Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1335/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2801/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters erlernt und von April 1996 bis März 1998 eine Weiterbildung zum Physiotherapeuten absolviert. Danach war er als Physiotherapeut bzw. Krankengymnast zunächst abhängig beschäftigt und anschließend selbstständig tätig. Seine Zulassung gab er zum 30.06.2008 zurück und nannte dafür Knie- und Ellenbogenbeschwerden mit bevorstehenden Operationen. Ab 31.07.2008 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld. Nachdem bei ihm zunächst ein Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) durch Bescheid des Landratsamts M.-Kreis vom 16.06.2009 festgestellt worden war, liegt inzwischen ein Grad der Behinderung von 70 vor (Bescheid des Landratsamts R.-Kreis vom 11.05.2010).
Am 07.08.2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst ärztliche Unterlagen bei und ließ den Kläger auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet begutachten.
Der Orthopäde Dr. S. stellte beim Kläger im Gutachten vom 26.01.2009 folgende Gesundheitsstörungen: 1. Lumbalsyndrom mit musk.-lig. Verspannungen 2. Degenerative Halswirbelsäulen-Erkrankung (HWS-Erkrankung) mit fraglicher Wurzelreizung 3. Periarthritis der linken Schulter 4. Verdacht auf ein Sulcus-ulnaris-Syndrom 5. Beginnende Gonarthrose des rechten Kniegelenks und schwerer retropatellarer Knorpelschaden des rechten Kniegelenks, arthroskopisch gesichert 6. Hallux rigidus. Er gelangte zum Ergebnis, als Physiotherapeut sei der Kläger nur unter drei Stunden täglich ein- setzbar. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er dagegen sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen von Lasten sowie mit längerem Verharren in Zwangspositionen und Überkopfarbeiten. Von Seiten des rechten Ellenbogengelenks sei die Belastbarkeit eingeschränkt; insoweit sei weitere Diagnostik erforderlich. Im Vordergrund stehe die Beschwerdesymptomatik von Seiten des Kniegelenks mit dadurch eingeschränkter Belastbarkeit für Geh- und Stehtätigkeiten sowie insbesondere für Tätigkeiten mit Kniebeugebelastung.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. stellte beim Kläger im Gutachten vom 20.04.2009 folgende Diagnosen: 1. Gemischte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, anankastischen sowie ängstlich vermeidenden Anteilen 2. Karpaltunnelsyndrom beidseits 3. Sulcus-ulnaris-Syndrom rechts. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne der Kläger den Beruf des Masseurs bzw. Physiotherapeuten täglich sechs Stunden und mehr verrichten sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr ausüben.
Mit Bescheid vom 24.08.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.07.2011, wobei sie von einem Leistungsfall vom 26.06.2008 ausging.
Hiergegen legte der Kläger am 14.09.2009 Widerspruch ein, den er nicht weiter begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit Fax vom 11.02.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten – wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes – die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dieses Schreiben hat die Beklagte – nach telefonischer Rücksprache mit dem Kläger – dem Sozialgericht Mannheim (SG) als Klage vorgelegt.
Mit Bescheid vom 12.03.2010 nahm die Beklagte ab 01.04.2010 eine Neuberechnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vor. Der Kläger hat ein ärztliches Attest des Hausarztes und Arztes für Innere Medizin, Sportmedizin, Notfallmedizin, Psychosomatik vom 24.02.2010 vorgelegt, der darin bescheinigt, dass der Kläger chronischer Schmerzpatient sei und täglich der Schmerzmedikation bedürfe.
Das SG hat Gutachten auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet eingeholt.
