L 3 SB 4107/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 2548/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4107/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob bei der Klägerin die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.

Die am 30.08.1952 geborene Klägerin bezieht wegen eines Arbeitsunfalls vom 28.10.1998 von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Hierbei sind als Folgen des Arbeitsunfalls eine Bewegungseinschränkung und Minderbelastbarkeit des linken Handgelenks, unvollständiger Faustschluss links und röntgenologische Veränderungen anerkannt.

Auf einen Antrag vom 05.08.2003 hin stellte das Versorgungsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 25.09.2003 (Widerspruchsbescheid vom 04.12.2003) bei der Klägerin einen GdB von 20 seit dem 05.08.2003 fest. Es berücksichtigte hierbei (zuletzt), entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 16.11.2003, als Funktionsbeeinträchtigungen die "BG-Unfallfolgen linkes Handgelenk vom 28.10.98" mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine "Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes" und ein "Zwölffingerdarmsgeschwürleiden, Speiseröhrenbruch" jeweils mit einem solchen von 10.

Am 24.08.2006 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Karlsruhe - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) die Erhöhung des GdB. Zur Begründung verwies sie auf einen Bandscheibenvorfall, eine Engstelle einer Schlagader (Tinnitus) sowie Magen- und Venenprobleme. Das LRA forderte daraufhin bei dem behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. I. einen Befundbericht an, den dieser unter dem 27.08.2006 nebst an ihn gerichteter Arztbriefe vorlegte. Dr. B. schätzte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.09.2006 den GdB der Klägerin (unverändert) mit 20 ein. Für die "Unfallfolgen li. Handgelenk vom 28.10.98" sei ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen, für eine "Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks", für ein "Zwölffingerdarmgeschwürsleiden, Speiseröhrengleitbruch", für eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Badscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen" und für "Krampfadern" sei jeweils ein solcher von 10 zu berücksichtigen. Dr. B. führte hierzu aus, die Wirbelsäule und die Extremitäten seien nach den vorliegenden Unterlagen frei beweglich, das Nervensystem zeige keinen Befund, es bestünden keine neurologischen Defizite. Die Stenose der arteria subclavia li, die mit einem Stent versorgt sei, bedinge keinen GdB, da ein gutes postoperatives Ergebnis bestehe.

Das LRA lehnte gestützt hierauf den Antrag der Klägerin sodann mit Bescheid vom 28.09.2006 ab. Die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB lägen nicht vor.

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs brachte die Klägerin vor, bei ihr sei es zu zwei Bandscheibenvorfällen gekommen, die mit starken Schmerzen und Nervenwurzelreizerscheinungen verbunden seien. Ferner sei der bei ihr bestehende Tinnitus mit Schlafstörungen unberücksichtigt geblieben.

Das LRA forderte bei den behandelnden Fachärzten für HNO- Heilkunde F. und G. einen Befundbericht an, in dem mitgeteilt wurde, dass sich die Klägerin dort lediglich einmal vorgestellt habe und wegen eines akut aufgetretenen Tinnitus links behandelt worden sei. Eine Aussage über psychische Begleiterscheinungen sei nicht möglich.

Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. C. vom 14.04.2007, in der dieser ausführte, dass der Tinnitus keinen Einzel-GdB von minds. 10 erreiche und der GdB unverändert mit 20 festzustellen sei, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2007 als unbegründet zurück. Eine wesentliche Änderung, die eine Erhöhung des bisherigen GdB rechtfertigen könnte, sei, so der Beklagte begründend, nicht eingetreten. Das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung der Klägerin sei mit einem Gesamt-GdB von 20 adäquat bewertet.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.05.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie habe in den Jahren 2005 und 2006 jeweils einen Bandscheibenvorfall erlitten, weswegen der GdB für die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule wenigstens 30 - 50 betrage. Sie sei wegen eines bestehenden subclavian- Syndroms im Juli 2006 in stationärer Behandlung gewesen. Ferner sei der Tinnitus mit Schlafstörungen mit einem GdB von mindestens 10 zu berücksichtigen. Die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen sei daher nicht sachgerecht.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Im Verlauf des Verfahrens hat er u.a. eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Götz vom 18.01.2008 vorgelegt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. E., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und Unfallmedizin hat unter dem 07.09.2007 bekundet, die Klägerin habe in der Zeit vom 23.05.2006 - 14.11.2006 in seiner Behandlung gestanden. Sie habe über ausstrahlende Schmerzen der Lendenwirbelsäule in das linke Bein geklagt. Er habe einen Bandscheibenvorfall L4/5 sowie L5/S1 mit Nervenwurzelkompressionssyndrom L5 links diagnostiziert. Die funktionelle Leistungsfähigkeit sei eingeschränkt. Seitens der Dres. F. und G. wurde unter dem 11.09.2007 mitgeteilt, die Klägerin habe sich am 03.03.2006, am 22.05.2007 sowie am 16.07.2007 vorgestellt. Hierbei sei ein idiopathischer Tinnitus auris links, ein Gehörgangekzem und ein Paukenerguss links diagnostiziert worden. Eine Vorstellung wegen des Tinnitus sei nur einmalig im Jahre 2006 erfolgt. Das Gehörgangekzem sei abgeheilt. Hinsichtlich des Paukenergusses vermute man eine Besserung der Beschwerden, da die Klägerin nicht erneut vorstellig geworden sei. Die erhobenen Befunde im HNO-Bereich rechtfertigten keine Einstufung eines GdB von mindestens 10. Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 07.09.2007 ausgeführt, die Klägerin sei insgesamt viermal in Behandlung gewesen. Es sei eine hochgradige Stenose der a. subclavia links sowie im Januar 2007 ein Rezidiv der Subclaviastenose nach PTA und Stent im Mai 2006 diagnostiziert worden. Funktionsbeeinträchtigungen körperlicher oder seelischer Art von mindestens sechs Monate Dauer habe er nicht festgestellt. Auf Anforderung des SG hat Dr. I. die bei ihm vorliegenden Krankenunterlagen übersandt.

