L 1 U 2555/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3114/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2555/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04.03.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Verletztenrente des Klägers wegen einer von der Beklagten als Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers. Im Einzelnen streitig sind die Höhe des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und die Höhe des der Rentenberechnung zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV), hierbei wiederum der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls.

Der 1962 geborene Kläger begann nach dem Erwerb der mittleren Reife im August 1978 eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, welche er im Januar 1979 abbrach. Von März 1979 bis März 1982 absolvierte er im Neu-Ulmer Betrieb des Ulmer Unternehmens J. Frischdienst, einem Großhandel für Molkereiprodukte und Fleischwaren, eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann (vgl. Lebenslauf des Klägers vom 07.04.2009, Bl. 532 f. Verwaltungsakte der Beklagten – VA –, Auflistung der Berufstätigkeiten durch den Kläger vom 22.07.2006, Bl. 7 ff. VA). Anschließend wurde er in seinem Ausbildungsunternehmen bis zum 30.09.1987 als Lagerist weiterbeschäftigt, unterbrochen von einer Tätigkeit als Soldat im Stabsdienst bei der Deutschen Bundeswehr (Oktober 1982 bis September 1984). Im Oktober/November 1987 schloss sich hieran eine Beschäftigung als Werkschutzkraft bei A. in U. an, vom 01.12.1987 bis zum 30.11.1988 war er dann als Auslieferungsfahrer bei einer Großbäckerei (Firma G. E.) beschäftigt, anschließend bis zum 17.12.1991 wieder als Lagerist bei der Firma J. Frischdienst. Danach war der Kläger ohne Beschäftigung bzw. unternahm längere Auslandsreisen. Ab dem 02.05.1995 bis zum 30.04.1999 war er als Lagerarbeiter bei der Firma H.-Logistik in U.-D. beschäftigt. Vom 01.05.1999 bis zum 31.12.2003 schloss sich eine Beschäftigung als Lagerist in der (inzwischen aufgelösten) Betriebsstätte Ulm des Unternehmens C. Express Deutschland KG, einem Handel mit Kopierern, Druckern und Faxgeräten, an. Diese Tätigkeit war mit schwerem Heben und Tragen verbunden; wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärung vom 18.10.2006 (Bl. 5 VA) und die E-Mail des Klägers vom 13.09.2007 (Bl. 132 ff. VA) verwiesen. Ab dem 01.01.2005 bis zum 20.03.2005 war der Kläger arbeitslos, unterbrochen von einer Pförtnertätigkeit (17.01.2005 bis 09.02.2005). Während seiner anschließenden Beschäftigung für die Firma T. Zeitarbeit vom 21.03.2005 bis zum 01.10.2005 übte er bis zum 01.10.2005 verschiedene Helfertätigkeiten aus: Vom 21.03.2005 war er als Kundendiensthelfer bei der Firma P. tätig, vom 29.03. bis 11.04.2005 als Maschinenbediener bei der Firma H. Kunststofftechnik GmbH und vom 12.04.2005 bis 18.04.2005 als Verpacker von Kindersitzen bei der Firma B. R ... Diese Tätigkeiten waren nach den Erkenntnissen des Präventionsdienstes der Beklagten (Stellungnahme vom 05.02.2007) nicht wirbelsäulenrelevant, anders als die danach ausgeübten Tätigkeiten eines Arbeiters an der Verpackungsmaschine bzw. Beifahrers im Getränke-Lkw der Brauerei G. O. in U. (vom 19.04.2005 bis 02.08.2005) und der anschließend vom 03.08.2005 bis 16.09.2005 ausgeübten Tätigkeit eines Kommissionierers bei der Firma M. Logistik in L., welche nach den Erhebungen des Präventionsdienstes mit schwerem Heben und Tragen verbunden waren. Ab dem 19.09.2005 war der Kläger wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden bis zum 31.05.2006 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 01.06.2006 war er bis zum 31.12.2008 als kaufmännischer Sachbearbeiter beschäftigt. Danach übte er nur noch geringfügige Beschäftigungen aus.

Am 11.09.2006 zeigte der Kläger bei der Beklagten selbst den Verdacht auf eine Berufskrankheit Nr. 2108 an und gab an, dass erstmals im November 2000 Beschwerden aufgetreten seien. Ausweislich eines von der Beklagten beigezogenen CT-Bericht vom 05.12.2000 ergab die auf Veranlassung der Hausärztin Dr. H.-H. wegen eines Verdachts auf S1-Wurzelirritation durchgeführte Untersuchung den Befund eines links-medio-lateralen Bandscheibenvorfalls mit Überlagerung der linken S1-Wurzel ohne hierdurch bedingte Spinalkanalstenose oder knöcherne Einengung der Neuroforamina (Bl. 12 VA). Im Arztbrief über ein am 23.09.2005 durchgeführtes MRT der LWS wurde von einem links-medio-lateralen Bandscheibenvorfall mit Verdrängung der Wurzel S 1 linksseitig ohne wesentliches Wurzelödem und mäßiger Einengung des Spinalkanals in dieser Region berichtet (Bl. 13 VA). Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. teilte mit Bericht vom 01.11.2005 (Bl. 14 VA) mit, der Kläger habe seit September linksseitige Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in das linke hintere Bein mit Gefühlsstörungen im hinteren Bein. Ein sicheres neuropathisches Bild habe nicht erhoben werden können. Paresen bestünden nicht; der Achillessehnenreflex sei rechts erstaunlicherweise schwächer als links gewesen. Die Hausärztin des Klägers, Dr. H.-H. (Bl. 70 ff. VA), berichtete von einer Erstbehandlung wegen Kreuzschmerzen im Dezember 2000 und einer Verschlechterung seit dem Erstbefund. Wegen des Leidens habe vom 19.09.2005 bis 31.05.2006 Arbeitsunfähigkeit bestanden.