Der Orthopäde Dr. W. hat im Gutachten vom 22.09.2010 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronisches HWS- und Lendenwirbelsäulensyndrom (LWS-Syndrom) bei leicht- bis mäßiggradig degenerativen Veränderungen, ohne objektivierbare periphere Nerven-wurzelreizerscheinungen, mit insgesamt guter bis zufriedenstellender Wirbelsäulenbe-weglichkeit 2. Leichte Kniegelenksarthrose rechts vorwiegend im Kniescheibengelenk, ohne äußere Reizerscheinungen, mit diskretem Streckdefizit und vierfach operativer Therapie ohne subjektive Beschwerdebesserung 3. Gleichbleibende Schulterbeschwerden beidseits nach angegebenem Baumsturz 1972 mit leichten Krepitationen, ohne äußere Reizerscheinungen, ohne Bewegungseinschränkung und bei kräftiger Schulter-Armmuskulatur 4. Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger könne noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Nicht mehr zumutbar seien regelmäßige schwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, in überwiegenden Wirbelsäulenzwangshaltungen wie im Bücken und mit verdrehtem Oberkörper, häufige Arbeiten im Knien, auf Leitern und Gerüsten. Nach eigenen Angaben arbeite der Kläger zweimal in der Woche drei Stunden als Physiotherapeut und plane zusätzlich eine Ausbildung zum Dozenten für Physiotherapie. Ferner sei er – nach eigenen Angaben – sehr aktiv im Austüfteln eines alternativen Antriebs unter Ausnutzung von Wasserenergie. Der Kläger sei auch in der Lage, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen. So gehe er nach eigenem Bekunden täglich 30 Minuten mit dem Hund spazieren. Die gutachterliche Praxis habe er mit dem eigenen Pkw aufgesucht; gelegentlich fahre er auch Fahrrad.
Der Neurologe und Psychiater Professor Dr. G. hat beim Kläger im Gutachten vom 25.07.2011 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Dysthymia 2. Somatoforme Schmerzstörung 3. Alte Nervenwurzelaffektion L5/S1, am ehesten degenerativer Genese. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung acht Stunden pro Tag im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verrichten. Nicht mehr zumutbar seien schwere und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, in Zwangshaltungen, überwiegend im Gehen und Stehen, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten, Arbeiten mit Publikumsverkehr, mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen sowie unter nervlicher Belastung.
Mit Bescheid vom 29.08.2011 hat die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.10.2011 abgelehnt, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr erfülle.
In der Zeit vom 30.11. bis 23.12.2011 hat sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der A.klinik in I. befunden. Die dortigen Ärzte sind im Entlassungsbericht vom 29.12.2011 zum Ergebnis gelangt, als Physiotherapeut sei der Kläger noch drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne längeres Stehen und überwiegendes Heben und Tragen könne der Kläger täglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Urteil vom 02.05.2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2010 sowie den Bescheid vom 29.08.2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auch für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.09.2014 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auch für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.09.2014. Gegenstand des Klageverfahrens sei auch der Bescheid vom 29.08.2011 geworden. Der Kläger habe seinen Klagantrag dahingehend konkretisiert, dass er Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung auf Dauer begehre. Nach Überzeugung des SG sei der Kläger über den 30.09.2011 hinaus berufsunfähig, da er seinen bisherigen Beruf als Masseur, medizinischer Bademeister und Physiotherapeut nicht in einem Umfang von sechs Stunden täglich ausüben könne. Zu diesem Ergebnis gelange des SG insbesondere aufgrund des Entlassungsberichts der A.klinik, wo der Kläger vom 30.11. bis 23.12.2011 an einer medizinischen Reha-maßnahme teilgenommen habe. Es seien von der Beklagten auch keine Verweisungstätigkeiten benannt worden, auf die der Kläger zumutbar verwiesen werden könne. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe dem Kläger daher weiter über den 30.09.2011 hinaus zu. Sie sei allerdings auf weitere drei Jahre zu befristen, da eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht unwahrscheinlich sei. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger noch sechs Stunden täglich verrichten. Zu dieser übereinstimmenden Beurteilung seien die gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. und Professor Dr. G. sowie die Ärzte der A.klinik gekommen. Soweit der Kläger die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung begehre, sei die Klage abzuweisen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 31.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 02.07.