Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 7752/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1628/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Zuschüssen zur Krankenversicherung (KV) für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 und zur Pflegeversicherung (PV) für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2004 in Höhe von insgesamt EUR 6.012,39.
Die am 1952 geborene und bei der Beklagten gesetzlich rentenversicherte Klägerin ist gelernte Floristin und war zuletzt von Juni bis August 1995 als Verkäuferin in einer Bäckerei versicherungspflichtig beschäftigt. Sie erlitt im August 1995 eine intracerebrale Blutung mit sich anschließenden neuropsychologischen und sprachtherapeutischen Defiziten. Auf ihren Antrag vom 17. Juni 1996 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) der Klägerin mit Rentenbescheid vom 16. September 1996 eine am 1. März 1996 beginnende und zunächst bis 30. September 1999 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich DM 1.504,39. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Pflichtversicherung der Klägerin in der gesetzlichen KV und PV ergab sich nach Abzug des KV-Beitrags von DM 100,79 und des PV-Beitrags von DM 12,78 ein monatlicher Zahlbetrag von DM 1.390,82. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 verlängerte die Beklagte die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Dauer.
Am 21. November 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen Zuschuss zur KV und PV und legte Bescheinigungen der Barmer Ersatzkasse (heute und im Nachfolgenden: Barmer GEK) vor, wonach die Klägerin in der Zeit vom 12. Juni 1995 bis 26. September 1996 in der gesetzlichen KV wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung pflichtversichert und ab dem 27. September 1996 freiwillig versichert sowie in der sozialen PV seit dem 1. Januar 1995 durchgehend pflichtversichert gewesen sei. In ihrem Antrag unterzeichnete die Klägerin u.a. folgende Erklärung:
"Ich verpflichte mich, die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung, ein Ruhen der Versicherung (z.B. bei Anspruch auf Krankenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, Bundesentschädigungsgesetz, Häftlingsgesetz usw.) sowie jede Veränderung der Beitrags- bzw. Prämienhöhe für die Krankenversicherung ( ) unverzüglich der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte anzuzeigen."
Mit Rentenbescheid vom 30. Januar 1997 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 27. September 1996 neu und bewilligte der Klägerin erstmals ab diesem Tag einen Zuschuss zur KV und PV. Die monatliche Rente von DM 1.504,39 zuzüglich des Zuschusses zur KV von DM 91,50 und des Zuschusses zur PV von DM 12,79 ergab einen monatlichen Zahlbetrag von DM 1.608,68. Dieser Bescheid enthielt u.a. folgenden Hinweis:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch für Änderungen in den Verhältnissen von Familienangehörigen, deren Beitrag bei der Berechnung des Beitragszuschusses berücksichtigt wurde.
Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."
In der Folgezeit erließ die Beklagte mehrere Rentenbescheide, mit denen sie die Rente der Klägerin wegen Erwerbsunfähigkeit jeweils neu berechnete, wobei sie mit Bescheid vom 8. März 2004 den bewilligten Zuschuss zur PV mit Wirkung ab dem 1. April 2004 aufhob und der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 im Übrigen monatliche Zuschüsse zur KV und PV in folgender Höhe bewilligte:
Zeitraum monatlicher Zuschuss zur KV monatlicher Zuschuss zur PV April bis Juni 2002 EUR 56,40 EUR 7,10 Juli 2002 bis Juni 2003 EUR 57,23 EUR 7,26 Juli 2003 bis März 2004 EUR 57,23 EUR 7,33 April 2004 bis Juni 2004 EUR 64,25 Juli 2004 bis Juni 2005 EUR 63,39 Juli 2005 bis März 2007 EUR 59,51 April bis Juni 2007 EUR 62,10 Juli 2007 bis Juni 2008 EUR 62,43 Juli bis Dezember 2008 EUR 63,12 Januar bis Juni 2009 EUR 64,00 Juli 2009 bis März 2010 EUR 62,85
Ab dem 1. April 2002 war die Klägerin in der KV der Rentner (KVdR) bei der Barmer GEK pflichtversichert. Die Barmer GEK buchte die Beiträge der Klägerin zur freiwilligen KV und PV bis März 2002 von deren Konto ab. Ab April 2002 blieb eine Abbuchung der KV- und PV-Beiträge aus. Hierüber unterrichtete die Klägerin die Beklagte nicht.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 teilte die Barmer GEK der Klägerin mit, sie werde seit dem 1. April 2002 in der KVdR geführt. Ab diesem Zeitpunkt habe die Beklagte KV- und PV-Beiträge von der Rente einbehalten und direkt an sie (die Barmer GEK) abführen sollen. Bei einer Überprüfung der Mitgliedschaft sei festgestellt worden, dass dies seitens der Beklagten nicht geschehen sei. Am 29. Januar 2010 meldete die Barmer GEK der Beklagten, dass die Klägerin seit dem 1. April 2002 in der KVdR pflichtversichert ist.
Mit Rentenbescheid vom 9. Februar 2010 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 2006 neu und hob die Bewilligung des Zuschusses zur KV und PV mit Wirkung für die Zukunft ab 1. April 2010 auf. Ab dem 1. April 2010 ergab sich bei einer monatlichen Rente von EUR 897,75 nach Abzug des KV-Beitrags von EUR 70,91 und des PV-Beitrags von EUR 17,51 ein monatlicher Zahlbetrag von EUR 809,33. Für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2010 sei eine Überzahlung von EUR 4.360,26 eingetreten. Grund für die Neuberechnung sei die Änderung des KV- und PV-Verhältnisses zum 1. April 2002. Die Beklagte teilte der Klägerin darüber hinaus mit, sie beabsichtige, die der Klägerin gewährten Zuschüsse zur KV und PV mit Wirkung ab dem 1. April 2002 aufzuheben und für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 die zu Unrecht gezahlten Zuschüsse zur KV in Höhe von EUR 5.838,00 sowie diejenigen zur PV in Höhe von EUR 174,39 zurückzufordern. Die rückwirkende Bescheidaufhebung sei zulässig, wenn die Klägerin gewusst oder nur deshalb nicht gewusst habe, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass durch den Wegfall der freiwilligen KV der Anspruch auf die Zuschüsse nicht mehr bestanden habe. Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. September 2010). Die beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 25 R 6032/10) nahm die Klägerin zurück.
Mit ihrem Widerspruch hatte die Klägerin geltend gemacht, sie habe nicht erkennen können, ob die von ihr ab 1. April 2002 bezogene Rente der Höhe nach zutreffend gewesen sei, weil sie nicht habe nachvollziehen können, wie sich der konkrete Betrag zusammengesetzt habe. Sie habe lediglich festgestellt, dass die Barmer GEK ab April 2002 keine Abbuchung des bisherigen monatlichen Betrages von EUR 140,33 vorgenommen habe. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass dem eine gesetzliche Neuregelung oder eine interne Absprache zwischen dem Rentenversicherungsträger und der Krankenkasse zugrunde gelegen habe. Sie habe nach ihrer Erinnerung damals auch weder von der Beklagten, noch von der Barmer GEK ein Informationsschreiben erhalten, dass künftig Beiträge zur KV und PV von der Rente einbehalten und direkt an die Krankenkasse abgeführt werden, so dass sich der bislang gezahlte Betrag reduziere. Es sei für sie auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Barmer GEK nicht bereits vor Jahren den unterbliebenen Eingang der Beiträge moniert habe. Dies liege nicht in ihrem (der Klägerin) Verantwortungsbereich. Sie habe darauf vertraut, dass die von der Beklagten überwiesenen Rentenbeträge korrekt gewesen seien und habe diese für ihren Lebensunterhalt verbraucht. Sie sei gesundheitlich angeschlagen, wohne zur Miete und habe keine über einen bescheidenen Haushalt hinausgehenden Vermögenswerte. Sie genieße daher Vertrauensschutz.
