Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5340/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 11 R 1107/11 durch den gerichtlichen Vergleich vom 19.02.2013 beendet ist.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten war in der Rechtssache L 11 R 1107/11 streitig, ob die Beklagte einen vor dem Senat am 14.10.2008 im Verfahren L 11 R 5476/05 geschlossenen Vergleich über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllen muss und ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung hat. Nunmehr geht es um die Frage, ob der Rechtsstreit durch einen in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2013 vor dem Senat geschlossenen Vergleich wirksam beendet worden ist.
Der 1966 geborene Kläger absolvierte von 1982 bis 1985 eine Ausbildung zum Schornsteinfeger und war in diesem Beruf bei mehreren Arbeitgebern tätig. Am 15.12.1987 erlitt er bei einem Verkehrsunfall, den die Bau-Berufsgenossenschaft (BG) als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anerkannte, ein schweres Schädelhirntrauma mit globalem Hirnödem mit Einengung der äußeren und inneren Liquorräume. Aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls bezieht er von der BG eine Verletztenrente seit 01.05.1993 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H, zuvor von 30 v.H. Nach einem stationären Heilverfahren nahm er dann im April 1988 zunächst seine Tätigkeit als Schornsteinfegergeselle wieder auf, konnte aber nach seinen Angaben die geforderten Leistungen nicht erbringen. In der Zeit vom 02.11.1988 bis 05.07.1989 besuchte der Kläger die Meisterschule für Schonsteinfeger und erlangte den Abschluss als Schornsteinfegermeister (Meisterbrief vom 16.11.1989). Aus gesundheitlichen Gründen war er jedoch nicht in der Lage, in diesem Beruf zu arbeiten.
Bei einer von der BG veranlassten Untersuchung und Begutachtung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. (Gutachten vom 22.09.1989, Bl 439 ff der Verwaltungsakte der Beklagten) standen beim Kläger psychopathologische Auffälligkeiten mit Antriebsminderung, Einengung der emotionalen Schwingungsfähigkeit, affektiver Nivellierung sowie deutlicher Verlangsamung bei guter Anstrengungs- und Mitgehensbereitschaft im Vordergrund. Die Gutachterin stellte eine deutliche Verlangsamung beim Kläger fest, sobald die Aussensteuerung wegfiel. In neurologischer Hinsicht konnte noch eine latente Halbseitensymptomatik rechts diagnostiziert werden. Die Ärztin empfahl ein stationäres Leistungstraining, welches der Kläger vom 12.12.1989 bis 28.02.1990 in den Neurologischen Kliniken Dr. Sch. durchführte. Dort konnte der Kläger im Verlaufe der Trainingsmaßnahmen sein Arbeitstempo steigern, jedoch blieb die Belastbarkeit bei länger anhaltender Belastung eingeschränkt (Bericht der Kliniken Sch. vom 14.03.1990, Bl 485 ff der Verwaltungsakte der Beklagten).
Danach war der Kläger bis 11.06.1990 ohne versicherungspflichtige Beschäftigung. Vom 12.06.1990 bis 09.07.1990 nahm er im Berufsförderwerk H. an einer Berufsfindung und Arbeitserprobung teil. Die bei der dort vorgenommenen psychologischen Eingangsuntersuchung erzielten Testergebnisse sprachen für eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit. Im Übrigen waren jedoch die Leistungsmöglichkeiten noch derart eingeschränkt, dass dem Berufsausbildungswerk eine Ausbildung zum damaligen Zeitpunkt verfrüht erschien. Vielmehr wurde ein mehrmonatiges berufsbezogenes Training für sinnvoll erachtet. Danach erschien als Ausbildungsziel Bürokaufmann erreichbar (Stellungnahme des Berufsförderungswerk H. vom 04.09.1990, Bl 389 ff der Verwaltungsakte der Beklagten). Bei der Grunderprobung zeigte sich, dass der für die Erledigung der Aufgaben benötigte Zeitaufwand - bei guter Ausarbeitungsqualität - in der Regel einer Verdopplung der durchschnittlichen Zeitwerte entsprach. Eine Steigerung der Tempoleistung war möglich, wenn der Arbeitsablauf weitgehend vorstrukturiert war, dh wenig eigenproduktive Denkabläufe erforderlich machte (Stellungnahme der Dipl.-Psychologin Rü. vom 24.08.1990, Bl 399 ff der Verwaltungsakte der Beklagten).
Im Anschluss daran besuchte der Kläger die Gewerblich-technische Berufsaufbauschule in F., wo er am 26.06.1991 die Fachschulreife erlangte. Nach dem Besuch des Berufskollegs in der Zeit vom 26.08.1991 bis 19.06.1992 erwarb der Kläger schließlich die Fachhochschulreife. Danach war er bis 1994 arbeitslos. Ab dem 01.03.1994 nahm er ein Studium an der Fachhochschule P. im Studiengang Steuer und Revisionswesen auf. Wegen Überschreitens der Regelstudienzeit wurde er, ohne ein Abschlussdiplom erreicht zu haben, zum 31.08.1999 exmatrikuliert. Er besuchte jedoch weiterhin Vorlesungen an der Fachhochschule, reichte am 23.12.1999 eine schriftliche Diplomarbeit ein und nahm am 29.06.2000 an einer mündlichen Diplomprüfung teil. Die Teilnahme an dieser Prüfung erfolgte jedoch wegen eines anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Wiederholung eines Leistungsnachweises und die Verlängerung der Studienzeit unter Vorbehalt. Nachdem eine Klage des Klägers vom Verwaltungsgericht Karlsruhe rechtskräftig abgewiesen worden war und somit feststand, dass seine Zulassung zum Studium zum Zeitpunkt der Teilnahme an der mündlichen Prüfung endgültig erloschen war, wurde das Ergebnis der mündlichen Diplomprüfung nicht gewertet. Vom 01.08. bis 30.09.2001 absolvierte er ein freiwilliges Praktikum bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und vom 25.10.2001 bis 23.07.2002 besuchte er die Fachschule für Betriebswirtschaft an der Kaufmännischen Schule S.-Nord, wo er einen Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt erlangte. Seit 24.07.2002 ist der Kläger wieder arbeitslos.
