L 3 AL 5394/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 2229/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 5394/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte am 08.12.2010 einen mündlichen Verwaltungsakt erlassen hat und verpflichtet ist, diesen schriftlich zu bestätigen.

Die 1972 geborene Klägerin, die an einem Asperger-Syndrom (Form des Autismus) leidet, nahm von Oktober 2008 bis Januar 2009 zunächst an einem von der Beklagten geförderten Kurs "Berufsvorbereitung zur Bürokauffrau" teil. Am 20.01.2009 begann sie eine Umschulung zur Bürokauffrau in Teilzeit beim "Zentrum Beruf und Gesundheit" in Bad A., die sie am 30.09.2009 abbrach. Ab dem 23.11. 2009 nahm die Klägerin an der Maßnahme "Berufliche Rehabilitation für Menschen mit Autismus" bei der Firma B. und Partner in C. teil, brach diese Maßnahme jedoch am 05.02.2010 aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls vorzeitig ab. Vom 19.04.2010 bis 15.06.2010 nahm sie an der Maßnahme "Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen" des Regionalen Bildungszentrums D. gGmbH in Freiburg teil. Hierbei absolvierte sie vom 17.05.2010 bis 12.06.2010 eine betriebliche Erprobung bei der K&U Bäckerei GmbH in der Filiale Hauptbahnhof in Freiburg. In der Folgezeit setzte die Klägerin diese Tätigkeit im Rahmen eines Praktikums fort.

Zum 01.09.2010 begann die Klägerin dort eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin, welche durch die Beklagte durch einen Arbeitgeberzuschuss nach § 235 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (a.F.) gefördert wurde.

Mit Schreiben vom 02.11.2010 teilte der Klägervertreter der Beklagten mit, die Klägerin benötige während ihrer Ausbildung als Bäckereifachverkäuferin Unterstützung durch einen begleitenden Dienst.

Mit Schreiben vom 15.11.2010 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit, konkrete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die am 01.09.2010 begonnene Ausbildung seien bisher nicht beantragt worden. Der Ausbildungsbetrieb erhalte einen Zuschuss zur Ausbildung. Zur Klärung des möglichen Förderbedarfs sei die Klägerin zu einem Gespräch eingeladen worden.

Am 08.12.2010 sprach die Klägerin mit ihrem Vater persönlich bei der Beklagten vor. Im Beratungsvermerk der Beklagten über dieses Gespräch ist folgendes festgehalten: "Vorsprache mit dem Vater: Frau S. berichtet von der Ausbildung und den Problemen, die sie teilweise mit Kolleginnen habe. Sie benötigt aus ihrer Sicht eine ergänzende Unterstützung/Betreuung für verschiedene Arbeiten und hofft so, diese schneller zu erlernen und besser erledigen zu können. Möglich ist eine individuelle Unterstützung i.R.d. § 33 SGB IX. Den Bedarf schätzt Frau S. auf durchschnittlich eine Stunde täglich ein, wobei vereinbart wurde, dass dies als Monatsstundensatz bewilligt wird und sie so nach Bedarf den Einsatz abrufen kann. Der Einsatz soll baldmöglichst beginnen. Klärung mit einem Autismustherapeuten zugesagt."

Der Arbeitgeber kündigte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 16.12.2010 zum 31.12.2010.

Einen am 28.01.2011 vom Klägervertreter eingelegten Widerspruch gegen einen am 19.12.2010 mündlich per Telefon ergangenen Verwaltungsakt, mit dem die am 08.12.2010 erfolgte Bewilligung von Leistungen der Rehabilitation in Form der persönlichen Assistenz wieder aufgehoben worden sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Beratungsgespräch am 08.12.2010 sei vom Rehabilitationsberater der beantragten Finanzierung einer ausbildungsbegleitenden persönlichen Assistenz als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben grundsätzlich zugestimmt worden. Am 19.12.2010 sei weder ein Telefonat mit der Klägerin geführt noch ihr gegenüber eine "Entscheidung" der behaupteten Art getroffen worden.

Am 04.04.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, den mündlich erlassen Verwaltungsakt schriftlich zu bestätigen. Mit Schreiben vom 07.04.2011 lehnte die Beklagte dies ab mit der Begründung, eine schriftliche Bestätigung sei nicht geboten, da kein mündlicher Verwaltungsakt erlassen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der fragliche mündliche Verwaltungsakt sei am 08.12.2010 erlassen worden. Die Widerspruchsführerin habe erst am 04.04.2011 und damit nicht unverzüglich die schriftliche Bestätigung beantragt. Deshalb bestehe insoweit kein Anspruch. Im Übrigen sei auch im Zeitpunkt des Verlangens kein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer schriftlichen Bestätigung mehr gegeben gewesen. Da es um Leistungen für zurückliegende Zeiten gehe, wäre es angemessen und zielführend gewesen, die - nach eigenen Angaben - bereits unternommenen Maßnahmen konkret zu bezeichnen, Art und Umfang zu begründen und den geltend zu machenden Kostenersatz zu beziffern, damit über einen eventuellen Zahlungsanspruch ebenfalls konkret entschieden werden könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.04.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte bestreite, einen mündlichen Verwaltungsakt erlassen zu haben. Der Anspruch auf schriftliche Bestätigung des Verwaltungsaktes sei, wenn er streitig sei, im Wege der Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend zu machen.