Mit Bescheid vom 23. September 2010 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 30. Januar 1997 über die Bewilligung der Zuschüsse zur KV und PV für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 auf und forderte EUR 6.012,39 von der Klägerin zurück. Die Klägerin habe gewusst oder aufgrund einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung nicht gewusst, dass durch den Wegfall ihrer freiwilligen KV der Anspruch auf die Zuschüsse zur KV und PV nicht mehr bestanden habe. Mit dem Wegfall ihrer freiwilligen KV habe sie selbst keine Aufwendungen mehr für diese KV gehabt, zu denen sie die Zuschüsse von ihr (der Beklagten) erhalten habe. Die Angaben der Klägerin seien nicht geeignet gewesen, im Rahmen der Ermessensentscheidung von einer Bescheidaufhebung abzusehen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2010 zurück. Durch den Eintritt der Versicherungspflicht in der KVdR ab dem 1. April 2002 sei eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Der Bescheid über die Bewilligung der Zuschüsse zur freiwilligen KV und PV vom 30. Januar 1997 sei daher aufzuheben und die Überzahlung für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 in Höhe von EUR 6.012,39 von der Klägerin zurückzufordern gewesen. Auf Vertrauen hinsichtlich des zu Unrecht erhaltenen Beitragszuschusses könne sich die Klägerin nicht berufen. Obwohl ihre Krankenkasse ab dem 1. April 2002 keine Beiträge mehr eingezogen bzw. gefordert habe, habe die Klägerin die Zuschüsse weiter bezogen, ohne die Beklagte zu informieren. Es sei ihr zuzumuten gewesen, eine Klärung herbeizuführen. Sie (die Beklagte) gehe aufgrund des Fehlverhaltens der Krankenkasse von einem atypischen Fall aus, so dass sie Ermessen habe ausüben müssen. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung komme es jedoch zu keiner für die Klägerin günstigeren Entscheidung, da der Klägerin ein überwiegendes Verschulden an der Überzahlung anzulasten sei, das hinter das ihr (der Beklagten) Verschulden zurücktrete, weil sie (die Klägerin) als einzige über ihre tatsächliche Situation umfassend informiert gewesen sei und sie weder mit der Krankenkasse, noch mit ihr (der Beklagten) in Kontakt getreten sei. Dies sei gerade deshalb erforderlich gewesen, da sie von ihrer Krankenkasse keine Informationen erhalten habe.
Am 10. Dezember 2010 erhob die Klägerin Klage beim SG. Sie wiederholte ihren vorgerichtlichen Vortrag und führte ergänzend aus, der angegriffene Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Sie habe die Rentenzahlungen vollständig für ihren Lebensunterhalt im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rentenhöhe verbraucht. Eine grobe Fahrlässigkeit liege nur vor, wenn der Leistungsempfänger aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen die ihm obliegende Mitwirkungspflicht nicht erfüllt habe. Dabei sei wegen des nach der Rechtsprechung geltenden subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs auf die individuellen Fähigkeiten und Einsichtsmöglichkeiten des jeweiligen Antragstellers abzustellen. Die Beklagte müsse sich das Verschulden der Krankenversicherung zurechnen lassen, da die Aufgabenbereiche der Krankenkasse und der Beklagten materiell-rechtlich miteinander verknüpft seien. Dieses rechtliche Zusammenspiel sei einem normalen Rentner nicht bekannt und für diesen auch nicht durchschaubar. Sie habe über Jahre hinweg, von Rentenanpassungen abgesehen, gleichbleibend ihre monatliche Rente erhalten und regelmäßig ihre Krankenversichertenkarte verwendet, ohne dass es zu irgendwelchen Beanstandungen gekommen sei. Insbesondere habe die Barmer GEK ihr bis Januar 2010 nie mitgeteilt, dass die freiwillige Mitgliedschaft zum 31. März 2002 geendet habe und sie seit 1. April 2002 in der KVdR pflichtversichert gewesen sei. Sie sei eine einfache Arbeiterin, die durch mehrere psychische Erkrankungen vorzeitig erwerbsunfähig geworden sei. Eine Unrechtmäßigkeit der Zuschusszahlungen ab dem 1. April 2002 habe sie als einfach strukturierte Person nicht erkennen können, weshalb die Annahme einer groben Fahrlässigkeit nicht gerechtfertigt sei. Hilfsweise werde auch die Verjährung der geltend gemachten Rückforderungsansprüche eingewandt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Mit Urteil vom 1. März 2012 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2010 auf. Zwar sei zum 1. April 2002 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt in der KVdR pflichtversichert gewesen sei mit der Folge, dass sie ab diesem Zeitpunkt gegen die Beklagte keinen Anspruch auf einen Zuschuss zur KV und PV mehr gehabt habe, jedoch lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des bewilligten Zuschusses mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vor. Die Kammer habe sich weder von einer grob fahrlässig unterlassenen Mitteilung an die Beklagte, noch von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin vom Wegfall des Anspruchs auf die durch die Beklagte für die Zeit ab dem 1. April 2002 bewilligten Zuschüsse zur KV und PV zu überzeugen vermocht. Die Klägerin habe erst mit dem Schreiben der Barmer GEK vom 26. Januar 2010 Kenntnis vom Ende der freiwilligen Versicherung erlangt. Dass die Klägerin bemerkt habe, dass die Beiträge durch die Barmer GEK nicht mehr eingezogen worden seien, begründe keine Mitteilungspflicht gegenüber der Beklagten. Die von der Beklagten vorgeworfene unterbliebene Nachfrage bei der Barmer GEK vermöge eine grobe Fahrlässigkeit nicht zu begründen. Es sei allenfalls von einer einfachen Fahrlässigkeit auszugehen. Da die Klägerin ihre Krankenversicherungskarte weiterhin unbeanstandet habe nutzen können, habe sie sich trotz der unterbliebenen Abbuchung der monatlichen Beiträge nicht dazu gedrängt fühlen müssen, bei der Barmer GEK nachzufragen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders vorwerfbarer Weise liege hierin nicht. Eine Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X komme weder unmittelbar noch analog in Betracht.
