L 6 AL 884/01

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 1211/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 884/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a/7 AL 48/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 3. Juli 2001 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 1999 sowie des Teilanerkenntnisses vom 12. Februar 2001 wird in vollem Umfang aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Februar 1999 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung einer Abfindung gemäß § 117 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) noch für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Februar 1999.
Die am 7. Juni 1940 geborene Klägerin war ab Oktober 1979 bei der A. Hausgeräte GmbH im Werk A-Stadt als Montiererin beschäftigt. Durch Aufhebungsvertrag vom 12. März 1998 wurde das Arbeitsverhältnis beendet zum 30. September 1998. Der Name der Klägerin befand sich als Nr. 114 auf einer sog. Freisetzungsliste, die dem Betriebsrat übergeben worden war und als Anlage 1b Bestandteil des Vereinbarungspakets aus Betriebsvereinbarung, Interessenausgleich und Sozialplan geworden ist. Nach Auskunft der A. vom 15. Dezember 2000 sei denjenigen, die weder den Aufhebungsvertrag unterschrieben, noch ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer Auffang- und Qualifizierungsgesellschaft abgeschlossen hätten, betriebsbedingt gekündigt worden. Unabhängig von der Form des Ausscheidens hätten alle MitarbeiterInnen, die auf der Freisetzungsliste gestanden hätten, eine Abfindung aufgrund des Sozialplanes erhalten.
Die Klägerin erhielt eine Abfindung in Höhe von DM 42.000,-.
Am 17. September 1998 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit bei der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 23. Dezember 1998 fest. Widerspruch und Klage hiergegen führten in dem Verfahren S 5 AL 1212/99 (Sozialgericht Kassel) zu einer Aufhebung des Bescheides durch Anerkenntnis der Beklagten.
Mit weiterem Bescheid vom 17. Dezember 1998 stellte die Beklagte ein weiteres Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 117a AFG für die Zeit vom 24. Dezember 1998 bis zum 25. Februar 1999 fest.
Mit Bescheid vom 8. März 1999 stellte die Beklagte fest, dass der Leistungsanspruch der Klägerin wegen der gezahlten Abfindung in Höhe von DM 42.000,- gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG für die Zeit bis zum 4. Februar 1999 ruhe. Durch den gleichzeitigen Eintritt einer Sperrzeit sei die Abfindung zusätzlich noch nach § 117 a AFG zu berücksichtigen. Dadurch errechne sich ein weiteres Ruhen für die Zeit vom 5. Februar bis zum 5. März 1999. Nach § 110 Abs. 1 Nr. 1a AFG
mindere sich die Dauer des Leistungsanspruchs um 29 Tage. Den Bescheid vom 17. Dezember 1998 über das Ruhen vom 24. Dezember 1998 bis zum 25. Februar 1999 hob die Beklagte wieder auf, ebenso das damit zusammen hängende weitere Ruhen vom 5. Februar bis zum 5. März 1999.
Gegen den Bescheid vom 8. März 1999 hat die Klägerin am 12. März 1999 Widerspruch eingelegt und u.a. darauf verwiesen, dass § 21 Ziff. 5 des Gemeinsamen Manteltarifvertrages (GMTV) der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen für unwirksam erklärt worden sei, um Ruhenszeiträume zu verhindern. Des Weiteren habe ein Sozialplan vorgelegen, so dass ein Ausscheiden unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung (begrenzt auf die noch streitbefangene Zeit) führte sie aus: Gemäß § 242 Abs. 4 AFG in der bis zum 31.12.97 geltenden Fassung i.V.m. § 427 Abs. 6 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) seien die Vorschriften der §§ 117, 117a AFG im vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden, da die Klägerin in der Rahmenfrist (§ 124 SGB 3) vom 1.10.1995 bis zum 30.9.1998 mehr als 360 Kalendertage vor dem 1. April 1997 beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei. Der Klägerin habe nach § 21 Ziff. 5 des maßgeblichen Manteltarifvertrages nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Entsprechend der Öffnungsklausel habe bei Vorliegen eines Sozialplanes wieder ordentlich gekündigt werden können. Die Klägerin habe eine Abfindung in Höhe von DM 42.000,- erhalten, weshalb trotz Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende des Kalendervierteljahres § 117 Abs. 2 Satz 4 AFG zur Anwendung komme. Danach sei eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr zugrunde zu legen (11. März 1999). Während der letzten Beschäftigungszeit habe die Klägerin kalendertäglich DM 115,58 Einkommen erzielt, woraus sich bei Berücksichtigung von 35 % der Abfindung (DM 14.700,-) ein Ruhen von 127 Kalendertagen, also bis zum 4. Februar 1999 ergebe.
Gegen den am 26. Juli 1999 zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 24. August 1999 Klage erhoben und den Zentralen Sozialplan vom 16. Februar 1998 (Anlage 3) vorgelegt sowie eine Betriebsvereinbarung (zugleich Interessenausgleich, Sozialplan und Tarifvertrag), die u.a. eine Tariföffnung hinsichtlich § 21 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages enthielt.

