Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 468/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 74/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.04.2012 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2010 abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung fehlerhafter Ansätze der Gebührenordnungsposition (GOP) 01740 EBM.
Der Kläger nahm als Frauenarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 29.10.2009 forderte die Beklagte einen Betrag von 6.322,51 EUR zurück, weil sie festgestellt habe, dass der Kläger in seinen Abrechnungen die GOP 01740 in den Quartalen 2/2005 bis 2/2008 zum Teil mehrmals beim selben Versicherten abgerechnet habe. Nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinien) solle der Versicherte möglichst bald ab dem Alter von 55 Jahren eine weitere Beratung (zweite Beratung, GOP 01740) erhalten. Die Anzahl der zu korrigierenden Ansätze und die sich daraus ergebende Rückforderungssumme könne er dem beiliegenden Berechnungsschema entnehmen.
In seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass sich aus der Leistungslegende eine Beschränkung auf eine einmalige Abrechnung in der gesamten Lebenszeit nicht ergebe. Außerdem seien in der Häufigkeitsstatistik 154 Patienten aufgelistet, von denen 55 nach dem angegebenen Geburtsdatum noch nicht geboren seien. Mit Schreiben vom 25.03.2010 übersandte die Beklagte eine weitere Aufstellung, in der die Geburtsdaten berichtigt waren. Aus der Übersicht ergeben sich die Arztnummer (1. Zeile, Fettdruck), die GOP, der Patient, das Quartal der Leistungserbringung, die Höhe des Auszahlungsbetrages und der zurückgeforderte Betrag. Mit Bescheid vom 09.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie habe im vorliegenden Fall die Plausibilitätskontrolle für die Quartale 2/2005 bis 4/2007 durchgeführt. Als Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung sei eine Honorarrückforderung von insgesamt 6.322,51 EUR festzusetzen. Die Honorarbescheide für die vorgenannten Quartale seien unrichtig, weil zumindest ein Teil der Vergütung für die gegenständlichen Quartale zur Abgeltung von Leistungen festgesetzt worden sei, die nicht beziehungsweise nicht vollständig in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen erbracht worden seien. Eine Falschabrechnung liege vor, wenn die in den Bestimmungen der jeweiligen Leistungslegenden des EBM, in den Präambeln und sonstigen Zusatzvereinbarungen enthaltenen Abrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt und die GOP dennoch angesetzt würden. Die GOP 01740 beinhalte nach den Krebsfrüherkennungs-Richtlinien ab dem Alter von 55 Jahren eine weitere Beratung. Damit seien die eingereichten Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen. In den Abrechnungen der Quartale 2/2005 bis 4/2007 sei die GOP 01740 zum Teil mehrmals beim selben Versicherten abgerechnet worden. Bezüglich der Patientenaufzählung werde auf die Ausführungen im Bescheid vom 29.10.2009 und dessen Anlagen Bezug genommen. Da die eingereichten Abrechnungen für die streitgegenständlichen Quartale sachlich-rechnerisch unrichtig seien, sei die Beklagte berechtigt und verpflichtet, den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Der Bescheid sei wegen eines erheblichen Begründungsmangels formell rechtswidrig. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid bezüglich der einzelnen Berechnungsschritte des Rückforderungsbetrages einfach pauschal auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid und dessen Anlagen bezug genommen. Diese Aufstellungen seien unverständlich. Im übrigen sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger die streitgegenständliche GOP 01740 nicht fehlerhaft angesetzt. Dass sie nur ein einziges Mal nach dem 55. Lebensjahr berechnungsfähig sei, ergebe sich nicht aus der Leistungslegende. Im Übrigen seien in der Aufstellung als Anlage zum Ausgangsbescheid die Geburtsdaten von 53 Patienten fehlerhaft angegeben worden. Einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarbescheide stehe jedenfalls entgegen, dass der Kläger seine vertragsärztliche Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung nicht schuldhaft verletzt habe. Die Funktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfalle nämlich dann nicht, wenn lediglich ein schlichtes Versehen vorliege. Die Beklagte legte mit Schreiben vom 06.12.2010 demgegenüber dar, dass die Berechnung der Gesamtrückforderung sich aus der Addition der einzelnen Teil-Rückforderungsbeträge ergebe. Der Kläger habe gegen seine Grundpflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung verstoßen. Die GOP 01740 könne nur einmalig bei Patienten ab Vollendung des 55. Lebensjahres durchgeführt werden. Es stehe zur Überzeugung der Beklagten fest, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe und deshalb zumindest von grob fahrlässigem Handeln auszugehen sei.