Am 09.05.2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Er könne wegen seiner Unfallverletzung in seinem erlernten Handwerk gar nicht mehr und im Übrigen nur leichte Tätigkeiten verrichten. Die Beklagte legte den Sachverhalt ihrem Sozialmedizinischen Dienst vor. Dieser kam am 02.10.2003 unter Berücksichtigung verschiedener ärztlicher Unterlagen zu dem Ergebnis, der Kläger könne als Betriebswirt und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als 6 Stunden täglich arbeiten. Es bestehe ein Zustand nach schwerem Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri, Hirnödem sowie weitgehend abgeklungenem hirnorganischen Psychosyndrom und eine Struma nodosa. Dennoch sei der Kläger in der Lage gewesen, die Prüfung zum Schornsteinfegermeister abzulegen und sich auf eigene Kosten zum staatlich geprüften Betriebswirt umzuschulen. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2003 den Rentenantrag ab. Sie führte zudem aus, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Das Sozialgericht Reutlingen (SG, S 3 R 983/04) wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 09.11.2005 ab.
Im nachfolgenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 11 R 5476/05) erklärte die Beklagte, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien bezogen auf den Tag der Rentenantragstellung erfüllt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2008 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:
"1. Die Beklagte erklärt sich bereit, dem Kläger eine vierwöchige medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren und anschließend über berufsfördernde Maßnahmen oder erneut über den Rentenantrag vom 09.05.2003 zu entscheiden. 2. Die Beteiligten erklären den vorliegenden Rechtsstreit für erledigt. 3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."
Der Kläger widerrief in der Folge diesen Vergleich, woraufhin der Senat mit Urteil vom 27.01.2009 (L 11 R 4857/08) feststellte, das Berufungsverfahren L 11 R 5476/05 sei durch den gerichtlichen Vergleich vom 14.10.2008 beendet. Es lägen weder prozessuale noch materiell-rechtliche Gründe vor, die den Prozessvergleich unwirksam machten. Die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde (B 5 R 78/09 B) nahm der Kläger zurück.
Mit Schreiben vom 28.04.2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis spätestens 10.05.2009 Vorschläge zu unterbreiten, wo er die vierwöchige medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchführen könne. Er bevorzuge eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme und sei nicht bereit, sich einer rein psychologischen Rehabilitationsmaßnahme zu unterziehen. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 08.05.2009, gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin Dr. Pf. vom 05.05.2009, dem Kläger mit, dass Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie eine neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase als maßgebende Diagnosen vorlägen. Insoweit komme die Durchführung der Maßnahme in der psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. in Betracht.
Hiermit erklärte sich der Kläger nicht einverstanden, da diese Klinik als Basistherapie die Gruppentherapie anbiete, was für ihn aufgrund bisheriger Erfahrungen nicht infrage komme. Im Übrigen lägen seine Hauptbeschwerden neben den psychischen Gesundheitsstörungen insbesondere im Bereich der Nephrologie und Endokrinologie, welche dort nicht ausreichend therapiert würden. Er begehre vielmehr eine Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik H., Zentrum für Prävention und Rehabilitation für Innere Medizin, Orthopädie und Psychosomatik in F.
Mit Bescheid vom 16.06.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger ganztägige ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von voraussichtlich vier Wochen in dieser Klinik. Zugleich erging der Hinweis, der Bescheid verliere seine Gültigkeit, sofern die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Bescheiddatum angetreten werde.
Von Seiten der Klinik H ... wurde die Aufnahme des Klägers im Folgenden jedoch abgelehnt (Schreiben vom 23.06.2009). Prof. Dr. Sch. von der Klinik H ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin, führte mit Schreiben vom 14.05.2009 aus, er sei bereit, mit dem Kläger ein Vorgespräch zu führen, da nach seiner Durchsicht der umfangreichen Unterlagen tatsächlich eine psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung sinnvoll erscheine. Diese sei vorliegend in der Klinik H ... nur vollstationär durchführbar. Einer von der Beklagten vorgeschlagenen Änderung und Durchführung der Rehabilitation in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. stimmte der Kläger nicht zu.
Am 15.07.2009 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 16.06.2009 Widerspruch. Er beanstandete, dass er nicht zur gewünschten Rehabilitation in der Klinik H ... aufgenommen werde und hielt an seinem Begehren fest, dort eine ambulante Rehabilitation anzutreten. Ferner bestand er auf der Einholung von nephrologischen und endokrinologischen Gutachten, der Abklärung der Diagnose sekundärer Hyperparathyreoidismus sowie dem Ausschluss vom psychologischen Gruppengesprächen im Rahmen der ambulanten Rehabilitation.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 03.08.2009 mit, nach Auskunft der Klinik H ... sei im Wesentlichen eine psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung angezeigt, die dort allerdings nur vollstationär durchgeführt werden könne. Der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Sch. sei bereit hierzu mit dem Kläger ein Vorgespräch zu führen. Gegenstand des Vergleiches vor dem LSG vom 14.10.2008 sei primär die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Entsprechend den weiteren Ausführungen im Vergleich vom 14.10.2008 werde nach Abschluss des Heilverfahrens geprüft, ob berufsfördernde Maßnahmen in Betracht kämen oder ob über den Rentenantrag vom 09.05.2003 erneut entschieden werde. Erst in diesem Zusammenhang werde unter Berücksichtigung des dann vorliegenden Entlassungsberichts der Klinik H ... geprüft, ob die vom Kläger beantragte nephrologische und endokrinologische Begutachtung erforderlich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.06.2009 zurück. Ausschließlich wegen der Weigerung des Klägers, die vorgesehene psychosomatisch-psychotherapeutische stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren, habe es noch zu keiner Umsetzung des Vergleichs vom 14.10.2008 kommen können. Erst nach Eingang des ärztlichen Entlassungsberichts der Rehabilitationsklinik könnten weitergehende Prüfungen entsprechend dem Vergleich erfolgen. Der Kläger sei somit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Nachvollziehbare Gründe, die den Kläger an der Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht hinderten, lägen nicht vor. Mit Bescheid vom 18.01.2010 teilte die Beklagte dem Kläger dann mit, nach Ablauf der im Bewilligungsbescheid festgelegten Zeitdauer habe die Kostenzusage im Bewilligungsbescheid vom 16.06.2009 ihre Gültigkeit verloren.