Das SG hat sodann Dr. J., Facharzt für Orthopädie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachärztlichen Gutachten vom 22.02.2008 hat Dr. J. angegeben, dass bei der Klägerin eine Bewegungseinschränkung und Minderbelastbarkeit des linken Handgelenks nach Fraktur der Speiche, eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden sowie Nervenwurzelreizerscheinungen bestünden. Hinsichtlich des aktenkundigen Zwölffingerdarmgeschwürsleidens und des Speiseröhrengleitbruches erscheine nach weitgehender Beschwerdefreiheit fraglich, ob eine derartige Behinderung noch bestünde. Von der lediglich diskreten Krampfaderbildung gehe keine Behinderung aus. An der Wirbelsäule lägen leichte degenerative Veränderungen in einem mittleren Segment der Brustwirbelsäule und an den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule vor, hieraus hätten sich Bandscheibenschäden mit kleinen Bandscheibenvorfällen entwickelt. Wahrscheinlich durch eine Reizung der linken Nervenwurzel L5 sei eine sensible Störung an der Außenseite des linken Beines aufgetreten. Die Motorik sei nicht gestört. Auch habe sich am linken Bein keine Muskelminderung als etwaiges Anzeichen einer schmerzbedingten Schonung gezeigt. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei in keinem Anteil eingeschränkt. Es sei daher nur von einer sehr geringgradigen Belastungseinschränkung und daher auch nur von einer geringgradigen Funktionsbehinderung auszugehen. Die am linken Handgelenk erhobenen Befunde rechtfertigten eine Einstufung als leichte bis mäßiggradige Bewegungseinschränkung, die zusammen mit der Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes das Ausmaß einer leichten Behinderung erreichten. Eine Stenose der linken arteria subclavia mit Subclavian-Steal-Syndrom sei erfolgreich behandelt worden. Ein GdB von insg. 20 sei angemessen. An dieser Einschätzung hat Dr. J., auch nachdem klägerseits Einwände hiergegen vorgebracht wurden, festgehalten (ergänzende Stellungnahme vom 15.05.2008).

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Dr. K., Arzt für Orthopädie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem wissenschaftlich fachorthopädischen Gutachten vom 24.06.2008 hat Dr. K. bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet eine Bewegungseinschränkung und Funktionsbehinderung des linken Handgelenks, eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, einen bandscheibenbedingten/ myofascialen Schmerz im Sinne eines gemischt radikulären/ pseudoradikulären Lumbalsyndroms mit gravierenden Schlafstörungen sowie eine manifeste Osteoporose diagnostiziert. Er führte zum Untersuchungsverlauf aus, die Klägerin habe sich wohlkoordiniert entkleiden können, wobei das Entkleiden der Beinkleider in beidseitigem freien Einbeinstand erfolgt sei. Bei der Aufforderung, sich nach vorn über zu beugen, sei es zu einer harmonischen Entfaltung der Dornfortsätze der Brust- und Lendenwirbelsäule gekommen. Es sei ein Finger-Boden-Abstand von 1 cm verblieben. Das Aufrichten aus der mehrmaligen Vorneige sei ohne Zuhilfenahme von Klettergriffen erfolgt. Im Vergleich zum letzten bindenden Bescheid vom 25.09.2003 seien die Folgen des chronifizierten Schmerzes der Lendenwirbelsäulenregion neu hinzugetreten, die insbesondere durch ihre chronische ausgeprägte Schlafstörung gravierende Leistungseinschränkung hervorriefen. Angemessen erschiene für die Bewegungseinschränkung und Funktionsbehinderung des linken Handgelenkes sowie die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes ein Einzel-GdB von 20, für das Schmerzsyndrom mit Schlafstörungen ein Einzel-GdB von 40 sowie für die Osteoporose ein Einzel-GdB von 20. Insg. sei ein GdB von 50 angemessen.

Zum Gutachten von Dr. K. befragt, führte Dr. J. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.04.2010 an, er halte an seiner Einschätzung eines GdB von 20 im orthopädischen Bereich fest. Zur Begründung hat er auf die von Dr. K. gegenüber seinem Gutachten festgestellte erweiterte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, der normalen Werte der Zeichen nach Ott und Schober, der freien Beweglichkeit des Schulter- und Handgelenks und die gut möglichen Schürzen- und Nackengriffe verwiesen. Hinsichtlich der Auswirkungen der von der Klägerin erlittenen Bandscheibenvorfälle hat er darauf hingewiesen, dass im Gutachten von Dr. K. Ausführungen zu den zu Grunde gelegten Funktionseinschränkungen fehlten. Ebenso sei der von Dr. K. geäußerte Verdacht auf eine Osteoporose nicht hinreichend begründet. Hinsichtlich der von der Klägerin geklagten Schmerzen hat Dr. J. darauf verwiesen, dass die Klägerin bei der Untersuchung in seiner Praxis keine besonderen Beschwerden in der Nacht angegeben habe, obwohl sie hierzu Gelegenheit gehabt habe. Auch die von der Klägerin verwendete Medikation spräche gegen ein erhebliches Schmerzerlebnis.