Gegen das ihr am 19. März 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG habe die Klägerin ihre Mitteilungspflichten mindestens grob fahrlässig verletzt, auch wenn sie nach ihren eigenen Angaben nicht gewusst habe, dass sich ihr Krankenversicherungsverhältnis geändert und sie daher keine Veranlassung zu einer Mitteilung gegenüber der Beklagten gesehen habe. Denn sie habe sich bei Antragstellung u.a. verpflichtet, jede Veränderung der Beitrags- bzw. Prämienhöhe für die KV unverzüglich anzuzeigen. Auch im Zuschuss bewilligenden Bescheid vom 30. Januar 1997 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass sie verpflichtet sei, jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Darüber hinaus hätten die im weiteren Verlauf erlassenen Bescheide und Rentenanpassungsmitteilungen Hinweise enthalten, wonach die bisherigen Mitteilungspflichten nach wie vor gelten würden und Umstände, die den Leistungsanspruch oder die Höhe der Leistung beeinflussen könnten, umgehend mitzuteilen gewesen seien. Die Klägerin habe ausgeführt, sie habe bemerkt, dass die Barmer GEK ab Anfang 2002 den monatlichen Beitrag von EUR 140,33 nicht mehr von ihrem Girokonto abgebucht habe. Damit habe sich ihr monatlicher Beitrag von EUR 140,33 auf EUR 0,00 reduziert. Es sei insoweit mehr als naheliegend gewesen, ihr (der Beklagten) die Änderung der Beitragshöhe mitzuteilen. Dies gelte vor allem, weil der Klägerin, die zuletzt als Verkäuferin tätig gewesen sei, der Umgang mit unterschiedlichen Geldbeträgen nicht fremd sein dürfte. Da sie ihr (der Beklagten) die Änderung der Beitragshöhe auf EUR 0,00 über Jahre hinweg nicht mitgeteilt habe, habe sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und damit grob fahrlässig gehandelt. Das zwischen den Kranken- und Rentenversicherungsträgern bestehende Meldeverfahren entbinde die Klägerin nicht von ihrer Pflicht, die Änderung der Beitragshöhe ihr (der Beklagten) selbst mitzuteilen. Die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X würden daher vorliegen. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt. Aufgrund des Bescheides vom 30. Januar 1997 habe die Klägerin gewusst, dass zu ihrer Rente dauerhaft Beitragszuschüsse gezahlt würden. Sie habe aufgrund der Hinweise im Antrag, den Bescheiden und den Rentenanpassungsmitteilungen auch gewusst, dass ihr kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss zustehe, wenn sie keine Aufwendungen für ihre KV und PV habe. Außerdem habe die Klägerin gewusst, dass sie ab dem 1. April 2002 keine freiwilligen Beiträge mehr gezahlt habe. Die Klägerin habe den Rentenantrag und den Antrag auf Zuschuss zur KV und PV selbst gestellt, was darauf hinweise, dass jedenfalls zu jener Zeit weder eine eingeschränkte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit noch eine verminderte Auffassungsgabe vorgelegen hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten könne ihr keine Verletzung einer Mitteilungspflicht im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorgeworfen werden. Bei der groben Fahrlässigkeit sei auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen. Hierbei sei ihre persönliche Situation zu berücksichtigen. Sie habe sich im April 1995 nach körperlichen Übergriffen durch ihren früheren Ehemann mit lebensgefährlichen Verletzungen von diesem getrennt und sei mit ihrem damals 14-jährigen Sohn allein in der Wohnung verblieben. Im August 1995 habe sie eine intracerebrale Blutung aufgrund eines Gehirnaneurysmas erlitten. Nach einer sofortigen Gehirnoperation habe sich ab Oktober 1995 eine fünfmonatige stationäre Rehabilitationsmaßnahme insbesondere im Bereich der Logopädie angeschlossen, da durch die Gehirnverletzung ihr Denk- und Sprachzentrum betroffen gewesen sei. Nach der stationären Rehabilitationsmaßnahme sei ab März 1996 eine fünfmonatige ambulante Rehabilitationsmaßnahme gefolgt. Sie sei aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Einschränkungen nicht mehr erwerbsfähig gewesen, weshalb ihr von der Beklagten eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden sei. Seither habe sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert. Sie befinde sich bis heute in regelmäßiger neurologischer Behandlung. Sie könne zwar noch lesen, habe jedoch erhebliche Schwierigkeiten, den gelesenen Text gedanklich zu verarbeiten und zu verstehen. Wegen dieser geistigen und körperlichen Einschränkungen könne ihr der Vorwurf der Verletzung einer Mitteilungspflicht nicht gemacht werden. Sie habe sich in der Vergangenheit auch nie um die Zusammensetzung des von der Beklagten ausgezahlten Betrags gekümmert. Für sie sei nur wichtig gewesen, was monatlich überwiesen werde. Sie habe zwar auf den Rentenanpassungsmitteilungen gesehen, dass dort ein Zuschuss zum KV-Beitrag ausgewiesen sei, jedoch nicht verstanden, was es damit auf sich habe. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat die Klägerin behauptet, nachdem sie festgestellt habe, dass die Krankenkasse keine Beiträge mehr abbuche, habe sie telefonisch bei der Beklagten nachgefragt. Den Namen des Gesprächspartners habe sie nicht notiert und wisse ihn nicht mehr. Eine Reaktion hierauf sei nicht erfolgt.
Der Senat hat die die Klägerin behandelnde Ärztin für Nervenheilkunde und Psychotherapie Dr. O. als sachverständige Zeugin gehört (Auskunft vom 6. Januar 2013). Sie habe die Klägerin in den letzten Jahren wegen Depressionen und Ängsten regelmäßig behandelt. Sie (die Klägerin) sei bewusstseinsklar, allseits orientiert, im Antrieb gemindert und in der Mnestik leicht gestört. Ihre Stimmung sei depressiv und der Gedankengang geordnet. Es bestünden keine paranoiden Inhalte, keine Wahrnehmungsstörungen und keine Eigen- oder Fremdgefährdung. Es werde eine Psychotherapie und eine medikamentöse Therapie durchgeführt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2010 zu Unrecht aufgehoben. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Zuschüssen zur KV und PV vom 30. Januar 1997 für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 hinsichtlich der Zuschüsse zur KV sowie für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2004 hinsichtlich der Zuschüsse zur PV aufgehoben und von der Klägerin EUR 6.012,39 zurückgefordert.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), oder soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Bei der mit Bescheid vom 30. Januar 1997 erfolgten Bewilligung des Zuschusses zur KV und PV handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des genannten Bescheides vorgelegen haben, liegt darin, dass die Klägerin seit 1. April 2002 nicht mehr freiwilliges Mitglied der Barmer GEK, sondern versicherungspflichtig in der KVdR ist und seither keine Beiträge von ihrem Konto mehr abgebucht wurden. Die Voraussetzungen für einen Zuschuss zur KV, der nach § 106 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine freiwillige Versicherung und Aufwendungen für die KV voraussetzt, waren damit - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - entfallen, ebenso die Voraussetzungen für einen Zuschuss zur PV gemäß § 106a Abs. 1 Satz 1 SGB VI, aufgehoben zum 31. März 2004.
Die Klägerin hat ihre Mitteilungspflicht verletzt, weil sie es unterlassen hat, der Beklagten mitzuteilen, dass ab April 2002 keine KV- und PV-Beiträge mehr von ihrem Konto abgebucht wurden. Zu dieser Mitteilung war sie gesetzlich verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat.
Diese Pflicht hat die Klägerin grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Hs. SGB X). Maßgebend ist die persönliche Einsichtsfähigkeit, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Grob fahrlässig handelt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (ständige Rechtsprechung des BSG seit Urteil vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 -; zum Ganzen vgl. auch: BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -; beide in juris). Dabei ist die Außerachtlassung von klaren und eindeutigen Hinweisen in einem Bescheid grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise nicht verstanden hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 -; in juris; Urteil des Senats vom 19. Oktober 2012 - L 4 R 5754/11, nicht veröffentlicht).
