L 11 R 3812/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2156/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3812/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweiser teilweiser Erwerbsminderung.

Die im Jahr 1953 in Serbien geborene Klägerin absolvierte ihren Angaben zufolge von 1968 bis 1972 eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester in Serbien. 1973 übersiedelte sie nach Deutschland. Von April 1973 bis Juli 2011 war sie versicherungspflichtig bei der Firma S. Feintechnik als Arbeiterin beschäftigt.

Vom 29.06.2009 bis 10.08.2009 befand sich die Klägerin in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik G., aus der sie arbeitsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Montagearbeiterin im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich entlassen wurde. Arbeitsunfähigkeit bestehe lediglich für den noch bestehenden Arbeitsplatz aufgrund der konkreten nicht auflösbaren Konfliktsituation.

Am 30.09.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Durch Mobbing am Arbeitsplatz bestünden schwere körperliche und seelische Einschränkungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit.

Mit Bescheid vom 01.10.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 19.10.2009 veranlasste die Beklagte eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung der Klägerin durch Frau St., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Sozialmedizin. In ihrem aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 12.03.2010 erstellten Gutachten diagnostizierte Frau St. bei der Klägerin Angst und depressive Reaktion, gemischt, aufgrund eines Arbeitsplatzkonflikts. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kontrolleurin sowie mittelschwere Tätigkeiten könnten sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden.

Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2010 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.06.2010 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass sie aufgrund von Mobbing am Arbeitsplatz einem starken Leidensdruck ausgesetzt gewesen sei. Dieser sei insbesondere dadurch entstanden, dass ihr Arbeitgeber die von ihr erhobenen Vorwürfe in keiner Weise ernst genommen und keine Abhilfemaßnahmen angeboten habe. Sie fühle sich nach fast vierzigjähriger Tätigkeit und Firmentreue ausgestoßen und allein gelassen. Sie leide insoweit unter einer mittelgradigen depressiven Episode. Darüber hinaus seien die im Rehabilitationsantrag genannten ausgeprägten somatoformen Störungen mit Schlafstörungen, Dyskardie und Oberbauchbeschwerden zu berücksichtigen. Daneben leide sie aber auch unter multiplen körperlichen Erkrankungen, nämlich eine Zervikobrachialsyndrom, einer Lumboischialgie bei myostatischer Insuffizienz und Restbeschwerden aus einer Unterschenkelfraktur links sowie Spannungskopfschmerzen. Schließlich müsste eine Refluxösophagitis, möglicherweise auch ein Ulkusleiden, eine AC-Arthrose des rechten Schultergelenks, Spaltverschmälerung beider Hüftgelenke mit randständigen Osteophytenausziehungen, einem Lumbalsyndrom mit beidseitiger Coxarthrose und Impingement-Syndrom links sowie Spondylose und spondylotische Ausziehungen C5/6 und C6/7 berücksichtigt werden.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Der Internist Dr. Sch. hat mit Schreiben vom 06.10.2010 mitgeteilt, dass es nur zu kurzen Patientenkontakten gekommen sei. Zu Fragen einer dauerhaften Gesundheitsstörung könne er daher keine Aussage machen. Eine Stellungnahme zur Frage der Arbeitsfähigkeit könne ebenfalls nicht erfolgen. Herr Sche. als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat mit Schreiben vom 21.10.2010 mitgeteilt, dass die Klägerin an einer rezidivierenden depressiven Episode, chronischen Zervikal-/Lumbalsyndrom und einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik leide. Im Vordergrund stünden dabei die rezidivierenden depressiven Episoden mit Antriebs- und Konzentrationsstörung, Grübeln, innerer Unruhe, Schlafstörung sowie Ängsten. Aufgrund der Verlaufs mit Chronifizierung bestehe von psychischer Seite eine deutlich reduzierte Belastbarkeit. Der Orthopäde Dr. M. teilte mit Schreiben vom 21.10.2010 mit, dass die Klägerin über Nackenbeschwerden sowie Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke und Hüftgelenke geklagt habe. Die Röntgenbefunderhebung habe an beiden Schultergelenken jedoch keine signifikanten Störungen gezeigt. An der HWS habe es eine deutliche ventrale Spondylose C5/6 und C6/7, sowie an beiden Hüftgelenken manifeste Coxarthrosen mit ausreichender Gelenkspaltweite gegeben. Die Klägerin sei freilich noch in der Lage für sechs Stunden täglich eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, soweit qualitative Leistungseinschränkungen beachtet würden. Mit Schreiben vom 31.10.2010 berichtete Herr Dr. Me. als Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin, dass das Leistungsvermögen nicht eindeutig beurteilt werden könne. Entscheidend sei das psychiatrische Fachgebiet. Herr Prof. Dr. C. hat als behandelnder Hautarzt, Allergologe und Phlebologe mit Schreiben vom 16.11.2010 mitgeteilt, dass die Klägerin an einer allergischen Rhinoconjunctivitis mit zeitweise amnestisch bestehender bronchialer Hyperreagibilität leide. Er sehe derzeit keinerlei Bedenken, dass die Klägerin eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin wurde gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Innere Medizin Dr. G. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachten beauftragt. Im Gutachten vom 17.05.2011, erstellt nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 14.05.2011, beschrieb der Sachverständige Angst und depressive Störung, gemischt, bei leichtgradiger Befundlage sowie eine Anpassungsstörungen im Sinne leichter anhaltender depressiver Verarbeitungen, wobei zwischen den Diagnosen Wechselwirkungen bzw Überschneidungen bestünden. Auf internistischem/allgemein-medizinischem/orthopädischem Sektor ging er orientierend von einem Cervikalsyndrom (mäßige Funktionseinschränkungen), einem Lumbalsyndrom (geringe Funktionseinschränkungen), einer arteriellen Hypertonie (medikamentös einstellbar), Übergewicht (besserungsfähig) sowie multiplen Pigmentnaevi aus. Unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sei eine mindestens sechsstündige leichte Tätigkeit bei einer 5-Tage-Woche zumutbar. Es bestünden weder wesentliche psychomotorische Hemmungen oder Blockaden noch höhergradige Ängste, welche etwa soziale Funktionen nachhaltig beeinträchtigen würden.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG darüber hinaus gemäß § 109 SGG den Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie PD Dr. Dr. Str. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 24.01.2012 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom selben Tag zu dem Ergebnis, dass im Vordergrund der Klagen wechselnde Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule, der Kreuzdarmbeinfuge rechts, im Bereich der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den rechten Arm sowie Beschwerden beim Treppauf- und Treppabgehen im Bereich der Knieoberschenkel bestünden. Die Gesundheitsstörungen bedingten nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Einschränkungen der Erwerbstätigkeit. Eine Erwerbstätigkeit sechs Stunden und mehr täglich, an fünf Tagen in der Woche sei nicht zumutbar. Die Klägerin sei nur noch in der Lage, zwischen drei bis unter sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Beklagte legte zu den Gutachten eine Stellungnahme von Herrn OMR F. vom 28.02.2012 vor, wonach die Leistungsbeurteilung des Gutachter PD Dr. Dr. Str. nicht nachvollziehbar sei. Darüber hinaus würde der geschilderten Tagesablauf sowie die 15stündigen Busfahrten im Rahmen der Heimatbesuche gegen eine quantitative Beeinträchtigung sprechen.

