L 5 R 3835/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1543/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3835/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.08.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1953 geborene Klägerin (GdB 60) hat keinen Beruf erlernt. Zuletzt war sie von 2002 bis 2010 als Maschinenbedienerin, einer nach den eigenen Angaben der Klägerin eher schweren Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb mit häufigen Überkopfarbeiten, versicherungspflichtig beschäftigt (davor Tätigkeiten u.a. als angelernte Schneiderin, selbständige Erwerbstätigkeit als Gastwirtin und Änderungsschneiderin). Seit dem 04.05.2009 ist sie arbeitsunfähig bzw. seit 27.03.2010 arbeitslos.

Am 30.08.2011 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte sie vom 03.08.2009 bis 24.08.2009 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der F.-Klinik, Bad B., absolviert. Im Entlassungsbericht vom 26.08.2009 sind die Diagnosen Cervicobrachialgien bei degenerativen WS-Veränderungen, chronisches LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, BWS-Syndrom, rezidivierende depressive Störungen und arterielle Hypertonie festgehalten. Als Maschinenbedienerin könne die Klägerin nur 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aber (unter qualitativen Einschränkungen: Vermeidung von Zwangshaltungen, häufigem Bücken und Überkopfarbeiten) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Sozialmediziners Dr. S. vom 10.10.2011. Dieser diagnostizierte bei mäßig herabgestimmter Stimmung (affektiv gewisse Resonanzfähigkeit gegeben), ausreichendem Antrieb und teilweise bestehenden Verdeutlichungstendenzen ein Zerviko-lumbalbetontes Rücken-/Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen, muskulärer Dysbalance und partiellen Bewegungsminderungen, medikamentös behandelten arteriellen Bluthochdruck, mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit, Ohrgeräusche, eine depressive Störung mit Somatisierung, ein Schultersyndrom rechts, beginnende AC-Arthrose, mit partieller Funktionsstörung, Übergewicht (BMI 32,1) und einen Z. n. Entfernung einer gutartigen Geschwulst Parotis links im Jahr 2000. Die Klägerin befinde sich in gutem Allgemeinzustand. Eine depressive Störung mit Somatisierungskomponenten zeige eine insgesamt nur mäßige Ausprägung und keinerlei schwergradige Symptomatik. Eine gewisse Traurigkeit bei Trauerfall (Ehepartnerverlust nach schwerer Krankheit) sei nachvollziehbar und durchaus physiologisch. Als Maschinenbedienerin könne die Klägerin nur unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes jedoch (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 12.10.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, wegen des schweren Ausprägungsgrades und der mittlerweile eingetretenen Chronifizierung ihrer somatisierten depressiven Affektstörung könne sie nur noch unter 6 Stunden täglich arbeiten. Bei ihr liege erhebliche Multimorbidität vor.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 12.03.2012. Dieser fand eine bis zuletzt lebendige Antriebslage und gewann den Eindruck eines überlagernd nicht unerheblichen Agierens; es lägen klinisch-neurologisch offenkundig nicht der willentlichen Kontrolle entzogene demonstrative Überlagerungen vor. Bei der sehr langen Anamnese sei zu keinem Zeitpunkt eine eigenständige richtungweisende Schmerzbeeinträchtigung aufgefallen. Eine weiterreichende depressive Symptomatik von sozialmedizinischer Relevanz habe sich nicht abgebildet. Der Gutachter diagnostizierte eine dysthyme Entwicklung mit zusätzlicher Somatisierungsneigung (durchaus lebendig erhaltene affektive und inhaltliche Auslenkbarkeit ohne weiterreichendes Vermeidungsverhalten und ohne eigenständige Antriebsstörung), Wirbelsäulenbeschwerden ohne objektivierbare radikuläre Ausfälle sowie einen Beschwerdekomplex aus Hyperakusis/Tinnitus ohne zusätzliche richtungweisende neurologische Symptomatik mit auch hier allerdings zusätzlicher, auch funktioneller Überlagerung. Die Klägerin könne in ihrem bisher ausgeübten Beruf als Maschinenbedienerin nur unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) jedoch 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 14.05.2012 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhob. Sie trug vor, der Leistungseinschätzung des Dr. B. sei nicht zu folgen, weil dieser offenbar angenommen habe, sie habe bewusst manipulierend auf das Begutachtungsgespräch eingewirkt. Wegen des auch nach Behandlung nicht gebesserten psychopathologischen Krankheitsbildes könne sie nicht mehr 6 Stunden täglich arbeiten.

Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte. Der Neurologe Dr. P. vertrat die Auffassung, die Klägerin könne wegen einer therapierefraktären somatisierten depressiven Affektstörung (seit November 2007) nur noch unter 3 Stunden täglich arbeiten (Bericht vom 26.07.2012). Der Orthopäde Dr. S. führte im Bericht vom 26.07.2012 aus, die Klägerin stelle sich seit Jahren mit gleicher Problematik vor. Hauptursache seien die Beschwerden der Wirbelsäule (u.a.) bei bekanntem Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich C3-6. Eine leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeit könne die Klägerin mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Der Psychiater Dr. J. teilte im Bericht vom 24.07.2012 ein ausgeprägtes, inzwischen wohl chronifiziertes depressives Syndrom mit. Seit der letzten Untersuchung habe es eine deutliche Besserung der Psychomotorik, der Affektivität und der Stimmungslage gegeben; dies sei wohl auch durch die effektivere antidepressive Medikation bedingt. Die Klägerin könne aber (seit Oktober 2011) nur zwischen 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten. Die Allgemeinärztin C.-J. (Hausärztin der Klägerin) vertrat die Auffassung, die Klägerin sei vor allem wegen Schwindelanfällen mit Fallneigung und Erbrechen, somatisierter Depression und chronischer Schmerzen nicht mehr 6 Stunden täglich leistungsfähig (Bericht vom 30.07.2012).

Das Sozialgericht erhob das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten, Sozialmediziners Dr. M. vom 17.12.2012. Darin ist (u.a.) ausgeführt, die Klägerin sei mit einem (zweifelsfrei nicht indizierten) Rollator zu Begutachtung erschienen, könne aber frei und sicher gehen. Während der zweistündigen Exploration seien keine wesentlichen Schmerzentlastungsbewegungen erkennbar gewesen. Die Stimmung sei subdepressiv-gedrückt; die Klägerin sei schwingungs- und resonanzfähig. Der Gutachter führte psychologische Testverfahren durch und fand bei Beschwerdevalidierungstests Hinweise für eine negative Antwortverzerrung im Hinblick auf die angegebenen Beschwerden; die Beschwerdeangaben seien nicht zuverlässig und daher zu relativieren. Der Tagesablauf sei strukturiert; die Klägerin führe den Haushalt weitgehend selbstständig unter gelegentlicher Hilfe durch die im selben Mietshaus wohnenden Kinder. Eine soziale Isolierung habe sich bei der Anamnese nicht bestätigt. Eine tiefergehende depressive Störung im Sinne einer zumindest mittelgradigen depressiven Episode liege derzeit nicht vor. Angegebene Schwindelbeschwerden hätten auch bei unauffälligen Bewegungen nicht ausgelöst werden können. Gravierende Einschränkungen des Bewegungs- und Haltungsapparates hätten sich nicht gezeigt. Teilweise habe die Klägerin geringe aktive Bewegungsumfänge aggraviert dargestellt. Eine ambulante Regelpsychotherapie finde (trotz entsprechender Empfehlung während der Rehabilitationsbehandlung in der F.-Klinik) nicht statt.

Der Gutachter diagnostizierte eine chronisch-depressive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymia mit Z. n. einer mittelgradigen depressiven Episode 2009/2010 und Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit und der Arbeitsorganisation, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit aktuell im Vordergrund stehenden gelegentlichen Schwindelattacken, Schulter/Nackenbeschwerden mit den organischen Komponenten einer Wirbelsäulenfehlhaltung und einer muskulären Imbalance mit Einschränkungen der Arbeitsschwere, der Arbeitshaltung sowie des Bewegungs- und Haltungsapparates und für Gefährdungsfaktoren sowie Innenohrschwerhörigkeit beidseits und Tinnitus aurium beidseits mit Einschränkungen für Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen. Die Klägerin könne (unter qualitativen Einschränkungen: u.a. wegen schmerzhafter Bewegungseinschränkung im Schulter-Nackenbereich keine Tätigkeiten mit häufigem Armvorhalten oder Überkopfarbeit) 8 Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie sei auch wegefähig.