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, seine Beschwerden hätten sich im Laufe des Verfahrens so verschlechtert, dass zumindest nunmehr ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass lediglich ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe. Er könne keinerlei Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mehr als sechs Stunden verrichten. Auch gehe das SG zu Unrecht davon aus, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb der nächsten drei Jahre behoben werden könne. Der Kläger hat Arztbriefe des Radiologischen Zentrums S. vom 05.07.2012 und 18.02.2013, ein ärztliches Attest des Dr. E. vom 02.08.2012, einen Behandlungsvertrag mit dem Diplom-Psychologen G. vom 24.10.2012, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (vom 23.10.2012 – 12.11.2012) sowie einen Arztbrief der Urologischen Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik F. vom 29.10.2012 vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Mai 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2010, geändert durch den Bescheid vom 12. März 2010, und den Bescheid vom 29. August 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm seit Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, sie habe das Urteil des SG mit Bescheid vom 23.07.2012 ausgeführt. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergebe sich nach der Beurteilung ihres beratungsärztlichen Dienstes keine andere als die bisherige sozialmedizinische Leistungsbeurteilung.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. S. eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 30.07.2013 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Chondropathia patellae rechts, beginnende mediale Gonarthrose rechts 2. Initiale Coxarthrose links 3. Baker-Zyste rechts 4. Auffallendes Impingement beider Schultergelenke, leichte Supraspinatustendinose beidseits ohne Rotatorenmanschettenruptur 5. Cervikobrachial-Syndrom 6. Somatoforme Schmerzstörung 7. Implantation einer Penisprothese bei organisch kompletter erektiler Dysfunktion nach Varikoceletestis Grad III links 8. Linksseitige massive Stammvarikosis. Der Kläger könne noch körperliche leichte und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg täglich mindestens sechs Stunden verrichten. Arbeiten in dauernder stehender Position seien nicht mehr zumutbar. Nachtschicht-, Schicht-, Akkord- und Fließbandarbeiten könnten nur noch in geringem Maße durchgeführt werden. Eine Einschränkung der Wegstrecke bestehe nicht. Der von ihm festgestellte Zustand bestehe seit Juni 2008 und habe sich im Laufe des Verfahrens nicht wesentlich geändert, allenfalls sei es zu einer leichten Verbesserung gekommen.
Mit Verfügung vom 07.02.2013 und wiederholt durch Verfügung vom 10.01.2014 – nach Eingang des Gutachtens gemäß § 109 SGG – hat die Berichterstatterin auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und dem Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 07.01.2013 und 10.01.2014 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2013 § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 26.01.2009 und des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 20.04.2009, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der Sachverständigengutachten der Orthopäden Dr. W. vom 22.09.2010 und Dr. S. vom 30.07.2013 sowie des Neurologen und Psychiaters Professor Dr. G. vom 25.07.2011 und des Entlassungsberichts der A.klinik vom 29.12.2011.
Sämtliche Ärzte, auch der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. S., sind zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger trotz der bei ihm auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Vermeiden muss der Kläger lediglich Tätigkeiten mit schwerem Heben über 10 kg, mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem Knien, überwiegend im Stehen und Gehen, mit Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten, mit Publikumsverkehr, mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen sowie unter nervlicher Belastung. Der übereinstimmenden Beurteilung der Gutachter und Sachverständigen sowie der Ärzte der A.klinik schließt sich der Senat an. Ärztliche Unterlagen, die das Begehren des Klägers stützen könnten, liegen nicht vor. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungs-behinderung liegt beim Kläger nicht vor. Da der Kläger in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, steht ihm keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer, da die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht unwahrscheinlich ist, wie schon das SG dargelegt hat. Unwahrscheinlich im Sinne des § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen, so dass ein Dauerzustand vorliegt, wovon erst ausgegangen werden kann, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Eingeschlossen werden alle Therapiemöglichkeiten nach allgemein anerkannten medizinischen Erfahrungen. Es kommt nicht darauf an, dass eine begründete Aussicht auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit besteht. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit, das Leistungsvermögen eines Versicherten auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen. Solange diese Möglichkeit besteht und im Einzelfall keine gesundheitsspezifische Kontraindikation entgegensteht, ist von Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsminderung nicht auszugehen (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, a.a.O. § 102 Rn. 12).
