Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 5049/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2548/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.05.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Verpflichtung der Beklagten, ihren Widerspruch vom 18.06.2009 gegen den Bescheid vom 14.06.2009 zu bescheiden.
Die 1971 geborene Klägerin nahm am 01.03.2004 eine Tätigkeit als Privatdozentin im Lehrinstitut für Krankengymnastik in B. K. auf. Mit Bescheid vom 24.04.2009 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) mit dem Tag der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab 01.03.2004 fest und forderte für den Zeitraum 01.12.2004 bis 30.04.2009 die Zahlung von Pflichtbeiträgen in Höhe von insgesamt 5.973,61 EUR. Mit zwei am 18.05.2009 eingegangenen Widersprüchen wandte sich die Klägerin, vertreten durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten, zum einen gegen die Feststellung der Versicherungspflicht (Schreiben vom 14.05.2009) und zum anderen gegen die Festsetzung der Beitragsschuld (Schreiben vom 18.05.2009).
Mit Bescheid vom 14.06.2009 setzte die Beklagte die von der Klägerin zu zahlenden Pflichtbeiträge und Säumniszuschläge für den Zeitraum 01.12.2004 bis 31.05.2009 in Höhe von 7.569,35 EUR fest. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 18.06.2009 erhob die Klägerin erneut Widerspruch und machte geltend, der Bescheid sei im Hinblick auf die Beitragsforderung bereits widerspruchsbefangen. Da der Bescheid vom 14.06.2009 den Bescheid vom 24.04.2009 in keinster Weise abändere, werde er nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er sei aufzuheben, da es sich um einen Zweitbescheid handele, der eine bereits widerspruchsbefangene Forderung noch einmal wiederhole.
Ebenfalls am 18.06.2009 ging ein Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17.06.2009 ein, mit welchem er ebenfalls Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2009 erhob und ausführte, die Beklagte sei zur Erhebung von Säumniszuschlägen nicht befugt, da die Beitragsschuld nicht verschuldet entstanden sei.
Am 08.10.2009 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2009 wegen der Säumniszuschläge sei noch nicht entschieden (S 6 R 5049/09). Der Bescheid vom 14.06.2009 sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden. Am gleichen Tag hat die Klägerin eine weitere Untätigkeitsklage erhoben, mit welcher sie die Bescheidung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.06.2009 wegen der Beitragsforderung begehrt (S 6 R 5060/09).
Mit Urteil vom 11.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht bestehe. Der Bescheid vom 14.06.2009 sei entgegen seiner unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden. Werde während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, werde gemäß § 86 SGG auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Der Bescheid vom 24.04.2009 habe die Feststellung der Versicherungspflicht für den Zeitraum ab 01.03.2004 festgestellt und eine Beitragszahlung iHv 5.973,61 EUR für den Zeitraum 01.12.2003 bis 30.04.2009 angeordnet. Mit Bescheid vom 14.06.2009 sei der Monat Mai 2009 in die Beitragsforderung einbezogen und einschließlich der Säumniszuschläge ein höherer Zahlbetrag gefordert worden. Die Beschwer sei gegenüber dem Bescheid vom 24.04.2009 vergrößert worden. Die Einbeziehung des Bescheids vom 14.06.2009 in das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 24.04.2009 entspreche auch dem Zweck des § 86 SGG, aus Gründen der Verfahrensökonomie ein weiteres Widerspruchsverfahren entbehrlich zu machen, wenn gegen den ursprünglichen Bescheid bereits vorgegangen werde. Vor dem Hintergrund der vom Bevollmächtigten für die Klägerin beim SG geführten weiteren Verfahren S 6 R 5060/09, S 6 R 5089/09, S 6 R 5090/09 und S 6 R 5091/09 sei darauf hinzuweisen, dass § 86 SGG auch im Kosteninteresse des Widerspruchsführers liege. So hätte die Klägerin die umfassende Klärung der Versicherungspflicht einschließlich der Höhe einer etwaigen Beitragsnachforderung in einem Widerspruchsverfahren erreichen können, ohne Kosten für fünf unzulässige Widerspruchs- und fünf aussichtslose Klageverfahren auszulösen. Da der Bescheid vom 14.06.2009 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden sei, könne über ihn kein selbstständiges Widerspruchsverfahren mehr geführt werden. Rechtmäßig wäre allein die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig. Darauf könne die Klägerin jedoch keinen Anspruch geltend machen, da sie lediglich eine formale Position ausnutzen würde, ohne einen tatsächlichen Vorteil erlangen zu können. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein solches Vorgehen bestehe nicht.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 11.06.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.06.2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 hat die Beklagte über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.04.2009 entschieden, deswegen ist unter dem Aktenzeichen S 6 R 3616/12 eine Klage beim SG anhängig.
Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, es gehe um eine Untätigkeitsklage. Das SG habe über die angeblichen 86er Bescheide vorauseilend eine Entscheidung getroffen, aber über Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 24.04.2009 mitnichten. Da nicht klar sei, wie sich das SG zu dieser Problematik stelle, müsse das Verfahren ruhend gestellt werden und die dann einzulegende Berufung wegen der Säumniszuschläge mit dem vorliegenden Verfahren zusammengeführt werden. Vorliegend gehe es ausschließlich um die Frage der Säumniszuschläge. Ein Bescheid über Säumniszuschläge, die mit Bescheid vom 14.06.2009 zum ersten Mal erhoben worden seien, ändere mitnichten den Bescheid vom 24.04.2009 ab. Die Angelegenheit sei daher an das SG zurückzuverweisen, um Klarheit zu schaffen für das Verfahren, wo es um den Bescheid vom 24.04.2009 gehe. Selbstverständlich bestehe das Rechtsschutzbedürfnis, gegen einen Bescheid über Säumniszuschläge einen gesonderten Widerspruch zu erheben. Auch im Hinblick auf Vollstreckungsverfahren würden Säumniszuschläge nicht als Hauptforderung betrachtet und es sei ein gesondertes Verfahren hierüber zu führen.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 06.03.2013):
1. Es wird beantragt, die Beklagte zur Bekanntgabe eines Bescheids über den Widerspruch vom 17.06.2009 (Fe6911.doc) gegen den Bescheid vom 14.06.2009 zu verurteilen. 2. Es wird beantragt, das Verfahren ruhend zu stellen bis über das Klageverfahren gegen den Bescheid vom 24.04.2009 eine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt. 3. Hilfsweise wird beantragt, das Verfahren an das Sozialgericht im Rahmen des § 159 SGG zurückzuweisen, weil dieses in der Sache nicht entschieden hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit dem Urteil des SG sei die Rechtslage zutreffend beurteilt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die erhobene Untätigkeitsklage als unzulässig abgewiesen. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin angeregte Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG kommt daher schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift nur eingreift, wenn das SG zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat (vgl Keller in Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 159 RdNr 2a). Dies ist hier aber nicht der Fall.
Die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage in Form der Bescheidungsklage, die nicht auf Erlass eines Verwaltungsakts mit bestimmtem Inhalt, sondern auf bloße Bescheidung gerichtet ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 88 SGG. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs 1 SGG). Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 Abs 2 SGG).
Vorliegend ist ein zulässiges Widerspruchsverfahren betreffend den hier mit Schreiben vom 17.06.2009 am 18.06.2009 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2009 wegen der Säumniszuschläge nicht anhängig geworden. Denn der Bescheid vom 14.06.2009 ist Gegenstand des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden, so dass der gleichwohl erhobene Widerspruch zwar unschädlich war, aber ins Leere ging angesichts des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens. Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.04.2009 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 entschieden, deswegen ist ein Klageverfahren beim SG anhängig (S 6 R 3616/12). Es liegt daher schon gar keine Untätigkeit der Beklagten vor in Bezug auf den Widerspruch vom 18.06.2009.
Die Einbeziehung eines Verwaltungsakts in das Vorverfahren setzt nach § 86 SGG voraus, dass während des Vorverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert wird; in diesem Fall wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist somit, dass der neue Verwaltungsakt den mit Widerspruch angefochtenen Bescheid abändert. Dies richtet sich nach dem Regelungsgehalt einerseits des ersten Bescheids und andererseits des Folgebescheids (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86 RdNr 3). Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein und sich in seinen Wirkungen mit dem angefochtenen Verwaltungsakt überschneiden, sei es dass der Betroffene besser oder schlechter gestellt wird.