Mit Urteil vom 17.04.2012 gab das SG der Klage statt. Die Kammer habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung der Beklagten, dass der Kläger die GOP 01740 in den angeführten Fällen (grob fahrlässig) falsch abgerechnet habe. Dies ergebe sich aus dem Zusammenspiel der einschlägigen Regelungen der Krebsfrüherkennungs-Richtlinien und der GOP 01740. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die Beklagte sei im Ergebnis dennoch zu beanstanden, da der Bescheid vom 29.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2010 nicht inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Es werde nicht erkennbar, welche Honorarbescheide konkret aufgehoben würden. Eine Neufestsetzung der Honorare fehle. Auch sei nicht hinreichend erkennbar, wie sich der Rückforderungsbetrag bezogen auf die einzelnen Quartale zusammensetze. Die widersprüchlichen Aussagen darüber, welche Honorarbescheide konkret aufgehoben würden, hätten zur Folge, dass der streitgegenständliche Bescheid nicht hinreichend inhaltlich bestimmt sei. Im Übrigen werde auch nur ein einziger Rückforderungsbetrag für alle betroffenen Quartale aufgeführt. Eine Aufstellung von Einzelbeträgen bezüglich der einzelnen Quartale sei nicht erfolgt.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Bei dem streitgegenständlichen Verfahren handele es sich um ein Prüfverfahren für die Quartale 2/2005 bis 2/2008, das auf Antrag der Krankenkassen durchgeführt werden musste und über 1000 Praxen betroffen habe. Deshalb befinde sich im Ausgangsbescheid ein Hinweis auf die im Prüfantrag genannten Quartale. Dies bedeute aber nicht, dass beim Kläger in jedem dieser Quartale eine Rückforderung erfolgt sei. Aus der mit dem Schreiben vom 25.03.2010 übersandten Liste sei für den Kläger eindeutig erkennbar, in welchen Quartalen bei welchen Patienten und in welcher Höhe die GOP 01740 zurückgefordert werde. Dies ergebe sich aus dem Bescheid vom 29.10.2009 und dem Schreiben vom 25.03.2010 in Zusammenschau mit der zweiten übermittelten Patientenliste. Überdies sei eine Honoraraufhebung und Neufestsetzung gesetzlich nicht vorgeschrieben. Stelle die Beklagte in der vom Vertragsarzt eingereichten Abrechnung Abrechnungsfehler fest, könne sie die Honorarforderung im Wege der sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 45 Abs. 2 BMV-Ä berichtigen. Der Kläger habe gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem er die GOP 01740 entgegen den Abrechnungsvoraussetzungen mehrmals bei Versicherten abgerechnet habe. Die Beklagte habe das Abrechnungsverhalten des Klägers zu keinem Zeitpunkt geduldet. Die GOP 01740 sei der automatischen quartalsübergreifenden Kontrolle entzogen. Die Kassen könnten hingegen versichertenbezogen prüfen und hätten daher die Anträge bei der Beklagten gestellt. Ergänzend werde zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung ausgeführt, dass diese zugleich mit der Honorargewährung in der Weise erfolgen könne, dass das Honorar von vorneherein nur gemindert bewilligt werde, dies sei die so genannte quartalsgleiche Richtigstellung. Es sei aber auch möglich, das Honorar wie hier zunächst in der vom Arzt geforderten Höhe zu bewilligen und auszubezahlen und erst nachträglich eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorzunehmen, die so genannte nachgehende Richtigstellung.
Die Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 07.05.2012.
Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.06.2012.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 29.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2010 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der nachgehenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch den Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 29.10.2009 ist § 106 a SGB V, § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä), § 34 Abs. 4 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä). Die Befugnis zur Richtigstellung besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide im Rahmen der nachgehenden Richtigstellung. Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids (BSG Urteil vom 08.02.2006, B 6 KA 12/05 R). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechneri-schen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-) Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Absatz ein S. 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG a.a.O.).
Die sachlich-rechnerische Richtigstellung des mehrfachem Ansatzes der GOP 01740 beim selben Patienten ist zutreffend, da sich - worauf das SG ausdrücklich hingewiesen hat - aus der Leistungslegende und § 38 Abs. 2 Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (bzw. Abschnitt B. 3. b. - Frauen und C. 2. b. - Männer Krebsfrüherkennungs-Richtlinie a.F.) eindeutig ergibt, dass nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur eine Beratung, die so genannte zweite Beratung, abgerechnet werden kann.
Gegen den Richtigstellungsbescheid bestehen auch im Übrigen keine rechtlichen Bedenken. Einen Begründungsmangel (§ 35 Abs. 1 S. 1 SGB X) oder die fehlende Bestimmtheit (§ 33 SGB X) des Bescheides vermag der Senat nicht zu erkennen. Aus der Aufstellung aller abgerechneten und aller richtig gestellten GOP unter Angabe des jeweiligen Patienten sowie der Quartale, die mit Schreiben vom 25.03.2010 übersandt wurde, ergibt sich eindeutig, wie oft die GOP jeweils pro Quartal richtig gestellt wurde. Dabei ist es zwar grundsätzlich wünschenswert, dass die jeweiligen Rückforderungsbeträge bezogen auf ein Quartal dargestellt werden; aus rechtlicher Sicht führt es jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Richtigstellungsbescheides, wenn die jeweilige quartalsbezogene Rückforderungssumme nicht ausdrücklich beziffert wird, soweit anhand der vorhandenen Daten durch eine einfache Addition eine Berechnung möglich ist. Eine Neufestsetzung des jeweiligen Honorars für die streitgegenständlichen Quartale muss nicht explizit erfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung fehlerhafter Ansätze der Gebührenordnungsposition (GOP) 01740 EBM.
Der Kläger nahm als Frauenarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 29.10.2009 forderte die Beklagte einen Betrag von 6.322,51 EUR zurück, weil sie festgestellt habe, dass der Kläger in seinen Abrechnungen die GOP 01740 in den Quartalen 2/2005 bis 2/2008 zum Teil mehrmals beim selben Versicherten abgerechnet habe. Nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinien) solle der Versicherte möglichst bald ab dem Alter von 55 Jahren eine weitere Beratung (zweite Beratung, GOP 01740) erhalten. Die Anzahl der zu korrigierenden Ansätze und die sich daraus ergebende Rückforderungssumme könne er dem beiliegenden Berechnungsschema entnehmen.
In seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass sich aus der Leistungslegende eine Beschränkung auf eine einmalige Abrechnung in der gesamten Lebenszeit nicht ergebe. Außerdem seien in der Häufigkeitsstatistik 154 Patienten aufgelistet, von denen 55 nach dem angegebenen Geburtsdatum noch nicht geboren seien. Mit Schreiben vom 25.03.2010 übersandte die Beklagte eine weitere Aufstellung, in der die Geburtsdaten berichtigt waren. Aus der Übersicht ergeben sich die Arztnummer (1. Zeile, Fettdruck), die GOP, der Patient, das Quartal der Leistungserbringung, die Höhe des Auszahlungsbetrages und der zurückgeforderte Betrag. Mit Bescheid vom 09.