Durch geeignete Therapiemaßnahmen können nach Ansicht der Neurologen und Psychiater Dr. M. und Professor Dr. G. sowie der Ärzte der A.klinik die Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet voraussichtlich sogar gebessert werden. Auch der Orthopäde Dr. S. hält eine Besserung für möglich, während der Orthopäde Dr. S. eine Besserung des Gesundheitszustandes zumindest nicht für unwahrscheinlich hält. Angesichts dessen fehlen sämtliche Anhaltspunkte, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer hat, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters erlernt und von April 1996 bis März 1998 eine Weiterbildung zum Physiotherapeuten absolviert. Danach war er als Physiotherapeut bzw. Krankengymnast zunächst abhängig beschäftigt und anschließend selbstständig tätig. Seine Zulassung gab er zum 30.06.2008 zurück und nannte dafür Knie- und Ellenbogenbeschwerden mit bevorstehenden Operationen. Ab 31.07.2008 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld. Nachdem bei ihm zunächst ein Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) durch Bescheid des Landratsamts M.-Kreis vom 16.06.2009 festgestellt worden war, liegt inzwischen ein Grad der Behinderung von 70 vor (Bescheid des Landratsamts R.-Kreis vom 11.05.2010).
Am 07.08.2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst ärztliche Unterlagen bei und ließ den Kläger auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet begutachten.
Der Orthopäde Dr. S. stellte beim Kläger im Gutachten vom 26.01.2009 folgende Gesundheitsstörungen: 1. Lumbalsyndrom mit musk.-lig. Verspannungen 2. Degenerative Halswirbelsäulen-Erkrankung (HWS-Erkrankung) mit fraglicher Wurzelreizung 3. Periarthritis der linken Schulter 4. Verdacht auf ein Sulcus-ulnaris-Syndrom 5. Beginnende Gonarthrose des rechten Kniegelenks und schwerer retropatellarer Knorpelschaden des rechten Kniegelenks, arthroskopisch gesichert 6. Hallux rigidus. Er gelangte zum Ergebnis, als Physiotherapeut sei der Kläger nur unter drei Stunden täglich ein- setzbar. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er dagegen sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen von Lasten sowie mit längerem Verharren in Zwangspositionen und Überkopfarbeiten. Von Seiten des rechten Ellenbogengelenks sei die Belastbarkeit eingeschränkt; insoweit sei weitere Diagnostik erforderlich. Im Vordergrund stehe die Beschwerdesymptomatik von Seiten des Kniegelenks mit dadurch eingeschränkter Belastbarkeit für Geh- und Stehtätigkeiten sowie insbesondere für Tätigkeiten mit Kniebeugebelastung.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. stellte beim Kläger im Gutachten vom 20.04.2009 folgende Diagnosen: 1. Gemischte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, anankastischen sowie ängstlich vermeidenden Anteilen 2. Karpaltunnelsyndrom beidseits 3. Sulcus-ulnaris-Syndrom rechts. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne der Kläger den Beruf des Masseurs bzw. Physiotherapeuten täglich sechs Stunden und mehr verrichten sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr ausüben.
Mit Bescheid vom 24.08.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.07.2011, wobei sie von einem Leistungsfall vom 26.06.2008 ausging.
Hiergegen legte der Kläger am 14.09.2009 Widerspruch ein, den er nicht weiter begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit Fax vom 11.02.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten – wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes – die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dieses Schreiben hat die Beklagte – nach telefonischer Rücksprache mit dem Kläger – dem Sozialgericht Mannheim (SG) als Klage vorgelegt.
Mit Bescheid vom 12.03.2010 nahm die Beklagte ab 01.04.2010 eine Neuberechnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vor. Der Kläger hat ein ärztliches Attest des Hausarztes und Arztes für Innere Medizin, Sportmedizin, Notfallmedizin, Psychosomatik vom 24.02.2010 vorgelegt, der darin bescheinigt, dass der Kläger chronischer Schmerzpatient sei und täglich der Schmerzmedikation bedürfe.
Das SG hat Gutachten auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet eingeholt.