In den von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnissen der BKK A.-L.-P. (BKK ALP) vom 03.11.2006 (Bl. 21 VA) über den Zeitraum ab dem 01.12.2003 und der AOK U. wo der Kläger mit Unterbrechungen seit 1988 gesetzlich krankenversichert war, sind Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Erkrankungen der Lendenwirbelsäule vor dem 19.09.2005 nicht aufgeführt. Dasselbe gilt für den Zeitraum ab dem 01.01.2004 auch für ambulante ärztliche Leistungen.

Die Beklagte holte zu den potentiell wirbelsäulenbelastenden Beschäftigungsverhältnissen des Klägers Stellungnahmen (Berechnungen nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD)) ihres Präventionsdienstes bzw. der Präventionsdienste der für die jeweiligen Betriebe zuständigen Berufsgenossenschaften ein und ließ diese nochmals überarbeiten, nachdem der Kläger hierzu Stellung genommen hatte. Die für die Firmen J. und C. Express zuständige Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft errechnete für den Kläger am 08.05.2007 (Bl. 89 ff. VA) eine Gesamtdosis von 12,8 MNh, allerdings ohne Berücksichtigung der Zeiträume, in welchen der Kläger eine Tagesdosis von 5,5 kNh unterschritten hatte (gesamte Tätigkeit bei C. Express). Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen errechnete am 26.06.2007 (Bl. 150 VA) für die Dauer der vierjährigen Beschäftigung des Klägers bei der Firma H. Lager- und Transportlogistik eine Gesamtbelastung von 8,9 MNh. Die Berufsgenossenschaft Nahrung und Gaststätten errechnete am 16.07.2007 für die Beschäftigung des Klägers bei der Großbäckerei G. vom 01.12.1987 bis 30.11.1988 eine Gesamtdosis von 2 MNh (Bl. 118 ff.). Für die als Zeitarbeiter bei der Brauerei O. und als Kommissionierer bei M. vom 19.04.2005 bis 16.09.2005 ausgeübten Tätigkeiten betrug nach der Berechnung des Präventionsdienstes der Beklagten die Gesamtdosis 0,3 MNh (Stellungnahme vom 05.02.2007, Bl. 77 f. VA).

Die von der Beklagten beauftragten Gutachter Prof. Dr. R./Dr. K. kamen mit Gutachten vom 06.05.2008 (Bl. 168 VA) trotz der errechneten aufsummierten Gesamtdosis von 24 MNh zu dem Ergebnis, dass keine Berufskrankheit vorliege, da auch in anderen Regionen des Skelettsystems (Hals- und Brustwirbelsäule, Becken) fortgeschrittene degenerative Veränderungen vorlägen. Nachdem sich auch der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. S., mit Stellungnahme vom 07.08.2008 ablehnend geäußert hatte, lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 mit Bescheid vom 31.01.2008 (Bl. 212 VA) ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruch vom 29.01.2009 (Bl. 219 VA) zurück.

Im anschließenden Klageverfahren (S 10 U 441/09) holte das Sozialgericht Ulm (SG) bei Dr. F. ein orthopädisches Gutachten ein (Gutachten vom 14.08.2009, Bl. 233 VA). Dieser sah zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als nachgewiesen an, aufgrund welcher eine Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten notwendig gewesen sei. Er leitete aber aus weiteren degenerativen Veränderungen der HWS und der BWS, welche gegenüber den LWS-Veränderungen schon 1999 vorauseilend gewesen seien, ab, dass beim Kläger eine Neigung zu degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule bestehe, weshalb eine berufliche Verursachung nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers (§ 109 Abs. 1 Satz 1 SGG) holte das SG ein weiteres orthopädisches Gutachten ein, welches Dr. B. am 14.12.2009 erstattete (Bl. 259 ff. VA). Er kam zu dem Ergebnis, degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule und der rechten Hüfte träten aufgrund ihres geringen Ausmaßes hinter den Veränderungen der LWS zurück. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls bei L5/S1 mit Begleitspondylose in nicht betroffenen Segmenten bei nicht erkennbaren wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren liege eine Konstellation B 1 vor. Unter Berücksichtigung der geklagten in das linke Bein ausstrahlenden Schmerzen mit Sensibilitätsstörungen und einer Fußsenkerschwäche nach kurzzeitigem Stehen oder mehr als halbstündigem Sitzen, klinisch eingeordnet als linksseitiges Wurzelreizsyndrom L 5/S 1 mit Sensibilitätsstörung und Fußsenkerschwäche mit leichter Verschmächtigung des linken Beines bei Funktionsstörungen der unteren LWS und provozierbaren Schmerzen, schätzte er die Höhe der MdE mit 20 v.H. ein. Er führte aus, der Kläger habe die spezifische berufliche Exposition der LWS am 19.09.2005 beendet; die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit bzw. der bandscheibenschädigenden Einwirkungen sei aus medizinischem Zwang erfolgt.

Im Termin vom 10.06.2010 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, worin die Beklagte sich zur neuerlichen Prüfung unter Berücksichtigung der Original-CT-Aufnahmen vom 07.07.2006 und nach Überprüfung der Feststellungen zur Mindestbelastungsdosis unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und Neubescheidung des Klägers verpflichtete.

Mit Stellungnahme vom 26.07.2010 (Bl. 345 VA) bestätigte der Radiologe K. als Beratungsarzt der Beklagten das Vorliegen einer Konstellation B 1 (Discushernie L 5/S 1 mit Begleitspondylose ohne konkurrierende Ursachenfaktoren). Eine Neuberechnung nach dem MDD durch den Präventionsdienst der Beklagten unter Berücksichtigung der geänderten Orientierungswerte aufgrund des BSG-Urteils vom 30.10.2007 (B 2 U 4/06 R, juris) ergab eine Gesamtdosis von 31,2 MNh, davon entfallend auf die Tätigkeiten bei der Firma J. 13,9 MNh, der Großbäckerei G. 2,3 MNh, der Firma Heigele 9,5 MNh, der Firma C. Express 5,3 MNh und die Tätigkeiten bei der Firma T. Zeitarbeit (Beifahrer G. O. und Kommissionierer Marktkauf) 0,2 MNh (Stellungnahme vom 23.07.2010, Bl. 334 VA).