Nachdem die Klägerin einen Vergleichsvorschlag des Sozialgerichts (Klagerücknahme und Gewährung einer Rehabilitationsbehandlung durch die Beklagte) abgelehnt, Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. M. geltend gemacht und auf Nachfrage des Sozialgerichts (unter Vorlage weiterer Arztberichte) mitgeteilt hatte, Schwindelanfälle träten durchschnittlich 2- bis 3-mal wöchentlich auf, erhob das Sozialgericht die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. M. vom 20.05.2013. Darin ist ausgeführt, die umfangreiche HNO-ärztliche Diagnostik bis Februar 2013 in der Universitätsklinik H. habe im Hinblick auf die angegebenen Schwindelbeschwerden keinen hinweisenden Befund ergeben, weshalb man dort von Schwindelattacken unklarer Genese ausgegangen sei. Entsprechendes gelte für eine internistisch-kardiologische Untersuchung bei Dr. H ... Insgesamt liege für die angegebenen Schwindelbeschwerden ein organisches Korrelat nicht vor; die beklagte Schwindelsymptomatik seit damit der Somatisierungsstörung zuzuordnen. Die vorgelegten Arztberichte belegten die bisherige gutachterliche Einschätzung. Neue diagnostische Aspekte ergäben sich nicht. Wie bereits im Gutachten dargelegt, müssten wegen der durch Verfahren der Beschwerdevalidierung nachgewiesenen negativen Antwortverzerrungen mit der Neigung zu Extremdarstellungen (Aggravation) der Beschwerden Häufigkeit, Ausmaß und Folgen der Schwindelsymptomatik bei der Klägerin relativiert werden. Eine neue Leistungseinschätzung sei insgesamt nicht veranlasst. Therapie der Wahl für die somatoforme Schwindelsymptomatik seit die Psychotherapie. Eine solche werde bislang jedoch nicht durchgeführt. Durch eine umfassende, ganzheitliche Psychotherapie könnten die Schwindelbeschwerden deutlich gebessert und u.U. auch ganz beseitigt werden.

Nachdem die Klägerin abschließend erklärt hatte, sie sei nicht bereit, das Verfahren durch Inanspruchnahme von Altersrente für schwerbehinderte Menschen (unter Nachzahlung freiwilliger Beiträge für - offenbar - noch 6 Monate) zu beenden, wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.08.2013 ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin könne Erwerbsminderungsrente nicht beanspruchen, da sie mindestens 6 Stunden täglich (unter qualitativen Einschränkungen) erwerbstätig sein könne; Erwerbsminderung liege daher nicht vor (§ 43 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen folgten insbesondere weder aus Erkrankungen des neurologisch-psychiatrischen noch des orthopädischen Fachgebiets. Das gehe aus den Rentengutachten der Dres. S., B. und M. bzw. dem Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. S. überzeugend hervor; Dr. M. habe nur eine leichtgradige psychogene Störung gefunden. Die abweichende Auffassung behandelnder Ärzte (Dres. J. und P.) sei demgegenüber nicht nachvollziehbar. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) könne die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbare Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen.

Auf den ihr am 16.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.09.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Die Leistungseinschätzung der Rentengutachter könne sie nicht nachvollziehen. Wegen ihrer Beschwerden (Schwindelanfälle, Bandscheibenvorfälle, Schwerhörigkeit mit Tinnitus, Depressionen) sei ein normales Arbeitsverhältnis nicht mehr möglich. Sie suche ihre behandelnden Ärzte nach wie vor regelmäßig auf; den Psychiater konsultiere sie etwa alle 4 Wochen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2012 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Klägerin hat abschließend einen an ihre Hausärztin (Allgemeinärztin C.-J.) gerichteten Arztbrief des Orthopäden Dr. St. vom 27.10.2013 vorgelegt. Darin ist (u.a.) ausgeführt, an der WS bestehe zur Voruntersuchung ein unveränderter Befund. Röntgenologisch bestehe an den Schultern eine schwere ACG-Arthrose mit subacromialer Einengung rechts betont. Empfohlen würden die Fortsetzung der Physiotherapie und Antiphlogistika für 2 bis 3 Wochen mit Kontrolle im Verlauf.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus den Verwaltungsgutachten der Dres. S. und B. vom 10.10.2011 bzw. 12.03.2012, dem Gerichtsgutachten des Dr. M. vom 17.12.2012 (mit ergänzender Stellungnahme vom 20.05.2013), dem Bericht des Orthopäden Dr. S. vom 26.07.2012 sowie dem Entlassungsbericht der F.-Klinik, Bad B., vom 26.08.2009 überzeugend hervor. Rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen bestehen danach insbesondere weder auf orthopädischem noch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Der abweichenden Auffassung der Allgemeinärztin C.-J. (Hausärztin der Klägerin) und der Dres. P. und J. kann sich der Senat nicht anschließen.

Erkrankungen des orthopädischen Fachgebiets stehen einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit (bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen) nicht entgegen; das haben die Rentengutachter in Übereinstimmung mit dem behandelnden Orthopäden Dr. S. (Bericht vom 26.07.2012) festgestellt. Der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegte Arztbrief des Orthopäden Dr. St. vom 27.10.2013 enthält wesentlich neue Befunde nicht und enthält im Hinblick auf ACG-Arthrosen der Schultern (lediglich) Behandlungsempfehlungen, wie Krankengymnastik und den vorübergehenden Einsatz von Antiphlogistika. Die genannten arthrotischen Veränderungen der Schultern waren bei der Begutachtung der Klägerin bekannt und bedingen im Übrigen nur qualitative Leistungseinschränkungen (wie den Ausschluss von Arbeiten mit häufigem Armvorhalten oder Überkopfarbeit), die nicht zur Berentung führen.

Eine sozialmedizinisch beachtliche Depressions- oder Schmerzerkrankung liegt nicht vor. Die Rentengutachter Neurologen und Psychiater Dres. B. und M. haben (ebenso der Sache nach Sozialmediziner Dr. S.) lediglich eine Dysthymie gefunden und diese Einschätzung aus dem psychopathologischen Befund jeweils überzeugend begründet; rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen sind daraus nicht abzuleiten. Die abweichende Auffassung des Neurologen Dr. P. bzw. des Psychiaters Dr. J. (Berichte vom 26.07.2012 bzw. vom 24.07.2012) kann demgegenüber nicht überzeugen. Die Berichte dieser Ärzte enthalten ärztliche Meinungsäußerungen, aber - im Gegensatz den genannten Rentengutachten - keine aus Befunden nachvollziehbar und schlüssig begründete sozialmedizinische Leistungseinschätzung. Insoweit kann auch die von den Rentengutachtern Dres. B. und M. gefundene Tendenz der Klägerin zu Antwortverzerrungen und zu aggravatorischem Verhalten nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb eine stichhaltige Leistungseinschätzung auf subjektive Beschwerdeschilderungen ohne weitere Verifizierung nicht ohne Weiteres zu stützen ist. Davon abgesehen hat eine leitliniengerechte Depressionsbehandlung zu keiner Zeit stattgefunden; entsprechendes gilt für eine Schmerzbehandlung. Depressionserkrankungen führen auch nicht unbesehen zur Berentung. Sie sind vielmehr behandelbar und auch zu behandeln, bevor Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI angenommen werden kann. Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012, Leitlinien) hervorgeht, bedingt eine einzelne mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und erfordert eine Krankenbehandlung, stellt jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar. Eine ungünstige Prognose bezüglich der Erwerbsfähigkeit kommt danach (erst) in Betracht, wenn mehrere der folgenden Faktoren zusammentreffen: Eine mittelschwer bis schwer ausgeprägte depressive Symptomatik, ein qualifizierter Verlauf mit unvollständigen Remissionen, erfolglos ambulante und stationäre, leitliniengerecht durchgeführte Behandlungsversuche, einschließlich medikamentöser Phasenprophylaxe (z.B. Lithium, Carbamazepin, Valproat), eine ungünstige Krankheitsbewältigung, mangelnde soziale Unterstützung, psychische Komorbidität, lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und erfolglose Rehabilitationsbehandlung (Leitlinien S. 101 f.; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 4.9.2013, - L 5 R 2647/11 -). Eine Fallgestaltung dieser Art liegt bei der Klägerin ersichtlich nicht vor, zumal sie einen Psychiater lediglich in Vierwochenabständen konsultiert. Die angegebene Schwindelsymptomatik (mit durchschnittlich 2 bis 3 Attacken wöchentlich) ist - von den angeführten Zweifeln an subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin abgesehen - nach der überzeugenden Einschätzung des Dr. M. ebenfalls behandelbar und bedingt lediglich qualitative Leistungseinschränkungen; das gilt in gleicher Weise für die (mit Hörgeräten versorgte) Schwerhörigkeit der Klägerin.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf. Die vorliegenden Rentengutachten sind insgesamt schlüssig und überzeugend. Stichhaltige Einwendungen sind nicht erhoben; die Klägerin will lediglich die Ergebnisse der Begutachtung nicht akzeptieren.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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