Auf einen weiteren Antrag nach § 109 SGG hin hat das SG Dr. L.-M., Facharzt für HNO-Heilkunde, Allergologie und Umweltmedizin, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Hals-Nasen-Ohren-fachärztlichen, neurootologischen Gutachten vom 27.11.2008 hat Dr. L.-M. bei der Klägerin eine gering bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit mit zum Teil retrocochleärer Lokalisation (Hirnstamm), ein nicht kompensierbares chronisches Ohrgeräusch - Stärke III nach Goebel - und eine cervikal bedingte Gleichgewichtsstörung bei mittlerer Belastung diagnostiziert. Für den Hörverlust sei ein GdB von 15, für die Tinnitus- Erkrankung ein solcher von 10 und für die Gleichgewichtsstörung ein solcher von 20 angemessen. Insg. hat Dr. L.-M. den GdB auf hno-ärztlichem Gebiet auf 40 eingeschätzt. Es sei davon auszugehen, dass die genannten Funktionsbeeinträchtigungen bereits ab dem 24.08.2006 oder eher vorgelegen hätten. Eine präzise Datierung sei wegen der fehlenden bzw. unvollständigen Voruntersuchung jedoch nicht möglich.

Unter dem 08.06.2009 hat der Beklagte, basierend auf einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Wolf vom 18.05.2009, ein Vergleichsangebot des Inhalts unterbreitet, den GdB der Klägerin ab dem 01.11.2008 mit 40 festzustellen. Die Klägerin ist diesem Angebot nicht beigetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.08.2010 hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB der Klägerin ab dem 01.11.2008 mit 40 und das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Seiner Bewertung des GdB hat das SG für die bestehenden Behinderungen im Bereich des linken Hand- und des linken Schultergelenks sowie für die bestehenden Gleichgewichtsstörungen ein Einzel-GdB von jeweils 20, für die bestehende Schwerhörigkeit einen solchen von 15 und für die Behinderungen im Bereich der Wirbelsäule, für die Behinderung des Zwölffingerdarmgeschwürs und einen Speiseröhrengleitbruchs, für die Krampfadern und für die Tinnitus-Erkrankung jeweils einen solchen von 10 zu Grunde gelegt. Es hat sich hierbei auf das Gutachten von Dr. J. gestützt, das im Gegensatz zu dem Gutachten von Dr. K., nachvollziehbar sei. Insb. die Wirbelsäulenleiden der Klägerin seien mit einem Einzel-GdB von 10 angemessen bewertet. Der Einschätzung von Dr. K. eines Einzel-GdB von 40 vermochte sich das SG nicht anzuschließen, da diese mit der von der Klägerin demonstrierten freien Beweglichkeit der Wirbelsäule, den von Dr. K. erhobenen Messwerten und der von der Klägerin verwendeten Schmerzmedikation nicht in Einklang zu bringen sei. Im Weiteren ist das SG den von Dr. L.-M. angenommenen Einzel-GdB-Werten gefolgt. Lediglich insoweit, als der Gutachter einen "Gesamt-GdB im HNO-Bereich" von 40 gebildet habe, vermochte sich das SG dem nicht anzuschließen, da einzelne Funktionsbeeinträchtigungen nicht zunächst auf einem medizinischen Fachgebiet sondern nach körperlichen Funktionsbereichen zu bilden seien. Auch die insoweit von Dr. L.-M. vorgenommene Addierung und Aufrundung der Einzel-GdB sei nicht zulässig. Vielmehr sei der GdB im Wege der Gesamtschau unter Berücksichtigung bestehender Wechselwirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen zu bilden.

Mit Bescheid vom 26.08.2010 hat das LRA den GdB der Klägerin in Ausführung des Gerichtsbescheides SG seit dem 01.11.2008 mit 40 festgestellt.

Gegen den am 20.08.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.09.2010 Berufung eingelegt, die zunächst unter dem Aktenzeichen - L 3 SB 4304/10 - geführt wurde. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor, die Bewertung der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen sei falsch; sie betrage für die Wirbelsäulenerkrankung und den Tinnitus richtigerweise jeweils mehr als die vom SG angenommenen 10. Die Argumentation des SG, die Einschätzung von Dr. K. sei in Ansehung der Bewegungsmaße und der Schmerzmedikation nicht nachvollziehbar, sei nicht stichhaltig, da die Häufigkeit der Einnahme von Schmerzmitteln keinen Rückschluss auf das tatsächliche Ausmaß der Schmerzen zulasse; sie, die Klägerin, sei vielmehr gezwungen, den Schmerz wegen der Nebenwirkungen der Medikamente zu erdulden. Ferner sei eine Untersuchung im Schlaflabor erforderlich gewesen, da die Schlafanamnese ein wichtiger Indikator für den Schweregrad eines chronischen Schmerzgeschehens sei. Auch habe das SG die von ihm betreffend die Einschätzung von Dr. L.-M. gerügte Gesamtschau der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen zur GdB-Bewertung selbst nicht durchgeführt. Zuletzt hat die Klägerin einen Bericht des Osteoporose- Kreises Nordbaden über eine dort am 03.02.2014 durchgeführte Untersuchung vorgelegt.