Mit Bescheid vom 21.09.2010 (Bl. 394 VA) erkannte daraufhin die Beklagte die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers als Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV an und gewährte ihm ab dem 01.06.2006 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. in Höhe von monatlich 193,20 EUR bis zum 30.06.2007, von 194,24 EUR vom 01.07.2007 bis 30.06.2008, von 196,38 EUR im darauffolgenden Jahr (bis 30.06.2009) und von 201, 11 EUR ab dem 01.07.2009 bis auf weiteres.

Mit seinem Widerspruch vom 15.10.2010 vertrat der Kläger die Auffassung, die Höhe des Grades der MdE sei zu niedrig bemessen; nachdem die MdE für lumbale Wurzelreizsyndrome mit mittelgradigen bis starken Schmerzen und/oder motorischen Störungen funktionell wichtiger Muskeln bei mindestens 30% liege, halte er eine MdE von 40% für angemessen. Zudem sei der Rentenberechnung der Jahresarbeitsverdienst des Jahres 2003 zugrunde zu legen. § 84 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) erweitere die Regelung des § 9 Abs. 5 SGB VII um die Möglichkeit, als Zeitpunkt des Versicherungsfalls den letzten Tag zugrunde zu legen, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet hätten, die ihrer Art nach geeignet gewesen seien, die BK zu verursachen. Im Dezember sei die Lendenwirbelsäulenerkrankung erstmalig behandlungsbedürftig gewesen (Vorfall L 5/S 1). Die Tätigkeit bei C. Express sei zum 31.12.2003 aufgegeben worden, die Gründe dafür seien unerheblich. Nachträglich betrachtet sei ab diesem Zeitpunkt von einem Versicherungsfall auszugehen und der Jahresarbeitsverdienst von 2003 zugrunde zu legen.

Mit Schreiben vom 18.11.2010 (Bl. 467 VA) an die BKK ALP plus veranlasste die Beklagte die Auszahlung von Verletztengeld für die Zeiträume des Krankengeldbezuges wegen der Lendenwirbelsäulenerkrankung, mithin vom 02.10.2005 bis 31.05.2006, vom 01.01. bis 01.03.2009 und vom 21.03. bis 31.07.2009.

Die Beklagte zog von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg das im Rahmen eines Erwerbsminderungsrentenverfahrens am 26.07.2010 erstattete Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. bei. Diese stellte die Diagnose eines Wurzelreizsyndroms S1 links bei Bandscheibenvorfall und wies auf eine Diskrepanz zwischen dem neurologischen Normalbefund bei fehlender Behandlung/Beeinträchtigung im Tagesablauf und den angegebenen Beschwerden bzw. dem Rentenantrag hin. Die Wurzelreizsymptomatik S1 links beschrieb sie als gebessert (kein neurologisches Defizit, zeitweilige Lumboischialgien, keine Schmerztherapie, keine Physiotherapie). Die Beklagte zog ebenfalls ein chirurgisches Gutachten des Dr. J. vom 19.07.2010/28.07.2010 (Bl. 569 ff., 588 VA) bei, welcher eine Minderbelastbarkeit der LWS mit Lumboischialgie aufgrund mehrerer degenerativer Veränderungen bei Spondylarthrosen und eine deutlich gebesserte Cervikobrachialgie links bei degenerativen Veränderungen insbesondere C6/7 mit diskreter Minderbelastbarkeit diagnostizierte. Er führte aus, bei der Untersuchung vom 14.07.2010 seien keine wesentlichen, sichtbaren Umfangsdifferenzen aufgefallen, was sich messtechnisch weitgehend bestätige; der sehr diskrete Unterschied zu Ungunsten links sei messtechnisch erklärbar.

Mit Bescheid vom 28.03.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Zeitraum vom 17.09.2005 bis zum 16.09.2010 monatliche Übergangsleistungen. Der Kläger habe seine Tätigkeit als Produktionsarbeiter/Helfer, während deren Ausübung er wirbelsäulengefährdenden Tätigkeiten ausgesetzt gewesen sei, am 16.09.2005 aufgegeben.

Am 30.05.2011 erstattete Dr. K. ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten (Bl. 668 VA). Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung am 22.03.2011 sei der Einbeinstand links nur mit Anlehnen möglich gewesen (zu wenig Kraft im Bein), Hüpfen links sei nicht möglich gewesen. Der Zehenspitzenstand sei links deutlich abgeschwächt, der Hackenstand zwar möglich gewesen, aber auch dabei sei eine Schwäche des linken Beines aufgefallen. Der Achillessehnenreflex sei links erloschen gewesen, rechts vorhanden. Auch in der Liegeposition sei das Heben des linken Beines gegenüber rechts deutlich geschwächt gewesen. Er kam zu dem Ergebnis, eine chronische Lumboischialgie links mit Wurzelkompressionssymptomatik bei multietagerem Bandscheibenleiden und Paresen der unteren Extremität sei mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen. Die MdE schätzte er bis zum 10.12.2010 mit 20 v.H., ab dem 11.12.2010 mit 30 v.H: ein, nachdem zum Zeitpunkt der Begutachtung am 22.03.2011 erhebliche neurologische Ausfälle bestanden hätten, ein Stand auf dem linken Bein nicht mehr möglich sei und die Kennmuskulatur im Bereich der linken unteren Extremität im Vergleich zur Gegenseite deutlich abgeschwächt sei, insbesondere im Hinblick auf die Vorfußhebung, Großzehenhebung und Vorfußsenkung.