Der Orthopäde Dr. W. hat im Gutachten vom 22.09.2010 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronisches HWS- und Lendenwirbelsäulensyndrom (LWS-Syndrom) bei leicht- bis mäßiggradig degenerativen Veränderungen, ohne objektivierbare periphere Nerven-wurzelreizerscheinungen, mit insgesamt guter bis zufriedenstellender Wirbelsäulenbe-weglichkeit 2. Leichte Kniegelenksarthrose rechts vorwiegend im Kniescheibengelenk, ohne äußere Reizerscheinungen, mit diskretem Streckdefizit und vierfach operativer Therapie ohne subjektive Beschwerdebesserung 3. Gleichbleibende Schulterbeschwerden beidseits nach angegebenem Baumsturz 1972 mit leichten Krepitationen, ohne äußere Reizerscheinungen, ohne Bewegungseinschränkung und bei kräftiger Schulter-Armmuskulatur 4. Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger könne noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Nicht mehr zumutbar seien regelmäßige schwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, in überwiegenden Wirbelsäulenzwangshaltungen wie im Bücken und mit verdrehtem Oberkörper, häufige Arbeiten im Knien, auf Leitern und Gerüsten. Nach eigenen Angaben arbeite der Kläger zweimal in der Woche drei Stunden als Physiotherapeut und plane zusätzlich eine Ausbildung zum Dozenten für Physiotherapie. Ferner sei er – nach eigenen Angaben – sehr aktiv im Austüfteln eines alternativen Antriebs unter Ausnutzung von Wasserenergie. Der Kläger sei auch in der Lage, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen. So gehe er nach eigenem Bekunden täglich 30 Minuten mit dem Hund spazieren. Die gutachterliche Praxis habe er mit dem eigenen Pkw aufgesucht; gelegentlich fahre er auch Fahrrad.
Der Neurologe und Psychiater Professor Dr. G. hat beim Kläger im Gutachten vom 25.07.2011 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Dysthymia 2. Somatoforme Schmerzstörung 3. Alte Nervenwurzelaffektion L5/S1, am ehesten degenerativer Genese. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung acht Stunden pro Tag im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verrichten. Nicht mehr zumutbar seien schwere und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, in Zwangshaltungen, überwiegend im Gehen und Stehen, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten, Arbeiten mit Publikumsverkehr, mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen sowie unter nervlicher Belastung.
Mit Bescheid vom 29.08.2011 hat die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.10.2011 abgelehnt, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr erfülle.
In der Zeit vom 30.11. bis 23.12.2011 hat sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der A.klinik in I. befunden. Die dortigen Ärzte sind im Entlassungsbericht vom 29.12.2011 zum Ergebnis gelangt, als Physiotherapeut sei der Kläger noch drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne längeres Stehen und überwiegendes Heben und Tragen könne der Kläger täglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Urteil vom 02.05.2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2010 sowie den Bescheid vom 29.08.2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auch für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.09.2014 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auch für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.09.2014. Gegenstand des Klageverfahrens sei auch der Bescheid vom 29.08.2011 geworden. Der Kläger habe seinen Klagantrag dahingehend konkretisiert, dass er Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung auf Dauer begehre. Nach Überzeugung des SG sei der Kläger über den 30.09.2011 hinaus berufsunfähig, da er seinen bisherigen Beruf als Masseur, medizinischer Bademeister und Physiotherapeut nicht in einem Umfang von sechs Stunden täglich ausüben könne. Zu diesem Ergebnis gelange des SG insbesondere aufgrund des Entlassungsberichts der A.klinik, wo der Kläger vom 30.11. bis 23.12.2011 an einer medizinischen Reha-maßnahme teilgenommen habe. Es seien von der Beklagten auch keine Verweisungstätigkeiten benannt worden, auf die der Kläger zumutbar verwiesen werden könne. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe dem Kläger daher weiter über den 30.09.2011 hinaus zu. Sie sei allerdings auf weitere drei Jahre zu befristen, da eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht unwahrscheinlich sei. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger noch sechs Stunden täglich verrichten. Zu dieser übereinstimmenden Beurteilung seien die gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. und Professor Dr. G. sowie die Ärzte der A.klinik gekommen. Soweit der Kläger die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung begehre, sei die Klage abzuweisen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 31.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 02.07.