Mit Schreiben vom 31.05.2012 hat Herr PD Dr. Dr. Str. hierzu Stellung genommen.

Mit Urteil vom 08.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Es liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Da die Klägerin zuletzt mehrjährig als Montagearbeiterin beschäftigt gewesen sei und es sich hierbei um eine ungelernte Arbeit gehandelt habe, die allenfalls eine Einarbeitungszeit oder Anlernzeit von bis zu drei Monaten erfordere, genieße die Klägerin keinen Berufsschutz und könne auf alle körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 20.08.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 05.09.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. Dr. Str. zu folgen sei. Die Klägerin leide auf orthopädischem Fachgebiet an multiplen Beschwerden, welche die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin massiv einschränken würden. Daneben bestehe bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode mit Anpassungsstörung. Auch diese führe zu einer quantitativen Leistungsminderung. In Kombination der orthopädischen und psychiatrischen Beschwerden bestehe keine Leistungsfähigkeit mehr im Bereich von drei bis sechs Stunden, erst recht nicht im Bereich von über sechs Stunden. Zumindest aber habe die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, da ihre letzten Tätigkeit Facharbeiterstatus zuzuerkennen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 08.08.2012 sowie den Bescheid vom 01.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweiser teilweiser Erwerbsminderung ab 01.09.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Befragung des letzten Arbeitgebers der Klägerin, der S. Feintechnik. Diese teilte mit, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt habe.

Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. Be., Facharzt für Orthopädie. Im Gutachten vom 17.05.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung vom selben Tag hat der Sachverständige mittelgradige degenerative Veränderungen der unteren Halswirbel (Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose) mit Bewegungseinschränkung, leichte degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bewegungseinschränkung, eine Arthrose der Iliosakralfugen, eine federnde Elle beidseits sowie ein Zustand nach Abriss des Griffelfortsatzes der Elle links mit schmerzhaft gereiztem ulnarem Bandapparat beschrieben. Darüber hinaus bestehe eine wahrscheinlich posttraumatisch bedingte Arthrose des oberen und hinteren unteren Sprunggelenks links mit Verknöcherung der Syndesmose und geringer Bewegungseinschränkung. Im Übrigen hat der Sachverständige den Verdacht auf ein bei der Klägerin bestehendes Karpaltunnelsyndrom geäußert. Zusammenfassend seien leichte körperliche Arbeiten möglich.

Der Senat hat daraufhin bei Prof. Dr. K. ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 25.11.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 16.10.2013 hat der Sachverständige auf neurologischem Fachgebiet eine leichte depressive Episode sowie einen Spannungskopfschmerz DD bei cervicocephalem Schmerz beschrieben. Ein Hinweis auf ein Karpaltunnelsyndrom sei nicht gegeben, auch eine objektivierbare neurologische Ursache der Schwäche beider Hände sei nicht eruierbar. Im neurologischem Befund habe sich ein völlig regelgerechter Neurostatus ergeben. Der Händedruck sei beidseits sehr schwach, nach Einschätzung des Gutachters aggraviert. Es sei mittels Gummiball und Manometer kein Druck messbar gewesen. Dies würde einer schwersten Störung entsprechen und widerspräche der völlig normal ausgebildeten Handmuskulatur. Darüber hinaus sei sensibel zum Untersuchungszeitpunkt keine Störung angegeben worden. Danach seien leichte körperliche Tätigkeiten, insbesondere in wechselnder Position an sechs Stunden pro Tag an fünf Wochentagen durchführbar.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw auf Rente aufgrund teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Artikel 1 Nr 12 RV-Altergrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.

Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine 5-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Die Klägerin kann zur Überzeugung des Senats unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und ist deshalb nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI). Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den nachvollziehbaren und schlüssigen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Be. und Prof. Dr. K. sowie dem erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. G.

Der Sachverständige Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 17.05.2011 folgende Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gestellt, die zu berücksichtigen waren: eine Angst und depressive Störung, gemischt, leichtgradige Befundlage sowie eine Anpassungsstörung. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten ausschließen. Auch Tätigkeiten unter Stress- und Akkordbedingungen wie auch Arbeiten in Nacht- und Wechselschicht sowie Fließbandarbeiten sind aufgrund der psychophysischen Belastbarkeitsminderung auszuschließen. Aufgrund der Einnahme von Psychopharmaka und der damit verbundenen möglichen Funktionsbeeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems sind auch Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten mit Absturzgefahr auszuschließen, ebenso Tätigkeiten an laufenden gefährdenden Maschinen.

Auch Prof. Dr. K. hat in seinem vor dem Landessozialgericht (LSG) erstellten Gutachten darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin eine leichte depressive Störung sowie ein Kopfschmerzsyndrom vorliegt, die eine leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Position im Stehen, Sitzen und Gehen zulassen. Ebenso hat Frau St. in ihrem Gutachten im Verwaltungsverfahren die Diagnose Angst und depressive Reaktion, gemischt, bei Arbeitsplatzkonflikt erhoben.

In Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Klagevorbringen im erstinstanzlichen Verfahren konzentriert sich die psychische Symptomatik auf den erlebten Arbeitsplatzkonflikt. So zeigte sich die Klägerin außerhalb dieses Themas aufgelockert. Dies spiegelt sich auch im von Dr. G. erhobenen Tagesablauf wieder, wonach die Klägerin etwa gegen 8:00 Uhr aufsteht, frühstückt und danach der Körperpflege widmet. Vormittags geht sie im Übrigen einkaufen und ggf spazieren. Das Mittagessen kocht die Klägerin selbst. Nachmittags geht sie in der Regel mehrere Stunden spazieren. Danach wäscht sie ihre Wäsche oder geht erneut einkaufen. Abends sieht sie meistens fern oder liest die Zeitung. Ansonsten besucht die Klägerin öfters das Hallen- oder Freibad oder fährt mit dem Rad. Den Urlaub verbringt sie regelmäßig in Kroatien. Hierfür nutzt sie die Fahrt mit dem Bus, wobei die Fahrt etwa 15 Stunden dauert.