Zuvor, am 18.09.2009, hat der Kläger beim SG Klage erhoben in der er ua vorgetragen hat, die Beklagte habe die Umsetzung des gerichtlichen Vergleichs vom 14.10.2008 verhindert, der Vergleichsversuch sei damit gescheitert. Das Verfahren sei fortzusetzen und ihm sei Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Ferner beantrage er die Einholung aktueller Gutachten auf nephrologischem, endokrinologischem und urologischem Fachgebiet sowie die Abklärung der Diagnose sekundärer Hyperparathyreoidismus sowie die Durchführung einer aktuellen Knochendichtemessung. Während er zunächst die Einholung dieser Gutachten von Amts wegen begehrt hat, beantragte er zuletzt, diese Gutachten im Rahmen des § 109 SGG einzuholen. Des Weiteren hat er beantragt, die ärztlichen Sachverständigen sollten auf allen Fachgebieten, nämlich des Schwerbehinderten-, Unfallversicherungs- und Rentenversicherungsrechts auf einmal begutachten und die medizinischen wie auch rechtlichen Ausführungen zu den einzelnen Sozialversicherungsgebieten zeitgleich vorlegen, da weitere Gerichtsverfahren in den genannten Rechtsgebieten anhängig seien. Darüber hinaus stehe ihm wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Folge der 1991 durch den Unfallversicherungsträger durchgeführten Begutachtungen sowie in Folge des Vergleiches vom 14.10.2008 ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu.
Auf Nachfrage des SG hat der Kläger erklärt, er sei zu einer stationären Rehabilitation in der Klinik H ... oder einer anderen Klinik nicht bereit, auch werde er an keiner psychologisch-psychiatrischen Rehabilitation, weder stationär noch ambulant teilnehmen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zwar zunächst, entsprechend dem vom Kläger geäußerten Wunsch, mit Bescheid vom 16.06.2009 eine ganztägige ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik H ... bewilligt, dann die Durchführung einer ambulanten Maßnahme abgelehnt und eine stationäre Maßnahme für erforderlich gehalten. Im Klageverfahren habe der Kläger Prof. Dr. Sch. von der Klinik H ... nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Daher habe das Gericht diesen nicht um erneute Prüfung, ob die vom Kläger gewünschte ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht doch zu realisieren sei, bitten können. Nach bisherigem Sachstand sei somit eine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik H ... für den Kläger nicht durchführbar. Weder habe sich der Kläger bereit erklärt, in den von der Beklagten benannten weiteren Rehabilitationseinrichtungen (Bad Sa, Bad K.) eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren, noch habe er selbst eine andere, geeignete Einrichtung benannt. Die Beklagte sei daher nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich nachgekommen, indem sie, im Rahmen des ihr zustehenden Auswahlermessens und nach Würdigung der vorliegenden Sachlage, dem Kläger Rehabilitationseinrichtungen benannt habe. Soweit der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung begehre, sei die Klage dagegen unzulässig. Denn insoweit sei eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten nicht ergangen. Ein vorheriges Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sei jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage. Der Verwaltungsakt müsse zunächst bei der zuständigen Behörde beantragt sein, die durch einen ablehnenden Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger über das Begehren entscheiden müsse. Im Übrigen unterliege der Kläger einem Irrtum, wenn er meine, sein Rentenverfahren sei weiterhin anhängig. Denn durch rechtskräftiges Urteil vom 27.01.2009 sei festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 11 R 5476/05 durch den gerichtlichen Vergleich vom 14.10.2008 beendet sei.
Gegen den ihm am 25.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.03.2011 beim SG, beim LSG am 16.03.2011 eingegangen, Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgebracht, bislang sei keine vollständige Beweiserhebung erfolgt. Ihm werde ein faires Verfahren verweigert. Die Tatsache, dass er dem gerichtlichen Vergleich vom 14.10.2008 nicht nachgekommen und dass sein Widerruf des Vergleichs gescheitert sei, sei kein Grund um ihm die Rente zu verweigern. Der Grundsatz "Reha vor Rente" gelte immer; zuerst müssten aber ausreichende medizinische Gutachten vorliegen. Eine Pflicht zur Psychotherapie bestehe nicht. Auch würden neue Erkenntnisse durch die Beiziehung von noch zu erstellenden Gutachten nach § 109 SGG wirkungsvoll verhindert, wenn die mündliche Verhandlung jetzt noch schnell durchgezogen werde, bevor die Gutachten vorlägen. Der Rechtsstreit müsse an das SG zurückverwiesen werden.
Der Kläger hat ein nephrologisches Gutachten von Dr. He. vom 07.09.2011 aus dem Verfahren vor dem SG, Az S 7 U 3268/09 vorgelegt (Bl 65 ff Senatsakte). Im Übrigen hat er das Abwarten bis zur Erstellung und Vorlage von endokrinologischen und urologischen Gutachtens und deren anschließende Beiziehung aus den Rechtsstreiten vor dem SG, Az S 7 U 3268/09 und S 12 SB 3126/09 begehrt.
Der Kläger hat - nunmehr anwaltlich vertreten - mit Schreiben vom 30.11.2012 vortragen lassen, die Beklagte habe den geschlossenen Vergleich nicht umgesetzt, denn sie habe nur ungeeignete bzw unzumutbare Rehabilitationsmaßnahmen in Erwägung gezogen. Da aber die Durchführung der Maßnahme nach dem Vergleich Voraussetzung für eine neue Entscheidung über den Rentenantrag sei, habe die Beklagte ihre Verpflichtung zur Entscheidung über den Rentenantrag dadurch umgangen, dass sie die erforderliche Bedingung nicht erfüllt habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19.02.2013 ist die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ausgeführt, nach Auffassung des Klägers habe die Beklagte den Vergleich vom 14.10.2008 noch nicht vollständig ausgeführt. Der Beklagtenvertreter ist dieser Auffassung entgegengetreten.
Die Verhandlung ist auf Antrag des Klägers um 15:09 Uhr unterbrochen und um 15:14 Uhr fortgesetzt worden.
Der Kläger hat sich sodann damit einverstanden erklärt, eine stationäre psychosomatische Rehabilitation in der Klinik H ... anzutreten.
Die Beteiligten haben sodann folgenden Vergleich geschlossen:
"V e r g l e i c h:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, aufgrund eines heute gestellten Antrags des Klägers dem Kläger eine mindestens 4-wöchige stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Leistung zur Rehabilitation in der Klinik H ... zu gewähren.
2. Der Kläger stellt vorsorglich den Antrag, gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 09.10.2003 aufzuheben und dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
3. Der Kläger ist damit einverstanden, dass die Beklagte über den Antrag gemäß Ziff 2 erst entscheidet, wenn nach Durchführung der Rehabilitation gemäß Ziff 1 des Vergleichs das Vorliegen von voller oder teilweiser Erwerbsminderung festgestellt wird.
4. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
5. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit der vorliegende Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist."
Der Vergleich ist nach vorläufiger handschriftlicher Aufzeichnung vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt worden.
Vom 08.04.2013 bis 03.06.2013 fand die stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik H ... statt (Bl. 38 ff. Senatsakte).