Die Klägerin hat u.a. die Auffassung vertreten, mit den vorgelegten Regelungen sei nachgewiesen, dass ihr nach Aufhebung der Kündigungsschutzklausel wieder habe ordentlich gekündigt werden können, unabhängig vom Vorliegen eines Sozialplanes, nur abhängig von der Zustimmung des Betriebsrates. Die Beklagte hat u.a. vorgetragen, im Falle der Klägerin habe nach Auskunft der Arbeitgeberin § 5 des Sozialplanes, der integraler Bestandteil der Betriebsvereinbarung gewesen sei, Anwendung gefunden. Danach habe der Klägerin nur bei Zahlung einer Abfindung gekündigt werden können, weshalb vorliegend § 117 Abs. 1 Satz 4 AFG Anwendung finde.

Mit Urteil vom 3. Juli 2001 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und dies u.a. damit begründet, die Klägerin habe wegen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von DM 42.000,- erhalten. Das Arbeitsverhältnis sei zwar unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden, jedoch gelte nach § 117 Abs. 2 Satz 4 AFG (in der bis zum 31.3.1997 geltenden Fassung), der nach § 427 Abs. 6 SGB 3 a.F. i.V.m. § 242 x Abs. 3 AFG Anwendung finde, eine Kündigungsfrist von einem Jahr, da der Klägerin nur bei Zahlung einer Abfindung habe ordentlich gekündigt werden können. Die Alterssicherung nach § 21 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages (ab 55. Lebensjahr und 10-jährigem Arbeitsverhältnis Kündigung nur noch aus wichtigem Grund) sei in der Vereinbarung vom 16. Februar 1998 zwischen der A.-Hausgeräte GmbH, dem Gesamtbetriebsrat, den Betriebsräten für die Standorte N., R. und X. sowie den Tarifvertragsparteien außer Kraft gesetzt worden. Dies bedeute, dass der Klägerin wieder habe ordentlich gekündigt werden können. Nach dem Sozialplan habe der Klägerin in diesem Fall jedoch eine Abfindung zugestanden. Zwar sei der Klägerin nicht betriebsbedingt gekündigt worden, sondern es sei ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Jedoch wäre der Klägerin betriebsbedingt gekündigt worden, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätte. Der Aufhebungsvertrag stehe daher einer betriebsbedingten Kündigung gleich. Eine Abfindung hätte die Klägerin in jedem Fall erhalten. Demzufolge habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der zutreffenden Berechnung der Beklagten bis zum 4. Februar 1999 geruht. Verfassungsrechtliche Bedenken habe die Kammer nicht. Sie verweise insoweit auf das Urteil des BSG vom 5.2.1998 (B 11 AL 65/97 R).

Gegen das am 12. Juli 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2001 Berufung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, durch die Außerkraftsetzung des § 21 Ziff. 5 des einschlägigen Manteltarifvertrages sei sie wieder ordentlich kündbar gewesen. Die maßgebliche Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres sei eingehalten worden. Ergänzend sei auf das Urteil des BSG vom 29.1.2001 (B 7 AL 62/99 R) hinzuweisen, wonach aus verfassungsrechtlichen Gründen eine teleologische Reduktion der einjährigen (fingierten) Kündigungsfrist zu erfolgen habe, wenn die Arbeitgeberin – ohne die tarifliche Kündigungsmöglichkeit bei Vorliegen eines Sozialplanes – im Hinblick auf die Teilbetriebsstilllegung das Recht und damit die Möglichkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund gehabt hätte. Es könne deshalb auch bei ihr (der Klägerin) nur die ordentliche Kündigungsfrist gelten, die eingehalten worden sei.