Der Arzt für Chirurgie Dr. S. führte mit Stellungnahme vom 21.07.2011 (Bl. 693 VA) aus, eine wesentliche Verschlimmerung zum Vorgutachten (10 %) sei im Befund nicht zu erkennen; eine wesentliche Änderung der Funktionen der Wirbelsäule sei nicht eingetreten. Hinsichtlich der neurologischen Befundung solle evtl. eine aktuelle fachneurologische Untersuchung erfolgen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011 (Bl. 697 VA) mit der Begründung zurück, bei einem Vergleich der 2009 erhobenen Befunde mit den von Dr. K. am 22.03.2011 erhobenen Befunden lasse sich eine wesentliche Änderung der funktionellen Einschränkungen nicht feststellen. Die Einschätzung bezüglich der erhöhten MdE sei im Wesentlichen mit der vom Kläger geschilderten subjektiven Beschwerdezunahme und einer zunehmenden Schwäche des linken Beines begründet worden; die objektivierbaren Befunde hätten jedoch keine wesentliche Änderung gezeigt. Eine wesentliche Muskelminderung am linken Bein habe sich aktuell nicht feststellen lassen. Hinsichtlich des JAV führte die Beklagte aus, eine alternative Berechnung des JAV nach § 84 SGB VII komme nur in Betracht, wenn der letzte Tag der gefährdenden Tätigkeit vor den in § 9 Abs. 5 SGB VII genannten Ereignissen (Beginn der Arbeitsunfähigkeit/Behandlungsbedürftigkeit oder der rentenberechtigenden MdE) liege. Da die Behandlungsbedürftigkeit im Dezember 2000 und damit lange bevor die gefährdende Tätigkeit aufgegeben worden sei, eingetreten sei, sei die Berechnung des JAV nach § 82 SGB VII durchgeführt und für die JAV auf das Ende der letzten gefährdenden Tätigkeit im Jahr 2005 abgestellt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 19.09.2011 Klage beim Sozialgericht Ulm mit der Begründung erhoben, bereits der von Dr. B. beschriebene Befund entspreche einer MdE von 40 v.H. Das Gutachten von Dr. K. belege dann eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung (objektive motorische Störungen funktionell wichtiger Muskeln mit einer deutlichen Abschwächung der Kennmuskulatur der linken unteren Extremitäten, Höhenminderung in beiden distalen Segmenten und belastungsabhängige Wurzelreizsymptomatik). Der Versicherungsfall sei rückschauend mit dem Ende der Tätigkeit bei Corporate Express am 31.12.2003 eingetreten. Aus objektiver Sicht im Sinne einer nachträglichen Betrachtung sei das Unterlassen dieser Tätigkeit bereits zum damaligen Zeitpunkt medizinisch geboten gewesen. Die kurzzeitig anderen gefährdenden Tätigkeiten von März 2005 bis September 2005 seien unschädlich.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Im Vergleich des von Dr. K. erhobenen Befundes mit dem Gutachten des Dr. B. sei eine wesentliche Verschlimmerung des Befundes nicht erkennbar. § 84 SGB VII sei im vorliegenden Fall, in welchem der Kläger auch nach Beginn der Behandlungsbedürftigkeit weiterhin einer gefährdenden Tätigkeit nachgegangen sei, nicht anwendbar.

Ausweislich des Abschlussbefundes im Zwischenbericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 01.12.2011 über eine erweiterte ambulante Physiotherapie vom 27.10.2011 bis 16.11.2011 sind die Gangvaria allseits durchführbar gewesen, ebenso das monopedische Stehen. Lediglich beim Zehenspitzenstand links habe der Kläger Hilfe benötigt; die ausstrahlenden Schmerzen im linken Bein beim Aufstehen sind im Entlassungsbericht als diskret rückläufig beschrieben worden. Insgesamt habe sich der Gesamtzustand während der Rehabilitationsmaßnahme minimal verbessert. Die belastungsabhängigen Schmerzen des Klägers seien in der klinischen Untersuchung nicht objektivierbar gewesen.

Am 27.12.2012 hat der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. ein Gutachten erstattet. Ihm gegenüber hat der Kläger angegeben, keine Medikamente - auch keine Schmerzmedikamente - einzunehmen. Im Jahr 2000 hätten seine Beschwerden mit einem Bandscheibenvorfall begonnen, welcher mit Schmerzmitteln und abendlicher Krankengymnastik behandelt worden sei. Unter dieser Therapie sei es ihm eine Zeitlang besser gegangen, wobei er immer wieder schlechtere Phasen gehabt habe, z.B. wenn er habe Schnee schippen müssen. Ende 2005 hätten die Beschwerden dann wieder angefangen und seien seither im Wesentlichen immer gleich geblieben. Der Kläger habe Schmerzen im Bereich der LWS mit linksbetonter Ausstrahlung in beide Beine und Kribbelparästhesien an der Vorderseite der Unterschenkel beidseits linksbetont beschrieben und über fehlende Kraft beim Treppensteigen geklagt. Bei der ambulanten Untersuchung hätten sich keine relevanten Auffälligkeiten ergeben, insbesondere seien Paresen und segmentbezogene Sensibilitätsstörungen nicht nachweisbar gewesen, wie auch im Befund von Prof. Westphal 2009 und Dr. Milz 2010 beschrieben, die wie er auch den Achillessehnenreflex als abgeschwächt auslösbar beschrieben hätten, während Dr. Kalke diesen als erloschen angegeben habe. Ausgehend von der Diagnose einer Lumboischialgie ohne relevante radikuläre Ausfälle bei Bandscheibenvorfall LWK5/SWK1 und Bandscheibenprotrusionen LWK 3/4/5 sei die mit MdE von 20 v.H. mangels relevanter neurologischer Ausfälle ausreichend bemessen.

