L 9 R 3950/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 7207/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3950/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1956 geborene Klägerin hat von April 1974 bis März 1977 eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und war danach als Krankenschwester, Unterrichtsassistentin an einer Krankenpflegeschule, Dozentin an der Lehrerakademie für Gesundheitsberufe, Lehrerin an der Kranken- und Kinderkrankenpflegeschule sowie zuletzt als Stationsleiterin, sieben Stunden täglich und seit 2011 sechs Stunden täglich als Krankenschwester im Sozialdienst, Bereich Pflegeüberleitung, beschäftigt.

Am 11.07.2008 erlitt die Klägerin einen Vorderwandinfarkt. Sie wurde deswegen ab dem 11.07.2008 stationär im Krankenhaus behandelt und absolvierte ab dem 30.07.2008 ein Heilverfahren in der Herz-Kreislauf-Klinik der Stadt R. Die dortigen Ärzte entließen die Klägerin für ca. eine Woche – zur Adaption an Alltagsbedingungen – als arbeitsunfähig und schätzten das Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf täglich sechs Stunden und mehr ein (Entlassungsbericht vom 28.08.2008).

Am 06.11.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, sie halte sich seit Oktober 2007 wegen eines Bandscheibenvorfalls im Jahr 2007, einer langjährigen Hypertonie, des Herzinfarkts mit Reanimation im Juli 2008, einer Dreigefäßerkrankung und einer koronaren Herzkrankheit für erwerbsgemindert. Sie sei nur noch in der Lage, Tätigkeiten in einem Umfang von vier Stunden täglich zu verrichten.

Die Beklagte ließ die Klägerin auf internistischem und orthopädischem Gebiet begutachten.

Der Orthopäde Dr. V. untersuchte die Klägerin am 30.11.2009 und nannte als Diagnosen einen Bandscheibenvorfall L4/5 rechts, einen Herzinfarkt mit Reanimation, eine koronare Herzkrankheit mit Stent und eine arterielle Hypertonie. Er schätzte das Leistungsvermögen für eine Tätigkeit als Stationsleiterin Geriatrie sowie für leichte Tätigkeiten mit drei bis unter sechs Stunden ein. Er führte aus, von orthopädischer Seite werde eine Reduktion der täglichen Arbeitszeit empfohlen. Das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie die Einnahme von Zwangshaltungen sollten vermieden werden, so dass der Schwerpunkt der Arbeit in der Organisation und weniger in der Pflege liegen sollte. Ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen wäre sinnvoll. Neben der Vitamin D-Einnahme werde ein regelmäßiges Übungsprogramm empfohlen.

Die Internistin Dr. H. gelangte im Gutachten vom 20.01.2010 zum Ergebnis, bei der Klägerin liege eine koronare Herzerkrankung (Zustand nach Vorderwandinfarkt, Stent in RIVA, normale linksventrikuläre Funktion, Risikofaktoren: Arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Nikotin, familiäre Belastung) vor. In ihrem Beruf als Stationsleiterin sei die Klägerin voraussichtlich für ein Jahr drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne erhöhte Stressbelastung und ohne Zeitdruck könne die Klägerin dagegen vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 17.02.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil die medizinischen Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Nach ihrer medizinischen Beurteilung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Zwar könne sie ihren Beruf als Krankenschwester nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Als Gesundheits- und Krankenpflegerin im betriebsärztlichen Dienst eines Unternehmens oder einer öffentlichen Verwaltung könne sie jedoch noch in diesem Umfang arbeiten. Dies sei ihr aufgrund ihres beruflichen Werdegangs auch zumutbar. Deshalb sei sie nicht berufsunfähig und könne keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erhalten.

Hiergegen legte die Klägerin am 10.03.2010 Widerspruch ein, verwies auf die Beurteilung von Dr. V. und erklärte, bei ihr drohe ein weiterer Bandscheibenvorfall und es bestünden deutliche Bewegungseinschränkungen im Hüftbereich. Dr. H. habe ihr Leistungsvermögen zu positiv dargestellt. Sie könne auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter sechs Stunden täglich verrichten.

Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin ein und ließ diese von ihrer Beratungsärztin Dr. W. (Stellungnahme vom 12.08.2010) auswerten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.11.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Schwerpunkt der quantitativen Leistungsminderung resultiere aus den Folgen der Herzerkrankung. Es liege eine deutliche Einschränkung ihrer Belastbarkeit vor. Sowohl die bisher ausgeübte Tätigkeit als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie nur noch unter sechs Stunden täglich verrichten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin (Internist Dr. K., Orthopäde Dr. V. und Neurologin Dr. P.) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Auf die Auskünfte vom 25.01., 23.02. und 22.03.2012 wird Bezug genommen. Anschließend hat das SG Gutachten auf kardiologischem und psychiatrischem Gebiet eingeholt.