Die Klägerin beantragt (zuletzt),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. August 2010 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 zu verurteilen, den Grad der Behinderung der Klägerin ab dem 01. November 2008 mit mindestens 50 festzustellen,

zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an einer Osteoporose leidet, die einen GdB von 20 bedingt, einen ausführlichen Bericht des Dr. med. E. und des Osteoporose- Kreises Nordbaden, Viktoriastr. 3, 76646 Bruchsal und eine versorgungsärztliche Stellungnahme zu den Befunden vom 03.02.2014 sowie gegebenenfalls ein weiteres Sachverständigengutachten (zu der Behauptung, dass die Osteoporose der Lendenwirbelsäule der Klägerin einen Teil-GdB von 20 rechtfertigt) von Amts wegen einzuholen,

zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an einem gemischt radikulären-pseudoradikulären Schmerzsyndrom im Bereich der LWS mit gravierenden Schmerzen leidet, die Klägerin zum Ausmaß ihrer Schmerzen und zur Dosierung ihrer Medikamente im Rahmen der mündlichen Verhandlung anzuhören, eine Untersuchung der Klägerin im Schlaflabor anzuordnen und danach ein weiteres Gutachten eines Facharztes für Orthopädie einzuholen, das die Resultate der Anhörung und der Untersuchung im Schlaflabor sowie die Aussagen der Sachverständigen Dr. J., Dr. K. und Dr. L.-M. zum Teil-GdB betreffend die bandscheibenbedingten Behinderungen sowie die aus der Osteoporose resultierenden Behinderungen bewertet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides, der im Wesentlichen seinem Vergleichsangebot entspräche. Ergänzend hat er eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. N. vom 08.12.2011 vorgelegt.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat Dr. L.-M. und Dr. K. ergänzend schriftlich befragt und ihnen klägerseits formulierte Fragen zu ihren jeweiligen Gutachten vorgelegt. Dr. K. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.06.2011 u.a. ausgeführt, die Schmerzmitteleinnahme entspräche dem ersten Anschein nach nicht einem gravierenden Schmerzerleben, er halte ein solches jedoch aufgrund der epikritischen Angaben der Klägerin für hinreichend gesichert. Seine Darlegungen zur freien Beweglichkeit der Wirbelsäule ließen keine Rückschlüsse auf die Intensität des Schmerzerlebens zu. Seine Einschätzung betreffend die Bewertung der chronischen Wirbelsäulensyndrome basiere exklusiv auf den Schmerzen der Klägerin. Weder bildgebende noch apparative Diagnostik könne insofern einen relevanten Beitrag leisten. Seine Diagnose einer Osteoporose sei entsprechend den Kriterien des Dachverbandes der Deutschen Osteologischen Gesellschaft gesichert. Er bleibe bei seiner Einschätzung, dass die bei der Klägerin durch bandscheibenbedingten/ myofascialen Schmerzen im Sinne eines radikulären/ pseudoradikulären Lumbalssyndroms mit gravierenden Schlafstörungen mit einem GdB von 40 zu bewerten sei. Gleiches gelte für seine Einschätzung betreffend die Bewertung der Osteoporose. Dr. L.-M. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 19.07.2011 u.a. ausgeführt, die Tinnitus- Erkrankung der Klägerin sei Folge einer traumatisch verursachten Innenohrperzeptionsstörung, sie sei, vorbehaltlich einer höheren Bewertung nach einer psychosomatischen Begutachtung, mit einem Einzel-GdB von 10 - 15 zu bewerten. Der Hörverlust betrage beidseitig 30%. Daneben bestehe eine objektivierbare Schädigung der gleichgewichtsverarbeitenden Strukturen, die zu Schwindelerscheinungen führe. Von diesen Erkrankungen seien unterschiedliche körperliche Funktionsbereiche betroffen, so dass es unter Berücksichtigung der gegenseitigen Wechselwirkungen bei seiner Einschätzung eines GdB von 40 auf hno-ärztlichem Gebiet bleibe.

Auf einen Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hin hat der Senat Prof. Dr. Hesse, Hals-Nasen-Ohrenarzt zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Gutachten vom 24.09.2012 hat Prof. Dr. Hesse bei der Klägerin eine beidseitige Innenohrhochtonschwerhörigkeit und Tinnitus aurium links - tieffrequent und pulsierend - diagnostiziert. Gleichgewichtsstörungen seien nicht objektivierbar gewesen und hätten anamnestisch nicht als beeinträchtigend erfasst werden können. Die Hörminderung der Klägerin sei als geringgradig einzustufen und mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Der als mittelgradig zu graduierende Tinnitus sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2014 wurden sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, führt jedoch in der Sache für die Klägerin nicht zum Erfolg.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2007. Der Bescheid vom 26.08.2010 ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da er lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid Rechnung trägt und insofern keine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) trifft (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts [BSG] vom 06.01.2003 - B 9 V 77/01 B; Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B -; Urteil vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 76/04 R - jeweils veröffentlicht in juris). Der Bescheid wird hinfällig wenn der Gerichtsbescheid, auf dem er beruht, aufgehoben wird (BSG, Beschluss vom 21.02.1959 - 11 RV 724/58 - veröffentlicht in juris).

Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 40 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der wesentlichen Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin ist durch die Feststellung eines GdB von 40 ausreichend Rechnung getragen. Die Klägerin hat keinen weitergehenden Anspruch darauf, dass die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von minds. 50 festzustellen sind.

Nach § 48 Abs. 1 Satz SGB X i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 25.09.2003 - vorgelegen haben, eine wesentlichen Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. BSG, Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen - d.h. den Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).

Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen ist die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen. Damit hat das Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des BVG, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.

In Anlegung dieser Maßstäbe können die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren GdB als 40 bewertet werden.