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, seine Beschwerden hätten sich im Laufe des Verfahrens so verschlechtert, dass zumindest nunmehr ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass lediglich ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe. Er könne keinerlei Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mehr als sechs Stunden verrichten. Auch gehe das SG zu Unrecht davon aus, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb der nächsten drei Jahre behoben werden könne. Der Kläger hat Arztbriefe des Radiologischen Zentrums S. vom 05.07.2012 und 18.02.2013, ein ärztliches Attest des Dr. E. vom 02.08.2012, einen Behandlungsvertrag mit dem Diplom-Psychologen G. vom 24.10.2012, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (vom 23.10.2012 – 12.11.2012) sowie einen Arztbrief der Urologischen Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik F. vom 29.10.2012 vorgelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Mai 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2010, geändert durch den Bescheid vom 12. März 2010, und den Bescheid vom 29. August 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm seit Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, sie habe das Urteil des SG mit Bescheid vom 23.07.2012 ausgeführt. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergebe sich nach der Beurteilung ihres beratungsärztlichen Dienstes keine andere als die bisherige sozialmedizinische Leistungsbeurteilung.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. S. eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 30.07.2013 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Chondropathia patellae rechts, beginnende mediale Gonarthrose rechts 2. Initiale Coxarthrose links 3. Baker-Zyste rechts 4. Auffallendes Impingement beider Schultergelenke, leichte Supraspinatustendinose beidseits ohne Rotatorenmanschettenruptur 5. Cervikobrachial-Syndrom 6. Somatoforme Schmerzstörung 7. Implantation einer Penisprothese bei organisch kompletter erektiler Dysfunktion nach Varikoceletestis Grad III links 8. Linksseitige massive Stammvarikosis. Der Kläger könne noch körperliche leichte und mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg täglich mindestens sechs Stunden verrichten. Arbeiten in dauernder stehender Position seien nicht mehr zumutbar. Nachtschicht-, Schicht-, Akkord- und Fließbandarbeiten könnten nur noch in geringem Maße durchgeführt werden. Eine Einschränkung der Wegstrecke bestehe nicht. Der von ihm festgestellte Zustand bestehe seit Juni 2008 und habe sich im Laufe des Verfahrens nicht wesentlich geändert, allenfalls sei es zu einer leichten Verbesserung gekommen.
Mit Verfügung vom 07.02.2013 und wiederholt durch Verfügung vom 10.01.2014 – nach Eingang des Gutachtens gemäß § 109 SGG – hat die Berichterstatterin auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und dem Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 07.01.2013 und 10.01.2014 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2013 § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 26.01.2009 und des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 20.04.2009, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der Sachverständigengutachten der Orthopäden Dr. W. vom 22.09.2010 und Dr. S. vom 30.07.2013 sowie des Neurologen und Psychiaters Professor Dr. G. vom 25.07.2011 und des Entlassungsberichts der A.klinik vom 29.12.2011.
Sämtliche Ärzte, auch der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. S., sind zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger trotz der bei ihm auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Vermeiden muss der Kläger lediglich Tätigkeiten mit schwerem Heben über 10 kg, mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem Knien, überwiegend im Stehen und Gehen, mit Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten, mit Publikumsverkehr, mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen sowie unter nervlicher Belastung. Der übereinstimmenden Beurteilung der Gutachter und Sachverständigen sowie der Ärzte der A.klinik schließt sich der Senat an. Ärztliche Unterlagen, die das Begehren des Klägers stützen könnten, liegen nicht vor. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungs-behinderung liegt beim Kläger nicht vor. Da der Kläger in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, steht ihm keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer, da die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht unwahrscheinlich ist, wie schon das SG dargelegt hat. Unwahrscheinlich im Sinne des § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen, so dass ein Dauerzustand vorliegt, wovon erst ausgegangen werden kann, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Eingeschlossen werden alle Therapiemöglichkeiten nach allgemein anerkannten medizinischen Erfahrungen. Es kommt nicht darauf an, dass eine begründete Aussicht auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit besteht. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit, das Leistungsvermögen eines Versicherten auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen. Solange diese Möglichkeit besteht und im Einzelfall keine gesundheitsspezifische Kontraindikation entgegensteht, ist von Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsminderung nicht auszugehen (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, a.a.O. § 102 Rn. 12).
Durch geeignete Therapiemaßnahmen können nach Ansicht der Neurologen und Psychiater Dr. M. und Professor Dr. G. sowie der Ärzte der A.klinik die Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet voraussichtlich sogar gebessert werden. Auch der Orthopäde Dr. S. hält eine Besserung für möglich, während der Orthopäde Dr. S. eine Besserung des Gesundheitszustandes zumindest nicht für unwahrscheinlich hält. Angesichts dessen fehlen sämtliche Anhaltspunkte, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer hat, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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