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie habe im vorliegenden Fall die Plausibilitätskontrolle für die Quartale 2/2005 bis 4/2007 durchgeführt. Als Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung sei eine Honorarrückforderung von insgesamt 6.322,51 EUR festzusetzen. Die Honorarbescheide für die vorgenannten Quartale seien unrichtig, weil zumindest ein Teil der Vergütung für die gegenständlichen Quartale zur Abgeltung von Leistungen festgesetzt worden sei, die nicht beziehungsweise nicht vollständig in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen erbracht worden seien. Eine Falschabrechnung liege vor, wenn die in den Bestimmungen der jeweiligen Leistungslegenden des EBM, in den Präambeln und sonstigen Zusatzvereinbarungen enthaltenen Abrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt und die GOP dennoch angesetzt würden. Die GOP 01740 beinhalte nach den Krebsfrüherkennungs-Richtlinien ab dem Alter von 55 Jahren eine weitere Beratung. Damit seien die eingereichten Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen. In den Abrechnungen der Quartale 2/2005 bis 4/2007 sei die GOP 01740 zum Teil mehrmals beim selben Versicherten abgerechnet worden. Bezüglich der Patientenaufzählung werde auf die Ausführungen im Bescheid vom 29.10.2009 und dessen Anlagen Bezug genommen. Da die eingereichten Abrechnungen für die streitgegenständlichen Quartale sachlich-rechnerisch unrichtig seien, sei die Beklagte berechtigt und verpflichtet, den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Der Bescheid sei wegen eines erheblichen Begründungsmangels formell rechtswidrig. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid bezüglich der einzelnen Berechnungsschritte des Rückforderungsbetrages einfach pauschal auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid und dessen Anlagen bezug genommen. Diese Aufstellungen seien unverständlich. Im übrigen sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger die streitgegenständliche GOP 01740 nicht fehlerhaft angesetzt. Dass sie nur ein einziges Mal nach dem 55. Lebensjahr berechnungsfähig sei, ergebe sich nicht aus der Leistungslegende. Im Übrigen seien in der Aufstellung als Anlage zum Ausgangsbescheid die Geburtsdaten von 53 Patienten fehlerhaft angegeben worden. Einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarbescheide stehe jedenfalls entgegen, dass der Kläger seine vertragsärztliche Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung nicht schuldhaft verletzt habe. Die Funktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfalle nämlich dann nicht, wenn lediglich ein schlichtes Versehen vorliege. Die Beklagte legte mit Schreiben vom 06.12.2010 demgegenüber dar, dass die Berechnung der Gesamtrückforderung sich aus der Addition der einzelnen Teil-Rückforderungsbeträge ergebe. Der Kläger habe gegen seine Grundpflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung verstoßen. Die GOP 01740 könne nur einmalig bei Patienten ab Vollendung des 55. Lebensjahres durchgeführt werden. Es stehe zur Überzeugung der Beklagten fest, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe und deshalb zumindest von grob fahrlässigem Handeln auszugehen sei.
Mit Urteil vom 17.04.2012 gab das SG der Klage statt. Die Kammer habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung der Beklagten, dass der Kläger die GOP 01740 in den angeführten Fällen (grob fahrlässig) falsch abgerechnet habe. Dies ergebe sich aus dem Zusammenspiel der einschlägigen Regelungen der Krebsfrüherkennungs-Richtlinien und der GOP 01740. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die Beklagte sei im Ergebnis dennoch zu beanstanden, da der Bescheid vom 29.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2010 nicht inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Es werde nicht erkennbar, welche Honorarbescheide konkret aufgehoben würden. Eine Neufestsetzung der Honorare fehle. Auch sei nicht hinreichend erkennbar, wie sich der Rückforderungsbetrag bezogen auf die einzelnen Quartale zusammensetze. Die widersprüchlichen Aussagen darüber, welche Honorarbescheide konkret aufgehoben würden, hätten zur Folge, dass der streitgegenständliche Bescheid nicht hinreichend inhaltlich bestimmt sei. Im Übrigen werde auch nur ein einziger Rückforderungsbetrag für alle betroffenen Quartale aufgeführt. Eine Aufstellung von Einzelbeträgen bezüglich der einzelnen Quartale sei nicht erfolgt.