Mit Bescheid vom 15.08.2013 hat die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 09.10.2003 nach § 44 SGB X abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt (Bl 42 ff Senatsakte).
Mit Telefaxschreiben vom 10.12.2013 hat der Kläger den Vergleich vom 19.02.2013 wegen arglistiger Täuschung angefochten und Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt. Zur Begründung hat er ua ausgeführt, dass die Folgen des Arbeitsunfalls im Jahr 1987 im vorliegenden Rentenverfahren nicht ausreichend gewürdigt bzw beschönigt worden seien. Die bisherige Beweiserhebung sei unzureichend. Es würden insoweit auch ärztliche Begutachtungsfehler vorliegen, die strafrechtlich relevant seien. Die Beklagte habe außerdem die Sach- und Rechtslage im Bescheid vom 15.08.2013 falsch dargestellt.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2014 hat der Kläger vorgetragen, dass er erreichen möchte, dass die Beklagte sich an das Ergebnis des Reha-Berichtes hält und zusätzlich eine MRT-Untersuchung des Kopfes veranlasst wird.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Vergleich nicht wirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 19.02.2013 beendet ist.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der am 19.02.2013 geschlossene Vergleich das Verfahren erledigt hat und Anfechtungsgründe nicht gegeben sind.
Einem mit Schreiben vom 10.02.2014 gestellten Antrag des Klägers auf Terminsverlegung hat der Senat nicht statt gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, des LSG (L 11 R 1107/11, L 11 R 4857/08; L 11 KR 3450/04; L 11 R 5476/05; L 11 R 2952/07 R; L 11 R 3012/07 A; L 11 SF 2303/10 AB; L 11 SF 5035/10 AB; L 2 U 1989/91; L 2 U 698/94; L 6 U 880/08; L 6 U 1831/08; L 10 U 3750/03 ER-B; L 13 RJ 3017/03 ER-B; L 12 R 1385/09 KO-A) sowie die beigezogenen Akten des SG (S 3 R 3051/09) und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 11 R 1107/11, denn dieses ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 19.02.2013 beendet (vgl § 101 Abs 1 SGG). Die am 10.12.2013 schriftlich erklärte Anfechtung bzw der Widerruf dieses Prozessvergleichs greift nicht durch. Es liegen weder prozess- noch materiell-rechtliche Gründe vor, die diesen Prozessvergleich unwirksam machen.
Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits eine Prozesshandlung, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und dessen Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet (Senatsurteil vom 27.01.2009, L 11 R 4857/08 unter Hinweis auf BSG 24.01.1991, 2 RU 51/90, SozSich 1992, RsprNr 4390; vgl etwa auch LSG Sachsen-Anhalt 30.01.2013, L 5 AS 347/12, ZFSH/SGB 2013, 352). Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleich - können nur unter engen Voraussetzungen, z. B. beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG, §§ 578 ff ZPO, widerrufen werden oder dann, wenn aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sich ein Festhalten an der Prozesshandlung verbietet (Senatsurteil vom 27.01.2009, L 11 R 4857/08 unter Hinweis auf BGH in BGHZ 33, 73; BVerwG in NVwZ 1997, 1210, 1211).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Behauptung des Klägers, er sei am 19.02.2013 getäuscht worden, genügt für eine Anfechtung nicht, da eine Täuschung am 19.02.2013 zur Überzeugung des Senats nicht vorgelegen hat. Unter einer Täuschung versteht man die Erregung eines Irrtums durch Vorspiegeln unwahrer oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen (vgl zu § 123 BGB: Reichsgericht 07.07.1925, II 494/24, RGZ 111, 233, 234; Bundesgerichtshof 22.01.1964, VIII ZR 103/62, LM Nr 30a zu § 123 BGB; Moritz in jurisPK-BGB, 6. Aufl 2012, § 123 Rn 9 ff). Die Täuschungshandlung muss darauf gerichtet sein, den anderen Teil zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen. Eine Willenserklärung hat der Kläger zwar am 19.02.2013 abgegeben, indem er den gerichtlichen Vergleich mit der Beklagten geschlossen hat. Hierfür war aber keine Täuschungshandlung ursächlich.
Der Kläger hat zwar in seinem Schreiben vom 10.12.2013 eine Reihe von Punkten genannt, hieraus ergibt sich aber keine Täuschung. Die von ihm gerügte unzureichende Sachverhaltsermittlung, das Beschreiben eines aus seiner Sicht bestehenden Krankheitsbildes sowie behauptete Pflichtverletzungen von Ärzten enthalten keine Täuschungshandlungen, insbesondere weil es sich um Sachverhalte handelt, die der Kläger seit Jahren vorträgt und die ihm bekannt sind, weshalb denknotwendig keine Täuschung am 19.02.2013 vorgelegen haben kann.
Soweit der Kläger auf den Entlassungsbericht der Klinik H ... vom 10.06.2013 Bezug nimmt (Bl 38 Senatsakte) und daraus den Schluss zieht, es habe in der Vergangenheit ärztliche Behandlungsfehler gegeben, kann sich hieraus schon aus dem zeitlichen Zusammenhang keine Täuschungshandlung am 19.02.2013 ergeben.
Den Hinweis des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Sch. im Entlassungsbericht vom 10.06.2013, dass beim Kläger möglicherweise eine Persönlichkeitsveränderung in Form einer abnormen Krankheitsverarbeitung vorliege und eine weitere neurologische Diagnostik empfohlen werde, kann die Beklagte im laufenden Verwaltungsverfahren/Widerspruchsverfahren aufgreifen und prüfen (§ 20 SGB X).
Soweit der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2013 anführt, kann dieser Verwaltungsakt schon aus Gründen des Zeitablaufs keine Täuschung am 19.02.2013 verursacht haben. Aus dem Geschehensablauf ergibt sich allerdings, wie sachgerecht der Vergleich vom 19.02.2013 und die anschließende Rehabilitation in H ... war.
Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich auch nicht, dass sich sein Prozessbevollmächtigter bei Abschluss des Vergleichs in einem nach § 73 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 119 BGB beachtlichen Irrtum befunden hat (vgl hierzu etwa BVerwG 10.03.2010, 6 C 15/09 ua, NJW 2010, 3048).
Die Erhebung einer Anhörungsrüge gegen den gerichtlichen Vergleich ist nicht statthaft. Es handelt sich bei dem Vergleich nicht um eine gerichtliche Entscheidung (vgl. § 178a Abs 1 SGG).
