Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 16 AL 316/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 159/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO a. F., wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben konnte, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hatte, fällt nicht unter den Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F.
2. Die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe stand nach § 124 ZPO a. F. im Ermessen des Gerichtes.
3. Eine Behörde hat nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Umgekehrt hat der Betroffene einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Mit diesen Anforderungen an das Ermessen korrespondiert die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Danach muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Entsprechendes gilt für Beschlüsse des Sozialgerichtes, die gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 SGG zu begründen sind.
4. Die fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden
2. Die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe stand nach § 124 ZPO a. F. im Ermessen des Gerichtes.
3. Eine Behörde hat nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Umgekehrt hat der Betroffene einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Mit diesen Anforderungen an das Ermessen korrespondiert die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Danach muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Entsprechendes gilt für Beschlüsse des Sozialgerichtes, die gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 SGG zu begründen sind.
4. Die fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Juni 2013 aufgehoben.
II. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Juni 2013, mit dem das Sozialgericht den die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 8. April 2009 aufgehoben hat.
Mit Beschluss vom 8. April 2009 wurde dem Kläger für das Klageverfahren S 16 AL 316/08 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Am 22. Juni 2010 hat der Beschwerdeführer die Klage zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hat der zuständige Kostenbeamte den Klägerbevollmächtigten aufgefordert, binnen sechs Wochen mitzuteilen, welche Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten seien und gegebenenfalls entsprechende Belege einzureichen. Mit Schriftsatz vom 12. November 2012 hat dieser mitgeteilt, dass der Kläger für ihn nicht erreichbar sei. Nachdem zwischenzeitlich eine neue Anschrift des Klägers in Erfahrung gebracht worden ist, ist der Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. November 2011 erneut um die Einreichung der Belege bis spätestens 15. Januar 2013 gebeten worden. Die Frist ist mit Schriftsatz des Kostenbeamten vom 21. Februar 2013 letztmalig bis zum 30. März 2013 verlängert worden. Nach Fristablauf hat der zuständige Kammervorsitzende den Klägerbevollmächtigten auf die beabsichtigte Aufhebung der Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 16. April 2013 hingewiesen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 26. Juni 2013 hat die 16. Kammer des Sozialgerichts durch den Vorsitzenden die mit Beschluss vom 8. April 2009 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 3. Juli 2013 zugestellten Beschluss hat dieser am 5. August 2013 Beschwerde eingelegt. Er hat die Beschwerde nicht näher begründet, da die Kontaktaufnahme mit dem Kläger weiterhin nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16. August 2010 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Etwas anderes war in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der hier maßgebenden, vom 1. April 2008 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes vom 26. März 2008 [BGBl. I S. 444]) bestimmt. Danach war die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneinte.
Nach der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung fällt die Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der hier maßgebenden, vom 21. Oktober 2005 bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung, wonach das das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben konnte, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hatte, nicht unter den Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Januar 2010 – L 1 AL 137/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 2; Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010 – L 7 AS 486/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2011 – L 13 AS 2819/10 B – ASR 2011, 122 = JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 2011 – L 13 AL 5384/10 B – NZS 2011, 640 (Leitsatz) = JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 20 AS 8/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 8; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. März 2011 – L 7 AS 194/11 B – NZS 2011, 520 = JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juni 2011 – L 13 AS 120/11 B – NZS 2011, 880 (Leitsatz) = JURIS-Dokument Rdnr. 7; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2011 – L 7 AS 5381/09 B – Justiz 2011, 349 = JURIS-Dokument Rdnr. 4; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Mai 2012 – L 19 AS 470/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 6; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Mai 2012 – L 7 AS 752/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2012 – L 33 R 751/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 24. April 2013 – L 3 AL 226/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 5). Diese Rechtsauffassung teilt der erkennende Senat (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 14. Februar 2013 – L 3 AS 939/11 B PKH [n. v.]; Sächs. LSG, Beschluss vom 16. Mai 2013 – L 3 AL 115/11 B PKH [n. v.]; Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Januar 2014 – L 3 AS 610/10 B PKH [n. v.]).