Nachdem die Klägerin Rechnungen der Firma "bust out - Integrationsdienste für Menschen mit ASS" über berufsbegleitende und beratende Tätigkeiten in der Zeit von August bis Dezember 2010 über insgesamt 2.070,00 EUR vorgelegt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.04.2012 deren Erstattung ab. Es sei nicht nachgewiesen, dass Leistungen einer Arbeitsassistenz i.S. d. § 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX tatsächlich erbracht worden seien, jedenfalls stellten die von der Firma bust out erbrachten Leistungen keine solchen dar. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 zurück. Hierüber ist beim SG noch ein Klageverfahren anhängig (S 8 AL 4098/12).

Mit Gerichtsbescheid vom 20.11.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide gemäß § 136 Abs. 3 SGG ergänzend ausgeführt, das Verlangen der schriftlichen Bestätigung sei nicht unverzüglich erfolgt, auch habe kein berechtigtes Interesse mehr bestanden.

Gegen den am 26.11.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.12.2012 Berufung eingelegt, ohne diese zu begründen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2011 zu verurteilen, den mündlichen Verwaltungsakt vom 08. Dezember 2010 schriftlich zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Nach Auffassung der Klägerin bewilligte ihr die Beklagte mit mündlichem Verwaltungsakt vom 08.12.2010 Leistungen der Arbeitsassistenz, deren Kosten sie mit 2.070,00 EUR beziffert hat.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf schriftliche Bestätigung eines am 08.12.2010 erlassenen mündlichen Verwaltungsaktes, da die Beklagte am 08.12.2010 gegenüber der Klägerin keinen mündlichen Verwaltungsakt erlassen hat.

Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein mündlicher Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt.

Gemäß § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Vorliegend fehlt es bereits am Merkmal einer Regelung. So hat auch der Bevollmächtigte der Klägerin im Widerspruchsschreiben vom 09.06.2011, mit dem eine "Konkretisierung" der Regelung beantragt worden ist, ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, was im Einzelnen bewilligt worden sei. Aus dem "Verwaltungsakt" ergebe sich noch nicht einmal, ob die Beklagte überhaupt etwas habe bewilligen wollen. Auch aus dem Beratungsvermerk über das Gespräch am 08.12.2010 ergibt sich nicht, dass die Beklagte eine Bewilligungsentscheidung getroffen hat. Darin wird vielmehr ausgeführt, die Klägerin habe ihren Unterstützungsbedarf auf durchschnittlich eine Stunde täglich eingeschätzt. Es sei vereinbart worden, dass dies als Monatsstundensatz bewilligt werde. Danach wurde gerade nicht über einen Leistungsantrag entschieden, sondern eine Bewilligung von Leistungen in Aussicht gestellt. Dies spricht dafür, dass die Beklagte lediglich eine mündliche Zusage erteilt hat, über die Förderung der Klägerin im Rahmen des § 33 SGB IX einen Verwaltungsakt zu erlassen.

Die Erklärung stellt auch keine Zusicherung dar. Eine Zusicherung ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine von der Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Diese bedarf jedoch zu ihrer Wirksamkeit der - hier gerade nicht gegebenen - schriftlichen Form. Im Gegensatz zur Zusicherung (vgl. Kepertin in: jurisPK-SGB X § 34 Rn. 10 m.w.N.) stellt die mündliche Zusage keinen Verwaltungsakt dar. Der Unterschied der mündlichen Zusage zur Zusicherung liegt weiter darin, dass eine mündliche Zusage nur bei der Ausübung des Ermessens bindet, während die den Voraussetzungen des § 34 SGB X entsprechende Zusicherung eine Bindung auch im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen erzeugt. Die mündliche Zusage bindet dagegen lediglich das Ermessen im Rahmen dessen, was zugesagt ist (BSG, Urteil v. 18.08.2005 - B 7a/7 AL 66/04 R - juris Rn. 40).

Unbeachtlich ist, dass die Beklagte später in anderem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, die mündliche Erklärung vom 08.12.2010 stelle einen Verwaltungsakt dar. Denn maßgeblich ist der entsprechend § 133 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bestimmende Erklärungswert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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