Die bei der Klägerin bestehende Bewegungseinschränkung und Minderbelastbarkeit des linken Handgelenks bei unvollständigem Faustschluss ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen. Dies folgt nicht bereits deswegen, weil die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten bei der Klägerin als Folge eines Arbeitsunfalls vom 28.10.1998 eine bestehende Bewegungseinschränkung und Minderbelastbarkeit des linken Handgelenks bei unvollständigem Faustschluss mit einer MdE von 20 anerkannt hat. § 69 Abs. 2 SGB IX lässt den Verzicht auf eine eigenständige Feststellung nicht zu, wenn die Funktionsbeeinträchtigung, die bereits von einer anderen Behörde festgestellt wurde, nur eine von mehreren bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigender Funktionsbeeinträchtigungen ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 12/06 R - veröffentlicht in juris). Jedoch rechtfertigen die bei der Klägerin am linken Handgelenk bestehenden Bewegungseinschränkungen in Ansehung von Ziff. 18.13 [S. 111] der VG, nach der bei einer geringen Einschränkung (z.B. Streckung/Beugung 30-0-40) ein Einzel-GdB von 0 - 10, bei solchen stärkeren Ausmaßes ein solcher von 20 - 30 anzusetzen ist, keine höhere Bewertung. Da die Handgelenke der Klägerin nach den Bekundungen des Sachverständigen Dr. K. funktionell unauffällig sind und auch Dr. J. keine weitergehenden Bewegungseinschränkungen mitgeteilt hat, kann die Beeinträchtigung nicht mit einem höheren Einzel- GdB als 20 berücksichtigt werden.

Als funktionelle Beeinträchtigungen im Funktionssystem (vgl. Nr. 2 e des Teils A [Gemeinsame Grundsätze] der VG) Hör- und Gleichgewichtsorgan sind eine Schwerhörigkeit, eine Tinnitus-Erkrankung und eine Gleichgewichtsstörung zu berücksichtigen. Bei der Klägerin besteht nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen der Gutachter Dr. L.-M. und Prof. Dr. Hesse eine geringe bzw. leichtgradige Schwerhörigkeit. Der Hörverlust beträgt nach Dr. L.-M. beidseitig 30 %. Dies bedingt nach Ziff. 5.2.4 (S. 52) der VG und der dortigen Tabelle D einen Einzel-GdB von 15. In die Bewertung der Beeinträchtigung dieses Funktionssystems ist ferner der bei der Klägerin bestehende Tinnitus aurium links einzustellen. Dessen Bewertung erfolgt nach Ziff. 5.3. (S. 54) der VG in Abhängigkeit davon, ob psychische Begleiterscheinungen bestehen. Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen sind hiernach mit einem Einzel-GdB von 0 - 10, solche mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen mit einem solchen von 20, solche mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägt depressive Störungen) mit einem solchen von 30 - 40 und solche mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von mindestens 50 zu bewerten. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. Hesse führt die Tinnitus- Erkrankung zu Auswirkungen im Sinne einer Belästigung durch eine Einschlafproblematik, durch die der geistige und seelische Zustand mäßig beeinflusst werde. Unter Auswertung seiner, der Begutachtung zu Grunde liegenden Fragebögen und der hierin zum Ausdruck kommenden subjektiven Beschwerden besteht bei der Klägerin, so Prof. Dr. Hesse, keine weiterführende psychiatrische Erkrankung bzw. Beeinträchtigung, sodass keine nennenswerte psychische Begleiterscheinung bei der Klägerin besteht. Dies wird dadurch bestätigt, dass weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich ist, dass eine fachspezifische Behandlung der Klägerin oder eine entsprechende Medikation erfolgt. Mithin kann die Tinnitus- Erkrankung, in Einklang mit der Einschätzung von Dr. L.-M. lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 Berücksichtigung finden. Soweit Prof. Dr. Heese hingegen wegen dem von ihm angenommenen Vorliegen psychovegetativer Begleiterscheinungen einen solchen von 20 annimmt, vermag sich der Senat hiervon in Ermangelung entsprechender Befunde nicht zu überzeugen; es ist nicht ersichtlich, dass eine über eine leichte Einschränkung der psychischen Belastbarkeit hinaus weitergehende Einschränkung besteht.

Im Rahmen der Bewertung des GdB für das Funktionssystem Hör- und Gleichgewichtsorgan ist auch eine bei der Klägerin bestehende Gleichgewichtsstörung einzustellen. Der Senat stützt sich insofern auf die Einschätzung von Dr. L.-M., der das Bestehen der Erkrankung anhand der von ihm durchgeführten Testung der vestibulär evozierten myogenen Potentiale festgestellt hat. Gleichgewichtsstörungen sind nach Ziff. 5.3 (S. 53) der VG in Abhängigkeit der hierdurch bedingten Folgen zu bewerten. Solche ohne wesentliche Folgen (Beschwerdefreiheit, allenfalls gefühlter Unsicherheit bei alltäglichen Belastungen bzw. leichten Unsicherheiten bei höheren Belastungen bzw. stärkeren Unsicherheiten bei außergewöhnlichen Belastungen) sind mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Gleichgewichtsstörungen mit leichten Folgen (leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallschritte bei alltäglichen Belastungen, stärkere Unsicherheit und Schwindelerscheinungen bei höheren Belastungen und leichte Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen erst auf höherer Belastungsstufe) sind mit einem solchen von 20 zu bewerten. Ausgehend von den von Dr. L.-M. durchgeführten Gleichgewichtstests verursacht die Störung schon bei mittlerer Belastung Schwindelerscheinungen, so dass ein Einzel-GdB von 20 (noch) gerechtfertigt ist. Befunde, die eine weitergehende Berücksichtigung rechtfertigen könnten, wurden insbesondere anlässlich der Untersuchung durch Prof. Dr. Hesse nicht erhoben. Vielmehr hat dieser mitgeteilt, dass die Gleichgewichtsstörungen zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht objektiviert werden konnten und von der Klägerin subjektiv nicht als belastend empfunden würden.