Vorliegend hatte der Bescheid vom 24.04.2009 zwei Verfügungssätze, nämlich die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI und daneben die Forderung eines Betrags in Höhe von 5.973,61 EUR für Beiträge im Zeitraum 01.12.2004 bis 30.04.2009. Mit dem Bescheid vom 14.06.2009 wird der zweite Verfügungssatz abgeändert. Nunmehr wird von der Klägerin ein Betrag in Höhe von 7.569,35 EUR gefordert für Beiträge und Säumniszuschläge im Zeitraum 01.12.2004 bis 31.05.2009. Damit ändert der Bescheid vom 14.06.2009 sowohl hinsichtlich der Höhe der Forderung als auch hinsichtlich des Zeitraums (bis einschließlich 31.05.2009) den ursprünglichen Bescheid ab. Dass nunmehr zusätzlich auch Säumniszuschläge festgesetzt werden, begründet keine abweichende Beurteilung. Der Verfügungssatz selbst enthält zunächst nur die Festsetzung der Forderungshöhe mit 7.569,35 EUR, die Zusammensetzung des Betrags stellt sich bei dem hier streitigen Bescheid vom 14.06.2009 als Begründung des Bescheids und Berechnungselement dar. Ob insoweit ein Fall, bei dem schon im Verfügungssatz zwischen Beiträgen und Säumniszuschlägen getrennt wird, anders zu beurteilen ist, kann offen bleiben.
Selbst wenn man vorliegend eine Festsetzung von Säumniszuschlägen als erstmalige neue Beschwer ohne Anknüpfung an die ursprüngliche Regelung sehen wollte, wäre hier § 86 SGG jedenfalls analog anzuwenden. Anders als bei § 96 SGG, für den nach der ab 01.04.2008 gültigen Fassung (Gesetz vom 26.03.2008, BGBl I 444) eine entsprechende Anwendung ausgeschlossen ist, kann § 86 SGG analog angewendet werden (Bundessozialgericht (BSG) 17.06.2008, B 8 AY 11/07 R, juris). Schon im Hinblick auf den engen Zusammenhang zwischen Beiträgen und Säumniszuschlägen nach § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (dazu auch BSG 14.12.1999, B 2 U 38/98 R, juris) ist dies vorliegend geboten. Fehlende Prozessökonomie kann dagegen nicht eingewendet werden, weil bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Verwaltung ohnedies das Verfahren in der Hand behält und auch ohne weiteres alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen Bewilligungen überprüfen kann und muss. Die Situation ist insoweit anders als im Fall des Erlasses eines Bescheides für Folgezeiträume erst während des laufenden Gerichtsverfahrens (BSG 17.06.2008, B 8 AY 11/07 R, juris).
Davon abgesehen entspricht die Anwendung von § 86 SGG bei der vorliegenden Konstellation auch dem Rechtsschutzinteresse des Bürgers, denn ansonsten müsste sich ein Betroffener, der im Vertrauen auf ein bereits laufendes Widerspruchsverfahren gegen einen weiteren Bescheid mit einer höheren Forderung nicht gesondert vorgeht, uU später vorhalten lassen, der neue Bescheid sei hinsichtlich der Säumniszuschläge bestandskräftig geworden.
Der Widerspruch könnte nach alledem nur als unzulässig zurückgewiesen werden. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, stellt sich das Beharren der Klägerin auf einer solchen Entscheidung durch die Beklagte als Ausnutzung einer rein formalen Rechtsposition dar, die der Klägerin keinerlei Vorteile bringen würde. Für eine derartige rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung besteht jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt erst recht angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Bescheidung des Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid vom 24.04.2009 mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012. Die Untätigkeitsklage ist daher unzulässig.
Die vom Bevollmächtigten der Klägerin beantragte Anordnung des Ruhens des Verfahrens kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte nicht zugestimmt hat. Ohne Einverständnis beider Hauptbeteiligter kann ein Gericht das Ruhen nicht anordnen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, Vor § 114 RdNr 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, ist über die Kosten des Widerspruchsverfahrens, die durch die falsche Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten veranlasst sein können, im Rahmen der Entscheidung wegen des Bescheids vom 24.04.2009 (Klageverfahren S 6 R 3616/12) mitzuentscheiden (BSG 20.10.2010, B 13 R 15/10 R, SozR 4-1500 § 193 Nr 6).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Verpflichtung der Beklagten, ihren Widerspruch vom 18.06.2009 gegen den Bescheid vom 14.06.2009 zu bescheiden.
