L 3 AL 78/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 24 AL 966/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 78/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Geschäftsführer einer GmbH eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, kann von Bedeutung sein, dass er einen Namen als Wortmarke schützen lässt, ein Verfahren als Patent angemeldet hat und als Erfinder geführt wird, und die GmbH sowohl die Wortmarke als auch das Patent genutzt hat.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Bewilligung von Insolvenzgeld (InsG) für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2009.

Die am 1962 geborene Klägerin war seit 2003 Geschäftsführerin der M GmbH, die sie gegründet hatte und deren alleinige Gesellschafterin sie war. Die Gesellschaft beschäftigte sich mit der Herstellung und wirtschaftlichen Verwertung von Wasseraufbereitungsanlagen. Im Jahr 2006 veräußerte sie ihre Gesellschaftsanteile. Im Juni 2007 war die Gesellschaft insolvent. Die Klägerin schied als Geschäftsführerin aus.

Am 19. Juli 2007 gründeten die Klägerin, F R und J E die M International GmbH, die den gleichen Geschäftszweck wie die M GmbH verfolgte. Da die Gesellschafter nach außen nicht in Erscheinung treten wollten, wurde vereinbart, dass der Geschäftsanteil der Klägerin von P K , der Geschäftsanteil von F R durch den einen Sohn der Klägerin, P S , und der Geschäftsanteil von J E durch den anderen Sohn der Klägerin, R S , treuhänderisch gehalten werden. Mit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister wurden auch die von P und R S treuhänderisch gehaltene Anteile auf P K übertragen, der damit sämtliche Anteile treuhänderisch hielt. Mit Treuhandvertag vom 17. Dezember 2007 wurden die Geschäftsanteile, wohl wegen finanzieller Probleme von P K und entsprechender Schufa-Einträge auf Rechtsanwalt J S übertragen, der als Treuhänder für die Klägerin, F R und J E fungierte. Mit Vertrag vom 29. Oktober 2008 veräußerte die Klägerin ihren Geschäftsanteil an die PMR V gesellschaft mbH. Gesellschafter dieses Unternehmens sind die drei Kinder der Klägerin. Nach einer Anteilsübertragung vom 4. Dezember 2008 wurden die Geschäftsanteile durch J E , die PMR V gesellschaft mbH und die AGIL V gesellschaft mbH, die von F R betrieben wurde, zu je gleichen Teilen gehalten.

Am 23. Juni 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld und machte geltend, seit April 2009 kein Arbeitsentgelt bekommen zu haben. In dem "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafters-Geschäftsführers einer GmbH" gab sie unter anderem an, sie habe zu Gunsten der GmbH eine Bürgschaft in Höhe von 82.000 EUR übernommen. Nach außen sei die Gesellschaft von ihr allein vertretungsberechtigt vertreten worden. Vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei sie befreit gewesen. Sie habe als einziger Geschäftsführer über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse verfügt. Einem Direktionsrecht der Gesellschaft hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung habe sie nicht unterlegen. Ihre Tätigkeit in der Gesellschaft habe keinen Einschränkungen unterlegen. Personal habe sie selbständig einstellen und/oder entlassen können.

Am 22. Juli 2009 wurde über das Vermögen der M I GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom 27. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) setze voraus, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) vorgelegen habe. Das sei bei der Klägerin, die nach eigenen Angaben als angestellter Geschäftsführer tätig gewesen sei, nicht der Fall. Aufgrund der familiären Verbundenheit zu den Gesellschaftern könne nicht von ihrer Arbeitnehmereigenschaft ausgegangen werden. Sie habe nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung unterlegen, sondern vielmehr ihre Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können, ohne dass Einschränkungen bestanden hätten. Auch habe sie als einzige die Branchenkenntnisse für die Führung des Unternehmens gehabt und somit maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen können. Sie allein vertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen.

Den Widerspruch vom 16. September 2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2009 zurück.

Auf die Klage vom 15. Dezember 2009 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19. April 2011 den Bescheid vom 27. August 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis 30. Juni 2009 Insolvenzgeld zu bewilligen. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Dafür spreche, dass sie seit dem 27. Oktober 2008 keine Gesellschaftsanteile mehr besessen habe, ihre Tätigkeit im Betrieb der Gesellschaft eingegliedert gewesen sei und sie insbesondere hinsichtlich des technischen Teils des Gesellschaftszwecks, der Produktion und dem Vertrieb von Anlagen zur Wasserreinigung, deutlich weniger Kenntnisse habe nachweisen können, als der Betriebs- und Laborleiter. Aus der fehlenden Weisungsgebundenheit könnten Rückschlüsse nicht gezogen werden, da ein Geschäftsführer in der Ausübung seiner Tätigkeit "grundsätzlich weniger abhängig" sei als andere Angestellte. Entscheidend sei, dass die Klägerin trotz der von ihren Kindern gehaltenen Geschäftsanteile seit dem 27. Oktober 2008 Weisungen der Gesellschafter nicht habe verhindern oder mitbestimmen können. Demgegenüber sei lediglich die Übernahme der Bürgschaft zu berücksichtigen. In Abwägung der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, der Gesellschaft und der übrigen Umstände spreche mehr für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III im Übrigen seien erfüllt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 15. Juni 2011. Die Klägerin sei trotz ihres unterhälftigen Gesellschaftsanteils auf Grund weiterer Umstände nicht abhängig beschäftigt gewesen. Ihr tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft sei größer gewesen als der ihr auf Grund des Geschäftsanteils an sich zustehende Einfluss. Sie habe eine die Gesellschaft dominierende Stellung gehabt. Weder nach dem Gesellschaftsvertrag noch nach dem Geschäftsführervertrag habe die Klägerin zur Führung der Geschäfte die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen müssen, sie habe bei der Gestaltung und Ausführung der Geschäftsführung keinen Beschränkungen unterlegen. Für die Ausübung eines Direktionsrechts durch die Gesellschafter gegenüber der Klägerin als Arbeitnehmerin im persönlichen Abhängigkeitsverhältnis sei dem Akteninhalt nichts zu entnehmen. Nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin auch über hinreichendes Fachwissen, spezifische Branchenkenntnisse und die langjährige betriebliche Erfahrung verfügt und damit eine entscheidende Stellung im Unternehmen eingenommen. Auch habe die Klägerin durch Übernahme einer Bürgschaft in Höhe von 82.000 EUR zu Gunsten der Gesellschaft ein erhebliches Unternehmerrisiko auf sich genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe zu keinem Zeitpunkt mehr als ein Drittel der Geschäftsanteile der Gesellschaft gehalten. Sie habe die Gesellschafterbeschlüsse auf der Grundlage des Direktionsrechts der Gesellschaft umzusetzen gehabt. Keinesfalls habe sie eine dominierende Stellung in der Gesellschaft inne gehabt. Nicht nur sie selbst, sondern auch der Gesellschafter F R habe über umfassendes Fachwissen auf dem Gebiet der Abwasseraufbereitung verfügt. Allerdings komme es darauf ohnehin nicht an.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigzogenen Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakte beider Rechtszüge in den Verfahren L 3 AL 77/11 und L 3 AL 78/11 verwiese. Der Senat hat die Klägerin befragt. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 27. August 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Insolvenzgeld nicht zu.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bewilligung von Insolvenzgeld aus § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 2002 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 54a Buchst. a des Gesetzes vom 10. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3443]; im Folgenden: a. F.) liegen nicht vor. Allein in Betracht kommt § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F ... Nach dieser Vorschrift hatte ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt des Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hatte, Anspruch auf Insolvenzgeld. Insolvenzereignis war nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a. F. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers.

Zwar wurde am 22. Juli 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M I GmbH eröffnet. Der Bewilligung von Insolvenzgeld steht aber entgegen, dass die Klägerin nicht abhängig beschäftigt war. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes erfordert eine Beschäftigung, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene unternehmerische Risiko, dass Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 KR 10/09 R – BSG SozR 4-2400 § 28e Nr. 4 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 17, m. w. N.; BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 12 R 13/10 R – JURIS-Dokument Rdnr. 16, m. w. N.).

Im Ergebnis der Gewichtung und Abwägung aller für und gegen eine Beschäftigung beziehungsweise selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit der Klägerin ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Wenngleich dem eine gewisse Indizwirkung nicht abgesprochen werden kann, stellt der Senat dabei aber nicht entscheidend darauf ab, dass die Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge ihre Arbeit als Geschäftsführerin der M I GmbH ausübte, ohne hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung Weisungen der Gesellschaft zu unterliegen. Bei Geschäftsführertätigkeiten, bei denen es sich um "Dienste höherer Art" handelt, kann das insoweit fehlende Direktionsrecht auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung fehlen, wenn die Tätigkeit fremdbestimmt bleibt, also in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgeht. Bedeutung hingegen hat der Umstand, dass die Klägerin in dem bei Antragstellung vorgelegten Feststellungsbogen die Frage "Können Sie – gegebenenfalls von bestimmten wichtigen Geschäften abgesehen – ihre Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten?" mit "ja" und sodann die daran anknüpfende weitere Frage "Wenn ja, welche Einschränkungen bestehen?" durch einfügen des Wortes "keine" beantwortete. Die Klägerin war demzufolge, auch hinsichtlich wichtiger Geschäfte, uneingeschränkt entscheidungsbefugt. Diese Angabe der Klägerin korreliert mit dem Inhalt des Geschäftsführervertrages vom 20. Juli 2007, der Gründungsurkunde der Gesellschaft vom 19. Juli 2007 und der GmbH-Satzung vom 20. Juli 2007. Sie enthalten keine Regelungen, die die Befugnisse des Geschäftsführers einschränken oder ihn in die vorgegebene Ordnung des Betriebes in dem Sinne einordnen, dass die Tätigkeit einer Kontrolle oder gar einem korrigierenden Eingreifen unterliegen könnte.