In Zusammenschau der im Funktionssystem Hör- und Gleichgewichtsorgan bestehenden Einschränkungen kann ein höherer Einzel-GdB als 30 nicht angenommen werden. Der Senat berücksichtigt hierbei maßgeblich, dass die Klägerin gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. Hesse angegeben hat, das Hörvermögen subjektiv als weitestgehend normal zu empfinden und auch durch die Schwindelerscheinungen im Alltag nicht beeinträchtigt zu sein. So hat sie anamnestisch mitgeteilt, dass der Schwindel lediglich bei schnellen Bewegungen auftrete, sie jedoch - problemlos - sportlich aktiv sei. Der Einschätzung von Dr. L.- M., der aus den von ihm für die benannten Gesundheitsstörungen (Hörverlust, Tinnitus und Gleichgewichtsstörung) angenommen GdB- Werten von 15, 10 bzw. 20 für das hno-fachärztliche Gebiet insg. einen GdB von 40 annimmt, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Gutachter addiert (innerhalb des Funktionssystems) offensichtlich die einzelnen GdB- Werte. Dies ist jedoch nicht nur bei Bildung des Gesamt-GdB unzulässig (vgl. Nr. 3 a des Teils A [Gemeinsame Grundsätze] der VG), sondern auch bei der zusammenfassenden Betrachtung einzelner Funktionssysteme. Vielmehr führt die Gesamtwürdigung der Beeinträchtigungen in Ansehung der von der Klägerin selbst beschriebenen geringen Auswirkungen insg. zu einem Einzel-GdB von 30.

Die bei der Klägerin bestehende Wirbelsäulenerkrankung kann nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden. Die Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bestimmt sich nach Ziff. 18.9 (S. 107) der VG. Danach ergibt sich die Höhe des Einzel-GdB bei Wirbelsäulenschäden in erster Linie aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, kann ein GdB von 30 - 40 festgestellt werden. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50 - 70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit kann ein GdB von 80 - 100 gerechtfertigt sein. Die Klägerin leidet nach den Bekundungen von Dr. J. an Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule bei leichten degenerativen Veränderungen mit Nervenwurzelreizerscheinungen. Er hat hierzu mitgeteilt, dass die Beweglichkeit der Wirbelsäule in keinem Segment eingeschränkt sei, keine Muskelminderungen als Zeichen einer etwaigen schmerzbedingten Schonung vorlägen und die Motorik nicht gestört sei. Die Einschätzung des Gutachters, dass sich aus der Gesundheitsstörung daher nur geringfügige Funktionsbehinderungen ableiten lasse, ist dem Senat nachvollziehbar. In Anlegung der oben beschriebenen Bewertungskriterien kann die Funktionseinschränkung im Funktionssystem Rumpf daher lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden.

Auch die von Dr. K. in dessen Gutachten mitgeteilten objektivierbaren Befunde wirken sich nicht GdB erhöhend aus. Soweit dieser (zusätzlich) für eine manifeste Osteoporose der Lendenwirbelsäule einen Einzel-GdB von 20 anführt, vermag sich der Senat dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Zwar ist der Senat nach dem zuletzt vorgelegten Bericht des Osteoporose- Kreises Nordbaden über eine dort am 03.02.2014 durchgeführte Untersuchung der Klägerin davon überzeugt, dass die Klägerin an Osteoporose leidet, indes bestimmt Ziff. 18.1. (S.103) der VG, dass bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten (z.B. Osteoporose, Osteopenie bei hormoneller Störung, gastrointestinalen Resorptionsstörungen, Nierenschäden) der GdB vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig ist. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt hingegen die Annahme eines GdB nicht. Da aus den Ausführungen von Dr. K. keine osteoporosebedingten Funktionsbeeinträchtigungen, bspw. infolge von Frakturen, Wirbelkörperbrüchen oder -kompressionen benannt sind (vgl. hierzu Prof. Dr. Franke, Osteoporose und Schmerz in OSTEOLOGIE, Bd. 10, 2001, veröffentlich aus www.Netzwerk-Osteoporose.de), dieser vielmehr von einer regelrechten Schwingung der Wirbelsäule und einer harmonischen Entfaltung der Dornfortsätze berichtet hat, ist eine (isolierte) Berücksichtigung der Osteoporose bei der GdB-Bewertung nicht möglich. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule rechtfertigen vielmehr auch unter Einschluss der geltend gemachten Osteoporose der Lendenwirbelsäule nur einen Einzel-GdB von 10.