Sowohl im Antragsformular, das die Klägerin am 21. November 1996 unterzeichnete, als auch im Bescheid vom 30. Januar 1997 hat die Beklagte die Klägerin eindeutig und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass sie jede Änderung des KV- und PV-Verhältnisses sowie jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen habe. Auch mehrere danach ergangene und der Klägerin zugegangene Bescheide und Rentenanpassungsmitteilungen, die teilweise nur die Änderung des Zuschusses zur KV betrafen, enthielten Hinweise zu Mitteilungspflichten beim Entfallen des Anspruchs auf den Beitragszuschuss. Der Klägerin zugegangene Bescheide und Rentenanpassungsmitteilung wiesen auch in der Berechnung des Auszahlungsbetrages neben dem Rentenbetrag den Zuschuss zur KV aus. Ferner entfiel zum 1. April 2004 der ursprünglich bewilligte Zuschuss zur PV, weil die entsprechende gesetzliche Regelung (§ 106a SGB VI) mit Wirkung zum 1. April 2004 aufgehoben wurde. Die Aufhebung des Zuschusses zur PV verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2004, der der Klägerin auch zugegangen ist. Gerade dieser Bescheid enthält ausdrücklich den Hinweis auf die Voraussetzungen des Beitragszuschusses zur KV und erläutert diesen nochmals. Der Klägerin war ihre Mitteilungspflicht damit bekannt, zumindest hätte ihr diese bekannt sein müssen. Die Klägerin hat auch, wie sie selbst vorträgt, gemerkt, dass die Barmer GEK ab April 2002 keine Beiträge von ihrem Konto mehr abgebucht hat, sie aber gleichwohl unbeanstandet Leistungen der KV in Anspruch nehmen konnte. Es hätte der Klägerin bei Anstellung einfachster Überlegungen unmittelbar einleuchten müssen, dass sie die Beklagte hierüber zu unterrichten hat. Es leuchtet jedem ein, dass man nicht beitragsfrei kranken- und pflegeversichert sein und gleichzeitig für tatsächlich nicht aufgewandte Beiträge einen Zuschuss erhalten kann. Dies musste gerade auch der Klägerin als gelernter Floristin, die zuletzt als Verkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt war, unmittelbar einleuchten. Der Umstand, dass die Klägerin gegebenenfalls meinte, die Beklagte werde durch die Barmer GEK informiert, lässt die Mitteilungspflicht der Klägerin nicht entfallen. Denn die Mitteilungspflicht trifft den Antragsberechtigten und Sozialleistungsempfänger höchstpersönlich. Es handelt sich um eine dem Anspruch selbst anhaftende Obliegenheit, die nicht einmal rechtswirksam auf einen Dritten übertragen werden sowie übergehen kann (BSG, Urteil vom 18. September 1991 - RKg 5/91 - in juris).
Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats - erstmals im seit Jahren andauernden Verfahren - behauptet, nachdem sie festgestellt habe, dass die Krankenkasse keine Beiträge mehr abbuche, habe sie telefonisch bei der Beklagten nachgefragt. Unabhängig davon, dass dieser behauptete telefonische Anruf nicht belegt ist, ergibt sich aus der Behauptung der Klägerin auch nicht, dass sie in diesem Telefonat konkret mitgeteilt habe, die Krankenkasse erhebe keine Beiträge mehr. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, hätte, nachdem eine Reaktion der Beklagten nicht erfolgte, die Klägerin der Sache nachgehen müssen.
Es lagen bei der Klägerin auch keine solchen gesundheitlichen Einschränkungen vor, die sie an der Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht hinderten. Zwar leidet die Klägerin seit Jahren an einem Zustand nach intracranieller Blutung, einer generalisierten Angststörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer symptomatischen fokalen Epilepsie, einer Aphasie, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer nichtorganischen Insomnie und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, weshalb sie von der Beklagten auch seit März 1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, jedoch bestehen bei ihr keine Denk- oder Wahrnehmungsstörungen. Dies entnimmt der Senat den Angaben der sachverständigen Zeugin Dr. O ... Die Klägerin selbst trägt vor, sie habe gemerkt, dass die Barmer GEK ab April 2002 keine Beiträge von ihrem Konto mehr abgebucht hat. Der Senat ist auf dieser Grundlage davon überzeugt, dass die Klägerin durchaus in der Lage war, die Beklagte darüber zu unterrichten, dass sie ab April 2002 keine KV- und PV-Beiträge mehr zahlte.
Außerdem liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor. Die Klägerin hätte zumindest wissen müssen, dass ein Anspruch auf einen Zuschuss zur KV und PV nur bestand bzw. besteht, solange sie freiwillig versichert ist und Aufwendungen für ihre freiwillige KV und die PV hat. Dies ergibt sich aus dem Antrag auf Zuschuss vom 21. November 1996, in dem ausgeführt ist, dass der Zuschuss einen bestimmten Prozentsatz (damals 6,7 v.H.) der monatlichen Rente beträgt und gegebenenfalls auf die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen für die Krankenversicherung zu begrenzen ist. Die Klägerin wusste ab April 2002, dass sie keine Aufwendungen mehr für die KV und PV hatte, da von ihrem Konto keine Beiträge mehr abgebucht wurden. Bei Anstellen einfachster Überlegungen hätte ihr klar sein müssen, dass ihr Zuschüsse zur freiwilligen KV und PV mangels Aufwendungen hierfür nicht mehr zustehen.
Die Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse mit Bescheid vom 23. September 2010 erfolgte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, der über § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend anzuwenden ist, innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Denn die Beklagte erfuhr erstmals durch die Meldung der Barmer GEK vom 29. Januar 2010 von der Änderung des KV- und PV-Verhältnisses der Klägerin.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist auch frei von Ermessensfehlern. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Sollvorschrift. Das bedeutet, dass der Leistungsträger den Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufheben muss und nur in atypischen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen hiervon abweichen darf. Maßgeblich für das Vorliegen eines atypischen Falles sind die Umstände des Einzelfalls. Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Rückerstattung nach Lage des Falles eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 23/07 R -; in juris).
Der Senat muss nicht entscheiden, ob ein atypischer Fall vorliegt. Denn die Beklagte ist mit Widerspruchsbescheid hiervon ausgegangen und hat demgemäß Ermessen ausgeübt. Die Begründung des Rücknahmebescheids und/oder des Widerspruchsbescheides (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB X) muss nicht nur erkennen lassen, dass der Sozialleistungsträger eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte angeben, von denen er bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 -; in juris). Nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist ein Verwaltungsakt auch dann rechtswidrig, wenn die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt war, nach ihrem Ermessen zu handeln, jedoch die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die angestellten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte ging von einem geringen Mitverschulden ihrerseits aus. Es ist schon fraglich, ob dies der Fall war oder nicht fehlendes Mitverschulden der Beklagten an der Überzahlung gegeben war. Die Frage der Feststellung und Meldung der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen KV fällt in die Zuständigkeit der KV-Träger. Die versäumte Meldung durch die Barmer GEK entband die Klägerin nicht von ihrer Mitteilungspflicht. Deshalb ist jedenfalls die von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessensausübung angestellte Erwägung, dass das Verschulden der Klägerin überwiegt, nicht zu beanstanden.
Die Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 1997 hinsichtlich des bewilligten Zuschusses zur KV und PV für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 ist damit nicht zu beanstanden. Soweit ein Verwaltungsakt nach § 48 SGB X aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dementsprechend hat die Klägerin die in der Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 zu Unrecht erhaltenen Zuschüsse in Höhe von EUR 6.012,39 zu erstatten. Die im Bescheid vom 23. September 2010 erfolgte Berechnung ist zutreffend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Zuschüssen zur Krankenversicherung (KV) für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 und zur Pflegeversicherung (PV) für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2004 in Höhe von insgesamt EUR 6.012,39.