Hierauf hat das SG die Klage mit Urteil vom 04.03.2013 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, dass die geltend gemachte BK 2108 nach seiner Überzeugung nicht vorliege, was sich aus dem Gutachten des Dr. Fichtl ergebe. Selbst wenn die von der Beklagten anerkannte Berufskrankheit tatsächlich bestehe, sei die MdE von der Beklagten mit 20 v.H. zutreffend festgesetzt, was sich aus dem Gutachten des Dr. W. ergebe, während die im parallel geführten Erwerbsminderungsrentenverfahren (S 2 R 27/11) vom SG Ulm bei Dr. D. und Dr. B. eingeholten Gutachten das Erhöhungsbegehren ebenfalls nicht stützen würden. Auch der JAV sei zutreffend berechnet worden; der Kläger sei vor der endgültigen Aufgabe gefährdender Tätigkeiten behandlungsbedürftig gewesen, weshalb nicht § 84 SGB VII, sondern § 82 SGB VII Anwendung finde. Das Urteil ist dem Kläger am 01.06.2013 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 20.06.2013 erhobene Berufung. Der Kläger ist der Auffassung, seine Wirbelsäulenbeschwerden seien zu Recht als Berufskrankheit anerkannt worden. Eine MdE von 20 v.H. werde der Erkrankung nicht mehr gerecht und lasse unberücksichtigt, dass er beim Stehen ein Kribbeln an der Oberschenkelaußenseite, welches bis in die Unterschenkelvorderseite ausstrahle, verspüre. Er leide immer häufiger unter von der LWS ausgehenden und mehrere Wochen andauernden Schmerzen. Am 08.06.2013 sei er im Treppenhaus zusammengebrochen, als er mit einer Gießkanne voll Wasser in die Wohnung gegangen sei und ihm der Schmerz heftig rechts in die Lendenwirbel gefahren sei. Er habe sich nicht zum Arzt begeben, nachdem Ärzte ihm nur Cortisonspritzen und Schmerztabletten verschreiben würden, was er mittlerweile ablehne. Ein derartiger Vorfall wiederhole sich im Durchschnitt alle drei Monate. Zudem leide er unter den bereits beschriebenen neurologischen Ausfällen im linken und mittlerweile auch im rechten Fuß. Hinzu kämen Wadenzucken links und Schienbeinkrämpfe in beiden Beinen; Stehen und Bücken seien mit Schmerzen verbunden. Angemessen sei zumindest ein Grad der MdE von 40 v.H. Maßgeblich für die JAV-Berechnung sei vorliegend § 84 SGB VII; der "letzte Tag" im Sinne dieser Vorschrift sei der 31.12.2003 gewesen. Maßgebend für die Bestimmung der Rentenhöhe sei der Jahresarbeitsverdienst 2003.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04.03.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 21.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2011 zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert ab 11.12.2009 und von 50 vom Hundert ab 11.12.2010 zu gewähren mit der Maßgabe, dass der Berechnung der Jahresarbeitsverdienst des Klägers im Jahr 2003 zugrunde zu legen ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie vertritt anders als das SG die Auffassung, dass eine Berufskrankheit Nr. 2108 vorliegt, sieht allerdings die MdE mit 20 v.H. als ausreichend bemessen an, was sich auch aus den Gutachten von Dr. Beck und Dr. W. ergebe. Der JAV sei zutreffend berechnet worden; der Kläger habe die gefährdende Tätigkeit am 16.09.2005 auf Dauer aufgegeben. Mit der Forderung nach dem Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit sei deren Aufgabe auf Dauer gemeint. Eine spätere Wiederaufnahme der gefährdenden Tätigkeit lasse die Anerkennung als Berufskrankheit unberührt und führe nur gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zum Wegfall von Leistungsansprüchen. Dies könne allerdings nur in Betracht kommen, wenn die BK bereits anerkannt sei und der Versicherte in Kenntnis der Tatsachen wieder einer gefährdenden Tätigkeit nachgehe.

Der Kläger hat einen neurologischen Befundbericht Dr. L. vom 24.11.2013 vorgelegt, in welchem die Diagnosen Polyneuropathie unklarer Ätiologie und Peronaeusparese links bei Verdacht auf Druckschädigung im Fibulaköpfchenbereich aufgeführt sind. Am 13.02.2014 hat er einen weiteren Befundbericht von Dr. Lisson vom 27.01.2014 über eine Nachschauuntersuchung vorgelegt, in welchem dieser nunmehr eine Fußheberschwäche links -L5-Syndrom (alte neurogene Umbauten) diagnostizierte, während "heute keine Polyneuropathie festzustellen" sei. Ferner teilte er die Diagnose "bekanntes Bandscheibenleiden lumbal bzw. eingeengte Neuroforamina und Elektrolisthesis LWS5/SWK1" mit.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die SG-Akte und die Senatsakte ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogenen Akten des parallel anhängigen Rentenverfahrens (Az. L 5 R 576/13), die dortigen SG-Akten (SG Ulm, S 4 R 27/11) und die Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat aufgrund der Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die berufliche Tätigkeit des Klägers gewesen ist, keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente nach einem höheren Grad der MdE als 20 v.H. Er hat ebenfalls keinen Anspruch auf Berechnung der Höhe der Verletztenrente auf Grundlage eines höheren JAV als 17.388,00 EUR, namentlich unter Zugrundelegung des im Jahr 2003 erzielten Arbeitseinkommens als JAV.

Nachdem der Kläger den Bescheid vom 21.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2011 nur teilweise - hinsichtlich der Höhe des Grades der MdE und des der Rentenberechnung zugrunde zu legenden JAV - angefochten hat, ist allein dies Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, nicht aber die bestandskräftige und damit für die Beteiligten bindende (§ 77 SGG) Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers als Berufskrankheit.

Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn die vorliegend streitbefangene bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist erstmals im November 2000 aufgetreten und diagnostiziert worden. Der Kläger hat danach noch mehrere Jahre wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen verrichtet, weshalb ein potentieller Versicherungs- wie auch Leistungsfall zeitlich jedenfalls nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII) liegt, weshalb dessen Vorschriften Anwendung finden.