Den Anträgen zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an einer Osteoporose leidet, einen ausführlichen Bericht des Dr. med. E. und des Osteoporose- Kreises Nordbaden, Viktoriastr. 3, 76646 Bruchsal und eine versorgungsärztliche Stellungnahme zu den Befunden vom 03.02.2014 sowie ggf. ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, ist bereits deswegen nicht nachzugehen, weil der Senat das Bestehen der Erkrankung als erwiesen erachtet. Soweit sich der Antrag (auch) darauf erstreckt, dass die Osteoporose der Lendenwirbelsäule der Klägerin einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigt und hierzu ein Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen, ist ihm gleichfalls nicht stattzugeben. Nach § 103 Satz 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen, ohne an das Vorbringen und Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein (§ 103 Satz 2 SGG). Beim Antrag auf Einholung eines Gutachten handelt es sich dem Grunde nach um einen Beweisantrag nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff Zivilprozessordnung. Die Beweisaufnahme im Wege des Strengbeweises ist an die gesetzlichen Voraussetzungen über die Beweisaufnahme gebunden, weswegen er die prozessordnungsgemäßen Mindestvoraussetzungen erfüllen muss. Zu diesen zählen u.a. die Benennung der Tatsachen, die bewiesen werden sollen (Beweisthema) und die Formulierung des Beweisergebnisses. Diesen Anforderungen genügt der in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2014 gestellte Antrag, ein weiteres Sachverständigengutachten zu der Behauptung, dass die Osteoporose der Lendenwirbelsäule der Klägerin einen Teil-GdB von 20 rechtfertigt, nicht. Wie oben ausgeführt, bedingt nicht die messtechnisch nachgewiesene Oesteoporose, sondern die hierdurch ggf. hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen einen GdB. Da die Klägerin gerade nicht unter Beweis gestellt hat, dass bei ihr osteoporosebedingte funktionelle Einschränkungen bestünden und mit Blick auf die Gutachten von Dr. K. und Dr. J. auch keine Anhaltspunkte hierfür bestehen, zielt ihr Antrag im Ergebnis darauf ab, dass erst die Beweisaufnahme - die Erstellung eines Gutachtens - selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen - das Bestehen osteoporosebedingter Einschränkungen und Schmerzen - aufklären soll. Einem derartigen Antrag braucht nicht nachgegangen zu werden. (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - m.w.N., veröffentlicht in juris).

Auch soweit Dr. K. infolge der Schmerzbelastung der Klägerin durch ein gemischt radikuläres/pseudoradikäres Lumbalsyndrom einen Einzel-GdB von 40 berücksichtigt, vermag sich der Senat dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Dr. K. begründet seine Einschätzung konkret mit der bei der Klägerin bestehenden Schmerzbelastung. Indes berücksichtigen die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze die üblicherweise vorhandenen Schmerzen und auch erfahrungsgemäß besondere schmerzhafte Zustände (vgl. Nr. 2 j des Teils A [Gemeinsame Grundsätze] der VG). Lediglich in Fällen, in denen nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen ein über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können schmerzbedingt höhere Werte angesetzt werden. Da sich die Klägerin indes nicht in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, die Frequenz der Arztbesuche im Übrigen keinen Anhalt für einen spezifischen therapeutischen Behandlungsbedarf bietet - die Klägerin sucht ihren Hausarzt nach ihren eigenen Angaben einmal im Quartal auf - und auch die von der Klägerin eingenommenen Medikamente eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzbelastung nicht belegen, ist eine weitergehende Berücksichtigung der von Dr. K. benannten myofascialen Schmerzen im Sinne eines gemischt radikulären/pseudoradikären Lumbalsyndroms mit gravierenden Schlafstörungen nicht gerechtfertigt. Die Einschätzung von Dr. K. beruht vielmehr, wie dieser in seiner Stellungnahme gegenüber dem Senat mitgeteilt hat, einzig auf den epikritischen Angaben der Klägerin selbst. Auch im Hinblick auf die bei der Klägerin bestehende Osteoporose der Lendenwirbelsäule ist eine Berücksichtigung von über das Normalmaß hinausgehenden Schmerzen nicht möglich. Schmerzen bei Osteoporose treten infolge akuter Schmerzen nach Frakturen, Form- oder Gefügestörungen im Knochen oder Perisot, Fehlstellungen der Wirbelsäule oder durch Rumpfverkürzungen und Kyphose auf. Osteoporoseschmerzen führen in ihrer Folge zu einer Schonung des neuromuskulären Systems und damit Schwächung der Muskulatur (vgl. Prof. Dr. Franke, a.a.O.). Da jedoch Dr. J. in seinem Gutachten beschrieben hat, dass die Muskulatur der Klägerin nicht verschmächtigt ist, bestehen auch diesbezüglich keine objektiven Anknüpfungstatsachen für eine über übliche Maß hinausgehende Schmerzbelastung. Der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des Rumpfes ist mit einem Einzel-GdB von 10 ausreichend Rechnung getragen.

Soweit in diesem Zusammenhang zuletzt beantragt wurde, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an einem gemischt radikulären-pseudoradikulären Schmerzsyndrom im Bereich der LWS mit gravierenden Schmerzen leidet, die Klägerin zum Ausmaß ihrer Schmerzen und zur Dosierung ihrer Medikamente im Rahmen der mündlichen Verhandlung anzuhören, eine Untersuchung der Klägerin im Schlaflabor anzuordnen und danach ein weiteres Gutachten eines Facharztes für Orthopädie einzuholen, das die Resultate der Anhörung und der Untersuchung im Schlaflabor sowie die Aussagen der Sachverständigen Dr. J., Dr. K. und Dr. L.-M. zum Teil-GdB betreffend die bandscheibenbedingten Behinderungen sowie die aus der Osteoporose resultierenden Behinderungen bewertet, ist dem nicht nachzugehen.