Die Klägerin hat den zwischen dem Verband der Metall- und Elektrounternehmen Hessen e.V. und der Bezirksleitung Frankfurt der Industriegewerkschaft Metall abgeschlossenen Gemeinsamen Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Eisen- Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen (GMTV) i.d.F. vom 18. Dezember 1996 vorgelegt, sowie die Vereinbarung vom 16. Februar 1998, die zwischen den Tarifvertragsparteien des GMTV abgeschlossen worden ist und zugleich als Vertragspartner die Fa. A. Hausgeräte GmbH, den Gesamtbetriebsrat der A.-Hausgeräte GmbH, die Bezirksleitung München der Industriegewerkschaft Metall sowie den Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Unternehmen enthält. In § 3 dieser Vereinbarung ist von den Tarifvertragsparteien des MTV die Außerkraftsetzung der Alterssicherungsregelungen gem. § 21 Ziff. 5 des GMTV vereinbart worden.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 3. Juli 2001 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 8. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 1999 über das Teilanerkenntnis vom 12. Februar 2001 hinaus in vollem Umfang aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, ihr vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Februar 1999 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte trägt vor, entscheidend sei, dass der Klägerin nach der zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich habe gekündigt werden können. Eine weitere realisierbare Möglichkeit zu einer Kündigung ohne Abfindung habe nicht bestanden. Damit sei vorliegend § 117 Abs. 2 Satz 4 AFG anwendbar. Aus eben diesem Grunde komme auch eine Reduzierung der fingierten Kündigungsfrist nach der von der Klägerin zitierten BSG-Entscheidung vom 29. Januar 2001 nicht in Betracht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten, der Akte des Sozialgerichtes Kassel (S 5 AL 1212/99) sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig und begründet.
Das Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 3. Juli 2001 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Auch der Bescheid der Beklagten vom 8. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 1999 war über das Teilanerkenntnis vom 12. Februar 2001 hinaus in vollem Umfang aufzuheben. Ferner war die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auch für die streitbefangene Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Februar 1999 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Nach § 427 Abs. 6 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) i.V.m. § 242x Abs. 4 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung) ist im vorliegenden Fall § 117 Abs. 2 und 3 AFG (in der bis zum 31.3.1997 geltenden Fassung = a.F.) anzuwenden, da die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist (gemäß § 124 SGB 3 – 1.10.1995 bis 30.9.1998) mindestens 360 Kalendertage vor dem 1. April 1997 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Gemäß § 117 Abs. 2 a.F. ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Diese Frist beginnt mit der Kündigung oder der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen, gilt eine Kündigungsfrist von 18 Monaten. Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.

Zu Unrecht hat die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruchs der Klägerin nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Februar 1999 wegen der gezahlten Abfindung festgestellt. Ein solches Ruhen ist vorliegend nicht eingetreten. Denn § 117 Abs. 2 AFG kann vorliegend nicht zur Anwendung kommen.

Für den Fall der Anwendung von § 117 Abs. 2 AFG und unter gleichzeitiger Zugrundelegung der dort genannten einjährigen Frist, ist der Zeitraum des Ruhens zwar zutreffend berechnet worden. Denn die Klägerin erzielte in den letzten bei ihrem Ausscheiden abgerechneten 6 Lohnabrechnungszeiträumen (März bis August 1998 – da September 1998 noch nicht abgerechnet war) einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von DM 21.268,-. Bei 184 Kalendertagen ergibt sich somit ein kalendertäglich verdientes Arbeitsentgelt in Höhe von DM 115,59. Unter Berücksichtigung einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von 19 Jahren ist der zunächst nach § 117 Abs. 3 Nr. 1 AFG zu berücksichtigende Anteil der Abfindung von 70 % um einen Anteil von 15 % zu verringern und für jeweils 5 Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres (hier 23 Jahre) weitere 5 %, hier als ein weiterer Anteil von 20 % abzusetzen. Die verbleibenden 35 % der Abfindung von DM 42.000,- ergeben DM 14.700,-, die zu berücksichtigen sind. Dieser Betrag geteilt durch das kalendertäglich verdiente Arbeitsentgelt in Höhe von DM 115,59 ergibt 127 ganze Tage, die dem streitbefangenen Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis zum 4. Februar 1999 entsprechen.

Die Beklagte ist jedoch zu Unrecht von der Anwendbarkeit des § 117 AFG im vorliegenden Fall ausgegangen. Denn die Klägerin hat zwar wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten, das Arbeitsverhältnis ist jedoch nicht ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG.

Gemäß § 21 Ziff. 4 des hier anzuwendenden Gemeinsamen Manteltarifvertrages der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen vom 18. Dezember 1996 betrug die Kündigungsfrist bei mehr als 12-jähriger Betriebszugehörigkeit 6 Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Der von der Klägerin abgeschlossene Aufhebungsvertrag datierte vom 12. März 1998 und das Arbeitsverhältnis endete am 30. September 1998, mithin entsprechend der o.a. ordentlichen Kündigungsfrist.

