusatz: dentinadhäsive Mehrschichtrekonstruktion, z.T. mit Fragmenten an 11, 12, 22) wünsche. Für seine Leistungen stellte der Kläger Zahnarzthonorar in Höhe von 465,60 EUR in Rechnung (je Zahn 11, 21, 22 Pos. 217 GOZ (Dentin-adhäsiv verankerte Kompositfüllung im Mehrschicht- und Umhärtungsverfahren), Steigerungssatz 2,3 = 155,20 EUR), abzüglich Kassenzuschuss für Füllungen (174 Punkte x Punktwert 0,9456 ct. = 164,52 EUR) sowie abzüglich eines "Rabatts lt. T3" in Höhe von 91,08 EUR. Hieraus ergaben sich von den Patienteneltern zu zahlende Gesamtkosten von 210,- EUR.
Mit Schreiben vom 27.07.2011 beschwerte sich die Mutter der Patientin über die mangelnde Aufklärung des Klägers vor Abschluss der Mehrkostenvereinbarung und sein Bestreben, die weitere Behandlung ihrer Tochter bei ihm und nicht beim Stammbehandler H durchführen zu lassen. Nach einem Beratungstermin bei dem Kläger am 08.03.2011 hätten die Eltern beschlossen, mit ihrer Tochter bei H zu bleiben. Dieser habe dann das funktionell und ästhetisch unbefriedigende Provisorium des Klägers entfernt und ohne Zuzahlung drei sehr schöne Vorderzähne für ihre Tochter wiederhergestellt.
Mit Bescheid vom 09.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 forderte die Beklagte die im Behandlungsfall der bei der DAK versicherten Patientin N T1 über die Krankenversichertenkarte abgerechneten Leistungen nach den BEMA-Positionen 12, 13d und 25 in Höhe von 191,01 EUR zurück:
Das Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes mittels Dentin-Adhäsiv-Technik sei im BEMA nicht beschrieben und könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet werden. Da es sich bei dem Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes aus vertragszahnärztlicher Sicht auch nicht um eine Füllung oder zwei Eckenaufbauten handele, könne die Mehrkostenregelung gemäß § 28 Abs. 2 SGB V keine Anwendung finden. Es handele sich bei dem Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes vielmehr um eine rein außervertragliche Leistung, die - wie im vorliegenden Fall auch geschehen - privat zu liquidieren sei.
Zudem hätten die von dem Kläger durchgeführten Maßnahmen lediglich provisorischen Charakter gehabt, so dass auch aus diesem Grund eine Mehrkostenvereinbarung nach § 28 Abs. 2 SGB V respektive die Abrechnung der BEMA-Positionen 12, 13d und 25 nicht möglich gewesen sei. Erst durch den Nachbehandler seien die Zähne endgültig versorgt worden.
Ungeachtet dessen lasse sich dem Sachverhalt entnehmen, dass der Kläger die Weiterbehandlung der Patientin aus dem Notdienst heraus übernommen habe bzw. habe übernehmen wollen, obwohl ihm der Stammbehandler bekannt gewesen sei. Nach § 6 Abs. 2 der Berufsordnung dürfe der Zahnarzt jedoch eine Notfallbehandlung über die notwendigen Maßnahmen hinaus nicht ausdehnen.
Hiergegen richtet sich die am 08.05.2012 erhobene Klage.
Der Kläger trägt vor, nach einem Frontzahntrauma sei die Patientin in seiner Praxis erschienen. Nach ausreichender Aufklärung sei mit der Patientin bzw. der Mutter vereinbart worden, eine dentin-adhäsive Rekonstruktion der traumatisch geschädigten Frontzähne mit gleichzeitiger Schienung/Verblockung vorzunehmen. Dabei seien Fragmente - soweit vorhanden - in die umfangreichen Eckenaufbauten integriert worden. Fehlende Anteile seien mittels üblicher Kunststofffüllungsmaterialien ergänzt worden, außerdem sei mit den Kunststofffüllungsmaterialien eine Schienung vorgenommen worden. Die Therapie habe gutem klinischen Standard entsprochen. In der Ausgabe 4/2001 des Rheinischen Zahnärzteblattes sei die Wiederbefestigung von Zahnfragmenten als klinische Empfehlung beschrieben worden.