Professor Dr. L., Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie des Klinikums E., hat in dem auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 18.09.2012 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine koronare Herzerkrankung mit asymptomatischem Verlauf. Bei stabiler systolischer und diastolischer linksventrikulärer Funktion bestehe eine gute Prognose. Die kardiovaskulären Risikofaktoren seien adäquat eingestellt. Zusätzlich bestünden Lendenwirbelsäulenbeschwerden. Bei der Klägerin bestehe eine schwerwiegende depressive Grundstimmung und Symptomatik; es stehe dem kardiologischen Gutachter fachlich nicht zu, hier eine Bewertung vorzunehmen. Aus den erhobenen kardiologischen Untersuchungsbefunden ließen sich keine objektivierbaren wesentlichen Leistungs- und Funktionseinschränkungen ableiten. Für die subjektiv eingeschränkte Belastbarkeit und schnelle Erschöpfbarkeit finde sich kein objektivierbares organisches Korrelat. Von internistisch-kardiologischer Seite her sei die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie sei auch in der Lage, als Krankenschwester oder Gesundheits- und Krankenpflegerin im betriebsärztlichen Dienst eines Unternehmens oder einer öffentlichen Verwaltung wenigstens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Eine achtstündige Tätigkeit komme ihres Erachtens aufgrund der Stressintoleranz nicht in Betracht. Die Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens werde empfohlen.

Dr. H., Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, hat in dem von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 18.03.2013 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, zum Untersuchungszeitpunkt leichte Episode, festgestellt und ausgeführt, die auf seinem Fachgebiet erhobenen Befunde hätten keinen wesentlichen Einfluss auf die Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester oder als Gesundheits- und Krankenpflegerin im betriebsärztlichen Dienst eines Unternehmens oder einer öffentlichen Verwaltung. Aus ärztlich-psycho-therapeutischer Sicht sei die Klägerin in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten über mindestens sechs Stunden zu verrichten. Sie könne auch ihre bisherige Tätigkeit wenigstens sechs Stunden täglich ausüben. Nach ihren Angaben arbeite sie sieben Stunden am Tag, ohne über wesentliche Einschränkungen während der Arbeit zu berichten. Aus ärztlich-psychotherapeutischer Sicht seien bisher auf seinem Fachgebiet keine geeigneten Maßnahmen erfolgt. Wünschenswert wäre die psychotherapeutische Aufarbeitung der konflikthaften Beziehung zu den Eltern, zum Ex-Ehemann, die Verlusterfahrungen durch den Tod des Ex-Ehemanns und des Bruders und der damit zusammenhängenden Schuldgefühle sowie der Anpassungsstörung mit dem Leistungseinbruch im Zusammenhang mit der eigenen Herzerkrankung und den damit einhergehenden regressiven Gratifikationswünschen. Begleitend und zur Antriebssteigerung könnte eine SSRI-Gabe erfolgen.

Mit Urteil vom 26.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Überzeugung des SG sei die Klägerin mit gewissen Funktionseinschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Zu dieser Überzeugung gelange das SG aufgrund der Gutachten von Professor Dr. L. vom 18.09.2012, des Gutachtens von Dr. H. vom 22.03.2013 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen. Bei der Klägerin liege auch keine Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin ihren erlernten Beruf als Krankenschwester nicht mehr im eigentlichen Sinne ausüben könne. Sie könne jedoch zumutbar auf die Tätigkeit einer Gesundheits- und Krankenpflegerin im betriebsärztlichen Dienst eines Unternehmens oder einer öffentlichen Verwaltung zumutbar verwiesen werden. Im Übrigen sei die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, im Sozialdienst einer Einrichtung des Gesundheitswesens tätig. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 31.07.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.08.2013 Berufung eingelegt, ohne diese weiter zu begründen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, sie beziehe sich auf die überzeugenden Ausführungen im Urteil des SG. Die Berufung sei bisher auch nicht weiter begründet worden.

Mit Verfügung vom 13.01.2014 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Berichterstatterin des Senats hat die Beteiligten auch mit Verfügung vom 13.01.2014 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für körperlich leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Entlassungsberichts der Herz-Kreislauf-Klinik der Stadt R. vom 28.08.2008, des Gutachtens der Internistin Dr. H. vom 20.01.2010 sowie der Sachverständigengutachten von Professor Dr. L. vom 18.09.2012 und Dr. H. vom 18.03.2013. Soweit Dr. V. wegen eines Bandscheibenvorfalls L4/5 rechts im Jahr 2007 ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen annimmt, vermag der Senat dieser Einschätzung – ebenso wie der Beratungsarzt der Beklagten Dr. K. – nicht zu folgen, zumal ein solcher einer Behandlung zugänglich ist und Dr. V. eine freie und schmerzfreie Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule bei der Klägerin beschreibt. Darüber hinaus hat sich die Klägerin lediglich am 21.02.2008 und 30.11.2010 in orthopädischer Behandlung befunden, wie der Senat der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. V. vom 23.02.2012 entnimmt, der ebenfalls leichte Tätigkeiten vollschichtig für zumutbar erachtet. Neue Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben, zumal die Berufung – trotz mehrmaliger Erinnerungen – nicht begründet worden ist.

Da die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert ist, als Krankenschwester im betriebsärztlichen Dienst tätig zu sein, wie das SG überzeugend dargelegt hat, liegt Berufs-unfähigkeit nicht vor. Darüber hinaus dürfte die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen auch nicht gehindert sein, Tätigkeiten als Unterrichtsassistentin, Dozentin und Lehrerin an einer Krankenpflegeschule, die sie früher ausgeübt hat, zu verrichten. Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass die Klägerin als Krankenschwester im Sozialdienst arbeitet, dagegen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, eine solche Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Berufsunfähigkeit liegt daher nicht vor.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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