Soweit in einigen obergerichtlichen Entscheidungen die Auffassung vertreten wird, der Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. erfasse auch den Fall der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 17. November 2008 – L 1 B 603/08 AL-PKH – [n. v.]; Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 7 f.; Sächs. LSG, Beschluss vom 9. Januar 2012 – L 2 AL 90/11 B PKH – [n. v.]; Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 – L 9 AS 896/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12 ff.), vermag der erkennende Senat die hierfür vorgetragenen Erwägungen nicht zu teilen.
Bereits der unterschiedliche Wortlaut der beiden Regelungen spricht gegen die zuletzt genannte Rechtsauffassung. In § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. wird von der "Ablehnung von Prozesskostenhilfe", in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO hingegen von der "Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe" gesprochen. Eine Ablehnung beinhaltet die Nichtgewährung einer begehrten Rechtsposition, wohingegen eine Aufhebung den Entzug einer bereits erworbenen Rechtsposition zum Gegenstand hat (vgl. z. B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 20 AS 8/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 8; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2012 – L 33 R 751/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6). Eine Bewilligungsaufhebung ist somit nicht lediglich eine Form der Bewilligungsablehnung (so aber Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 8), sondern ein aliud.
Für eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Beschwerdeausschlussregelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. mit der Folge, dass der Fall der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO mit erfasst wird, fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an gleichartigen Sachverhalten. Es mangelt bereits an der Vergleichbarkeit zwischen der Bewilligungsablehnung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. und der Bewilligungsaufhebung in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO. Dogmatisch handelt es sich im ersten Fall um einen Akt des Leistungshandelns, im zweiten um einen Akt des Eingriffshandelns.
Soweit die Gegenauffassung die Gesetzesmaterialien bemüht (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 8; Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 – L 9 AS 896/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12), wird zum einen der Bezugspunkt für die Ausführungen des Gesetzgebers und zum anderen der terminologische und dogmatische Unterschied zwischen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. und § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO außer Acht gelassen. Nach der Gesetzesbegründung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht statthaft, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat (vgl. BT-Drucks. 16/7716, S. 22 [zu Nr. 29 Buchst. b Satz 2]). Diese Ausnahme, die sich im Wortlaut von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. wiederfand, bezieht sich eindeutig auf den Fall der Bewilligungsablehnung. Die Bewilligungsablehnung findet sich aber nur in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F., nicht aber in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO. Es ist mithin unzutreffend, wenn behauptet wird, dass in beiden Fällen die Prozesskostenhilfe abgelehnt werde, ohne dass die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung geprüft werde (so aber Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011, a. a. O.; Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 , a. a. O.).
Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Beschwerdeausschlussregelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. im vorliegenden Zusammenhang kann auch nicht auf die gesetzgeberische Intention gestützt werden, die der Einführung der Ausschlussregelungen in § 172 Abs. 3 SGG a. F. durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zugrunde lag. Der Ausschluss der Beschwerde bei wirtschaftlich nicht relevanten Kostengrundentscheidungen und sonstigen Nebenentscheidungen sowie in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und der Prozesskostenhilfe sollte zur Entlastung der Landessozialgerichte greifen (vgl. BT- Drucks. 16/7716, S. 22 [zu Nr. 29 Buchst. b]). In welchen Fällen die Landessozialgerichte eine Entlastung erfahren sollten, ist aus den einzelnen Ausnahmetatbeständen in § 172 Abs. 3 SGG a. F. zu entnehmen. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Regelung zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist (ständ. Rspr. des BVErfG s, vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 – BVerfGE 110, 226 [248] = JURIS-Dokument Rdnr. 91, m. w. N.). Grenzen werden der (verfassungskonformen) Auslegung durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogen. Ein Normverständnis, welches mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch (verfassungskonforme) Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92– BVerfGE 95, 64 [93] = JURIS-Dokument Rdnr. 130, m. w. N.). Ferner ist zu berücksichtigen, dass Rechtsmittelbeschränkungen stets restriktiv und am Wortlaut orientiert auszulegen sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2012 – L 33 R 751/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6). Dies bedeutet vorliegend, dass aus den allgemeinen gesetzgeberischen Erwägungen zur Entlastung der Landessozialgerichte heraus § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden und die Beschränkung der Beschwerdeausschlusses auf den Fall der Bewilligungsablehnung übergangen werden darf.
Zudem wird das unterschiedliche Prüfungsprogramm in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. einerseits und in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO andererseits nicht berücksichtigt. Für die Entscheidung, ob ein Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen ist, sind gemäß § 114 Satz 1 ZPO im Wesentlichen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu prüfen. Hingegen sind zu § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO das Mitwirkungsverlangen des Gerichtes im Sinne von § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO und die Nichtbefolgung dieses Verlangens zu prüfen. Zudem handelt es sich bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe um eine gebundene Entscheidung, wohingegen gemäß § 124 ZPO die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im Ermessen des Gerichtes steht (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010 – L 7 AS 486/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11).
Eine Vergleichbarkeit dem Grunde nach besteht anders als im Verhältnis zur Bewilligungsablehnung zwischen der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach § 124 ZPO und der Änderung der Bewilligungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO. In beiden Fällen liegt eine Bewilligungsentscheidung und damit eine Rechtsposition des Begünstigten vor, die durch eine nachträgliche Entscheidung des Gerichtes verändert wird. Während aber im Falle des § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO die Bewilligungsentscheidung wegen der fehlenden Mitwirkung am Überprüfungsverfahren aufgehoben wird, erfolgt im Fall des § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO eine inhaltliche Änderung der Bewilligungsentscheidung wegen veränderter persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse. Damit erfolgt im Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO eine nachträgliche Teilablehnung des Prozesskostenhilfeantrages, was die Einbeziehung dieser Entscheidung in den Beschwerdeausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. rechtfertigt (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – L 3 B 794/08 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 13; Sächs. LSG, Beschluss vom 16. Mai 2011 – L 3 AS 430/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11; Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AS 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 8; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Januar 2011 – L 20 AS 2026/10 B – JURIS-Dokument Rdnr. 8 ff., m. w. N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2011 – L 7 AS 5381/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 3., m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2012 – L 25 AS 159/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 2, m. w. N.; a. A. z. B.: Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 – L 9 AS 896/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 18. Februar 2013 – L 7 R 144/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr.6).
Eine gewisse Vergleichbarkeit besteht ferner zwischen der § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO und § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Nach der zuletzt genannten Regelung lehnt das Gericht, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab. In beiden Fällen hat der Antragsteller dem Gericht durch sein Verhalten eine Prüfung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unmöglich gemacht (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 7). Dieser Gesichtspunkt des vorwerfbaren Verhaltens ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber – auch auf Grund der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Situationen – unterschiedliche Rechtsfolgen an die unterlassene oder unzureichende Mitwirkung geknüpft hat: in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Bewilligungsablehnung, in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO die Bewilligungsaufhebung. Dieser Unterschied darf im Rahmen von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. nicht überspielt werden.
Schließlich vermag der Verweis der Gegenauffassung darauf, dass für einen Betroffenen die Bewilligungsablehnung in der Regel nicht weniger bedeutsam sei als die Bewilligungsaufhebung (vgl. Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012, a. a. O.), die oben dargestellten grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Arten von Gerichtsentscheidungen nicht zu überlagern.
Ergänzend wird angemerkt, dass sich etwas anderes auch nicht aus der seit 25. Oktober 2013 geltenden Neufassung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ergibt (vgl. Artikel 7 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 [BGBl. I S. 3836]). Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGG ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Ziel der Neufassung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG war es klarzustellen, dass sich die Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO richtet. Vielmehr richtet sich die Statthaftigkeit einer Beschwerde oder der Beschwerdeausschluss im sozialgerichtlichen Verfahren ausschließlich nach § 172 SGG (vgl. BT-Drucks 17/12297, S. 39 [zu Nr. 7]). Für die vorliegende Frage nach einem etwaigen Beschwerdeausschluss im Falle der Aufhebung eines Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 ZPO ließ das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz – BUK-NOG) vom 19. Oktober 2013 trotz der Neustrukturierung der Regelungen in § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG den Regelungstext und damit die Rechtslage unverändert.
2. Die Beschwerde ist auch unbegründet. Der Beschluss vom 26. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
a) Zwar ist der Beschluss vom 26. Juni 2013 verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Kammervorsitzende hat das Aufhebungsverfahren nach § 124 ZPO durchgeführt (vgl. Thür. LSG, Beschluss vom 13. Januar 2004 – L 6 SF 955/03 – JURIS-Dokument Rdnr. 6; Thür. LSG, Beschluss vom 18. Juli 2005 – L 6 SF 255/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 2), nachdem zunächst der Kostenbeamte das Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO betrieben hat (zur Zuständigkeit des Richters für die Durchführung des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO in der Sozialgerichtsbarkeit: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juni 2011 – L 13 AS 120/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 10; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 2011 – L 2 AS 1462/11 B – Justiz 2011, 369 = JURIS-Dokument Rdnr. 16)
b) Jedoch hat das Sozialgericht nicht beachtet, dass die Aufhebungsentscheidung im Ermessen des Gerichtes stand.
Nach § 124 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung konnte das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn einer der in dieser Vorschrift aufgeführten Aufhebungstatbestände vorlag. Erst durch Artikel 1 Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Gesetzes vom Gesetz vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) wurde das Wort "kann" durch das Wort "soll" ersetzt. Der Gesetzgeber reagierte mit dieser Gesetzesänderung auf divergierende Auslegungen zur Bedeutung des Wortes "kann". Nunmehr ist bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aufhebung als Regelfall vorgesehen, in atypischen Fällen ist aber eine andere Entscheidung zugelassen (vgl. BT-Drucks. 17/11472, S. 34 [zu Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. aa]).
Der erkennende Senat hat zu § 39 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) bereits entschieden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 16. Juli 2009 – L 3 AL 23/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 35), dass eine Behörde das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Umgekehrt hat der Betroffene einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Mit diesen Anforderungen an das Ermessen korrespondiert die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), die zugleich ein Korrektiv für den behördlichen Entscheidungsspielraum ist (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 1991 – 6 RKa 12/89 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 23). Danach muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Entsprechendes gilt für Beschlüsse des Sozialgerichtes, die – wie der vorliegend angefochtene Beschluss – gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 SGG zu begründen sind.
Diesen Anforderungen wird der Beschluss vom 26. Juni 2013 nicht gerecht. Dort heißt es im Begründungsteil nach der Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Offenlegungspflicht nicht nachgekommen ist, lediglich: "Deshalb ist die Bewilligung der PKH gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 124 Ziff. 2 2. Alt ZPO aufzuheben." Diesem Satz sind keine Ermessenserwägungen des Sozialgerichtes zu entnehmen (vgl. zur Ermessensentscheidung: Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010 – L 7 AS 486/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 20; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Dezember 2012 – L 6 AS 1448/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 11). Auf der Grundlage der Formulierung des Begründungssatzes ("ist") lässt sich noch nicht einmal feststellen, ob das Sozialgericht überhaupt erkannt hat, dass es Ermessen auszuüben hat.
Die fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden (str., vgl. die Nachweise zum Meinungsstand bei Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [25. Erg.-Lfg., April 2013], § 250 FN 14; wie hier gegen die Nachholung einer Ermessensentscheidung: Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 176 Rdnr. 4; Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel X Rdnr. 54; a. A. Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010, a. a. O.). Zwar prüft das Landessozialgericht gemäß § 157 Satz 1 SGG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Diese Regelung betrifft allerdings den Regelfall des sozialgerichtlichen Verfahrens, in dem bereits das Sozialgericht eine Entscheidung, eine Maßnahme oder ein Unterlassen einer Behörde geprüft hat. Vorliegend ist aber Gegenstand des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung des Sozialgerichtes in einer Angelegenheit, die der Gesetzgeber nicht einer Behörde, sondern originär dem Gericht zur Entscheidung zugewiesen hat. In einem solchen Fall ähnelt die Verfahrenssituation derjenigen, in der das Sozialgericht eine Ermessensentscheidung einer Behörde zu prüfen hat. Hierbei ist das Sozialgericht auf eine Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 54 Rdnr. 28 ff.). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kontrollumfang in Bezug auf eine gerichtliche Ermessensentscheidung ein anderer sein soll als in Bezug auf eine behördliche Ermessensentscheidung.
Das das Sozialgericht sein Ermessen nicht, jedenfalls nicht erkennbar, ausgeübt hat und die Ermessensabwägung nicht im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann, ist der Beschluss vom 26. Juni 2013 aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
4. Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Juni 2013, mit dem das Sozialgericht den die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 8. April 2009 aufgehoben hat.
Mit Beschluss vom 8. April 2009 wurde dem Kläger für das Klageverfahren S 16 AL 316/08 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Am 22. Juni 2010 hat der Beschwerdeführer die Klage zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hat der zuständige Kostenbeamte den Klägerbevollmächtigten aufgefordert, binnen sechs Wochen mitzuteilen, welche Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten seien und gegebenenfalls entsprechende Belege einzureichen. Mit Schriftsatz vom 12. November 2012 hat dieser mitgeteilt, dass der Kläger für ihn nicht erreichbar sei. Nachdem zwischenzeitlich eine neue Anschrift des Klägers in Erfahrung gebracht worden ist, ist der Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. November 2011 erneut um die Einreichung der Belege bis spätestens 15. Januar 2013 gebeten worden. Die Frist ist mit Schriftsatz des Kostenbeamten vom 21. Februar 2013 letztmalig bis zum 30. März 2013 verlängert worden. Nach Fristablauf hat der zuständige Kammervorsitzende den Klägerbevollmächtigten auf die beabsichtigte Aufhebung der Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 16. April 2013 hingewiesen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 26. Juni 2013 hat die 16. Kammer des Sozialgerichts durch den Vorsitzenden die mit Beschluss vom 8. April 2009 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 3. Juli 2013 zugestellten Beschluss hat dieser am 5. August 2013 Beschwerde eingelegt. Er hat die Beschwerde nicht näher begründet, da die Kontaktaufnahme mit dem Kläger weiterhin nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16. August 2010 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Etwas anderes war in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der hier maßgebenden, vom 1. April 2008 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes vom 26. März 2008 [BGBl. I S. 444]) bestimmt. Danach war die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneinte.
Nach der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung fällt die Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der hier maßgebenden, vom 21. Oktober 2005 bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung, wonach das das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben konnte, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hatte, nicht unter den Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Januar 2010 – L 1 AL 137/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 2; Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010 – L 7 AS 486/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2011 – L 13 AS 2819/10 B – ASR 2011, 122 = JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 2011 – L 13 AL 5384/10 B – NZS 2011, 640 (Leitsatz) = JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 20 AS 8/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 8; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. März 2011 – L 7 AS 194/11 B – NZS 2011, 520 = JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juni 2011 – L 13 AS 120/11 B – NZS 2011, 880 (Leitsatz) = JURIS-Dokument Rdnr. 7; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2011 – L 7 AS 5381/09 B – Justiz 2011, 349 = JURIS-Dokument Rdnr. 4; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Mai 2012 – L 19 AS 470/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 6; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Mai 2012 – L 7 AS 752/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2012 – L 33 R 751/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 24. April 2013 – L 3 AL 226/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 5). Diese Rechtsauffassung teilt der erkennende Senat (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 14. Februar 2013 – L 3 AS 939/11 B PKH [n. v.]; Sächs. LSG, Beschluss vom 16. Mai 2013 – L 3 AL 115/11 B PKH [n. v.]; Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Januar 2014 – L 3 AS 610/10 B PKH [n. v.]).
Soweit in einigen obergerichtlichen Entscheidungen die Auffassung vertreten wird, der Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. erfasse auch den Fall der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 17. November 2008 – L 1 B 603/08 AL-PKH – [n. v.]; Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 7 f.; Sächs. LSG, Beschluss vom 9. Januar 2012 – L 2 AL 90/11 B PKH – [n. v.]; Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 – L 9 AS 896/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12 ff.), vermag der erkennende Senat die hierfür vorgetragenen Erwägungen nicht zu teilen.
Bereits der unterschiedliche Wortlaut der beiden Regelungen spricht gegen die zuletzt genannte Rechtsauffassung. In § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. wird von der "Ablehnung von Prozesskostenhilfe", in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO hingegen von der "Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe" gesprochen. Eine Ablehnung beinhaltet die Nichtgewährung einer begehrten Rechtsposition, wohingegen eine Aufhebung den Entzug einer bereits erworbenen Rechtsposition zum Gegenstand hat (vgl. z. B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 20 AS 8/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 8; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2012 – L 33 R 751/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6). Eine Bewilligungsaufhebung ist somit nicht lediglich eine Form der Bewilligungsablehnung (so aber Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 8), sondern ein aliud.
Für eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Beschwerdeausschlussregelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. mit der Folge, dass der Fall der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO mit erfasst wird, fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an gleichartigen Sachverhalten. Es mangelt bereits an der Vergleichbarkeit zwischen der Bewilligungsablehnung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. und der Bewilligungsaufhebung in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO. Dogmatisch handelt es sich im ersten Fall um einen Akt des Leistungshandelns, im zweiten um einen Akt des Eingriffshandelns.
Soweit die Gegenauffassung die Gesetzesmaterialien bemüht (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 8; Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 – L 9 AS 896/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12), wird zum einen der Bezugspunkt für die Ausführungen des Gesetzgebers und zum anderen der terminologische und dogmatische Unterschied zwischen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. und § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO außer Acht gelassen. Nach der Gesetzesbegründung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht statthaft, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat (vgl. BT-Drucks. 16/7716, S. 22 [zu Nr. 29 Buchst. b Satz 2]). Diese Ausnahme, die sich im Wortlaut von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. wiederfand, bezieht sich eindeutig auf den Fall der Bewilligungsablehnung. Die Bewilligungsablehnung findet sich aber nur in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F., nicht aber in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO. Es ist mithin unzutreffend, wenn behauptet wird, dass in beiden Fällen die Prozesskostenhilfe abgelehnt werde, ohne dass die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung geprüft werde (so aber Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011, a. a. O.; Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 , a. a. O.).
Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Beschwerdeausschlussregelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. im vorliegenden Zusammenhang kann auch nicht auf die gesetzgeberische Intention gestützt werden, die der Einführung der Ausschlussregelungen in § 172 Abs. 3 SGG a. F. durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zugrunde lag. Der Ausschluss der Beschwerde bei wirtschaftlich nicht relevanten Kostengrundentscheidungen und sonstigen Nebenentscheidungen sowie in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und der Prozesskostenhilfe sollte zur Entlastung der Landessozialgerichte greifen (vgl. BT- Drucks. 16/7716, S. 22 [zu Nr. 29 Buchst. b]). In welchen Fällen die Landessozialgerichte eine Entlastung erfahren sollten, ist aus den einzelnen Ausnahmetatbeständen in § 172 Abs. 3 SGG a. F. zu entnehmen. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Regelung zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist (ständ. Rspr. des BVErfG s, vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 – BVerfGE 110, 226 [248] = JURIS-Dokument Rdnr. 91, m. w. N.). Grenzen werden der (verfassungskonformen) Auslegung durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogen. Ein Normverständnis, welches mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch (verfassungskonforme) Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92– BVerfGE 95, 64 [93] = JURIS-Dokument Rdnr. 130, m. w. N.). Ferner ist zu berücksichtigen, dass Rechtsmittelbeschränkungen stets restriktiv und am Wortlaut orientiert auszulegen sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2012 – L 33 R 751/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 6). Dies bedeutet vorliegend, dass aus den allgemeinen gesetzgeberischen Erwägungen zur Entlastung der Landessozialgerichte heraus § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden und die Beschränkung der Beschwerdeausschlusses auf den Fall der Bewilligungsablehnung übergangen werden darf.
Zudem wird das unterschiedliche Prüfungsprogramm in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. einerseits und in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO andererseits nicht berücksichtigt. Für die Entscheidung, ob ein Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen ist, sind gemäß § 114 Satz 1 ZPO im Wesentlichen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu prüfen. Hingegen sind zu § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO das Mitwirkungsverlangen des Gerichtes im Sinne von § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO und die Nichtbefolgung dieses Verlangens zu prüfen. Zudem handelt es sich bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe um eine gebundene Entscheidung, wohingegen gemäß § 124 ZPO die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im Ermessen des Gerichtes steht (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010 – L 7 AS 486/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11).
Eine Vergleichbarkeit dem Grunde nach besteht anders als im Verhältnis zur Bewilligungsablehnung zwischen der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach § 124 ZPO und der Änderung der Bewilligungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO. In beiden Fällen liegt eine Bewilligungsentscheidung und damit eine Rechtsposition des Begünstigten vor, die durch eine nachträgliche Entscheidung des Gerichtes verändert wird. Während aber im Falle des § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO die Bewilligungsentscheidung wegen der fehlenden Mitwirkung am Überprüfungsverfahren aufgehoben wird, erfolgt im Fall des § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO eine inhaltliche Änderung der Bewilligungsentscheidung wegen veränderter persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse. Damit erfolgt im Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO eine nachträgliche Teilablehnung des Prozesskostenhilfeantrages, was die Einbeziehung dieser Entscheidung in den Beschwerdeausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. rechtfertigt (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – L 3 B 794/08 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 13; Sächs. LSG, Beschluss vom 16. Mai 2011 – L 3 AS 430/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11; Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AS 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 8; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Januar 2011 – L 20 AS 2026/10 B – JURIS-Dokument Rdnr. 8 ff., m. w. N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2011 – L 7 AS 5381/09 B – JURIS-Dokument Rdnr. 3., m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2012 – L 25 AS 159/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 2, m. w. N.; a. A. z. B.: Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012 – L 9 AS 896/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 18. Februar 2013 – L 7 R 144/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr.6).
Eine gewisse Vergleichbarkeit besteht ferner zwischen der § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO und § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Nach der zuletzt genannten Regelung lehnt das Gericht, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab. In beiden Fällen hat der Antragsteller dem Gericht durch sein Verhalten eine Prüfung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unmöglich gemacht (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. August 2011 – L 7 AL 553/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 7). Dieser Gesichtspunkt des vorwerfbaren Verhaltens ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber – auch auf Grund der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Situationen – unterschiedliche Rechtsfolgen an die unterlassene oder unzureichende Mitwirkung geknüpft hat: in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Bewilligungsablehnung, in § 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO die Bewilligungsaufhebung. Dieser Unterschied darf im Rahmen von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. nicht überspielt werden.
Schließlich vermag der Verweis der Gegenauffassung darauf, dass für einen Betroffenen die Bewilligungsablehnung in der Regel nicht weniger bedeutsam sei als die Bewilligungsaufhebung (vgl. Thür. LSG, Beschluss vom 6. Juli 2012, a. a. O.), die oben dargestellten grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Arten von Gerichtsentscheidungen nicht zu überlagern.
Ergänzend wird angemerkt, dass sich etwas anderes auch nicht aus der seit 25. Oktober 2013 geltenden Neufassung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ergibt (vgl. Artikel 7 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 [BGBl. I S. 3836]). Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGG ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Ziel der Neufassung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG war es klarzustellen, dass sich die Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO richtet. Vielmehr richtet sich die Statthaftigkeit einer Beschwerde oder der Beschwerdeausschluss im sozialgerichtlichen Verfahren ausschließlich nach § 172 SGG (vgl. BT-Drucks 17/12297, S. 39 [zu Nr. 7]). Für die vorliegende Frage nach einem etwaigen Beschwerdeausschluss im Falle der Aufhebung eines Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 ZPO ließ das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz – BUK-NOG) vom 19. Oktober 2013 trotz der Neustrukturierung der Regelungen in § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG den Regelungstext und damit die Rechtslage unverändert.
2. Die Beschwerde ist auch unbegründet. Der Beschluss vom 26. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
a) Zwar ist der Beschluss vom 26. Juni 2013 verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Kammervorsitzende hat das Aufhebungsverfahren nach § 124 ZPO durchgeführt (vgl. Thür. LSG, Beschluss vom 13. Januar 2004 – L 6 SF 955/03 – JURIS-Dokument Rdnr. 6; Thür. LSG, Beschluss vom 18. Juli 2005 – L 6 SF 255/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 2), nachdem zunächst der Kostenbeamte das Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO betrieben hat (zur Zuständigkeit des Richters für die Durchführung des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO in der Sozialgerichtsbarkeit: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juni 2011 – L 13 AS 120/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 10; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 2011 – L 2 AS 1462/11 B – Justiz 2011, 369 = JURIS-Dokument Rdnr. 16)
b) Jedoch hat das Sozialgericht nicht beachtet, dass die Aufhebungsentscheidung im Ermessen des Gerichtes stand.
Nach § 124 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung konnte das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn einer der in dieser Vorschrift aufgeführten Aufhebungstatbestände vorlag. Erst durch Artikel 1 Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Gesetzes vom Gesetz vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) wurde das Wort "kann" durch das Wort "soll" ersetzt. Der Gesetzgeber reagierte mit dieser Gesetzesänderung auf divergierende Auslegungen zur Bedeutung des Wortes "kann". Nunmehr ist bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aufhebung als Regelfall vorgesehen, in atypischen Fällen ist aber eine andere Entscheidung zugelassen (vgl. BT-Drucks. 17/11472, S. 34 [zu Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. aa]).
Der erkennende Senat hat zu § 39 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) bereits entschieden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 16. Juli 2009 – L 3 AL 23/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 35), dass eine Behörde das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Umgekehrt hat der Betroffene einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Mit diesen Anforderungen an das Ermessen korrespondiert die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), die zugleich ein Korrektiv für den behördlichen Entscheidungsspielraum ist (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 1991 – 6 RKa 12/89 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 23). Danach muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Entsprechendes gilt für Beschlüsse des Sozialgerichtes, die – wie der vorliegend angefochtene Beschluss – gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 SGG zu begründen sind.
Diesen Anforderungen wird der Beschluss vom 26. Juni 2013 nicht gerecht. Dort heißt es im Begründungsteil nach der Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Offenlegungspflicht nicht nachgekommen ist, lediglich: "Deshalb ist die Bewilligung der PKH gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 124 Ziff. 2 2. Alt ZPO aufzuheben." Diesem Satz sind keine Ermessenserwägungen des Sozialgerichtes zu entnehmen (vgl. zur Ermessensentscheidung: Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010 – L 7 AS 486/10 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 20; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Dezember 2012 – L 6 AS 1448/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 11). Auf der Grundlage der Formulierung des Begründungssatzes ("ist") lässt sich noch nicht einmal feststellen, ob das Sozialgericht überhaupt erkannt hat, dass es Ermessen auszuüben hat.
Die fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden (str., vgl. die Nachweise zum Meinungsstand bei Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [25. Erg.-Lfg., April 2013], § 250 FN 14; wie hier gegen die Nachholung einer Ermessensentscheidung: Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 176 Rdnr. 4; Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel X Rdnr. 54; a. A. Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010, a. a. O.). Zwar prüft das Landessozialgericht gemäß § 157 Satz 1 SGG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Diese Regelung betrifft allerdings den Regelfall des sozialgerichtlichen Verfahrens, in dem bereits das Sozialgericht eine Entscheidung, eine Maßnahme oder ein Unterlassen einer Behörde geprüft hat. Vorliegend ist aber Gegenstand des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung des Sozialgerichtes in einer Angelegenheit, die der Gesetzgeber nicht einer Behörde, sondern originär dem Gericht zur Entscheidung zugewiesen hat. In einem solchen Fall ähnelt die Verfahrenssituation derjenigen, in der das Sozialgericht eine Ermessensentscheidung einer Behörde zu prüfen hat. Hierbei ist das Sozialgericht auf eine Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 54 Rdnr. 28 ff.). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kontrollumfang in Bezug auf eine gerichtliche Ermessensentscheidung ein anderer sein soll als in Bezug auf eine behördliche Ermessensentscheidung.
Das das Sozialgericht sein Ermessen nicht, jedenfalls nicht erkennbar, ausgeübt hat und die Ermessensabwägung nicht im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann, ist der Beschluss vom 26. Juni 2013 aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
4. Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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