Die Wiederaufnahme eines durch Prozessvergleich beendeten Verfahrens nach § 179 SGG iVm den Vorschriften der Zivilprozessordnung scheidet ebenfalls aus (BSG 28.11.2007, B 7 AL 26/02 R, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten war in der Rechtssache L 11 R 1107/11 streitig, ob die Beklagte einen vor dem Senat am 14.10.2008 im Verfahren L 11 R 5476/05 geschlossenen Vergleich über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllen muss und ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung hat. Nunmehr geht es um die Frage, ob der Rechtsstreit durch einen in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2013 vor dem Senat geschlossenen Vergleich wirksam beendet worden ist.
Der 1966 geborene Kläger absolvierte von 1982 bis 1985 eine Ausbildung zum Schornsteinfeger und war in diesem Beruf bei mehreren Arbeitgebern tätig. Am 15.12.1987 erlitt er bei einem Verkehrsunfall, den die Bau-Berufsgenossenschaft (BG) als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anerkannte, ein schweres Schädelhirntrauma mit globalem Hirnödem mit Einengung der äußeren und inneren Liquorräume. Aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls bezieht er von der BG eine Verletztenrente seit 01.05.1993 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H, zuvor von 30 v.H. Nach einem stationären Heilverfahren nahm er dann im April 1988 zunächst seine Tätigkeit als Schornsteinfegergeselle wieder auf, konnte aber nach seinen Angaben die geforderten Leistungen nicht erbringen. In der Zeit vom 02.11.1988 bis 05.07.1989 besuchte der Kläger die Meisterschule für Schonsteinfeger und erlangte den Abschluss als Schornsteinfegermeister (Meisterbrief vom 16.11.1989). Aus gesundheitlichen Gründen war er jedoch nicht in der Lage, in diesem Beruf zu arbeiten.
Bei einer von der BG veranlassten Untersuchung und Begutachtung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. (Gutachten vom 22.09.1989, Bl 439 ff der Verwaltungsakte der Beklagten) standen beim Kläger psychopathologische Auffälligkeiten mit Antriebsminderung, Einengung der emotionalen Schwingungsfähigkeit, affektiver Nivellierung sowie deutlicher Verlangsamung bei guter Anstrengungs- und Mitgehensbereitschaft im Vordergrund. Die Gutachterin stellte eine deutliche Verlangsamung beim Kläger fest, sobald die Aussensteuerung wegfiel. In neurologischer Hinsicht konnte noch eine latente Halbseitensymptomatik rechts diagnostiziert werden. Die Ärztin empfahl ein stationäres Leistungstraining, welches der Kläger vom 12.12.1989 bis 28.02.1990 in den Neurologischen Kliniken Dr. Sch. durchführte. Dort konnte der Kläger im Verlaufe der Trainingsmaßnahmen sein Arbeitstempo steigern, jedoch blieb die Belastbarkeit bei länger anhaltender Belastung eingeschränkt (Bericht der Kliniken Sch. vom 14.03.1990, Bl 485 ff der Verwaltungsakte der Beklagten).
Danach war der Kläger bis 11.06.1990 ohne versicherungspflichtige Beschäftigung. Vom 12.06.1990 bis 09.07.1990 nahm er im Berufsförderwerk H. an einer Berufsfindung und Arbeitserprobung teil. Die bei der dort vorgenommenen psychologischen Eingangsuntersuchung erzielten Testergebnisse sprachen für eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit. Im Übrigen waren jedoch die Leistungsmöglichkeiten noch derart eingeschränkt, dass dem Berufsausbildungswerk eine Ausbildung zum damaligen Zeitpunkt verfrüht erschien. Vielmehr wurde ein mehrmonatiges berufsbezogenes Training für sinnvoll erachtet. Danach erschien als Ausbildungsziel Bürokaufmann erreichbar (Stellungnahme des Berufsförderungswerk H. vom 04.09.1990, Bl 389 ff der Verwaltungsakte der Beklagten). Bei der Grunderprobung zeigte sich, dass der für die Erledigung der Aufgaben benötigte Zeitaufwand - bei guter Ausarbeitungsqualität - in der Regel einer Verdopplung der durchschnittlichen Zeitwerte entsprach. Eine Steigerung der Tempoleistung war möglich, wenn der Arbeitsablauf weitgehend vorstrukturiert war, dh wenig eigenproduktive Denkabläufe erforderlich machte (Stellungnahme der Dipl.-Psychologin Rü. vom 24.08.1990, Bl 399 ff der Verwaltungsakte der Beklagten).
Im Anschluss daran besuchte der Kläger die Gewerblich-technische Berufsaufbauschule in F., wo er am 26.06.1991 die Fachschulreife erlangte. Nach dem Besuch des Berufskollegs in der Zeit vom 26.08.1991 bis 19.06.1992 erwarb der Kläger schließlich die Fachhochschulreife. Danach war er bis 1994 arbeitslos. Ab dem 01.03.1994 nahm er ein Studium an der Fachhochschule P. im Studiengang Steuer und Revisionswesen auf. Wegen Überschreitens der Regelstudienzeit wurde er, ohne ein Abschlussdiplom erreicht zu haben, zum 31.08.1999 exmatrikuliert. Er besuchte jedoch weiterhin Vorlesungen an der Fachhochschule, reichte am 23.12.1999 eine schriftliche Diplomarbeit ein und nahm am 29.06.2000 an einer mündlichen Diplomprüfung teil. Die Teilnahme an dieser Prüfung erfolgte jedoch wegen eines anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Wiederholung eines Leistungsnachweises und die Verlängerung der Studienzeit unter Vorbehalt. Nachdem eine Klage des Klägers vom Verwaltungsgericht Karlsruhe rechtskräftig abgewiesen worden war und somit feststand, dass seine Zulassung zum Studium zum Zeitpunkt der Teilnahme an der mündlichen Prüfung endgültig erloschen war, wurde das Ergebnis der mündlichen Diplomprüfung nicht gewertet. Vom 01.08. bis 30.09.2001 absolvierte er ein freiwilliges Praktikum bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und vom 25.10.2001 bis 23.07.2002 besuchte er die Fachschule für Betriebswirtschaft an der Kaufmännischen Schule S.-Nord, wo er einen Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt erlangte. Seit 24.07.2002 ist der Kläger wieder arbeitslos.
Am 09.05.2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Er könne wegen seiner Unfallverletzung in seinem erlernten Handwerk gar nicht mehr und im Übrigen nur leichte Tätigkeiten verrichten. Die Beklagte legte den Sachverhalt ihrem Sozialmedizinischen Dienst vor. Dieser kam am 02.10.2003 unter Berücksichtigung verschiedener ärztlicher Unterlagen zu dem Ergebnis, der Kläger könne als Betriebswirt und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als 6 Stunden täglich arbeiten. Es bestehe ein Zustand nach schwerem Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri, Hirnödem sowie weitgehend abgeklungenem hirnorganischen Psychosyndrom und eine Struma nodosa. Dennoch sei der Kläger in der Lage gewesen, die Prüfung zum Schornsteinfegermeister abzulegen und sich auf eigene Kosten zum staatlich geprüften Betriebswirt umzuschulen. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2003 den Rentenantrag ab. Sie führte zudem aus, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Das Sozialgericht Reutlingen (SG, S 3 R 983/04) wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 09.11.2005 ab.
Im nachfolgenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 11 R 5476/05) erklärte die Beklagte, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien bezogen auf den Tag der Rentenantragstellung erfüllt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2008 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:
"1. Die Beklagte erklärt sich bereit, dem Kläger eine vierwöchige medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren und anschließend über berufsfördernde Maßnahmen oder erneut über den Rentenantrag vom 09.05.2003 zu entscheiden. 2. Die Beteiligten erklären den vorliegenden Rechtsstreit für erledigt. 3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."
Der Kläger widerrief in der Folge diesen Vergleich, woraufhin der Senat mit Urteil vom 27.01.2009 (L 11 R 4857/08) feststellte, das Berufungsverfahren L 11 R 5476/05 sei durch den gerichtlichen Vergleich vom 14.10.2008 beendet. Es lägen weder prozessuale noch materiell-rechtliche Gründe vor, die den Prozessvergleich unwirksam machten. Die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde (B 5 R 78/09 B) nahm der Kläger zurück.
Mit Schreiben vom 28.04.2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis spätestens 10.05.2009 Vorschläge zu unterbreiten, wo er die vierwöchige medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchführen könne. Er bevorzuge eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme und sei nicht bereit, sich einer rein psychologischen Rehabilitationsmaßnahme zu unterziehen. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 08.05.2009, gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin Dr. Pf. vom 05.05.2009, dem Kläger mit, dass Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie eine neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase als maßgebende Diagnosen vorlägen. Insoweit komme die Durchführung der Maßnahme in der psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. in Betracht.
Hiermit erklärte sich der Kläger nicht einverstanden, da diese Klinik als Basistherapie die Gruppentherapie anbiete, was für ihn aufgrund bisheriger Erfahrungen nicht infrage komme. Im Übrigen lägen seine Hauptbeschwerden neben den psychischen Gesundheitsstörungen insbesondere im Bereich der Nephrologie und Endokrinologie, welche dort nicht ausreichend therapiert würden. Er begehre vielmehr eine Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik H., Zentrum für Prävention und Rehabilitation für Innere Medizin, Orthopädie und Psychosomatik in F.
Mit Bescheid vom 16.06.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger ganztägige ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von voraussichtlich vier Wochen in dieser Klinik. Zugleich erging der Hinweis, der Bescheid verliere seine Gültigkeit, sofern die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Bescheiddatum angetreten werde.
Von Seiten der Klinik H ... wurde die Aufnahme des Klägers im Folgenden jedoch abgelehnt (Schreiben vom 23.06.2009). Prof. Dr. Sch. von der Klinik H ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin, führte mit Schreiben vom 14.05.2009 aus, er sei bereit, mit dem Kläger ein Vorgespräch zu führen, da nach seiner Durchsicht der umfangreichen Unterlagen tatsächlich eine psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung sinnvoll erscheine. Diese sei vorliegend in der Klinik H ... nur vollstationär durchführbar. Einer von der Beklagten vorgeschlagenen Änderung und Durchführung der Rehabilitation in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. stimmte der Kläger nicht zu.
Am 15.07.2009 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 16.06.2009 Widerspruch. Er beanstandete, dass er nicht zur gewünschten Rehabilitation in der Klinik H ... aufgenommen werde und hielt an seinem Begehren fest, dort eine ambulante Rehabilitation anzutreten. Ferner bestand er auf der Einholung von nephrologischen und endokrinologischen Gutachten, der Abklärung der Diagnose sekundärer Hyperparathyreoidismus sowie dem Ausschluss vom psychologischen Gruppengesprächen im Rahmen der ambulanten Rehabilitation.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 03.08.2009 mit, nach Auskunft der Klinik H ... sei im Wesentlichen eine psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung angezeigt, die dort allerdings nur vollstationär durchgeführt werden könne. Der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Sch. sei bereit hierzu mit dem Kläger ein Vorgespräch zu führen. Gegenstand des Vergleiches vor dem LSG vom 14.10.2008 sei primär die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Entsprechend den weiteren Ausführungen im Vergleich vom 14.10.2008 werde nach Abschluss des Heilverfahrens geprüft, ob berufsfördernde Maßnahmen in Betracht kämen oder ob über den Rentenantrag vom 09.05.2003 erneut entschieden werde. Erst in diesem Zusammenhang werde unter Berücksichtigung des dann vorliegenden Entlassungsberichts der Klinik H ... geprüft, ob die vom Kläger beantragte nephrologische und endokrinologische Begutachtung erforderlich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.06.2009 zurück. Ausschließlich wegen der Weigerung des Klägers, die vorgesehene psychosomatisch-psychotherapeutische stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren, habe es noch zu keiner Umsetzung des Vergleichs vom 14.10.2008 kommen können. Erst nach Eingang des ärztlichen Entlassungsberichts der Rehabilitationsklinik könnten weitergehende Prüfungen entsprechend dem Vergleich erfolgen. Der Kläger sei somit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Nachvollziehbare Gründe, die den Kläger an der Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht hinderten, lägen nicht vor. Mit Bescheid vom 18.01.2010 teilte die Beklagte dem Kläger dann mit, nach Ablauf der im Bewilligungsbescheid festgelegten Zeitdauer habe die Kostenzusage im Bewilligungsbescheid vom 16.06.2009 ihre Gültigkeit verloren.
Zuvor, am 18.09.2009, hat der Kläger beim SG Klage erhoben in der er ua vorgetragen hat, die Beklagte habe die Umsetzung des gerichtlichen Vergleichs vom 14.10.2008 verhindert, der Vergleichsversuch sei damit gescheitert. Das Verfahren sei fortzusetzen und ihm sei Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Ferner beantrage er die Einholung aktueller Gutachten auf nephrologischem, endokrinologischem und urologischem Fachgebiet sowie die Abklärung der Diagnose sekundärer Hyperparathyreoidismus sowie die Durchführung einer aktuellen Knochendichtemessung. Während er zunächst die Einholung dieser Gutachten von Amts wegen begehrt hat, beantragte er zuletzt, diese Gutachten im Rahmen des § 109 SGG einzuholen. Des Weiteren hat er beantragt, die ärztlichen Sachverständigen sollten auf allen Fachgebieten, nämlich des Schwerbehinderten-, Unfallversicherungs- und Rentenversicherungsrechts auf einmal begutachten und die medizinischen wie auch rechtlichen Ausführungen zu den einzelnen Sozialversicherungsgebieten zeitgleich vorlegen, da weitere Gerichtsverfahren in den genannten Rechtsgebieten anhängig seien. Darüber hinaus stehe ihm wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Folge der 1991 durch den Unfallversicherungsträger durchgeführten Begutachtungen sowie in Folge des Vergleiches vom 14.10.2008 ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu.
Auf Nachfrage des SG hat der Kläger erklärt, er sei zu einer stationären Rehabilitation in der Klinik H ... oder einer anderen Klinik nicht bereit, auch werde er an keiner psychologisch-psychiatrischen Rehabilitation, weder stationär noch ambulant teilnehmen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zwar zunächst, entsprechend dem vom Kläger geäußerten Wunsch, mit Bescheid vom 16.06.2009 eine ganztägige ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik H ... bewilligt, dann die Durchführung einer ambulanten Maßnahme abgelehnt und eine stationäre Maßnahme für erforderlich gehalten. Im Klageverfahren habe der Kläger Prof. Dr. Sch. von der Klinik H ... nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Daher habe das Gericht diesen nicht um erneute Prüfung, ob die vom Kläger gewünschte ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht doch zu realisieren sei, bitten können. Nach bisherigem Sachstand sei somit eine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik H ... für den Kläger nicht durchführbar. Weder habe sich der Kläger bereit erklärt, in den von der Beklagten benannten weiteren Rehabilitationseinrichtungen (Bad Sa, Bad K.) eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren, noch habe er selbst eine andere, geeignete Einrichtung benannt. Die Beklagte sei daher nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich nachgekommen, indem sie, im Rahmen des ihr zustehenden Auswahlermessens und nach Würdigung der vorliegenden Sachlage, dem Kläger Rehabilitationseinrichtungen benannt habe. Soweit der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung begehre, sei die Klage dagegen unzulässig. Denn insoweit sei eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten nicht ergangen. Ein vorheriges Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sei jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage. Der Verwaltungsakt müsse zunächst bei der zuständigen Behörde beantragt sein, die durch einen ablehnenden Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger über das Begehren entscheiden müsse. Im Übrigen unterliege der Kläger einem Irrtum, wenn er meine, sein Rentenverfahren sei weiterhin anhängig. Denn durch rechtskräftiges Urteil vom 27.01.2009 sei festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 11 R 5476/05 durch den gerichtlichen Vergleich vom 14.10.2008 beendet sei.
Gegen den ihm am 25.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.03.2011 beim SG, beim LSG am 16.03.2011 eingegangen, Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgebracht, bislang sei keine vollständige Beweiserhebung erfolgt. Ihm werde ein faires Verfahren verweigert. Die Tatsache, dass er dem gerichtlichen Vergleich vom 14.10.2008 nicht nachgekommen und dass sein Widerruf des Vergleichs gescheitert sei, sei kein Grund um ihm die Rente zu verweigern. Der Grundsatz "Reha vor Rente" gelte immer; zuerst müssten aber ausreichende medizinische Gutachten vorliegen. Eine Pflicht zur Psychotherapie bestehe nicht. Auch würden neue Erkenntnisse durch die Beiziehung von noch zu erstellenden Gutachten nach § 109 SGG wirkungsvoll verhindert, wenn die mündliche Verhandlung jetzt noch schnell durchgezogen werde, bevor die Gutachten vorlägen. Der Rechtsstreit müsse an das SG zurückverwiesen werden.
Der Kläger hat ein nephrologisches Gutachten von Dr. He. vom 07.09.2011 aus dem Verfahren vor dem SG, Az S 7 U 3268/09 vorgelegt (Bl 65 ff Senatsakte). Im Übrigen hat er das Abwarten bis zur Erstellung und Vorlage von endokrinologischen und urologischen Gutachtens und deren anschließende Beiziehung aus den Rechtsstreiten vor dem SG, Az S 7 U 3268/09 und S 12 SB 3126/09 begehrt.
Der Kläger hat - nunmehr anwaltlich vertreten - mit Schreiben vom 30.11.2012 vortragen lassen, die Beklagte habe den geschlossenen Vergleich nicht umgesetzt, denn sie habe nur ungeeignete bzw unzumutbare Rehabilitationsmaßnahmen in Erwägung gezogen. Da aber die Durchführung der Maßnahme nach dem Vergleich Voraussetzung für eine neue Entscheidung über den Rentenantrag sei, habe die Beklagte ihre Verpflichtung zur Entscheidung über den Rentenantrag dadurch umgangen, dass sie die erforderliche Bedingung nicht erfüllt habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19.02.2013 ist die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ausgeführt, nach Auffassung des Klägers habe die Beklagte den Vergleich vom 14.10.2008 noch nicht vollständig ausgeführt. Der Beklagtenvertreter ist dieser Auffassung entgegengetreten.
Die Verhandlung ist auf Antrag des Klägers um 15:09 Uhr unterbrochen und um 15:14 Uhr fortgesetzt worden.
Der Kläger hat sich sodann damit einverstanden erklärt, eine stationäre psychosomatische Rehabilitation in der Klinik H ... anzutreten.
Die Beteiligten haben sodann folgenden Vergleich geschlossen:
"V e r g l e i c h:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, aufgrund eines heute gestellten Antrags des Klägers dem Kläger eine mindestens 4-wöchige stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Leistung zur Rehabilitation in der Klinik H ... zu gewähren.
2. Der Kläger stellt vorsorglich den Antrag, gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 09.10.2003 aufzuheben und dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
3. Der Kläger ist damit einverstanden, dass die Beklagte über den Antrag gemäß Ziff 2 erst entscheidet, wenn nach Durchführung der Rehabilitation gemäß Ziff 1 des Vergleichs das Vorliegen von voller oder teilweiser Erwerbsminderung festgestellt wird.
4. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
5. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit der vorliegende Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist."
Der Vergleich ist nach vorläufiger handschriftlicher Aufzeichnung vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt worden.
Vom 08.04.2013 bis 03.06.2013 fand die stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik H ... statt (Bl. 38 ff. Senatsakte).
Mit Bescheid vom 15.08.2013 hat die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 09.10.2003 nach § 44 SGB X abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt (Bl 42 ff Senatsakte).