Die 1971 geborene Klägerin nahm am 01.03.2004 eine Tätigkeit als Privatdozentin im Lehrinstitut für Krankengymnastik in B. K. auf. Mit Bescheid vom 24.04.2009 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) mit dem Tag der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab 01.03.2004 fest und forderte für den Zeitraum 01.12.2004 bis 30.04.2009 die Zahlung von Pflichtbeiträgen in Höhe von insgesamt 5.973,61 EUR. Mit zwei am 18.05.2009 eingegangenen Widersprüchen wandte sich die Klägerin, vertreten durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten, zum einen gegen die Feststellung der Versicherungspflicht (Schreiben vom 14.05.2009) und zum anderen gegen die Festsetzung der Beitragsschuld (Schreiben vom 18.05.2009).
Mit Bescheid vom 14.06.2009 setzte die Beklagte die von der Klägerin zu zahlenden Pflichtbeiträge und Säumniszuschläge für den Zeitraum 01.12.2004 bis 31.05.2009 in Höhe von 7.569,35 EUR fest. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 18.06.2009 erhob die Klägerin erneut Widerspruch und machte geltend, der Bescheid sei im Hinblick auf die Beitragsforderung bereits widerspruchsbefangen. Da der Bescheid vom 14.06.2009 den Bescheid vom 24.04.2009 in keinster Weise abändere, werde er nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er sei aufzuheben, da es sich um einen Zweitbescheid handele, der eine bereits widerspruchsbefangene Forderung noch einmal wiederhole.
Ebenfalls am 18.06.2009 ging ein Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17.06.2009 ein, mit welchem er ebenfalls Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2009 erhob und ausführte, die Beklagte sei zur Erhebung von Säumniszuschlägen nicht befugt, da die Beitragsschuld nicht verschuldet entstanden sei.
Am 08.10.2009 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2009 wegen der Säumniszuschläge sei noch nicht entschieden (S 6 R 5049/09). Der Bescheid vom 14.06.2009 sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden. Am gleichen Tag hat die Klägerin eine weitere Untätigkeitsklage erhoben, mit welcher sie die Bescheidung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.06.2009 wegen der Beitragsforderung begehrt (S 6 R 5060/09).
Mit Urteil vom 11.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht bestehe. Der Bescheid vom 14.06.2009 sei entgegen seiner unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden. Werde während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, werde gemäß § 86 SGG auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Der Bescheid vom 24.04.2009 habe die Feststellung der Versicherungspflicht für den Zeitraum ab 01.03.2004 festgestellt und eine Beitragszahlung iHv 5.973,61 EUR für den Zeitraum 01.12.2003 bis 30.04.2009 angeordnet. Mit Bescheid vom 14.06.2009 sei der Monat Mai 2009 in die Beitragsforderung einbezogen und einschließlich der Säumniszuschläge ein höherer Zahlbetrag gefordert worden. Die Beschwer sei gegenüber dem Bescheid vom 24.04.2009 vergrößert worden. Die Einbeziehung des Bescheids vom 14.06.2009 in das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 24.04.2009 entspreche auch dem Zweck des § 86 SGG, aus Gründen der Verfahrensökonomie ein weiteres Widerspruchsverfahren entbehrlich zu machen, wenn gegen den ursprünglichen Bescheid bereits vorgegangen werde. Vor dem Hintergrund der vom Bevollmächtigten für die Klägerin beim SG geführten weiteren Verfahren S 6 R 5060/09, S 6 R 5089/09, S 6 R 5090/09 und S 6 R 5091/09 sei darauf hinzuweisen, dass § 86 SGG auch im Kosteninteresse des Widerspruchsführers liege. So hätte die Klägerin die umfassende Klärung der Versicherungspflicht einschließlich der Höhe einer etwaigen Beitragsnachforderung in einem Widerspruchsverfahren erreichen können, ohne Kosten für fünf unzulässige Widerspruchs- und fünf aussichtslose Klageverfahren auszulösen. Da der Bescheid vom 14.06.2009 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden sei, könne über ihn kein selbstständiges Widerspruchsverfahren mehr geführt werden. Rechtmäßig wäre allein die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig. Darauf könne die Klägerin jedoch keinen Anspruch geltend machen, da sie lediglich eine formale Position ausnutzen würde, ohne einen tatsächlichen Vorteil erlangen zu können. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein solches Vorgehen bestehe nicht.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 11.06.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.06.2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 hat die Beklagte über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.04.2009 entschieden, deswegen ist unter dem Aktenzeichen S 6 R 3616/12 eine Klage beim SG anhängig.
Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, es gehe um eine Untätigkeitsklage. Das SG habe über die angeblichen 86er Bescheide vorauseilend eine Entscheidung getroffen, aber über Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 24.04.2009 mitnichten. Da nicht klar sei, wie sich das SG zu dieser Problematik stelle, müsse das Verfahren ruhend gestellt werden und die dann einzulegende Berufung wegen der Säumniszuschläge mit dem vorliegenden Verfahren zusammengeführt werden. Vorliegend gehe es ausschließlich um die Frage der Säumniszuschläge. Ein Bescheid über Säumniszuschläge, die mit Bescheid vom 14.06.2009 zum ersten Mal erhoben worden seien, ändere mitnichten den Bescheid vom 24.04.2009 ab. Die Angelegenheit sei daher an das SG zurückzuverweisen, um Klarheit zu schaffen für das Verfahren, wo es um den Bescheid vom 24.04.2009 gehe. Selbstverständlich bestehe das Rechtsschutzbedürfnis, gegen einen Bescheid über Säumniszuschläge einen gesonderten Widerspruch zu erheben. Auch im Hinblick auf Vollstreckungsverfahren würden Säumniszuschläge nicht als Hauptforderung betrachtet und es sei ein gesondertes Verfahren hierüber zu führen.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 06.03.2013):
1. Es wird beantragt, die Beklagte zur Bekanntgabe eines Bescheids über den Widerspruch vom 17.06.2009 (Fe6911.doc) gegen den Bescheid vom 14.06.2009 zu verurteilen. 2. Es wird beantragt, das Verfahren ruhend zu stellen bis über das Klageverfahren gegen den Bescheid vom 24.04.2009 eine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt. 3. Hilfsweise wird beantragt, das Verfahren an das Sozialgericht im Rahmen des § 159 SGG zurückzuweisen, weil dieses in der Sache nicht entschieden hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit dem Urteil des SG sei die Rechtslage zutreffend beurteilt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die erhobene Untätigkeitsklage als unzulässig abgewiesen. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin angeregte Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG kommt daher schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift nur eingreift, wenn das SG zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat (vgl Keller in Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 159 RdNr 2a). Dies ist hier aber nicht der Fall.
Die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage in Form der Bescheidungsklage, die nicht auf Erlass eines Verwaltungsakts mit bestimmtem Inhalt, sondern auf bloße Bescheidung gerichtet ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 88 SGG. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs 1 SGG). Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 Abs 2 SGG).
Vorliegend ist ein zulässiges Widerspruchsverfahren betreffend den hier mit Schreiben vom 17.06.2009 am 18.06.2009 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2009 wegen der Säumniszuschläge nicht anhängig geworden. Denn der Bescheid vom 14.06.2009 ist Gegenstand des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.04.2009 geworden, so dass der gleichwohl erhobene Widerspruch zwar unschädlich war, aber ins Leere ging angesichts des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens. Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.04.2009 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 entschieden, deswegen ist ein Klageverfahren beim SG anhängig (S 6 R 3616/12). Es liegt daher schon gar keine Untätigkeit der Beklagten vor in Bezug auf den Widerspruch vom 18.06.2009.
Die Einbeziehung eines Verwaltungsakts in das Vorverfahren setzt nach § 86 SGG voraus, dass während des Vorverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert wird; in diesem Fall wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist somit, dass der neue Verwaltungsakt den mit Widerspruch angefochtenen Bescheid abändert. Dies richtet sich nach dem Regelungsgehalt einerseits des ersten Bescheids und andererseits des Folgebescheids (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86 RdNr 3). Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein und sich in seinen Wirkungen mit dem angefochtenen Verwaltungsakt überschneiden, sei es dass der Betroffene besser oder schlechter gestellt wird.