Die Klägerin hatte die Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung über die bei ihr bestehenden Schmerzen und (aus ihrer Sicht) erforderliche Schmerzmitteleinnahme zu berichten. Von dieser Gelegenheit hat die Klägerin, der ein Erscheinen zum Termin freigestellt war, keinen Gebrauch gemacht. Da indes die Aussagen bezüglich die Stärke der von der Klägerin zu ertragenden Schmerzen wie auch deren Analgetikaeinnahme bekannt sind, da diese im Rahmen der Anamneseerhebung der Gutachter Dr. Schult und Dr. K. von diesen erfragt wurden, bestand für den Senat keine Notwendigkeit, den Rechtsstreit zu vertagen und unter Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin weiterzuführen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das sozialgerichtliche Verfahren eine förmliche Parteieinvernahme als Mittel der Sachverhaltsaufklärung nicht vorsieht, da § 118 SGG nicht auf die §§ 445 ff ZPO verweist.

Auch eine Untersuchung der Klägerin im Schlaflabor war nicht anzuordnen. Wie bereits ausgeführt, erforscht das Gericht nach § 103 Satz 1 SGG den Sachverhalt von Amts wegen. Der Umfang der Ermittlungen steht dabei im Ermessen des Gerichts (Leitherer, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., 2012, 3 103, Rn. 4). In Ausübung dieses Ermessens ist der Senat nicht gehalten, eine Untersuchung der Klägerin in einem Schlaflabor zwecks Untersuchung ihrer Schmerzbelastung anzuordnen. Im Wege einer Schlaflaboruntersuchung werden nachts Untersuchungen zu Schlafstörungen, -verlauf und -qualität durchgeführt. Hierzu werden Messungen zu bestimmten körperlichen Signalen, wie der Atmung, vorgenommen. Die Ursachen möglicher Schlafstörungen können jedoch nur im Hinblick auf diese organischen Störungen festgestellt werden. In diesem Sinne hat Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat ausgeführt, dass durch eine Untersuchung im Schlaflabor nur das Phänomen nächtlicher Schlafstörungen gesichert werden könne. Im Sinne der begehrten Anordnung einer Schlaflaboruntersuchung in Zusammenhang mit der geltend gemachten Schmerzbelastung hat Dr. K. hingegen ausgeführt, dass weder bildgebende noch eine sonstige apparative Diagnostik zur Feststellung der Schmerzbelastung einen relevanten Beitrag leisten könnten. Da es hiernach nicht möglich, aus einer Schlaflaboruntersuchung den Rückschluss auf das Bestehen oder die Stärke der Schmerzbelastung zu ziehen, ist eine Schlaflaboruntersuchung nicht anzuordnen.

Soweit die Klägerin schließlich beantragt, nach ihrer Anhörung und einer Untersuchung im Schlaflabor ein weiteres Gutachten eines Facharztes für Orthopädie einzuholen, das die Resultate der Anhörung und der Untersuchung im Schlaflabor sowie die Aussagen der Sachverständigen Dr. J., Dr. K. und Dr. L.-M. zum Teil-GdB betreffend die bandscheibenbedingten Behinderungen sowie die aus der Osteoporose resultierenden Behinderungen bewertet, ist auch diesem Antrag nicht zu entsprechen. Eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens auf einem medizinischen Fachgebiet, auf dem bereits Gutachten eingeholt wurden, besteht nur dann, wenn das Gericht sich aufgrund der schon vorliegenden - prozessrechtlich verwertbaren - Gutachten keine hinreichend sichere Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt bilden kann, weil bspw. die vorliegenden Gutachten schwere Mängel aufweisen, in sich (nicht gegeneinander) widersprüchlich sind, von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachlichkeit des Sachverständigen erwecken (vgl. BSG, Beschluss vom 11.05.1999 - B 2 U 60/99 B –; Beschluss vom 26.06.2001 - B 2 U 83/01 B – jew. veröffentlicht in juris) und die Einholung eines weiteren Gutachtens insoweit erfolgversprechend ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Einzig der Umstand, dass die orthopädischen Gutachter teilweise divergierende Gesundheitsstörungen benannt haben und eine voneinander abweichende GdB-Einschätzung angegeben haben, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens. Vielmehr hat sich der Senat aufgrund der vorliegenden Gutachten eine Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt gebildet, weswegen er auch ohne die beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens unter Abweichung von einem bereits eingeholten Gutachten entscheiden kann.

Die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen (der Schulter, des Zwölffingerdarmgeschwürleidens und des Speiseröhrengleitbruchs sowie der Krampfadern) können jeweils nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 berücksichtigt werden. Befunde, die eine höhere Bewertung rechtfertigen, wurden nicht geltend gemacht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich. Insb. die Bewegungsmaße der Schulter rechtfertigen in Ansehung von Ziff. 18.13 (S.110) der VG keine weitergehende Berücksichtigung. Das subclavian-Steal-Syndrom, d.h. distale Blutdruckabsenkungen oder -schwankungen wegen vorübergehenden oder nicht vollständigen Gefäßverschlüssen (Stenosen) der Arteria subclavia bedingt bei der Klägerin über die berücksichtigten Beeinträchtigungen hinaus keine weitergehenden funktionellen Einschränkungen.

In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Ziff. 3 [S. 22 f] Teil A der Anlage zur VersMedV). In Zusammenschau der vorliegenden Behinderungen sind die bei der Klägerin bestehenden funktionellen Einschränkungen mit denen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar. Der GdB der Klägerin ist mit 40 angemessen und ausreichend bewertet. Dies gründet insb. darin, dass sich die Funktionsstörungen im Bereich Ohren/Gleichgewichtsorgan für die Klägerin nach den gegenüber Prof. Dr. Hesse getätigten Angaben nicht maßgeblich belastend auswirken.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 16.08.2010 ist daher nicht zu beanstanden; die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved