L 12 AS 4453/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 3044/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4453/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe, mit dem dieses festgestellt hat, dass das ursprünglich unter den Az. S 11 AS 4418/12 geführte Klageverfahren durch Vergleich beendet ist.

Die 1986 geborene Klägerin begehrte im Verfahren S 11 AS 4418/12 vor dem Sozialgericht Karlsruhe höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Vertreten wurde die Klägerin unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht von Rechtsanwalt M. A ... Das Verfahren endete am 19.08.2013 durch Abschluss eines Vergleichs. Auf Seiten der Klägerin erfolgte der Vergleichsabschluss durch ihren Prozessbevollmächtigten.

Mit Schreiben vom 28.08.2013 hat die Klägerin die Anfechtung des Vergleichs erklärt. Dieser sei nicht von ihr genehmigt worden. Vom Vergleich habe sie erst am 26.08.2013 erfahren. Die Anfechtung sei zulässig, weil der Vergleich eine Beschwer enthalte. Das SG hat hierauf das Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 11 AS 3044/13 fortgeführt und mit Gerichtsbescheid vom 23.09.2013 festgestellt, dass der Rechtsstreit S 11 AS 4418/12 durch Vergleich vom 19.08.2013 beendet wurde. Die Wirksamkeit des Vergleichs sei nicht von der Genehmigung durch die Klägerin abhängig, da diese bei Vergleichsabschluss wirksam durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten worden sei. Der Vergleich wirke demnach auch ihr gegenüber. Nichtigkeits-, Unwirksamkeits- oder Anfechtungsgründe seien nicht erkennbar.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 09.10.2013 eingelegten Berufung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.09.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 07.09.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.11.2012 und 24.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2012 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die gegen den Gerichtsbescheid vom 23.09.2013 eingelegte Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe insoweit nicht eingreifen, und auch im Übrigen zulässig; insbesondere sind die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Sie ist aber nicht begründet.

Über die Wirksamkeit des Vergleichsschlusses war in Fortsetzung des Klageverfahrens zu entscheiden, da die Klage bereits im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens durch Vergleich beendet wurde. Ergibt sich - wie hier -, dass das Verfahren erledigt ist, hat das Gericht dies durch Urteil (bzw. Gerichtsbescheid) festzustellen; einer Entscheidung über die Sachanträge bedarf es in diesem Fall nicht mehr. Durch Gerichtsbescheid vom 23.09.2013 hat das SG unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Vorschriften zu Recht festgestellt, dass der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und den Beklagtenvertreter abgeschlossene Vergleich vom 19.08.2013 rechtswirksam gewesen ist und zur Erledigung des Rechtsstreits S 11 AS 4418/12 geführt hat. Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts (oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters) einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen. Ein Prozessvergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits eine Prozesshandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.1991 – 2 RU 51/90 -, Juris; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 101 Rn. 3 m.w.N.). Diese Doppelnatur hat zur Folge, dass ein Prozessvergleich wirksam ist, wenn ihm weder prozessrechtliche noch materiell-rechtliche Gründe für seine Wirksamkeit entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.1991 a.a.O ...; Leitherer, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.). Der im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes vom 19.08.2013 geschlossene Vergleich hat das Verfahren auch, wie das SG zutreffend festgestellt hat, beendet.

Der Vergleich ist ordnungsgemäß und wirksam zustande gekommen und verstößt nicht gegen § 101 Abs. 1 SGG, denn die Beteiligten konnten über den Gegenstand der Klage verfügen. Es handelt sich auch um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens durch gegenseitiges Nachgeben. Der Prozessvergleich ist nicht aus prozessrechtlichen Gründen unwirksam. Er wurde den Beteiligten vorgelesen, der Wortlaut wurde von diesen genehmigt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stimmte dem Vergleich nach dem Verlesen ausdrücklich zu, was sich aus dem Protokoll ergibt (vgl. § 122 SGG i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 und § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 Satz 3, § 165 Satz 1 ZPO). Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Klägerin die Wirksamkeit des Vergleichs, den ihr Bevollmächtigter auf der Grundlage einer ihm erteilten wirksamen schriftlichen Prozessvollmacht abschloss, nicht von ihrer Genehmigung abhängig. Eine Widerrufsmöglichkeit ist in diesem Vergleich nicht vorgesehen. Dass der Inhalt des Vergleiches falsch in der Niederschrift wiedergegeben wurde, ist von der Klägerseite nicht dargetan.

Der Prozessvergleich ist auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen nichtig oder unwirksam. Anfechtungs-, Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsgründe sind - ebenso wie für das SG - auch für den Senat nicht ersichtlich. Neuer Vortrag in Bezug auf die Wirksamkeit des Vergleichs ist im Berufungsverfahren nicht erfolgt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das SG nach der Anfechtung des Vergleichs vom 19.08.2013 vor dem Gerichtsbescheid vom 23.09.2013 über die Bewilligung von PKH bzw. über die Beiordnung eines (anderen) Rechtsanwalts hätte entscheiden müssen, was die Klägerin zugleich mit der Anfechtung wohl sinngemäß beantragt hat. Denn diese Anträge waren mangels Erfolgsaussicht der Anfechtung nicht begründet; schon deshalb scheidet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in diesem Zusammenhang aus.

Nach der Beendigung des Klageverfahrens, die das SG zu Recht festgestellt hat, ist eine sachliche Prüfung der von der Klägerin erhobenen Ansprüche nicht mehr möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg geblieben ist und der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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