Vorliegend hatte der Bescheid vom 24.04.2009 zwei Verfügungssätze, nämlich die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI und daneben die Forderung eines Betrags in Höhe von 5.973,61 EUR für Beiträge im Zeitraum 01.12.2004 bis 30.04.2009. Mit dem Bescheid vom 14.06.2009 wird der zweite Verfügungssatz abgeändert. Nunmehr wird von der Klägerin ein Betrag in Höhe von 7.569,35 EUR gefordert für Beiträge und Säumniszuschläge im Zeitraum 01.12.2004 bis 31.05.2009. Damit ändert der Bescheid vom 14.06.2009 sowohl hinsichtlich der Höhe der Forderung als auch hinsichtlich des Zeitraums (bis einschließlich 31.05.2009) den ursprünglichen Bescheid ab. Dass nunmehr zusätzlich auch Säumniszuschläge festgesetzt werden, begründet keine abweichende Beurteilung. Der Verfügungssatz selbst enthält zunächst nur die Festsetzung der Forderungshöhe mit 7.569,35 EUR, die Zusammensetzung des Betrags stellt sich bei dem hier streitigen Bescheid vom 14.06.2009 als Begründung des Bescheids und Berechnungselement dar. Ob insoweit ein Fall, bei dem schon im Verfügungssatz zwischen Beiträgen und Säumniszuschlägen getrennt wird, anders zu beurteilen ist, kann offen bleiben.
Selbst wenn man vorliegend eine Festsetzung von Säumniszuschlägen als erstmalige neue Beschwer ohne Anknüpfung an die ursprüngliche Regelung sehen wollte, wäre hier § 86 SGG jedenfalls analog anzuwenden. Anders als bei § 96 SGG, für den nach der ab 01.04.2008 gültigen Fassung (Gesetz vom 26.03.2008, BGBl I 444) eine entsprechende Anwendung ausgeschlossen ist, kann § 86 SGG analog angewendet werden (Bundessozialgericht (BSG) 17.06.2008, B 8 AY 11/07 R, juris). Schon im Hinblick auf den engen Zusammenhang zwischen Beiträgen und Säumniszuschlägen nach § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (dazu auch BSG 14.12.1999, B 2 U 38/98 R, juris) ist dies vorliegend geboten. Fehlende Prozessökonomie kann dagegen nicht eingewendet werden, weil bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Verwaltung ohnedies das Verfahren in der Hand behält und auch ohne weiteres alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen Bewilligungen überprüfen kann und muss. Die Situation ist insoweit anders als im Fall des Erlasses eines Bescheides für Folgezeiträume erst während des laufenden Gerichtsverfahrens (BSG 17.06.2008, B 8 AY 11/07 R, juris).
Davon abgesehen entspricht die Anwendung von § 86 SGG bei der vorliegenden Konstellation auch dem Rechtsschutzinteresse des Bürgers, denn ansonsten müsste sich ein Betroffener, der im Vertrauen auf ein bereits laufendes Widerspruchsverfahren gegen einen weiteren Bescheid mit einer höheren Forderung nicht gesondert vorgeht, uU später vorhalten lassen, der neue Bescheid sei hinsichtlich der Säumniszuschläge bestandskräftig geworden.
Der Widerspruch könnte nach alledem nur als unzulässig zurückgewiesen werden. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, stellt sich das Beharren der Klägerin auf einer solchen Entscheidung durch die Beklagte als Ausnutzung einer rein formalen Rechtsposition dar, die der Klägerin keinerlei Vorteile bringen würde. Für eine derartige rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung besteht jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt erst recht angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Bescheidung des Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid vom 24.04.2009 mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012. Die Untätigkeitsklage ist daher unzulässig.
Die vom Bevollmächtigten der Klägerin beantragte Anordnung des Ruhens des Verfahrens kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte nicht zugestimmt hat. Ohne Einverständnis beider Hauptbeteiligter kann ein Gericht das Ruhen nicht anordnen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, Vor § 114 RdNr 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, ist über die Kosten des Widerspruchsverfahrens, die durch die falsche Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten veranlasst sein können, im Rahmen der Entscheidung wegen des Bescheids vom 24.04.2009 (Klageverfahren S 6 R 3616/12) mitzuentscheiden (BSG 20.10.2010, B 13 R 15/10 R, SozR 4-1500 § 193 Nr 6).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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