Dem steht auch nicht die in § 21 Ziff. 5 GMTV getroffene Regelung entgegen, nach der in Betrieben mit in der Regel mindestens 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern einem Arbeitnehmer, der das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und dessen Arbeitsverhältnis in dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mindestens 10 Jahre ununterbrochen bestanden hat, das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, und nur bei Vorliegen eines für den betroffenen Arbeitnehmer geltenden Sozialplans eine Ausnahme von diesem erweiterten Kündigungsschutz vorgesehen ist, was einer Anwendbarkeit von § 117 Abs. 2 AFG nicht entgegen stehen würde. Denn diese Regelung ist in zulässiger Weise von den Tarifvertragsparteien insoweit außer Kraft gesetzt worden, als - unter anderem – die Arbeitnehmer der Fa. A. Hausgeräte GmbH am Standort X. betroffen sind. Bei diesen Arbeitnehmern verbleibt es deshalb bei der ordentlichen Kündigungsfrist, wie sie in § 21 Ziff. 4 GMTV als generelle Regelung vorgesehen ist.

Auch die Klägerin wird – als Mitarbeiterin des Werkes X. der Fa. A. Hausgeräte GmbH - von dieser tarifvertraglichen Regelung erfasst. § 117 Abs. 2 AFG kann deshalb auf sie keine Anwendung finden.

Keine Bedeutung kommt insoweit dem Umstand zu, dass die erfolgte Tariföffnung zeitgleich mit der Vereinbarung eines Interessensausgleichs und eines Sozialplanes erfolgt ist, die Regelungen hierüber in der selben Vereinbarung enthalten sind wie die beschriebene Tariföffnungsklausel und die insoweit getroffenen Regelungen ihrerseits miteinander verknüpft worden sind. Im Rahmen dieser Verknüpfung stehen nämlich – jedenfalls soweit die angesprochene Tariföffnungsklausel betroffen ist – nicht die getroffenen Regelungen über die zu leistenden Abfindungszahlungen im Vordergrund, sondern die Gleichstellung der über 55-jährigen Arbeitnehmer mit einer mindestens 10-jährigen Betriebszugehörigkeit mit denjenigen Arbeitnehmern der Fa. A. Hausgeräte GmbH, die noch n i c h t dieses Alter bzw. diese Dauer der Betriebszugehörigkeit erreicht haben.

Die getroffene Regelung ist deshalb auch im Rahmen des § 117 Abs. 2 AFG hinzunehmen und nicht etwa als Umgehungstatbestand anzusehen. Es gehört nämlich zur – ganz selbstverständlichen - Vertragsfreiheit der Tarifvertragsparteien, den Ausschluss der ordentlichen Kündigung bei älteren Arbeitnehmern zu vereinbaren oder aber auch eine solche Vereinbarung wieder außer Kraft zu setzen und zum "Normalfall" der Kündigung unter Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen zurückzukehren. Deshalb steht auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. BSG Urteil vom 5.2.1998 – B 11 AL 65/97 R = SozR 3-4100 § 117 Nr. 15 m.w.N.) sowie des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. dazu Urteil vom 24.10.2001 – L 12 AL 111/00 = Juris Dokument KSRE002221013) der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, weil im Falle der Klägerin – anders als in den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen – der Wegfall der sog. "Unkündbarkeit" auf t a r i f v e r t r a g l i c h e n Vereinbarungen beruht und nicht lediglich an die Zahlung einer Abfindung gebunden ist.

Unter diesen Voraussetzungen bedarf es nicht mehr der Klärung der Frage, ob dann, wenn man die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Tariföffnungsklausel außer Acht ließe, angesichts der bei Fa. A. Hausgeräte GmbH im Jahr 1998 anstehenden personellen Maßnahmen die Möglichkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 117 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 AFG, vgl. dazu BSG, Urteil vom 29.1.2001 – B 7 AL 62/99 R = SozR 3-4100 § 117 Nr. 22 m.w.N.) in Betracht ziehen müsste und auch insoweit – trotz der gezahlten Abfindung – eine am Gleichheitssatz orientierte Lösung (BSG a.a.0.) gleichfalls ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ausschließen würde.

Die Klägerin hat deshalb gegen die Beklagte auch im streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld, da sie in dieser Zeit arbeitslos war, sich bei dem Arbeitsamt persönlich gemeldet, Arbeitslosengeld beantragt und die Anwartschaftszeit erfüllt hat, §§ 117, 118, 119, 122 – 124 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat zugelassen, da er dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beimisst, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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