Der Umstand, dass die Klägerin zunächst lediglich zu einem Drittel am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war und dieser Anteil mit notariellem Vertrag vom 29. Oktober 2008 an die PMR V gesellschaft mbH verkauft wurde, vermag die Auffassung der Klägerin, versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein, nicht zu stützen. Der Senat verkennt nicht, dass bei einer Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers unter 50 Prozent abhängige Beschäftigung die Regel und eine selbständige Tätigkeit die Ausnahme, die nur in ganz besonders gelagerten Fällen anzunehmen ist, darstellt. Von einer solchen Ausnahme ist auszugehen, wenn die Geschäfte faktisch wie von einem Alleininhaber nach eigenem Gutdünken geführt werden, der Geschäftsführer also in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 = NJW-RR 2002, 758 = JURIS-Dokument Rdnr. 14; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. November 2006 – L 12 AL 203/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 33). Ein solcher Ausnahmefall liegt bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats vor.

Was den Anteilsverkauf vom 29. Oktober 2008 betrifft, vermag der Senat schon nicht zu der Einschätzung zu gelangen, dass die Klägerin damit ihren Teil des Unternehmens "weggegeben" hat. Gesellschafter der Erwerbergesellschaft, der PMR V gesellschaft mbH, sind die Kinder der Klägerin, die beiden bereits bei der Gründung der Gesellschaft aufgetretenen Söhne sowie die Tochter der Klägerin M. Der Gesellschaftsanteil ist damit "in der Familie" geblieben. Dass die Kinder der Klägerin hinsichtlich der Unternehmensführung eigene Interessen oder gar den Vorstellungen der Klägerin entgegenlaufende Interessen verfolgt haben könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Berücksichtigt man weiter den Umstand, dass als Kaufpreis für den Geschäftsanteil lediglich ein Betrag in Höhe von 8.350,00 EUR (ein Drittel des insgesamt 25.050,00 EUR betragenden Stammkapitals der Gesellschaft) vereinbart wurde, wird offenbar, dass die Klägerin mit dem Verkauf andere Ziele als die Aufgabe des mit der Innehabung des Geschäftsanteils verbundenen Einflusses auf die Gesellschaft verfolgt haben muss. Die M I GmbH hatte zuvor zehn bereits existierende und eine im Bau befindliche Abwasserreinigungsanlage an die TIV – T GmbH & Co. U KG im Wege eines "Sale-and-Lease-back" Geschäftes verkauft und dafür einen Preis von zumindest fünf Millionen EUR erzielt. Im Hinblick auf den finanziellen Umfang der Geschäftstätigkeit kann der Kaufpreis von 8.350,00 EUR lediglich als "symbolisch" angesehen werden.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass mit der Veräußerung des Geschäftsanteils der Klägerin an die PMR V gesellschaft mbH eine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft nicht mehr vorgelegen hat, wäre dennoch vom Vorliegen eines Ausnahmefalles auszugehen, in dem ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliegt. Die Klägerin unterlag nach ihren eigenen Angaben und dem Inhalt der bereits genannten Verträge in ihrer Tätigkeit keinen Einschränkungen. Betrachtet man die Situation der Klägerin und der beiden weiteren Gesellschafter, wird klar, dass die Klägerin die Gesellschaft beherrscht hat. Der am 1943 geborene Gesellschafter J E , nach Angaben der Klägerin ein Freund des Gesellschafters R , hatte das von der M I GmbH genutzte Betriebsgelände erworben und für dessen Benutzung monatlich einen Betrag in Höhe von 3.000,00 EUR erhalten. Laufende Zahlungen aus der Gesellschaft erhielt er nach den Angaben der Klägerin nicht, er sei aber am Gewinn beteiligt gewesen. Der als Vertriebsleiter tätige Mitgesellschafter R habe dasselbe verdient wie sie, die Klägerin. Die Summe der monatlichen Brutto-Bezüge der Klägerin lag ausweislich der vorgelegten Entgeltabrechnungen bei 8.918,78,00 EUR (7.500,00 EUR Geschäftsführergehalt zzgl. vertraglicher Sonderleistungen). Angesichts des wirtschaftlichen Scheiterns der M GmbH und der sich für die M I GmbH nicht besser darstellenden wirtschaftlichen Aussichten bei gleichen Geschäftsmodell erscheint die Höhe der Bezüge, die sich die Klägerin und der Mitgesellschafter R zubilligten, unangemessen. Lediglich auf Grund der bereits angebahnten Kontakte zu der TIV – T GmbH & Co. U KG mit der Aussicht, über dessen Investition eine Einnahme in Höhe von mehreren Millionen EUR zu erzielen, dürfte es für das neue Unternehmen eine – zeitlich begrenzte – Perspektive gegeben haben. Dass von TIV – T GmbH & Co. U KG in die M I GmbH investierte Fondskapital versetzte die Gesellschaft in die Lage, zumindest für eine gewisse Zeit den Betrieb aufrecht zu erhalten und die vereinbarten Mietzahlungen für die an die TIV – T GmbH & Co. U KG verkauften und zurückgemieteten Anlagen zu leisten. Nach dem Verbrauch der Mittel war das Unternehmen insolvent, das Geld der Anleger verloren. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es der Klägerin, die als Geschäftsführerin hinsichtlich der (fehlenden) wirtschaftlichen Perspektive des Unternehmens M I GmbH wie auch schon des Vorgängerunternehmens orientiert war, darum ging, zum eigenen Nutzen die Gesellschaft solange wie möglich, nämlich bis zur Erschöpfung der Geldmittel, fortzuführen.