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Bei dem streitgegenständlichen Verfahren handele es sich um ein Prüfverfahren für die Quartale 2/2005 bis 2/2008, das auf Antrag der Krankenkassen durchgeführt werden musste und über 1000 Praxen betroffen habe. Deshalb befinde sich im Ausgangsbescheid ein Hinweis auf die im Prüfantrag genannten Quartale. Dies bedeute aber nicht, dass beim Kläger in jedem dieser Quartale eine Rückforderung erfolgt sei. Aus der mit dem Schreiben vom 25.03.2010 übersandten Liste sei für den Kläger eindeutig erkennbar, in welchen Quartalen bei welchen Patienten und in welcher Höhe die GOP 01740 zurückgefordert werde. Dies ergebe sich aus dem Bescheid vom 29.10.2009 und dem Schreiben vom 25.03.2010 in Zusammenschau mit der zweiten übermittelten Patientenliste. Überdies sei eine Honoraraufhebung und Neufestsetzung gesetzlich nicht vorgeschrieben. Stelle die Beklagte in der vom Vertragsarzt eingereichten Abrechnung Abrechnungsfehler fest, könne sie die Honorarforderung im Wege der sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 45 Abs. 2 BMV-Ä berichtigen. Der Kläger habe gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem er die GOP 01740 entgegen den Abrechnungsvoraussetzungen mehrmals bei Versicherten abgerechnet habe. Die Beklagte habe das Abrechnungsverhalten des Klägers zu keinem Zeitpunkt geduldet. Die GOP 01740 sei der automatischen quartalsübergreifenden Kontrolle entzogen. Die Kassen könnten hingegen versichertenbezogen prüfen und hätten daher die Anträge bei der Beklagten gestellt. Ergänzend werde zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung ausgeführt, dass diese zugleich mit der Honorargewährung in der Weise erfolgen könne, dass das Honorar von vorneherein nur gemindert bewilligt werde, dies sei die so genannte quartalsgleiche Richtigstellung. Es sei aber auch möglich, das Honorar wie hier zunächst in der vom Arzt geforderten Höhe zu bewilligen und auszubezahlen und erst nachträglich eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorzunehmen, die so genannte nachgehende Richtigstellung.
Die Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 07.05.2012.
Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.06.2012.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 29.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2010 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der nachgehenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch den Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 29.10.2009 ist § 106 a SGB V, § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä), § 34 Abs. 4 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä). Die Befugnis zur Richtigstellung besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide im Rahmen der nachgehenden Richtigstellung. Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids (BSG Urteil vom 08.02.2006, B 6 KA 12/05 R). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechneri-schen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-) Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Absatz ein S. 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG a.a.O.).
Die sachlich-rechnerische Richtigstellung des mehrfachem Ansatzes der GOP 01740 beim selben Patienten ist zutreffend, da sich - worauf das SG ausdrücklich hingewiesen hat - aus der Leistungslegende und § 38 Abs. 2 Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (bzw. Abschnitt B. 3. b. - Frauen und C. 2. b. - Männer Krebsfrüherkennungs-Richtlinie a.F.) eindeutig ergibt, dass nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur eine Beratung, die so genannte zweite Beratung, abgerechnet werden kann.
Gegen den Richtigstellungsbescheid bestehen auch im Übrigen keine rechtlichen Bedenken. Einen Begründungsmangel (§ 35 Abs. 1 S. 1 SGB X) oder die fehlende Bestimmtheit (§ 33 SGB X) des Bescheides vermag der Senat nicht zu erkennen. Aus der Aufstellung aller abgerechneten und aller richtig gestellten GOP unter Angabe des jeweiligen Patienten sowie der Quartale, die mit Schreiben vom 25.03.2010 übersandt wurde, ergibt sich eindeutig, wie oft die GOP jeweils pro Quartal richtig gestellt wurde. Dabei ist es zwar grundsätzlich wünschenswert, dass die jeweiligen Rückforderungsbeträge bezogen auf ein Quartal dargestellt werden; aus rechtlicher Sicht führt es jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Richtigstellungsbescheides, wenn die jeweilige quartalsbezogene Rückforderungssumme nicht ausdrücklich beziffert wird, soweit anhand der vorhandenen Daten durch eine einfache Addition eine Berechnung möglich ist. Eine Neufestsetzung des jeweiligen Honorars für die streitgegenständlichen Quartale muss nicht explizit erfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
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