Im Hinblick auf den eingangs definierten Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens weist der Senat allein zur Vermeidung weiteren Streits darauf hin, dass die Anerkennung als Berufskrankheit Nr. 2108 durch die Beklagte zu Recht erfolgt ist. Hierzu geben die Ausführungen des SG in den Gründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils Veranlassung. Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 2108 wie folgt: "Bandscheiben bedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 sind erfüllt. Der Kläger hatte Laufe seines Berufslebens im Rahmen der jeweils versicherten beruflichen Tätigkeiten als Lagerarbeiter/Lagerist bei verschiedenen Arbeitgebern (im Zeitraum von März 1979 bis zum 31.12.2003, mit Unterbrechungen), als Auslieferungsfahrer bei einer Großbäckerei (01.12.1988 bis 30.11.1988) wie auch als Beifahrer im Getränke-Lkw der Brauerei G. O. in U. (19.04.2005 bis 02.08.2005) und als Kommissionierer bei der Firma M. Logistik (03.08.2005 bis 16.09.2005) beruflich bedingt langjährig schwere Lasten zu heben und zu tragen. Die nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06 –, BSGE 99, 162-170, juris, Rn. 22 ff., Urteil vom 30.11.2008 – B 2 U 14/07 R –, UV-Recht aktuell 2009, 295) erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh wurde erheblich überschritten. Der Präventionsdienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 23.07.2010 (Bl. 334 ff. VA) die berufliche Belastung des Klägers ab März 1979 ermittelt und dabei für die bis zum 16.09.2005 verrichteten Berufstätigkeiten eine Belastungsdosis von insgesamt 31,2 MNh errechnet (125 % des Orientierungswertes nach dem MDD von 25x106 Nh). Die beruflichen Belastungen sind auch auch, anders als vom SG angenommen, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wesentliche Ursache für die Bandscheibenschäden an der LWS, so dass die Beklagte zu Recht eine BK Nr. 2108 anerkannt hat. Unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff), die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS wiedergeben, handelt es sich im Falle des Klägers, was der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. in seinem Gutachten vom 14.12.2009 entnimmt, um die Konstellation B 1 (belastungskonformes Schadensbild mit Begleitspondylose bei Ausschluss wesentlicher konkurrierender Ursachen). Dies hat auch der Radiologe K. als Beratungsarzt der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 26.07.2010 (Bl. 345 VA), in welcher er eine Discushernie L 5/S 1 mit Begleitspondylose ohne konkurrierende Ursachenfaktoren beschrieb, bestätigt.

Einen Anspruch auf die Bemessung der Verletztenrente nach einem höheren Grad der MdE als 20 v.H. hat der Kläger nicht. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf höhere Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet. Sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII); bei einer MdE wird Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Nach der maßgeblichen unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 511) entspricht eine MdE von 20 v.H. mittleren Leistungseinschränkungen wegen eines lokalen LWS-Syndroms oder lokalen Wirbelsäulenkompressionssyndroms mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden, einer Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden und deutlichen Funktionseinschränkungen bzw. mittelgradigen Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach Operation, wodurch Einschränkungen für eine dauerhafte Zwangshaltung im Sitzen oder im Stehen sowie für ein mehr als gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung und Handhaben schwerer Lasten begründet werden. Für eine MdE von 30 bis 40 bedarf es des Nachweises schwerer Leistungseinschränkungen im Sinne eines lumbalen Wurzelkompressionssyndroms mit starken belastungsabhängigen Beschwerden und motorischen Störungen funktionell wichtiger Muskeln, bzw. von starken Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach einer Operation, wodurch das Handhaben schwerer Lasten und Arbeiten in gebückter Körperhaltung nicht einmal mehr gelegentlich möglich sind. Motorische Störungen funktionell wichtiger Muskeln oder starke belastungsabhängige Beschwerden sind beim Kläger allerdings nicht nachgewiesen, weshalb die MdE mit 20 v.H. zutreffend bemessen ist. Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung neben dem im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Gutachten von Dr. B.vom 14.12.2009 auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten von Dr. W., welcher die Diagnose einer Lumboischialgie ohne relevante radikuläre Ausfälle bei Bandscheibenvorfall LWK 5/SWK 1 und Bandscheibenprotrusionen LWK 3/4/5 gestellt hat. Sowohl er als auch die Neurologin Dr. M. in ihrem für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg am 26.07.2010 erstatteten Gutachten, welches der Senat ebenfalls im Urkundsbeweis verwertet hat, haben neurologisch jeweils einen Normalbefund erhoben und Paresen beim Kläger nicht nachzuweisen vermocht. Vom Kläger geklagte Sensibilitätsstörungen (Kribbelparästhesien an der Vorderseite der Unterschenkel beidseits linksbetont) hat Dr. W. den geschädigten Segmenten nicht zuordnen können; bereits Prof. Dr. W. hatte eine nach distal segmentunabhängig zunehmende Hyperpathie im Sinne einer leichtgradigen Neuropathie bei reduziertem Vibrationsempfinden beschrieben und dies einer möglicherweise nutritiv-toxischen Ursache zugeschrieben (Befundbericht vom 17.02.2009, Bl. 249 VA). Der Senat sieht die Ausführungen von Dr. W. nach alledem als nachvollziehbar an, während nicht nachvollziehbar erklärbar ist, warum Dr. Kalke in seinem Gutachten den Achillessehnenreflex als erloschen bezeichnet hat, während Prof. Dr. W., Dr. M. und Dr. W. jeweils gelungen ist, diesen – wenn auch abgeschwächt – auszulösen. Auch die von Dr. K. am 20.05.2011 beschriebenen Schwierigkeiten bei Ausführung des Zehenspitzenstands, Einbeinstands und Hackenstands, welche er seiner Einschätzung einer MdE von 30 v.H. zugrunde gelegt hat, sind im Zwischenbericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm vom 01.12.2011 über die erweiterte ambulante Physiotherapie des Klägers nicht bestätigt worden. Bei der Abschlussuntersuchung sind dort die Gangvaria allseits durchführbar gewesen, ebenso das monopedische Stehen. Nachdem die Feststellungen des Dr. K. in wesentlichen Teilen nicht reproduzierbar sind, vermag sich der Senat der von diesem aufgestellten Schlussfolgerung, wonach der beim Kläger nachgewiesene Befund die Annahme eines Grades der MdE von 30 v.H. rechtfertigt, nicht anzuschließen, zumal, was dem Gutachten von Dr. W. zu entnehmen ist, sich die von Dr. K. darüber hinaus noch angeführte (im Übrigen geringe) Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur links gegenüber rechts nicht auf einen Bandscheibenvorfall bei L 5/S 1 zurückführen lässt. Schließlich spricht gegen eine höhere MdE als 20 v.H. im Falle des Klägers auch, dass dieser gegenüber Dr. W. eingeräumt hat, nicht nur den Rasen zu mähen (was auch das Entleeren des Rasenmähers erfordert), sondern auch die Hecke zu schneiden, so dass er noch in der Lage ist, zumindest zeitweise Arbeiten in gebückter Körperhaltung bzw. in Zwangshaltungen zu verrichten. Hinzu kommt, dass der Kläger keine regelmäßige ärztliche Behandlung wahrnimmt und keine Schmerztherapie durchführt.

Der vom Kläger zur Akte des Senats gereichte neurologische Befundbericht des Dr. L. vom 24.11.2013 bestätigt die vorstehend dargelegte Einschätzung, denn dort ist ausdrücklich aufgeführt, dass der Kläger nicht über wesentliche Rückenbeschwerden geklagt hat und die neurologische Behandlung wegen einer erst seit 2 Wochen bestehenden Fußheberschwäche in Anspruch genommen hat. Die in dem Zusammenhang neu festgestellte Peronaeusparese links hat Dr. L. auf eine Druckschädigung im Fibulaköpfchenbereich zurückgeführt, mithin eine vorübergehende akute Erscheinung, weshalb der Senat es nicht als überwiegend wahrscheinlich ansieht, dass es sich um eine Folge der Berufskrankheit Nr. 2108 handelt, und dieses Krankheitsbild bei der Bemessung der MdE außer Betracht zu bleiben hat. Dasselbe gilt für die Polyneuopathie unklarer Ätiologie (keine segmentbezogenen Sensibilitätsstörungen). Die Beschreibung als "leichteres Lumbalsyndrom" mit beidseits negativem Lasegue lässt eine höhere MdE als 20 v.H. nicht angemessen erscheinen. Eine wesentliche Befundverschlechterung ist durch den Bericht des Dr. L. vom 27.01.2014 nicht dokumentiert. Zwar hat dieser jetzt von links bei 60-70% positiven Laseguedehnungszeichen berichtet, dennoch enthält der Bericht keine Hinweise auf vom Kläger geklagte Rückenbeschwerden; auch aus der Bezeichnung "Lumbalsyndrom" ohne Angabe eines Schweregrades ergibt sich kein Anhalt für eine diesbezügliche Befundverschlechterung. Die Fußheberschwäche links hat sich deutlich gebessert, von 3/5 ohne Widerstand im November 2013 auf 4/5 gegen Widerstand Ende Januar 2014. Dass Dr. L. diese nach Hinweisen des Klägers auf eine Neuroforamenstenose 4/5 und ein Bandscheibenleiden L5/S1 nunmehr alten neurogenen Umbauten eines L5-Syndrom zugeordnet hat, ist für den Senat angesichts des Umstandes, dass der Kläger am 24.11.2013 über eine "seit etwa zwei Wochen" bestehende Fußheberschwäche aus akutem Anlass ("Er habe damals lange am Computer gearbeitet.") geklagt hat, nicht überzeugend.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Berechnung der Verletztenrente auf Grundlage eines höheren JAV als 17.388,00 EUR, dem Mindest-JAV (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) bezogen auf einen im September 2005 eingetretenen Versicherungsfall. Die Beklagte hat die Berechnung des JAV zutreffend vorgenommen; insbesondere ist, anders als der Kläger meint, der Versicherungsfall nicht bereits am 31.12.2003 eingetreten, sondern am 19.09.2005.

Nach § 82 Abs. 1 SGB VI ist der Jahresarbeitsverdienst der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§ 14 des Vierten Buches) und Arbeitseinkommen (§ 15 des Vierten Buches) des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII wird für Zeiten, in denen der Versicherte in dem vorgenannten Zeitraum kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat, das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, das seinem durchschnittlichen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in den mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen belegten Zeiten dieses Zeitraums entspricht. Der Kläger hat in den zwölf Kalendermonaten vor dem 19.09.2005 (d. h. vom 01.08.2004 bis 31.08.2005, im sog. "JAV-Jahr") ein Gesamt-Arbeitsentgelt von 8.143,68 EUR erzielt, was die Beklagte auf Grundlage der Auskunft der Firma T. Zeitarbeit GmbH vom 18.08.2010 und des Versicherungsverlaufs des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg ermittelt hat. Der auf beschäftigungslose Zeiten i.S.d. § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII entfallende Betrag hat, wie die Beklagte errechnet hat, 7.703,49 EUR betragen. Hiernach die Beklagte in Anwendung des § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII zu Recht den Mindest-JAV der Rentenberechnung zugrunde gelegt, nachdem dieser mit 17.388,00 EUR höher ist als die Summe der genannten Beträge.

Der Versicherungsfall ist am 19.09.2005 eingetreten, und nicht, wie der Kläger meint, bereits am 31.12.2003, dem letzten Tag der Beschäftigung bei Corporate Express. Nach § 9 Abs. 5 SGB VII ist, soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen. § 9 Abs. 5 enthält damit in erster Linie eine Regelung über den Leistungsfall und über den Versicherungsfall nur insoweit, als dieser für die Regelungen des Leistungsrechts, etwa die Bestimmung des Jahresarbeitsverdienstes - wie vorliegend - von Bedeutung ist (vgl. BSG-Urteil vom 13.02.2013 – B 2 U 33/11 R –, NZS 2013, 555-558, juris, Rn. 23 m.w.N.). Frühestmöglicher Zeitpunkt des Bestehens des Versicherungsfalls ist allerdings unabhängig von dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit oder des Beginns der MdE, auch wenn dies in § 9 Abs. 5 SGB VII keine ausdrückliche Erwähnung findet, der Zeitpunkt, in welchem erstmals sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen einer Berufskrankheit erfüllt werden. Bei Berufskrankheiten, die – wie auch die BK 2108 – tatbestandlich das Unterlassen der gefährdenden Tätigkeiten verlangen, ist dies erst der Fall, wenn ein objektiver Zwang zum Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit besteht und diese tatsächlich aufgegeben wird (BSG-Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 12/06 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4302 Nr. 2, juris, Rn. 18 f., vgl. auch Ricke in: Kasseler Kommentar, Stand September 2013, § 9 SGB VII Rn. 5, 13). Hiernach ist der Versicherungsfall trotz damaliger Behandlungsbedürftigkeit nicht bereits im November 2000 eingetreten, nachdem der Kläger die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten bei der Firma C. Express noch bis zum 31.12.2003 weiter tatsächlich ausgeübt hat. Zum 31.12.2003 hat er die Ausübung dieser Tätigkeit zwar nach arbeitgeberseitiger Kündigung beendet, jedoch hat zu diesem Zeitpunkt noch kein objektiver Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit bestanden. Ein objektiver Zwang zur Aufgabe aller lendenwirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten infolge der im Bereich der LWS bestehenden Erkrankungen hat im Falle des Klägers erst ab dem 19.09.2005 bestanden, wovon der Senat gestützt auf die Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten vom 14.12.2009 überzeugt ist. Der bei der BK Nr. 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Aufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R; Senatsurteil vom 08.11.2010 - L 1 U 2450/08). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht. Vor dem 19.09.2005 hat ein Unterlassungszwang für wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten nicht bestanden. So ist der Kläger vor dem 19.09.2005, was der Senat den Vorerkrankungsverzeichnissen der BKK ALP und der AOK und den Angaben des Klägers im Selbstauskunftsbogen zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 27.01.2006 entnimmt, vor dem 19.09.2005 nicht aufgrund der erstmals im November 2000 aufgetretenen schmerzhaften Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule arbeitsunfähig gewesen, obwohl er ausweislich der Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten noch bis zum 31.12.2003 als Lagerist bei C. Express und dann wieder ab dem 19.04.2005 (als Beifahrer im Getränke-Lkw und Kommissionierer) in erheblichem Umfang wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten verrichtet hat. Aus den Schilderungen des Klägers gegenüber Dr. W. (Gutachten vom 27.07.2012, Bl. 34 [41 f.] SG-Akte) zum Erkrankungsverlauf seit Ende des Jahres 2000 entnimmt der Senat, dass sich die im Zusammenhang mit dem erstmals mit CT vom 05.12.2000 nachgewiesenen Bandscheibenvorfall aufgetretenen schmerzhaften Beschwerden des Klägers nach arbeitsbegleitender Behandlung mit Krankengymnastik und Schmerztherapie nach Ablauf etwa eines Jahres wieder gebessert haben und der Kläger dann Beschwerden nur noch gelegentlich bei erheblichen körperlichen Dauerbelastungen (als Beispiel genannt worden ist Schneeschippen) verspürt hat. Die Beschwerden haben dann Ende 2005 wieder angefangen und bestehen seither in im Wesentlichen gleicher Ausprägung. Dies deckt sich im Wesentlichen mit der Schilderung des Krankheitsverlaufs in dem vom Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Gutachten vom 13.03.2006, welches der Chirurg Dr. S.für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (Bl. M 5 der dortigen Reha-Akte) erstattet hat. Auch gegenüber Dr. S. hat der Kläger angegeben, dass die am Ende des Jahres 2000 aufgetretenen Beschwerden nach ärztlicher Behandlung innerhalb eines dreiviertel Jahres wieder vollkommen verschwunden sind und es danach nur unter Belastung zu vorübergehenden Beschwerden gekommen ist. Als Zeitpunkt des erneuten Wiederauftretens der Beschwerden hat der Kläger gegenüber Dr. S. den Sommer 2005 benannt. Auch Anhaltspunkte für eine Beendigung der Beschäftigung bei der Firma C. Express durch den Kläger aus gesundheitlichen Gründen hat der Senat nicht; vielmehr entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. S., dass dem Kläger zum 31.12.2003 aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen arbeitgeberseitig gekündigt worden ist.

Seit dem 17.09.2005 hat der Kläger die seit dem 19.04.2005 wieder ausgeübte wirbelsäulenbelastende Tätigkeit tatsächlich aufgegeben. Nachdem vor dem 19.09.2005 keine rentenberechtigende MdE bestanden hat, wovon der Senat aufgrund des in den Gutachten von Dr. S. und Dr. W. geschilderten Verlaufes der Erkrankung überzeugt ist, ist der Versicherungsfall i.S.d. § 9 Abs. 5 SGB VII am 19.09.2005 eingetreten, gleichzeitig mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der Folgen der Berufskrankheit. Durch die abweichend davon erfolgte Bestimmung des 17.09.2005 als Tag des Eintritts des Versicherungsfalls im angefochtenen Bescheid wird der Kläger nicht beschwert, sondern ausschließlich begünstigt (vgl. etwa die Gewährung einer monatlichen Übergangsleistung wegen Minderverdienstes bereits ab dem 17.09.2005, Bescheid vom 28.03.2011, Bl. 640 ff. VA), weshalb der Bescheid insoweit nicht abzuändern war.

Für den JAV enthält § 84 SGB VII eine Sonderregelung, welche die Beklagte im angefochtenen Bescheid zur Anwendung gebracht und infolge dessen für die Bestimmung des JAV auf den 16.06.2005, den letzten Tag der Ausübung einer wirbelsäulenbelastenden und damit für die Entstehung einer BK 2108 gefährdenden Tätigkeit (als Kommissionierer) als Zeitpunkt des Eintritt des Versicherungsfalls abgestellt hat. Nach § 84 Satz 1 SGB VII gilt bei Berufskrankheiten für die Berechnung des JAV als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn diese Berechnung für die Versicherten günstiger ist als die Berechnung auf der Grundlage des auf § 9 Abs. 5 genannten Zeitpunktes. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen die schädigende versicherte Tätigkeit aufgegeben worden ist. Nachdem der JAV aus dem Arbeitsverdienst in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, zu errechnen ist (sog. "JAV-Jahr", vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), werden unter Zugrundelegung des 16.09.2005 und 19.09.2005 insoweit identische Ergebnisse erzielt, weshalb der Senat offen lassen kann, ob die Beklagte hinsichtlich des JAV zu Recht gestützt auf § 84 SGB VII auf den 16.09.2005 als fiktiven Versicherungsfall abgestellt hat, oder ihrer Berechnung den 19.09.2005 hätte zugrunde legen müssen.

Hiernach war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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