Die Leistung sei weder im BEMA noch in der GOZ beschrieben. Er habe keine Analogabrechnung vorgenommen, sondern eine Abrechnung im Rahmen einer Mehrkostenregelung nach § 28.2 SGB V. Hierbei habe die Patientin Anspruch auf die zu Grunde liegende Kassenleistung, d.h. einen Eckenaufbau nach BEMA-Nr. 13d. Dies werde auch sogar ohne die hier erfolgte zusätzliche Anwendung von Füllungskunststoffen von zahlreichen KZVen so praktiziert. Die Verwendung von Teilen abgebrochener Zähne sei abrechnungstechnisch einer Kompositrestauration gleichzustellen.
Keine korrekte Versorgung wäre eine "provisorische Füllung" im Rahmen der Frakturbehandlung. Vielmehr sei als einziger medizinischer Standard die adhäsive Schienung und Versorgung in SÄT, früher auch Drahtkunststoff-Schienung, anerkannt. Auch eine "Aufbaufüllung" sei nur im Zusammenhang mit einer geplanten Krone abrechenbar, deren Indizierung er aber gerade auf Grund seiner hochwertigen Versorgung und im Hinblick auf das Alter der Patientin durch seine Versorgung vermieden habe.
Auch die Beklagte bestätige, dass als Kassenversorgung eine definitive Kunststoff-Füllung im Rahmen der Mehrkostenvereinbarung (auf Grund der Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik mit Farbgestaltung) abrechenbar gewesen wäre. Nichts anderes habe er gemacht.
Eine Gewährleistung hinsichtlich der Versorgung sehe das SGB V nicht vor. Laut Beschluss des Bundesschiedsamtes für die vertragszahnärztliche Versorgung vom 13.12.1993 könnten Wiederholungsfüllungen innerhalb von zwei Jahren zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden u.a. bei mehr als dreiflächigen Füllungen sowie Fällen, in denen besondere Umstände ( ...) vorlägen ( ). Vorliegend seien sowohl der Ausnahmetatbestand "mehr als dreiflächige Füllung" als auch die "besonderen Umstände" (Trauma) erfüllt. Die Frage der tatsächlichen Überlebenszeit der von ihm durchgeführten Maßnahme sei daher irrelevant. Soweit er vorgesehen habe, die zusätzlichen Schienungsanteile nach Stabilisierung der Zähne zu entfernen, entspreche dies üblicher Praxis.
Die Beklagte begründe nicht, weshalb sie den Ansatz der üblichen Füllungspositionen, die er abgerechnet habe, der Patientin verweigern wolle. Die Beklagte habe auch weder die pV noch die F2ZE zzgl. SÄT-Schienung als Kassenleistung gewährt. Durch den Ausschluss der Kassenleistungen wäre die Patientin aber faktisch von der Versorgung in Gänze ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid vom 03.04.2012 gegen den Rückforderungsbescheid vom 09.02.2012 aufzuheben, 2. die Kürzung der Honorare um 191,01 EUR aufzuheben, 3. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die von dem Kläger verwendete Technik sei im BEMA nicht abgebildet. Der Kläger habe nicht die dem Kassenpatienten zustehende mögliche Versorgung durchgeführt.
Zum einen hätte der Kläger eine provisorische Füllung bei der Patientin an den betroffenen Zähnen vornehmen und nach Maßgabe des BEMA-Z abrechnen können. Zum anderen wäre auch eine definitive Kunststoff-Aufbaufüllung zulässig und nach BEMA-Z abrechnungsfähig gewesen. Bei Erbringung einer definitiven Aufbaufüllung wäre insofern auch nach Auffassung der Beklagten eine Mehrkostenvereinbarung zulässig, soweit zusätzliche Maßnahmen (z. B. Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Technik mit Farbgestaltung) er- bracht würden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte einseitig mündlich verhandeln und entscheiden, da der nicht erschienene Kläger ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt worden ist.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger ist beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig erweisen.
