L 5 KR 434/13 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 364/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 434/13 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 2.10.2013 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 16.8.2013 abgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten beider Rechtszüge.

III. Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.



Gründe:


I.

Der Antragsteller betreibt als Einzelunternehmer die handelsregisterlich nicht eingetragenen Firma Pflegedienste A., A-Straße, A-Stadt, Internetseite www ...de. Unter dieser Firma unterhält er neben dem in A-Stadt ansässigen ambulanten Pflegedienst, welcher auf die ambulante Intensivpflege Erwachsener spezialisiert und nach ISO 9001 zertifiziert ist, auch die Wohngemeinschaft B. in B., das Haus A. Nord, C-Straße, C-Stadt sowie die A. Akademie, C-Straße, A-Stadt. Der Antragsteller ist als Leistungserbringer für gesetzlich krankenversicherte Mitglieder der Antragsgegnerin zugelassen. Für ihn gilt u.a. die Schiedsvereinbarungsregelung gem. Anlage 2 des Rahmenvertrages für den Bereich häusliche Krankenpflege; zum Inhalt wird auf Blatt 47 - 50 der Sozialgerichtsakten (Anlage A 10 zum Schriftsatz vom 16.8.2013) Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin vergütete intensivpflegerische Leistungen der Beatmungspflege des Antragstellers gegenüber gesetzlich Versicherten der Antragsgegnerin ab 1.4.2012 mit einem Stundensatz von 31,50 EUR sowie die Leistung von Betreuungs- und Beobachtungszeiten mit einem Stundensatz von 30,35 EUR. Vor Auslauf dieser bis 30.6.2013 befristeten Vergütungssätze nahmen die Beteiligten Verhandlungen zur künftigen Vergütungshöhe auf. Seit dem 1.7.2013 vergütet die Antragsgegnerin Betreuungs- und Beobachtungszeiten mit einem Stundensatz von nur noch 25,00 EUR. Nach Scheitern zweier Verhandlungsterminen am 20.06. und 19.07.2013 zur weiteren Vergütungshöhe beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 16.8.2013, die Vergütung gem. § 132a Abs. 2 SGB V durch eine unabhängige Schiedsperson festzusetzen.
Am 16.8.2013 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut im Wege des Einrechtsschutzes beantragt, bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens die Antragsgegnerin zur Vergütung von unverändert 31,50 EUR/Stunde für Behandlungspflege und von 30,35 EUR/Stunde für Betreuungs- und Beobachtungszeiten zu verpflichten. Er hat geltend gemacht, wie ein Kurzgutachten der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergesellschaft SH+C GmbH vom September 2011 sowie eine weitere, von dieser erstellte Stellungnahme vom 16.8.2013 zeige, folge aus der Vergütung von nur 25,00 EUR/Stunde in den Betreuungs- und Beobachtungszeiten für die 16 (von 48) bei der Antragsgegnerin versicherten Patienten eine Unterdeckung von 16.500 EUR/Monat. Dem Antragsteller drohe daher die Insolvenz. Andere Kassen vergüteten mit pauschal 38,00 EUR/Stunde. Die Antragsgegnerin hat erwidert, vergleichbare Einrichtungen wirtschafteten mit 26,00 bzw. 28,00 EUR. Der Antragsteller rechne als günstig anzusehende Vergütungsentgelte von 23,45 EUR durch übersetzte Beträge für Leitung, Organisation sowie Qualitätsmanagement künstlich nach oben. Soweit der Antragsteller unwirtschaftlich arbeite sei es nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, dieses auf Dauer zu finanzieren.
Mit Beschluss vom 16.10.2013 hat das Sozialgericht dem Begehren des Antragstellers entsprochen. Im Wesentlichen hat das Sozialgericht zur Begründung angeführt, dass eine grundrechtsorientierte Abwägung der Rechte des Antragstellers auf seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie seines Anspruches auf effektiven Rechtsschutz einerseits und den überwiegend finanziellen Beitragslastinteressen der Antragsgegnerin andererseits die begehrte Anordnung erforderlich machten. Nur so könne der Fortbestand der Pflegeleistungen des Antragstellers für die Zeit des Vergütungs-Schiedsverfahrens gesichert werden. Dies gelte, obgleich dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch nicht zur Seite stehe.
Dagegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt und vorgebracht, wenn kein Anordnungsanspruch bestehe, dürfe auch keine Eilanordnung erfolgen. Finanzielle Defizite des Antragstellers hingen mit dessen unternehmerischen Fehlentscheidungen zusammen. Unterdeckungen seien vom Antragsteller errechnet worden, indem er nicht nachvollziehbare Aufschläge geltend gemacht habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 16.10.2013 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers vom 16.8.2013 abzuweisen.