Mit Telefaxschreiben vom 10.12.2013 hat der Kläger den Vergleich vom 19.02.2013 wegen arglistiger Täuschung angefochten und Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt. Zur Begründung hat er ua ausgeführt, dass die Folgen des Arbeitsunfalls im Jahr 1987 im vorliegenden Rentenverfahren nicht ausreichend gewürdigt bzw beschönigt worden seien. Die bisherige Beweiserhebung sei unzureichend. Es würden insoweit auch ärztliche Begutachtungsfehler vorliegen, die strafrechtlich relevant seien. Die Beklagte habe außerdem die Sach- und Rechtslage im Bescheid vom 15.08.2013 falsch dargestellt.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2014 hat der Kläger vorgetragen, dass er erreichen möchte, dass die Beklagte sich an das Ergebnis des Reha-Berichtes hält und zusätzlich eine MRT-Untersuchung des Kopfes veranlasst wird.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Vergleich nicht wirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 19.02.2013 beendet ist.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der am 19.02.2013 geschlossene Vergleich das Verfahren erledigt hat und Anfechtungsgründe nicht gegeben sind.
Einem mit Schreiben vom 10.02.2014 gestellten Antrag des Klägers auf Terminsverlegung hat der Senat nicht statt gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, des LSG (L 11 R 1107/11, L 11 R 4857/08; L 11 KR 3450/04; L 11 R 5476/05; L 11 R 2952/07 R; L 11 R 3012/07 A; L 11 SF 2303/10 AB; L 11 SF 5035/10 AB; L 2 U 1989/91; L 2 U 698/94; L 6 U 880/08; L 6 U 1831/08; L 10 U 3750/03 ER-B; L 13 RJ 3017/03 ER-B; L 12 R 1385/09 KO-A) sowie die beigezogenen Akten des SG (S 3 R 3051/09) und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 11 R 1107/11, denn dieses ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 19.02.2013 beendet (vgl § 101 Abs 1 SGG). Die am 10.12.2013 schriftlich erklärte Anfechtung bzw der Widerruf dieses Prozessvergleichs greift nicht durch. Es liegen weder prozess- noch materiell-rechtliche Gründe vor, die diesen Prozessvergleich unwirksam machen.
Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits eine Prozesshandlung, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und dessen Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet (Senatsurteil vom 27.01.2009, L 11 R 4857/08 unter Hinweis auf BSG 24.01.1991, 2 RU 51/90, SozSich 1992, RsprNr 4390; vgl etwa auch LSG Sachsen-Anhalt 30.01.2013, L 5 AS 347/12, ZFSH/SGB 2013, 352). Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleich - können nur unter engen Voraussetzungen, z. B. beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG, §§ 578 ff ZPO, widerrufen werden oder dann, wenn aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sich ein Festhalten an der Prozesshandlung verbietet (Senatsurteil vom 27.01.2009, L 11 R 4857/08 unter Hinweis auf BGH in BGHZ 33, 73; BVerwG in NVwZ 1997, 1210, 1211).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Behauptung des Klägers, er sei am 19.02.2013 getäuscht worden, genügt für eine Anfechtung nicht, da eine Täuschung am 19.02.2013 zur Überzeugung des Senats nicht vorgelegen hat. Unter einer Täuschung versteht man die Erregung eines Irrtums durch Vorspiegeln unwahrer oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen (vgl zu § 123 BGB: Reichsgericht 07.07.1925, II 494/24, RGZ 111, 233, 234; Bundesgerichtshof 22.01.1964, VIII ZR 103/62, LM Nr 30a zu § 123 BGB; Moritz in jurisPK-BGB, 6. Aufl 2012, § 123 Rn 9 ff). Die Täuschungshandlung muss darauf gerichtet sein, den anderen Teil zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen. Eine Willenserklärung hat der Kläger zwar am 19.02.2013 abgegeben, indem er den gerichtlichen Vergleich mit der Beklagten geschlossen hat. Hierfür war aber keine Täuschungshandlung ursächlich.
Der Kläger hat zwar in seinem Schreiben vom 10.12.2013 eine Reihe von Punkten genannt, hieraus ergibt sich aber keine Täuschung. Die von ihm gerügte unzureichende Sachverhaltsermittlung, das Beschreiben eines aus seiner Sicht bestehenden Krankheitsbildes sowie behauptete Pflichtverletzungen von Ärzten enthalten keine Täuschungshandlungen, insbesondere weil es sich um Sachverhalte handelt, die der Kläger seit Jahren vorträgt und die ihm bekannt sind, weshalb denknotwendig keine Täuschung am 19.02.2013 vorgelegen haben kann.
Soweit der Kläger auf den Entlassungsbericht der Klinik H ... vom 10.06.2013 Bezug nimmt (Bl 38 Senatsakte) und daraus den Schluss zieht, es habe in der Vergangenheit ärztliche Behandlungsfehler gegeben, kann sich hieraus schon aus dem zeitlichen Zusammenhang keine Täuschungshandlung am 19.02.2013 ergeben.
Den Hinweis des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Sch. im Entlassungsbericht vom 10.06.2013, dass beim Kläger möglicherweise eine Persönlichkeitsveränderung in Form einer abnormen Krankheitsverarbeitung vorliege und eine weitere neurologische Diagnostik empfohlen werde, kann die Beklagte im laufenden Verwaltungsverfahren/Widerspruchsverfahren aufgreifen und prüfen (§ 20 SGB X).
Soweit der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2013 anführt, kann dieser Verwaltungsakt schon aus Gründen des Zeitablaufs keine Täuschung am 19.02.2013 verursacht haben. Aus dem Geschehensablauf ergibt sich allerdings, wie sachgerecht der Vergleich vom 19.02.2013 und die anschließende Rehabilitation in H ... war.
Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich auch nicht, dass sich sein Prozessbevollmächtigter bei Abschluss des Vergleichs in einem nach § 73 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 119 BGB beachtlichen Irrtum befunden hat (vgl hierzu etwa BVerwG 10.03.2010, 6 C 15/09 ua, NJW 2010, 3048).
Die Erhebung einer Anhörungsrüge gegen den gerichtlichen Vergleich ist nicht statthaft. Es handelt sich bei dem Vergleich nicht um eine gerichtliche Entscheidung (vgl. § 178a Abs 1 SGG).
Die Wiederaufnahme eines durch Prozessvergleich beendeten Verfahrens nach § 179 SGG iVm den Vorschriften der Zivilprozessordnung scheidet ebenfalls aus (BSG 28.11.2007, B 7 AL 26/02 R, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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