Die Beklagte ist nach § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragszahnärzte festzustellen. Dabei ist zu überprüfen, ob die Leistungen rechtmäßig, d.h. im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen und satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertrags(zahn)arztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht und abgerechnet worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2012 - B 6 KA 37/11 R - m.w.N.). Festzustellen ist insbesondere, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben der Gebührenordnungen übereinstimmen oder ob zu Unrecht Honorare angefordert wurden (vgl. BT-Drucksache 15/1525 S. 117 zu § 106a SGB V). Daneben obliegt der Beklagten auch aus § 17 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte/Ersatzkassen (EKV-Z) die Prüfung und ggf. Berichtigung der von den Vertragszahnärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragszahnärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (vgl. BSG, Urteile vom 05.11.2008 - B 6 KA 1/08 R -; vom 19.10.2011 - B 6 KA 30/10 R -).
Auf dieser Grundlage war die Beklagte befugt, die von dem Kläger zur Abrechnung gestellten Ansätze der Nrn. 13d, 12 und 25 BEMA im Behandlungsfall N T1 a zu prüfen und ggf. richtigzustellen. Die geltend gemachten Gebührenansätze des Klägers waren aber zutreffend; eine Honorarrückforderung scheidet damit aus.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von dem Kläger erbrachten Leistungen nicht im BEMA abgebildet sind. Der Kläger hat eine dentin-adhäsive Rekonstruktion der traumatisch geschädigten Frontzähne 11, 21 und 22 mit gleichzeitiger Schienung/Verblockung vorgenommen, vorhandene Zahnfragmente in die Eckenaufbauten integriert und fehlende Anteile mittels Kunststofffüllungsmaterialien ergänzt. Das entspricht nicht dem Wortlaut der Nr. 13d BEMA (zur Auslegung der Leistungslegenden des BEMA vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R -).
Der Kläger hat jedoch in rechtlich zulässiger Weise mit der Mutter der Patientin eine Mehrkostenvereinbarung getroffen, die den Anspruch auf Kassenleistung nach den Nrn. 13d, 12 und 25 BEMA nicht ausschließt.
Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben Versicherte die Mehrkosten selbst zu tragen, wenn sie bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung wählen. "Darüber hinausgehend" ist die Versorgung, wenn sie über die den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende "ausreichende und zweckmäßige" Leistung nach Satz 1 hinausgeht. Aus Satz 3 ergibt sich, dass als ausreichend und zweckmäßig nur die preisgünstigste plastische Füllung anzusehen ist (vgl. die amtl. Begründung zum Entwurf des 8. SGB V-ÄndG, BT-Drs. 13/3695, S.4).
Überobligatorisch sind alle darüber hinausgehenden aufwändigeren Füllungen, z.B. eine Inlay-Versorgung aus Gold oder Keramik. Auch die vorliegende Versorgung, die inzwischen in der Kommentarliteratur (Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA + GOZ, 101. Lfg., Dezember 2012, Nr. 13 BEMA, Anm. 2.1.1.4 "Verwendung frakturierter Zahnteile") beschrieben wird, gehört dazu:
"Ebenfalls durch die Weiterentwicklung der Dentinadhäsivtechnik ist es möglich geworden, fraktionierte Zahnteile dentinadhäsiv am frakturierten Zahn wiederzubefestigen. Eine derartige Versorgung mit einem "abgeschlagenen" Zahnteil ist z.B. nach einem Unfall eines Frontzahnes, bei dem das frakturierte Zahnteil sichergestellt, sachgemäß gelagert und in die Sprechstunde mitgebracht worden ist, möglich.
Eine solche Maßnahme ist nicht im Leistungsumfang der BEMA-Nr. 13 (und auch sonst nirgendwo im BEMA) enthalten, da es sich hierbei nicht um ein Füllen mit plastischem Füllmaterial gemäß der Leistungslegende der BEMA-Nr. 13 handelt. Wünscht der Patient eine derartige Versorgung, so geht diese über das Maß des Ausreichenden und Zweckmäßigen hinaus. Als neue Behandlungsmethode gilt, dass dann, wenn der Patient die Wiederbefestigung frakturierter Zahnteile wünscht, dies als (reine) Privatbehandlung zu erfolgen hat (analoge Berechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ). Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass hier die Möglichkeit einer Mehrkostenberechnung nach § 28 Abs. 2 SGB V bestünde, da der Patient Anspruch auf z.B. einen Eckenaufbau nach BEMA-Nr. 13d habe. Gemäß § 28 Abs. 2 SGB V hätte er die anfallenden Mehrkosten für diese Versorgungsform selbst zu tragen und die preisgünstigste plastische Füllung wäre dann als Sachleistung (BEMA-Nr. 13d) abzurechnen."
Der letztgenannten Auffassung ist auch die Kammer. Wählt der Versicherte eine überobligatorische Füllung, hat er als Rechtsfolge die Mehrkosten selbst zu tragen. Mehrkosten sind die Kosten, die über die nach § 28 Abs. 2 Satz 3 SGB V von den Kassen abzurechnende preisgünstigste plastische Füllung hinausgehen. In der vorliegenden Versorgungssituation hatte die Patientin Anspruch auf einen Eckenaufbau gemäß Nr. 13d BEMA und dahingehende Leistungsinhalte sind nach dem Vortrag des Klägers auch erbracht worden. Im Rahmen der Rekonstruktion der traumatisch geschädigten Frontzähne seien Fragmente - soweit vorhanden - in die umfangreichen Eckenaufbauten integriert und fehlende Anteile mittels üblicher Kunststofffüllungsmaterialien ergänzt worden. In dieser Arbeit sind somit die preisgünstigsten plastischen Füllungen enthalten.
§ 28 Abs. 2 Satz 3 SGB V bestimmt in abrechnungstechnischer Hinsicht, dass die preisgünstigste plastische Füllung von den Kassen als Sachleistung abzurechnen ist. Diese Kosten werden vom Zahnarzt als Sachleistung über die Kassenzahnärztliche Vereinigung abgerechnet. Sie sind Bestandteil der Gesamtvergütung nach § 85 SGB V (vgl. amtl. Gesetzesbegründung, a.a.O.; zum Gesamtkomplex vgl. ferner Fahlbusch, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 28 Rdnr. 55 ff.).
Nach Ansicht der Kammer hat es daher bei dem Sachleistungsanspruch der (Familien-)Versicherten bezüglich der Nr. 13d BEMA (F4) sowie der zusätzlich abrechnungsfähigen Nr. 12 BEMA (bMF) und 25 (Cp) (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 13 BEMA, Schnellübersicht, zusätzlich abrechenbar) zu verbleiben. Unerheblich ist hierbei, ob die Restauration nur provisorischen Charakter hatte, wie die Beklagte einschätzt, oder ob es sich um eine endgültige Versorgung hatte handeln sollen, wie der Kläger meint. Eine provisorische Füllung im Sinne der Nr. 11 BEMA (pV) (Exkavieren und provisorischer Verschluss einer Kavität als alleinige Leistung, auch unvollendete Füllung) wäre zahnmedizinsch nicht lege artis gewesen, weil die Pulpa nicht ausreichend geschützt worden wäre und eine Indikation für eine solche Leistung auch nicht vorgelegen hatte (Beispiele zu entsprechenden Indikationen in Liebold/Raff/Wissing, a.a.O, Nr. 11 BEMA Anm. 1.2).
Auch spricht die Relation der Nr. 11 BEMA im Verhältnis zur Nr. 25 BEMA grundsätzlich dafür, dass die Versorgung hatte definitiv erfolgen sollen. Durch die Abwertung der BEMA-Nr. 25 und die Aufwertung der BEMA-Nr. 11 im Rahmen der BEMA-Neurelationierung zum 01.01.2004 hat sich ergeben, dass das Exkavieren und der provisorische Verschluss mit 19 Punkten mehr als dreimal so hoch bewertet ist als die indirekte Überkappung ggf. mit temporärem Verschluss mit 6 Punkten. Die Logik, die hinter dieser Umrelationierung steht, kann nur so interpretiert werden, dass es sich bei einer Cp-Behandlung um eine Maßnahme handelt, die in aller Regel mit einer gleichzeitigen definitiven Füllung einhergeht und die Bewertung des Mehraufwandes für die indirekte Überkappung als Zuschlagsleistung zu dieser definitiven Füllung verstanden wird (Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 11 BEMA Anm. 2.1.1).
Im Übrigen schließt eine notfallmäßige Behandlung der Patientin den Anspruch auf einen Eckenaufbau gemäß Nr. 13d BEMA und eine Mehrkostenvereinbarung nicht aus. Nach § 6 Abs. 2 der Berufsordnung darf der Zahnarzt eine Notfallbehandlung über die notwendigen Maßnahmen hinaus nicht ausdehnen. Das führt aber nicht dazu, dass die Versorgung auf die Kassenleistung beschränkt wäre. Dem Gesetz ist insoweit nicht zu entnehmen, dass eine Mehrkostenvereinbarung bei Füllungen nur außerhalb einer Notfallbehandlung zulässig wäre. Unstatthaft ist allerdings, wenn ein Zahnarzt den Notfall zum Anlass nähme, die weitere Behandlung des Patienten selbst fortzuführen und dem Stammbehandler zu entziehen. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit bereits aus der Überschrift des § 6 der Berufsordnung: "Kollegialität". Gerade dies war aber offensichtlich Ziel des Klägers, wenn man dem Beschwerdeschreiben der Mutter der Patientin vom 27.07.2011 folgt. Diese schildert eindringlich, wie der Kläger seine Fachkompetenz in der Herbeiführung medizinisch und ästhetisch guter Lösungen hervorgehoben und die Qualifikation des Stammbehandlers H, der kein ausgewiesener Implantologe sei, zurückhaltend bewertet hatte. Unstreitig hatte der Kläger zudem weitere Behandlungstermine anberaumt und für das Nichterscheinen in den Terminen am 24.03.2011 und 31.03.2011 sogar Ausfallgebühren geltend gemacht. Das dürfte sicher nicht mit § 6 Abs. 2 der Berufsordnung vereinbar sein und berührt ggf. zudem § 6 Abs. 1 der Berufsordnung, nach dem herabsetzende Äußerungen über die Person, die Behandlungsweise oder das berufliche Wissen eines Kollegen berufsunwürdig sind. Berufsrechtliche Fragen waren jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Auch der Umstand, dass der Stammbehandler H die Versorgung des Klägers entfernt und am 29.03.2011 durch Leistungen nach F4 ohne Zuzahlung ersetzt hat, berechtigt nicht zur Rückforderung des Kassenteils. Nach dem Beschluss des Bundesschiedsamtes für die vertragszahnärztliche Versorgung vom 13.12.1993 können Wiederholungsfüllungen innerhalb von zwei Jahren zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden u.a. bei mehr als dreiflächigen Füllungen sowie Fällen, in denen besondere Umstände ( ...) vorliegen ( ). Das ist hier der Fall, denn die Ausnahmetatbestände "mehr als dreiflächige Füllung" und "besonderen Umstände" (Vorerkrankung infolge Unfalltrauma) sind erfüllt.
Soweit ein Zahnfragment im Rahmen einer traumatologischen Sofortversorgung verwendet werden soll, ist sicherlich die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Privatbehandlung oder von Mehrkosten im Hinblick auf die Entscheidungsmöglichkeiten des Versicherten in einer "Notsituation" als fraglich zu betrachten (so auch Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., Nr. 13 BEMA Anm. 2.1.1.4). Das belegt die Beschwerdeschilderung der Mutter der Patientin hier mehr als deutlich. Gleichwohl kann dies im Ergebnis den Kassenanteil, über den vorliegend allein zu entscheiden war, nicht zu Fall bringen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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