Die am 1952 geborene und bei der Beklagten gesetzlich rentenversicherte Klägerin ist gelernte Floristin und war zuletzt von Juni bis August 1995 als Verkäuferin in einer Bäckerei versicherungspflichtig beschäftigt. Sie erlitt im August 1995 eine intracerebrale Blutung mit sich anschließenden neuropsychologischen und sprachtherapeutischen Defiziten. Auf ihren Antrag vom 17. Juni 1996 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) der Klägerin mit Rentenbescheid vom 16. September 1996 eine am 1. März 1996 beginnende und zunächst bis 30. September 1999 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich DM 1.504,39. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Pflichtversicherung der Klägerin in der gesetzlichen KV und PV ergab sich nach Abzug des KV-Beitrags von DM 100,79 und des PV-Beitrags von DM 12,78 ein monatlicher Zahlbetrag von DM 1.390,82. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 verlängerte die Beklagte die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Dauer.
Am 21. November 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen Zuschuss zur KV und PV und legte Bescheinigungen der Barmer Ersatzkasse (heute und im Nachfolgenden: Barmer GEK) vor, wonach die Klägerin in der Zeit vom 12. Juni 1995 bis 26. September 1996 in der gesetzlichen KV wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung pflichtversichert und ab dem 27. September 1996 freiwillig versichert sowie in der sozialen PV seit dem 1. Januar 1995 durchgehend pflichtversichert gewesen sei. In ihrem Antrag unterzeichnete die Klägerin u.a. folgende Erklärung:
"Ich verpflichte mich, die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung, ein Ruhen der Versicherung (z.B. bei Anspruch auf Krankenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, Bundesentschädigungsgesetz, Häftlingsgesetz usw.) sowie jede Veränderung der Beitrags- bzw. Prämienhöhe für die Krankenversicherung ( ) unverzüglich der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte anzuzeigen."
Mit Rentenbescheid vom 30. Januar 1997 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 27. September 1996 neu und bewilligte der Klägerin erstmals ab diesem Tag einen Zuschuss zur KV und PV. Die monatliche Rente von DM 1.504,39 zuzüglich des Zuschusses zur KV von DM 91,50 und des Zuschusses zur PV von DM 12,79 ergab einen monatlichen Zahlbetrag von DM 1.608,68. Dieser Bescheid enthielt u.a. folgenden Hinweis:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch für Änderungen in den Verhältnissen von Familienangehörigen, deren Beitrag bei der Berechnung des Beitragszuschusses berücksichtigt wurde.
Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."
In der Folgezeit erließ die Beklagte mehrere Rentenbescheide, mit denen sie die Rente der Klägerin wegen Erwerbsunfähigkeit jeweils neu berechnete, wobei sie mit Bescheid vom 8. März 2004 den bewilligten Zuschuss zur PV mit Wirkung ab dem 1. April 2004 aufhob und der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 im Übrigen monatliche Zuschüsse zur KV und PV in folgender Höhe bewilligte:
Zeitraum monatlicher Zuschuss zur KV monatlicher Zuschuss zur PV April bis Juni 2002 EUR 56,40 EUR 7,10 Juli 2002 bis Juni 2003 EUR 57,23 EUR 7,26 Juli 2003 bis März 2004 EUR 57,23 EUR 7,33 April 2004 bis Juni 2004 EUR 64,25 Juli 2004 bis Juni 2005 EUR 63,39 Juli 2005 bis März 2007 EUR 59,51 April bis Juni 2007 EUR 62,10 Juli 2007 bis Juni 2008 EUR 62,43 Juli bis Dezember 2008 EUR 63,12 Januar bis Juni 2009 EUR 64,00 Juli 2009 bis März 2010 EUR 62,85
Ab dem 1. April 2002 war die Klägerin in der KV der Rentner (KVdR) bei der Barmer GEK pflichtversichert. Die Barmer GEK buchte die Beiträge der Klägerin zur freiwilligen KV und PV bis März 2002 von deren Konto ab. Ab April 2002 blieb eine Abbuchung der KV- und PV-Beiträge aus. Hierüber unterrichtete die Klägerin die Beklagte nicht.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 teilte die Barmer GEK der Klägerin mit, sie werde seit dem 1. April 2002 in der KVdR geführt. Ab diesem Zeitpunkt habe die Beklagte KV- und PV-Beiträge von der Rente einbehalten und direkt an sie (die Barmer GEK) abführen sollen. Bei einer Überprüfung der Mitgliedschaft sei festgestellt worden, dass dies seitens der Beklagten nicht geschehen sei. Am 29. Januar 2010 meldete die Barmer GEK der Beklagten, dass die Klägerin seit dem 1. April 2002 in der KVdR pflichtversichert ist.
Mit Rentenbescheid vom 9. Februar 2010 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 2006 neu und hob die Bewilligung des Zuschusses zur KV und PV mit Wirkung für die Zukunft ab 1. April 2010 auf. Ab dem 1. April 2010 ergab sich bei einer monatlichen Rente von EUR 897,75 nach Abzug des KV-Beitrags von EUR 70,91 und des PV-Beitrags von EUR 17,51 ein monatlicher Zahlbetrag von EUR 809,33. Für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2010 sei eine Überzahlung von EUR 4.360,26 eingetreten. Grund für die Neuberechnung sei die Änderung des KV- und PV-Verhältnisses zum 1. April 2002. Die Beklagte teilte der Klägerin darüber hinaus mit, sie beabsichtige, die der Klägerin gewährten Zuschüsse zur KV und PV mit Wirkung ab dem 1. April 2002 aufzuheben und für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 die zu Unrecht gezahlten Zuschüsse zur KV in Höhe von EUR 5.838,00 sowie diejenigen zur PV in Höhe von EUR 174,39 zurückzufordern. Die rückwirkende Bescheidaufhebung sei zulässig, wenn die Klägerin gewusst oder nur deshalb nicht gewusst habe, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass durch den Wegfall der freiwilligen KV der Anspruch auf die Zuschüsse nicht mehr bestanden habe. Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. September 2010). Die beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 25 R 6032/10) nahm die Klägerin zurück.
Mit ihrem Widerspruch hatte die Klägerin geltend gemacht, sie habe nicht erkennen können, ob die von ihr ab 1. April 2002 bezogene Rente der Höhe nach zutreffend gewesen sei, weil sie nicht habe nachvollziehen können, wie sich der konkrete Betrag zusammengesetzt habe. Sie habe lediglich festgestellt, dass die Barmer GEK ab April 2002 keine Abbuchung des bisherigen monatlichen Betrages von EUR 140,33 vorgenommen habe. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass dem eine gesetzliche Neuregelung oder eine interne Absprache zwischen dem Rentenversicherungsträger und der Krankenkasse zugrunde gelegen habe. Sie habe nach ihrer Erinnerung damals auch weder von der Beklagten, noch von der Barmer GEK ein Informationsschreiben erhalten, dass künftig Beiträge zur KV und PV von der Rente einbehalten und direkt an die Krankenkasse abgeführt werden, so dass sich der bislang gezahlte Betrag reduziere. Es sei für sie auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Barmer GEK nicht bereits vor Jahren den unterbliebenen Eingang der Beiträge moniert habe. Dies liege nicht in ihrem (der Klägerin) Verantwortungsbereich. Sie habe darauf vertraut, dass die von der Beklagten überwiesenen Rentenbeträge korrekt gewesen seien und habe diese für ihren Lebensunterhalt verbraucht. Sie sei gesundheitlich angeschlagen, wohne zur Miete und habe keine über einen bescheidenen Haushalt hinausgehenden Vermögenswerte. Sie genieße daher Vertrauensschutz.
Mit Bescheid vom 23. September 2010 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 30. Januar 1997 über die Bewilligung der Zuschüsse zur KV und PV für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 auf und forderte EUR 6.012,39 von der Klägerin zurück. Die Klägerin habe gewusst oder aufgrund einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung nicht gewusst, dass durch den Wegfall ihrer freiwilligen KV der Anspruch auf die Zuschüsse zur KV und PV nicht mehr bestanden habe. Mit dem Wegfall ihrer freiwilligen KV habe sie selbst keine Aufwendungen mehr für diese KV gehabt, zu denen sie die Zuschüsse von ihr (der Beklagten) erhalten habe. Die Angaben der Klägerin seien nicht geeignet gewesen, im Rahmen der Ermessensentscheidung von einer Bescheidaufhebung abzusehen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2010 zurück. Durch den Eintritt der Versicherungspflicht in der KVdR ab dem 1. April 2002 sei eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Der Bescheid über die Bewilligung der Zuschüsse zur freiwilligen KV und PV vom 30. Januar 1997 sei daher aufzuheben und die Überzahlung für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 in Höhe von EUR 6.012,39 von der Klägerin zurückzufordern gewesen. Auf Vertrauen hinsichtlich des zu Unrecht erhaltenen Beitragszuschusses könne sich die Klägerin nicht berufen. Obwohl ihre Krankenkasse ab dem 1. April 2002 keine Beiträge mehr eingezogen bzw. gefordert habe, habe die Klägerin die Zuschüsse weiter bezogen, ohne die Beklagte zu informieren. Es sei ihr zuzumuten gewesen, eine Klärung herbeizuführen. Sie (die Beklagte) gehe aufgrund des Fehlverhaltens der Krankenkasse von einem atypischen Fall aus, so dass sie Ermessen habe ausüben müssen. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung komme es jedoch zu keiner für die Klägerin günstigeren Entscheidung, da der Klägerin ein überwiegendes Verschulden an der Überzahlung anzulasten sei, das hinter das ihr (der Beklagten) Verschulden zurücktrete, weil sie (die Klägerin) als einzige über ihre tatsächliche Situation umfassend informiert gewesen sei und sie weder mit der Krankenkasse, noch mit ihr (der Beklagten) in Kontakt getreten sei. Dies sei gerade deshalb erforderlich gewesen, da sie von ihrer Krankenkasse keine Informationen erhalten habe.
Am 10. Dezember 2010 erhob die Klägerin Klage beim SG. Sie wiederholte ihren vorgerichtlichen Vortrag und führte ergänzend aus, der angegriffene Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Sie habe die Rentenzahlungen vollständig für ihren Lebensunterhalt im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rentenhöhe verbraucht. Eine grobe Fahrlässigkeit liege nur vor, wenn der Leistungsempfänger aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen die ihm obliegende Mitwirkungspflicht nicht erfüllt habe. Dabei sei wegen des nach der Rechtsprechung geltenden subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs auf die individuellen Fähigkeiten und Einsichtsmöglichkeiten des jeweiligen Antragstellers abzustellen. Die Beklagte müsse sich das Verschulden der Krankenversicherung zurechnen lassen, da die Aufgabenbereiche der Krankenkasse und der Beklagten materiell-rechtlich miteinander verknüpft seien. Dieses rechtliche Zusammenspiel sei einem normalen Rentner nicht bekannt und für diesen auch nicht durchschaubar. Sie habe über Jahre hinweg, von Rentenanpassungen abgesehen, gleichbleibend ihre monatliche Rente erhalten und regelmäßig ihre Krankenversichertenkarte verwendet, ohne dass es zu irgendwelchen Beanstandungen gekommen sei. Insbesondere habe die Barmer GEK ihr bis Januar 2010 nie mitgeteilt, dass die freiwillige Mitgliedschaft zum 31. März 2002 geendet habe und sie seit 1. April 2002 in der KVdR pflichtversichert gewesen sei. Sie sei eine einfache Arbeiterin, die durch mehrere psychische Erkrankungen vorzeitig erwerbsunfähig geworden sei. Eine Unrechtmäßigkeit der Zuschusszahlungen ab dem 1. April 2002 habe sie als einfach strukturierte Person nicht erkennen können, weshalb die Annahme einer groben Fahrlässigkeit nicht gerechtfertigt sei. Hilfsweise werde auch die Verjährung der geltend gemachten Rückforderungsansprüche eingewandt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Mit Urteil vom 1. März 2012 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2010 auf. Zwar sei zum 1. April 2002 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt in der KVdR pflichtversichert gewesen sei mit der Folge, dass sie ab diesem Zeitpunkt gegen die Beklagte keinen Anspruch auf einen Zuschuss zur KV und PV mehr gehabt habe, jedoch lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des bewilligten Zuschusses mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vor. Die Kammer habe sich weder von einer grob fahrlässig unterlassenen Mitteilung an die Beklagte, noch von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin vom Wegfall des Anspruchs auf die durch die Beklagte für die Zeit ab dem 1. April 2002 bewilligten Zuschüsse zur KV und PV zu überzeugen vermocht. Die Klägerin habe erst mit dem Schreiben der Barmer GEK vom 26. Januar 2010 Kenntnis vom Ende der freiwilligen Versicherung erlangt. Dass die Klägerin bemerkt habe, dass die Beiträge durch die Barmer GEK nicht mehr eingezogen worden seien, begründe keine Mitteilungspflicht gegenüber der Beklagten. Die von der Beklagten vorgeworfene unterbliebene Nachfrage bei der Barmer GEK vermöge eine grobe Fahrlässigkeit nicht zu begründen. Es sei allenfalls von einer einfachen Fahrlässigkeit auszugehen. Da die Klägerin ihre Krankenversicherungskarte weiterhin unbeanstandet habe nutzen können, habe sie sich trotz der unterbliebenen Abbuchung der monatlichen Beiträge nicht dazu gedrängt fühlen müssen, bei der Barmer GEK nachzufragen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders vorwerfbarer Weise liege hierin nicht. Eine Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X komme weder unmittelbar noch analog in Betracht.
Gegen das ihr am 19. März 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG habe die Klägerin ihre Mitteilungspflichten mindestens grob fahrlässig verletzt, auch wenn sie nach ihren eigenen Angaben nicht gewusst habe, dass sich ihr Krankenversicherungsverhältnis geändert und sie daher keine Veranlassung zu einer Mitteilung gegenüber der Beklagten gesehen habe. Denn sie habe sich bei Antragstellung u.a. verpflichtet, jede Veränderung der Beitrags- bzw. Prämienhöhe für die KV unverzüglich anzuzeigen. Auch im Zuschuss bewilligenden Bescheid vom 30. Januar 1997 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass sie verpflichtet sei, jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Darüber hinaus hätten die im weiteren Verlauf erlassenen Bescheide und Rentenanpassungsmitteilungen Hinweise enthalten, wonach die bisherigen Mitteilungspflichten nach wie vor gelten würden und Umstände, die den Leistungsanspruch oder die Höhe der Leistung beeinflussen könnten, umgehend mitzuteilen gewesen seien. Die Klägerin habe ausgeführt, sie habe bemerkt, dass die Barmer GEK ab Anfang 2002 den monatlichen Beitrag von EUR 140,33 nicht mehr von ihrem Girokonto abgebucht habe. Damit habe sich ihr monatlicher Beitrag von EUR 140,33 auf EUR 0,00 reduziert. Es sei insoweit mehr als naheliegend gewesen, ihr (der Beklagten) die Änderung der Beitragshöhe mitzuteilen. Dies gelte vor allem, weil der Klägerin, die zuletzt als Verkäuferin tätig gewesen sei, der Umgang mit unterschiedlichen Geldbeträgen nicht fremd sein dürfte. Da sie ihr (der Beklagten) die Änderung der Beitragshöhe auf EUR 0,00 über Jahre hinweg nicht mitgeteilt habe, habe sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und damit grob fahrlässig gehandelt. Das zwischen den Kranken- und Rentenversicherungsträgern bestehende Meldeverfahren entbinde die Klägerin nicht von ihrer Pflicht, die Änderung der Beitragshöhe ihr (der Beklagten) selbst mitzuteilen. Die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X würden daher vorliegen. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt. Aufgrund des Bescheides vom 30. Januar 1997 habe die Klägerin gewusst, dass zu ihrer Rente dauerhaft Beitragszuschüsse gezahlt würden. Sie habe aufgrund der Hinweise im Antrag, den Bescheiden und den Rentenanpassungsmitteilungen auch gewusst, dass ihr kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss zustehe, wenn sie keine Aufwendungen für ihre KV und PV habe. Außerdem habe die Klägerin gewusst, dass sie ab dem 1. April 2002 keine freiwilligen Beiträge mehr gezahlt habe. Die Klägerin habe den Rentenantrag und den Antrag auf Zuschuss zur KV und PV selbst gestellt, was darauf hinweise, dass jedenfalls zu jener Zeit weder eine eingeschränkte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit noch eine verminderte Auffassungsgabe vorgelegen hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten könne ihr keine Verletzung einer Mitteilungspflicht im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorgeworfen werden. Bei der groben Fahrlässigkeit sei auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen. Hierbei sei ihre persönliche Situation zu berücksichtigen. Sie habe sich im April 1995 nach körperlichen Übergriffen durch ihren früheren Ehemann mit lebensgefährlichen Verletzungen von diesem getrennt und sei mit ihrem damals 14-jährigen Sohn allein in der Wohnung verblieben. Im August 1995 habe sie eine intracerebrale Blutung aufgrund eines Gehirnaneurysmas erlitten. Nach einer sofortigen Gehirnoperation habe sich ab Oktober 1995 eine fünfmonatige stationäre Rehabilitationsmaßnahme insbesondere im Bereich der Logopädie angeschlossen, da durch die Gehirnverletzung ihr Denk- und Sprachzentrum betroffen gewesen sei. Nach der stationären Rehabilitationsmaßnahme sei ab März 1996 eine fünfmonatige ambulante Rehabilitationsmaßnahme gefolgt. Sie sei aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Einschränkungen nicht mehr erwerbsfähig gewesen, weshalb ihr von der Beklagten eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden sei. Seither habe sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert. Sie befinde sich bis heute in regelmäßiger neurologischer Behandlung. Sie könne zwar noch lesen, habe jedoch erhebliche Schwierigkeiten, den gelesenen Text gedanklich zu verarbeiten und zu verstehen. Wegen dieser geistigen und körperlichen Einschränkungen könne ihr der Vorwurf der Verletzung einer Mitteilungspflicht nicht gemacht werden. Sie habe sich in der Vergangenheit auch nie um die Zusammensetzung des von der Beklagten ausgezahlten Betrags gekümmert. Für sie sei nur wichtig gewesen, was monatlich überwiesen werde. Sie habe zwar auf den Rentenanpassungsmitteilungen gesehen, dass dort ein Zuschuss zum KV-Beitrag ausgewiesen sei, jedoch nicht verstanden, was es damit auf sich habe. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat die Klägerin behauptet, nachdem sie festgestellt habe, dass die Krankenkasse keine Beiträge mehr abbuche, habe sie telefonisch bei der Beklagten nachgefragt. Den Namen des Gesprächspartners habe sie nicht notiert und wisse ihn nicht mehr. Eine Reaktion hierauf sei nicht erfolgt.
Der Senat hat die die Klägerin behandelnde Ärztin für Nervenheilkunde und Psychotherapie Dr. O. als sachverständige Zeugin gehört (Auskunft vom 6. Januar 2013). Sie habe die Klägerin in den letzten Jahren wegen Depressionen und Ängsten regelmäßig behandelt. Sie (die Klägerin) sei bewusstseinsklar, allseits orientiert, im Antrieb gemindert und in der Mnestik leicht gestört. Ihre Stimmung sei depressiv und der Gedankengang geordnet. Es bestünden keine paranoiden Inhalte, keine Wahrnehmungsstörungen und keine Eigen- oder Fremdgefährdung. Es werde eine Psychotherapie und eine medikamentöse Therapie durchgeführt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2010 zu Unrecht aufgehoben. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Zuschüssen zur KV und PV vom 30. Januar 1997 für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 hinsichtlich der Zuschüsse zur KV sowie für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2004 hinsichtlich der Zuschüsse zur PV aufgehoben und von der Klägerin EUR 6.012,39 zurückgefordert.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), oder soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Bei der mit Bescheid vom 30. Januar 1997 erfolgten Bewilligung des Zuschusses zur KV und PV handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des genannten Bescheides vorgelegen haben, liegt darin, dass die Klägerin seit 1. April 2002 nicht mehr freiwilliges Mitglied der Barmer GEK, sondern versicherungspflichtig in der KVdR ist und seither keine Beiträge von ihrem Konto mehr abgebucht wurden. Die Voraussetzungen für einen Zuschuss zur KV, der nach § 106 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine freiwillige Versicherung und Aufwendungen für die KV voraussetzt, waren damit - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - entfallen, ebenso die Voraussetzungen für einen Zuschuss zur PV gemäß § 106a Abs. 1 Satz 1 SGB VI, aufgehoben zum 31. März 2004.
Die Klägerin hat ihre Mitteilungspflicht verletzt, weil sie es unterlassen hat, der Beklagten mitzuteilen, dass ab April 2002 keine KV- und PV-Beiträge mehr von ihrem Konto abgebucht wurden. Zu dieser Mitteilung war sie gesetzlich verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat.
Diese Pflicht hat die Klägerin grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Hs. SGB X). Maßgebend ist die persönliche Einsichtsfähigkeit, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Grob fahrlässig handelt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (ständige Rechtsprechung des BSG seit Urteil vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 -; zum Ganzen vgl. auch: BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -; beide in juris). Dabei ist die Außerachtlassung von klaren und eindeutigen Hinweisen in einem Bescheid grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise nicht verstanden hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 -; in juris; Urteil des Senats vom 19. Oktober 2012 - L 4 R 5754/11, nicht veröffentlicht).
Sowohl im Antragsformular, das die Klägerin am 21. November 1996 unterzeichnete, als auch im Bescheid vom 30. Januar 1997 hat die Beklagte die Klägerin eindeutig und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass sie jede Änderung des KV- und PV-Verhältnisses sowie jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen habe. Auch mehrere danach ergangene und der Klägerin zugegangene Bescheide und Rentenanpassungsmitteilungen, die teilweise nur die Änderung des Zuschusses zur KV betrafen, enthielten Hinweise zu Mitteilungspflichten beim Entfallen des Anspruchs auf den Beitragszuschuss. Der Klägerin zugegangene Bescheide und Rentenanpassungsmitteilung wiesen auch in der Berechnung des Auszahlungsbetrages neben dem Rentenbetrag den Zuschuss zur KV aus. Ferner entfiel zum 1. April 2004 der ursprünglich bewilligte Zuschuss zur PV, weil die entsprechende gesetzliche Regelung (§ 106a SGB VI) mit Wirkung zum 1. April 2004 aufgehoben wurde. Die Aufhebung des Zuschusses zur PV verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2004, der der Klägerin auch zugegangen ist. Gerade dieser Bescheid enthält ausdrücklich den Hinweis auf die Voraussetzungen des Beitragszuschusses zur KV und erläutert diesen nochmals. Der Klägerin war ihre Mitteilungspflicht damit bekannt, zumindest hätte ihr diese bekannt sein müssen. Die Klägerin hat auch, wie sie selbst vorträgt, gemerkt, dass die Barmer GEK ab April 2002 keine Beiträge von ihrem Konto mehr abgebucht hat, sie aber gleichwohl unbeanstandet Leistungen der KV in Anspruch nehmen konnte. Es hätte der Klägerin bei Anstellung einfachster Überlegungen unmittelbar einleuchten müssen, dass sie die Beklagte hierüber zu unterrichten hat. Es leuchtet jedem ein, dass man nicht beitragsfrei kranken- und pflegeversichert sein und gleichzeitig für tatsächlich nicht aufgewandte Beiträge einen Zuschuss erhalten kann. Dies musste gerade auch der Klägerin als gelernter Floristin, die zuletzt als Verkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt war, unmittelbar einleuchten. Der Umstand, dass die Klägerin gegebenenfalls meinte, die Beklagte werde durch die Barmer GEK informiert, lässt die Mitteilungspflicht der Klägerin nicht entfallen. Denn die Mitteilungspflicht trifft den Antragsberechtigten und Sozialleistungsempfänger höchstpersönlich. Es handelt sich um eine dem Anspruch selbst anhaftende Obliegenheit, die nicht einmal rechtswirksam auf einen Dritten übertragen werden sowie übergehen kann (BSG, Urteil vom 18. September 1991 - RKg 5/91 - in juris).
Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats - erstmals im seit Jahren andauernden Verfahren - behauptet, nachdem sie festgestellt habe, dass die Krankenkasse keine Beiträge mehr abbuche, habe sie telefonisch bei der Beklagten nachgefragt. Unabhängig davon, dass dieser behauptete telefonische Anruf nicht belegt ist, ergibt sich aus der Behauptung der Klägerin auch nicht, dass sie in diesem Telefonat konkret mitgeteilt habe, die Krankenkasse erhebe keine Beiträge mehr. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, hätte, nachdem eine Reaktion der Beklagten nicht erfolgte, die Klägerin der Sache nachgehen müssen.
Es lagen bei der Klägerin auch keine solchen gesundheitlichen Einschränkungen vor, die sie an der Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht hinderten. Zwar leidet die Klägerin seit Jahren an einem Zustand nach intracranieller Blutung, einer generalisierten Angststörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer symptomatischen fokalen Epilepsie, einer Aphasie, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer nichtorganischen Insomnie und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, weshalb sie von der Beklagten auch seit März 1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, jedoch bestehen bei ihr keine Denk- oder Wahrnehmungsstörungen. Dies entnimmt der Senat den Angaben der sachverständigen Zeugin Dr. O ... Die Klägerin selbst trägt vor, sie habe gemerkt, dass die Barmer GEK ab April 2002 keine Beiträge von ihrem Konto mehr abgebucht hat. Der Senat ist auf dieser Grundlage davon überzeugt, dass die Klägerin durchaus in der Lage war, die Beklagte darüber zu unterrichten, dass sie ab April 2002 keine KV- und PV-Beiträge mehr zahlte.
Außerdem liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor. Die Klägerin hätte zumindest wissen müssen, dass ein Anspruch auf einen Zuschuss zur KV und PV nur bestand bzw. besteht, solange sie freiwillig versichert ist und Aufwendungen für ihre freiwillige KV und die PV hat. Dies ergibt sich aus dem Antrag auf Zuschuss vom 21. November 1996, in dem ausgeführt ist, dass der Zuschuss einen bestimmten Prozentsatz (damals 6,7 v.H.) der monatlichen Rente beträgt und gegebenenfalls auf die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen für die Krankenversicherung zu begrenzen ist. Die Klägerin wusste ab April 2002, dass sie keine Aufwendungen mehr für die KV und PV hatte, da von ihrem Konto keine Beiträge mehr abgebucht wurden. Bei Anstellen einfachster Überlegungen hätte ihr klar sein müssen, dass ihr Zuschüsse zur freiwilligen KV und PV mangels Aufwendungen hierfür nicht mehr zustehen.
Die Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse mit Bescheid vom 23. September 2010 erfolgte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, der über § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend anzuwenden ist, innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Denn die Beklagte erfuhr erstmals durch die Meldung der Barmer GEK vom 29. Januar 2010 von der Änderung des KV- und PV-Verhältnisses der Klägerin.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist auch frei von Ermessensfehlern. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Sollvorschrift. Das bedeutet, dass der Leistungsträger den Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufheben muss und nur in atypischen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen hiervon abweichen darf. Maßgeblich für das Vorliegen eines atypischen Falles sind die Umstände des Einzelfalls. Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Rückerstattung nach Lage des Falles eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 23/07 R -; in juris).
Der Senat muss nicht entscheiden, ob ein atypischer Fall vorliegt. Denn die Beklagte ist mit Widerspruchsbescheid hiervon ausgegangen und hat demgemäß Ermessen ausgeübt. Die Begründung des Rücknahmebescheids und/oder des Widerspruchsbescheides (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB X) muss nicht nur erkennen lassen, dass der Sozialleistungsträger eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte angeben, von denen er bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 -; in juris). Nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist ein Verwaltungsakt auch dann rechtswidrig, wenn die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt war, nach ihrem Ermessen zu handeln, jedoch die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die angestellten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte ging von einem geringen Mitverschulden ihrerseits aus. Es ist schon fraglich, ob dies der Fall war oder nicht fehlendes Mitverschulden der Beklagten an der Überzahlung gegeben war. Die Frage der Feststellung und Meldung der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen KV fällt in die Zuständigkeit der KV-Träger. Die versäumte Meldung durch die Barmer GEK entband die Klägerin nicht von ihrer Mitteilungspflicht. Deshalb ist jedenfalls die von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessensausübung angestellte Erwägung, dass das Verschulden der Klägerin überwiegt, nicht zu beanstanden.
Die Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 1997 hinsichtlich des bewilligten Zuschusses zur KV und PV für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 ist damit nicht zu beanstanden. Soweit ein Verwaltungsakt nach § 48 SGB X aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dementsprechend hat die Klägerin die in der Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2010 zu Unrecht erhaltenen Zuschüsse in Höhe von EUR 6.012,39 zu erstatten. Die im Bescheid vom 23. September 2010 erfolgte Berechnung ist zutreffend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
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