Der Antragsgegner hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 172, 173 SGG zulässig erhobene Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 16.10.2013 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Antragsverfahren ist zulässig und statthaft. Obwohl zwischen den Beteiligten zum Streitgegenstand der Hauptsache eine Schiedsregelung gem. § 132a Abs. 2 SGB VI iVm der Anlage 2 zum "Rahmenvertrag ... für den Bereich häusliche Krankenpflege" besteht und obwohl die Beteiligten dieses Verfahren seit 16.8.2013 durchführen, sind jedenfalls nach dem Rechtsgedanken des § 1033 ZPO einstweilige gerichtliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen. Eine solche vorläufige Maßnahme begehrt der Antragsteller, der sinngemäß geltend macht, ohne die beantragte höhere Vergütung sei seine Existenz gefährdet, so dass er das Schiedsverfahren (sowie ein eventuell anschließendes gerichtliches Verfahren) nicht mehr durchführen könnte.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung - § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Zivilprozessordnung, ZPO). Dabei bilden Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund wegen ihres funktionellen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je größer das Gewicht des einen, umso geringer sind die Anforderungen an den anderen (st. Rspr. Bayer. LSG, Beschluss vom 02. Dezember 2013 - L 5 KR 361/13 B ER; vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86b Rn. 27). Daraus ist allerdings nicht zu schließen, dass die Voraussetzung des Anordnungsgrundes gänzlich entfallen darf.
Ein Anordnungsgrund ist weder glaubhaft gemacht noch sonst erkennbar. Die zur Begründung der Dringlichkeit behauptete konkrete Existenzgefährdung des Antragstellers setzte voraus, das diese kausal auf den Minderbetrag iHv 5,35 EUR (zur begehrten Vergütung von 30,35 EUR/Stunde) zurückzuführen wäre sowie dass die Existenzgefährdung ausschließlich durch die Anhebung der Stundenvergütung abgewendet werden können. Für beides fehlt es an Anhaltspunkten.
Denn die Einzelfirma des Antragstellers besteht aus vier Teil-Betrieben, nämlich dem ambulantem Pflegedienst, A-Stadt, der Wohngemeinschaft B. in B., aus dem Haus A. Nord, C-Straße, C-Stadt sowie aus der A. Akademie, C-Straße, A-Stadt. Die strittige Vergütungsdifferenz betrifft allerdings nicht alle vier Teil-Betriebe, sondern nur die Bereiche, in denen der Antragsteller häusliche Krankenpflege in der Gestalt der Beatmungspflege erbringt. Und selbst dort sind nicht alle Patienten des Antragstellers betroffen, die Mindervergütung betrifft vielmehr nur einen Anteil von 16 aus 48 Patienten. Zudem ist für diese 16 Patienten nicht die Leistungsvergütung insgesamt streitig, sondern nur die Teilleistung Beobachtungspflege. Und dort geht es nicht um die Vergütung insgesamt, sondern darum, ob 25 EUR/Stunde oder 30,35 EUR/Stunde angemessen sind. Dass die Vergütungsdifferenz aus einem Unterteilbereich des Gesamtunternehmens dieses zur Gänze in der Existenz gefährdet sowie dass die Existenzgefährdung nur durch den um 5,35 EUR erhöhten Satz abzuwenden wäre, erschließt sich nicht.
Dies gilt auch für die Ausführungen der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergesellschaft SH+C GmbH September 2011 sowie vom 16.8.2013. Zur dargelegten zweifachen Kausalität sind dort keine Ausführungen ersichtlich. Auch ist der wirtschaftliche Stand von 2011 für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich.

Der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 2.10.2013 wird daher auf die Beschwerde der Antragsgegnerin aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 16.8.2013 abgewiesen.

Der Streitwert wird wie vom Sozialgericht bestimmt auf 50.000 Euro festgesetzt (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, iVm § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 2 GKG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss beendet das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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