Zutreffend hat Dr. G. darauf hingewiesen, dass es zu einer depressiven Verarbeitung der Arbeitsplatzbelastung gekommen ist. Dies hat zu einer Anpassungsstörung im Sinne einer depressiven Symptombildung und einer ängstlichen Gestimmtheit geführt. Insoweit hat die Klägerin auch Angstattacken entwickelt, wenn sie mit dieser Arbeitsplatzproblematik konfrontiert wird. Hieraus haben sich freilich keine sozialen Behinderungen ergeben. Die Klägerin kann unproblematisch das Haus verlassen und bis zu mehrere Stunden dauernde Spaziergänge absolvieren. Sie kann auch Einkaufsmärkte besuchen und unproblematisch soziale Kontakte unterhalten sowie Freizeiteinrichtungen in Anspruch nehmen. Der Tagesablauf lässt im Übrigen auch erkennen, dass eine Befähigung gegeben ist, die Tagesstruktur zu absolvieren. Daneben werden auch gravierende Einschränkungen von Lebensgefühl, wie etwa Lebensfreude nicht angegeben. Es ist daher nachvollziehbar und schlüssig wenn der Gutachter das depressive Krankheitsbild als leichtgradig bezeichnet.

Zur Überzeugung des Senats bedingen aber auch die orthopädischen Leiden keine qualitative Leistungseinschränkungen, die eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden wöchentlich als unzumutbar erscheinen lassen. Prof. Dr. Be. hat in seinem Sachverständigengutachten für den Senat nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass im Bereich der Orthopädie folgende Diagnosen zu berücksichtigen sind: mittelgradige degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule (Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose) und Bewegungseinschränkung, leichte degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und Bewegungseinschränkung, Arthrose der Illiosakralfugen, federnde Elle beiderseits sowie Zustand nach Abriss des Griffelfortsatzes der Elle links mit schmerzhaft gereiztem ulnaren Wandapparat sowie eine wahrscheinlich posttraumatisch bedingte Arthrose des oberen und hinteren unteren Sprunggelenks links mit Verknöcherung der Syndesmose und geringer Bewegungseinschränkung. Für den Senat schlüssig schließt der Gutachter aufgrund der Degeneration der letzten und vorletzten Halsbandscheibe mit ihren dazugehörigen reaktiven knöchernen Veränderungen eine Tätigkeit in Zwangshaltung des Kopfes wie auch jegliche Überkopfarbeit aus. Aufgrund der Illiosakralarthrose und der leichten bis mäßigen Verschleißerscheinungen an der Lendenwirbelsäule sind Arbeiten mit ununterbrochener sitzender Beschäftigungsweise ebenso wenig zumutbar wie Arbeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltung oder häufigem Bücken. Hebe- und Tragebelastungen bis 10 kg sind aus Sicht der Wirbelsäulenbefunde jedoch möglich. Die körperliche Leistungsfähigkeit wird im Übrigen qualitativ durch die geschädigten linken Sprunggelenke eingeschränkt. Auch wenn die Beweglichkeit ordentlich ist, ist längeres Stehen und Gehen über eine Stunde angesichts der arthrotischen Veränderungen eingeschränkt. Zutreffend weist der Gutachter jedoch darauf hin, dass es sich hierbei lediglich um qualitative Leistungseinschränkungen handelt, die bei einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung führen.

Insoweit vermochte sich der Senat dem erstinstanzlichen Gutachten von Herrn PD Dr. Dr. Str. nicht anzuschließen. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die von ihm mitgeteilten qualitativen Leistungseinschränkungen keine quantitativen Leistungseinschränkungen begründen können. So wird durch den Gutachter weder eine wesentliche Bewegungseinschränkung noch eine neurologische Symptomatik beschrieben. Auch hatte der Senat zu berücksichtigen, dass keine fachärztliche orthopädische Behandlung gegeben ist, wie sie bei den von PD Dr. Dr. Str. genannten Beschwerden zu erwarten wäre. Insbesondere ergibt sich weder aus dem Gutachten von PD Dr. Str., dem Gutachten von Dr. G. noch aus dem Gutachten von Prof. Dr. Be., dass die Klägerin Schmerzmedikamente einnimmt, die speziell auf orthopädische Beschwerdebilder ausgerichtet sind. Dementsprechend ging auch der behandelnde Orthopäde Dr. M. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vor dem SG von einem vollschichtigen Leistungsvermögen aus.

Da damit die Befunde aufgrund klinischer und radiologischer Untersuchung keine schwerwiegenden Ausprägungen aufweisen und bei relativ geringer medikamentöser und sonstiger fachspezifischer Therapie offenbar kein wesentlicher Leidensdruck gegeben ist, sieht das Gericht auch im Hinblick auf die von Dr. G. dokumentierten Spaziergänge der Klägerin über mehrere Stunden und die Heimatbesuche mit etwa 15-stündigen Busfahrten nicht, dass der Leistungseinschätzung von PD Dr. Dr. Str. gefolgt werden kann.

Eine quantitative Leistungseinschränkung kann nach Ansicht der Kammer schließlich auch nicht aus dem von Dr. Be. vermuteten Karpaltunnelsyndrom abgeleitet werden. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 25.11.2013 keine Hinweise auf ein Karpaltunnelsyndrom oder eine objektivierbare neurologische Ursache der Schwäche beider Hände gefunden. Zwar war vigorimetrisch mittels Gummiball und Manometer kein Druck messbar. Dies würde jedoch einer schwersten Störung entsprechen und damit der normal ausgebildeten Handmuskulatur widersprechen. Die elektrophysiologische Untersuchung zeigte auch im Bereich der großen Handnerven aus Endpunkten medianus und N. ulnaris beidseits Normalbefunde auch für die sensiblen Nervenaktionspotentiale. Danach konnte ein Karpaltunnelsyndrom klinisch wie messtechnisch ausgeschlossen werden. Insoweit kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass weitergehende qualitative oder quantitative Leistungseinschränkungen, die über die genannten hinausgehen, nicht anzunehmen sind. Der Senat folgt insoweit der nachvollziehbaren und schlüssigen Einschätzung von Prof. Dr. K ...

Auch auf internistischem Fachgebiet lässt sich zur Überzeugung des Senats keine quantitative Leistungseinschränkung entnehmen. Weder den vorgelegten medizinischen Unterlagen noch den Antworten des behandelnden Internisten und des Hausarztes sind entsprechend schwerwiegende Diagnosen zu entnehmen. Dementsprechend hat Dr. Me. das psychiatrische Fachgebiet als maßgebliches bewertet und Dr. Sch. hat nur über punktuelle Kontakte berichtet.

Zur Überzeugung des Senats kommt schließlich auch keine quantitative Leistungseinschränkung aufgrund einer Gesamtschau der Leiden in Betracht. So haben die Gutachter Prof. Dr. Be., Prof. Dr. K. sowie Dr. G. nicht lediglich isoliert die jeweiligen Fachgebiete, sondern die wechselseitige Beeinflussung berücksichtigt. Die von ihnen angenommenen qualitativen Leistungseinschränkungen berücksichtigen dies.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (BSG 30.11.1983, 5 ARKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senat vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Insbesondere konnte der Senat sich von einer Einschränkung der Wegefähigkeit nicht überzeugen. Zwar gehören neben der täglich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz zu ihrer Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist. Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin jedoch in der Lage viermal am Tag eine Wegstrecke von über 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß zu bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Dies bestätigen die Gutachter trotz der bei der Klägerin vorliegenden orthopädischen Leiden, insbesondere der Arthrose des oberen und hinteren unteren Sprunggelenks links mit Verknöcherung der Syndesmose bei geringer Bewegungseinschränkung. Darüber hinaus belegen auch die von der Klägerin unternommenen mehrstündigen Spaziergänge und Ausflüge sowie ihre Freizeitgestaltung, dass diese in der Lage ist, die genannte Wegstrecken zu absolvieren.

Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzungen eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass sie vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Die Klägerin ist 1953 und damit vor dem Stichtag geboren, sie ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistigen und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbstätigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit im Sinne des § 240 Abs 2 Satz Sätze 2 - 4 SGB VI sozial zumutbar ist, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigerer Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).

Anknüpfungspunkt ist die zuletzt mehrjährig von der Klägerin versicherungspflichtig ausgeübte Erwerbstätigkeit als Montagearbeiterin. Hierbei handelte es sich um eine ungelernte Tätigkeit, die allenfalls eine Einarbeitungszeit oder Anlernzeit von bis zu drei Monaten erfordert. Dies ergibt sich aus der Arbeitgeberanfrage bei der S. Feintechnik. Diese hat eine Einarbeitungszeit oder Anlernzeit von bis zu drei Monaten bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit bestätigt. Soweit die Klägerin dagegen einwendet, dass sie hochqualifiziert sei, fehlen entsprechende Anhaltspunkte für eine entsprechend qualifizierte Tätigkeit. Darüber hinaus ist keine einschlägige Berufsausbildung ersichtlich. Schließlich hat auch der Arbeitgeber darauf hingewiesen, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeit keine Fort- oder Weiterbildung absolviert hat. Zutreffend ist daher das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Berufsschutz genießt und auf alle körperlich leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden kann, die ihren Einschränkungen des Leistungsvermögens Rechnung tragen. Damit aber scheidet auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs 1 SGB VI aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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