Dass der Klägerin dabei im Kreise der Gesellschafter die herausragende Stellung zukam, ergibt sich, neben der bereits aufgeführten uneingeschränkten Handlungskompetenz, insbesondere aus der Historie beider M -Gesellschaften. Die Klägerin hatte die M GmbH im Jahr 2003 gegründet, wofür sie im "erzgebirgischen Gründerwettbewerb" den zweiten Platz belegte, und die Geschicke des Unternehmens bis zum Eintritt einer wirtschaftlich ausweglosen Lage allein gelenkt. Den Namen "M " lies sich die Klägerin als Wortmarke schützen (Registerauskunft des Deutschen Patent- und Markenamtes, Registernummer 3 , Anmeldung am 2003, Schutzendedatum 2013). Das sowohl von der M GmbH als auch der M I GmbH verwendete "Verfahren zur Aufbereitung, Entgiftung und Behandlung von Abwässern, Schlämmen, Hafenschlick, Dockabwässer, Fäkalien, Gülle sowie mit radioaktiven Materialien behafteter Abfall aus Kliniken und Laboren und Anlage zur Durchführung des Verfahrens" meldete die MCS L GmbH, deren Geschäftsführerin wiederum die Klägerin war, am 2004 zum Patent an. Als Erfinderin des Verfahrens wurde beim Deutschen Patent- und Markenamt die Klägerin geführt (Registerauskunft zum Az. [EP]04708711.9 und Az [WO] PCT/DE 2004/000197). Daraus wird deutlich, dass die Klägerin nicht nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Aspekte der Tätigkeit beider M Gesellschaften, sondern auch hinsichtlich des fachlichen (naturwissenschaftlichen) Teils der Tätigkeit die überragende Rolle inne hatte und als "Spiritus Rector" alle Steuerungsmöglichkeiten in Händen hielt.

Diesen sich unabweisbar aufdrängenden gewichtigen Gesichtspunkten stehen lediglich wenige, nicht entscheidend ins Gewicht fallende Indizien gegenüber. So hatte die Klägerin in dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung die Frage "Müssen sie Ihren Urlaub genehmigen lassen?" mit "ja" beantwortet. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin eigenen Angaben zu Folge einem Weisungsrecht nicht unterlag und sich eine Verpflichtung, einen Urlaub genehmigen zu lassen, ihrem Geschäftsführervertrag nicht entnehmen lässt, stellt sich diese Einschränkung als lediglich organisatorischen Erfordernissen folgend dar. Von daher kann offen bleiben, wer der Klägerin ihren Urlaub überhaupt hätte genehmigen können.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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